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Nr. DtenSrag »e» LS. Dezember LVLv MWscheUolkszeitMlK Arlch-lnt tSglich «ach». «U »u»nah«e dn «onn- und Arsttaze. Unabhängiges Tageblatt »«VKLZ für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserat« werden die gespaltene PetitzeUe oder deren Raum mit IS S. Reklamen mit St» I die Zeile berechnet, bet Wiederholun,»« elUsprechendcn Rabatt vochdrnSerei, Sledaktia» aad «efchäftSstell«, — , ^ ^ Fernsprecher IS Dresden, Pillaitzer Straft« 48. gür Rückgabe unverlangt. Schriftstück« keine «er RedaktionS-Sprechstunde: II—LS Uhr. 1»«« « keine iverbindltchkett Vvk-rüglickiez von av Zs. an. l.ebk<uclieli, und ^ümt^fger I»us«n 5K In drkannten guten 0u,lit«« Hering L ^vekzii-vki. kteeietlagen In allen 5tE«I»en. Der Bund der Festbesoldelen. ii. Der Bund stellt sich als eine Gesamtorganisation der Festbesoldeten dar. will also Staats-, Kommunel- und Pri vatbeamte umfassen. Durch Hereinnahme der Privatbe amten gelangen jedoch in den Bund Berufskreise hinein, die nicht ohne weiteres Hineinpassen. Welche Interessen nach der wirtschaftlichen Seite hat denn der Privatbeamte mit dem Staatsbeamten gemein? Der Privatbeamte sucht in der Hauptsache durch die Selbsthilfe, durch die Ausnutzung des Koalitionsrechtes — gibt es doch schon eine »ein gewerk schaftliche Privatbeamtenkcwegung, die Mind-stlöhne und Tarifverträge erstrebt — zu bessern. Dagegen ist die L^ge der Staatsbeamten sozial eine gesicherte. Sie tonnen i e Lage nicht bessern im freien Geschehen des Wirtschaftslebens, sondern nur durch einen Eingriff staatlicher Gewalt, durch einen Akt der Gesetzgebung. Der Bund der Festbesoldeten verstößt also gegen das erste Prinzip einer wirrschaftspoli- tischen Bereinigung: daß diese nur solche Elemente umfassen darf, deren Interessen gleich, zum mindesten a> cr ähnliche sind. Vielleicht liegt der Grund für die Aufnahme der Pri vatbeamten darin, daß durch eine möglichst grotze Zahl von Mitgliedern der Einfluß des Bundes ein i werden soll, oder man will den Verdacht beseitigen, als ob der Bund der Festbesoldeten eine Aktion von Staatsbeamten gegen den Staat darstelle: denn es ist klar, daß die Belwr- den eine politische Beamtenbewegung mit einem gewissen Mißtrauen behandeln werden. Der Bund gibt aber auch die Unterschiede zwischen Staats- und Privatbeamten gleich sam selbst zu, indem er es für nötig hält, für die Privat beamten ein eigenes Programm mit speziellen Wünschen aufzustellen. Sodann bedenkt der Bund zu wenig, wie sehr im Leben auch ideale Momente eine Rolle spielen. Nach ihm sollen lediglich die gemeinschaftlichen Standes- und Berufs interessen als die Grundlage der gesamten Bewegung angesehen werden. Zwar kann man in der „Neuen Beam tenzeitung" (Nr. 19, 1910) den Satz lesen: „Wir beabsichti gen also nicht, die Festbesoldeten dem ursprünglich auf ideeller Grundlage aufgebauten Parteiwesen zu entziehen, sondern im Gegenteil die Beamtenschaft z» intensiver An teilnahme am politischen Leben innerhalb ihrer Partei, aber unter steter Berücksichtigung der berechtigten Inter essen der Festbesoldeten, hcranzuziehen", aber in dem Pro gramm werden kulturelle staatsbürgerliche Frage» mit einem Satze abgetan, alles andere sind nur wirtschaftliche Fragen. Reine Fragen der Weltanschauung werden über haupt nicht erwähnt. Der Bund will für die Parteien ein- treten. die sich für diese wirtschaftlichen Forderungen des Bundes erklären. Der Bund macht den Fehler, daß er für die Zugehörigkeit zu einer Partei fast nur v'rlschaftliche Momente ausschlaggebend sein läßt und die ideellen Motive, die aus der Weltanschauung resultieren, die aber für den Anschluß an eine Partei ausschlaggebend sind vollständig außer acht läßt. „Wir berücksichtigen d'e Umwertung. di> sich bezüglich der im politischen Leben der Gegeawon >> gebenden Faktoren vollzogen hat und gründen unsere Poli tik auf die Erkenntnis, daß in den politischen Kämpfen un serer Tage wirtschaftliche Fragen die Hauptrolle spielen," heißt es in der bereits erwähnten Nummer der „Neuen Be amtenzeitung". Nur daraus erklärt es sich, daß ein Führer der neuen Bewegung behaupten konnte: „Wenn zum Bei spiel ein Beamter, der der konservativen Partei angehört, als Kandidat aufgestellt wird, so halte ich es für selbstver ständlich, daß der sonst freisinnige Beamte sei.icn Kollegen unterstützt." Das ist ungeschminkte bloße Jnteressenpolitik, die stets zum Krebsübcl des staatsbürgerlichen Lebens wurde. Was nun die Schulung der Beamten anbelangt, so erscheint nach dieser Richtung hin der Bund nicht ohne »net teres als ein Bedürfnis. Heute liegen die Verhältnisse so, daß der Beamte in den Fachverbänden reichlich Gelegenheit findet, sich Schulung iin technischen Sinne anzueignen. Zur politischen Schulung bieten die besonderen politischen Par teien, die ja vielfach zu dem Zwecke eigene Einrichtungen geschaffen haben, die Möglichkeit. Die Beamten schließen sich je nach ihrer Weltanschauung einer der bestehenden poli tischen Parteien an. Die Parteien halten mit den Fach organisationen Fühlung, Deputationen der Fachorganisa tionen tragen den Abgeordneten ihre Wünsche vor. Die Beamtenschaft ist dabei nicht schlecht gefahren. Wenn aber der Bund der Festbesoldeten statt alle bürgerlichen Parteien für die Förderung der Beamtenwünsche zu gewinnen, bald diese, bald jene Partei (oder wohl richtiger bloß die libe v»« »eli8i»»tv ! Mg iot «ins virleliai» Autgsstoncks HUr. ^ Dins solo!»« knukon 8is bsi LL«LZ»r1eI» Lorvi»« llrssckon-^. LoliösssrZNttso 4 I ralen Parteien) als die einzige bezeichnen will, für die seine Mitglieder eintreten dürfen, ja sollen, so verstundet er sich und seine Bestrebungen allen denen Parteien, die von ihn» als „nicht beamtenfreundlich" gebrandmarkt werden. Da mit verringert er aber die „Stoßfläche" und damit die „Stoßkraft" der Beamtenschaft. Diese fährt entschieden besser dabei, wenn sie an dem bisher bewährten System festhält, indem die Beamten je nach ihrer Weltanschauung sich den verschiedenen bürgerlichen politischen Parteien an schließen und die Fachverbände mit allen diesen Fühlung halten. Dann wird bei allen Parteien das gleiße Beamten programm vertreten, alle Parteien werden in gleichem Sinne beeinflußt und schließlich wird ein einheitlicher Er folg erzielt. Wenn dieses Ziel noch nicht voll erreicht ist. so liegt der Grund auch darin, daß die Beamten vielfach zu wenig in den Parteien Mitarbeiten. Würde sich das bessern, so würde dadurch der Einfluß der Beamten in den Parteien zweifellos wachsen. Ein großer Teil der Beamtenschaft steht auf diesein Standpunkte und lehnt daher den Bund der Festbesoldeten ab. „Das Ziel einer zeitgemäßen Beamtenpolitik läßt sich sicherer und besser erreichen, wenn man es den Beamten überläßt, sich die Partei auszusuchen, die ihrer Ueberzeu- gnng am nächsten steht. Die Beamten aber als eine ge schlossene Masse Geivehr bei Fuß den wirtschaftlichen und politischen Kämpfen der Zeit zuschauen zu lassen und je nach Bedarf, bald rechts, bald links einschwenken zu lassen, ist eine geradezu selbstmörderische Taktik," heißt es in der „Breslauer Beamtenzeitung". Zuletzt muß die Politik, die der Bund einschlägt, zu einer weiteren Entfremdung zwischen Bürgertum und Be amtenschaft führen. Diese politische Einkapselung der Be amten würde ein Verwachsen der Beamtenschaft init der Ge samtheit der Volkes unterbinden. Wenn die Beamten ge schlossen als wirtschaftliche Jnteressenpartei auftreten und politische Parteien bekämpfen, werden deren Angehörige aus den übrigen Erwerbsßäirden in dein Beamten ihren politischen Gegner erblicke . In vielen Punkten ist der Bund auch insofern überfl >sig, als er die gleichen Forde rungen vertritt, die die F hverbände schon jahrelang ver treten. Bei der Bewertung » Bundes darf nicht unberücksich tigt bleiben die Gefahr, daß der Bund direkt parteipolitisch wird und einzelne Parten bekämpft, die anderen fördert, kurzum seine angebliche parteipolitische Neutra lität verletzt. Schon die Tatsache, daß der Bund aus den parteipolitischen Bemmen."chlvereinen hervorgegangen ist, muß das Mißtrauen wac> rufen. Im Bundesorgan, den „Deutschen Nachrichten", fanden sich Artikel über „Spaniens Denionstrationssonntag" und den Weltkongreß für freie? Christentum in einer Form, die den Katholiken unbedingt verletzen mußte. „Klostergeschichten" dürfen natürlich auch nicht fehlen. Ueberhaupt hat das Blatt einen etwas sen sationellen Einschlag. Wie es mit der parteipolitischen Neutralität aussieht, geht aus der Bemerkung des Bundesvorsitzenden hervor: „Aber auch die Konservativen könnten auf eine Unterstützung durch die Beamtenschaft nicht rechnen. Erst »venu die Kon servativen das. agrarische Joch abgeschüttelt, werde der Be amte zu prüfen haben, was cr bezüglich der Konservativen tun solle." In einem Artikel in Nr. 1 der „Neuen Beam- tcnzeitung" wird bezüglich des Ausganges der Reichsfinanz reform von Interessen gesprochen, die unbekümmert um das Wohl des Vaterlandes das Zustandekommen einer wirklichen Reform verhindert hätten, wobei nur die damaligen Mehr heitsparteien gemeint sein können. In Nr. 177 der „Deut schen Nachrichtei»" finden sich folgende Stellen: „Da die Wirtschaftspolitik der Privatangestellten wie die der Fest besoldeten überhaupt politisch auf liberales Gebiet drän- gen," „die ganzen politischen Grundsätze weisen den Libe ralismus darauf hin, daß er sich besonders der wirtschaftlich abhängigen Kopfarbeiter annehmen muß." Damit werden die Festbesoldeten ohne »veiteres für den Liberalismus in Beschlag genommen. Ueberhaupt will der Bund nur eine durchaus fortgeschrittene Beamtenpolitik treiben, mit einer offenen demokratischen Auffassung. Die Gefahr liegt vor, daß das Autoritätsgefühl allzustark angegriffen wird, daß die radikalen Strömungen, die heute schon stark in die Er scheinung treten, die Uebermacht bekommen. Demnach kann der Bund der Festbesoldeten nicht die geeignete Organisation sein. Pflege der BerufSorganisa- tionen der Privatbeamten, Pflege der Fachorganisationen der Staats- und Kommunalbeämten, tatkräftige Mitarbeit in den bestehenden politischen Parteien, enge Fühlung der Führer der Bewegung mit den Parteien, das ist der rich tige Wegl Politische Rundschau. Dresden, den 13. Dezember 1V10. — Der Kaiser hat mit Erzherzog Franz Ferdinand in Springe der Jagd obgelegen und kehrte Sonnabend abend 9 Uhr 15 Min. von dort nach Station Wildpark zurück. Von dort trat der hohe Gast die Rückreise nach Wien an. Erzherzog Friedrich bleibt bis aus weiteres noch in Potsdam. — DaS Krouprinzenpaar nahm am 11 d. M. von Ceylon Abschied. Die Kronprinzessin tritt auf dem Lloyd dampfer Lützow die Rückreise an, während der Kronprinz auf die Gnetsenau zuriickkebrte. Um 6 Uhr abends ver ließen beide Schiffe gemeinsam den Hafen. Am 14 morgens wird die Gneisenau in Bombay eintreffeu, wo der Gouverneur den deutschen Thronfolger an Bord begrüßen und die zum Stabe des Prinzen kommandierten englischen Herren sich melden werden. — Reichstag. Der zlveite Tag zur General debatte znn» Etat setzte am Sonnabend mit erhöhtem Interesse ein, denn der Reichskanzler sprach zweimal, zuerst über die innere Politik, dann über die Auslandspolitik, beide Male mit großem Eindrücke. In der inneren Politik gab er den Sammlungsruf aus, dabei desavouierte er die Blockpolitik sehr scharf, indem er erklärte, daß kein Teil ausgeschlossen werden soll. Früher hieß es anders. Wenn heute der Ruf lautet: Nicht rückwärts, sondern vorwärts! so sind »vir damit einverstanden. In der Auslandspolitik stehen »vir günstig, denn der Reichskanzler konnte eine Reihe von Erfolgen buchen: 1. Befestigung des Dreibundes, 2. Vertrauliche Verhandlungen mit England über Flotten stärke und Beseitigung der Reibungsflächen, 3. ein besseres Verhältnis zu Rußland. Man ließt aus den Erklärungen sogar heraus, daß eine Art Nückversickierungsvertrag abge schlossen »vorder» sei. Abgeordneter Bassermann hatte einen sehr schlechten Tag und noch weniger Zuhörer; lauter alte Ladenhüter, auch die Borromäusenzyklika vergaß er nicht. Aber er stellte sich nicht so bloß »vie Dr. Wieiner, der dieses Rundschreiben mit der Modernistenenzyklika verwechselte und dabei bewies, daß er beide Rundschreiben nicht gelesen hatte, und doch redete er darüber. Damit hat er den Wert seiner Rede bekundet. Den Schluß der Sitzung bildete eine scharfe Polemik des Abg. Freiherrn v. Gamp gegen die So zialdemokratei». — Bethmann Hollweg gegen Ausnahmegesetze? Die „Königsb. Allgen». Zeitg." bringt die Nachricht, daß vor einiger Zeit die Möglichkeit eines neuen Arbeitswilligen- gesetzes, ähnlich der Zuchthalisvorlage, sehr nahe gewesen sei. Der Kaiser sei namentlich durch Hamburger Einflüsse für den Plan gewonnen worden, der im Reichsamte des Innern wohlwollende bis begeisterte Aufnahme gefunden habe. Einzig und allein der Reichskanzler habe wider sprochen. Vor einigen Wochen sei es Herrn v. Bethmann gelungen, de»» Kaiser umzustimmen und für seine Haltung zu gewinnen. Wir müssen die Gewähr für die Richtigkeit dieser Nachricht den» genannte» Blatte überlassen, dürfen aber beifügen, daß uns ähnliche Meldungen von unterrich teter Seite zugegangen sind. - Tie Ersatzwahl in Labian-Wehla« ist ein sozial demokratischer Wahlsieg, aber ein freisinniges Mandat. Bei der Hanptwahl erhielt bekanntlich der konservative Kandi dat 7216 Stimmen, »nährend auf den Fortschrittler 5527 und auf den Sozialdemokraten 3708 entfielen. Da die letz teren vor der Stichwahl Parole für den Kandidaten der Volkspartei ausgaben, so stand bei der strammen Disziplin der Sozialdemokraten von vornherein ziemlich fest, daß Bürgermeister Wagner init erheblicher Mehrheit gewählt werden würde. Das Stichwahlergebnis kam also nicht über raschend. Bemerkenswert aber ist, daß es den siegreichen Parteien gelungen ist, noch ungefähr 500 Wähler mehr für sich an die Urne zu bringen, als in der Hauptwahl für sie eingetreten sind, der konservative Kandidat dagegen seine Stimmenzahl kaum »nieder erreicht hat. Es ist dies nach dem „Berl. Lokalanz." auf die umfassende Agitation der beiden linksstehenden Parteien zurückzuführen und auf dis Unterstützung, die der Hansabund seinem Mitgliede Wagner gewährt hat. Das ist der erste Sieg, der nach der Großblock taktik des „Berl. Tagebl." errungen worden ist, darum ist dieses Blatt auch so hoch erfreut und liegt heute vor den Genossen auf der» Bauche. Es schreibt: „Der Liberalismus bat von den Konservativen nichts zu erwarten und jedes, auch das leiseste Hinneigen zu dieser mit Unpopularität gestraften Partei muß ihm verderblich sein. Alle Kräfte der Opposition gegei» den schwarz-blauen Block und gegen die von ihm abhängige Negierung zusammenzufasscn und das Exempel von Labiau-Wehlau im ganzen Reiche nachzu ahmen — das ist der heutigen und der kommenden Stunde wahres und unverkennbares Gebot." Wir sind erfreut darüber, daß dieses Blatt selbst es ganz offen sagt, daß der Liberalismirs in den Städten keine Aussicht hat, daß er nur den Vorläufer der Sozialdemokratie markieren kann. Im Osten beginnt also die neueste Phase der Politik. Es »vird auch in anderen Landesteilen ähnlich gehen. — Herbsttagung der Deutschen LandwirtschaftSgrsrll- schaft. Die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft, die soeben in Berlin zu ihrer Herbsttagung zusammengetreten ist, feiert