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MttrwoH den 2V. MätZ IVIL Nr. 72 — List. Jahrgang »rschelnt tSglich nachm. mit «uSnahme der Sonn- und Festtage. Abgabe t mit .Dte Zeit in Wort und Bild' diertetjtlhrlich Ix.lv In Dresden durch Boten «,40 -lk. In ganz Deutschland frei Haus S.SS in Oesterreich 4,4» N. RnSgabe « ohne illustrierte Beilage diertcljtihrlich I,di« In Dresden durch Boten »,I« In ganz Deutschland frei -aus ».»!» 4k; in Oesterreich 4.0V L - Linzel Nr. 1« I. Anabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht nnb Freiheit Inserate werden die Ngespnltene Pelttzeile oder deren Raum mit 48 4, Reklamen mit Kl« 4 die Zeile berechnet, bei Wiederholungen entsprechenden Rabatt. Buchdrncheret, Redaktion nnd «eschästSstelle- Lre-den, Pillnttzrr Strafte 4». — Fernsprecher IS«« Jii» Riilkgabe „„verlangt. Schristftiiikr keine iverdiodltchkrtt RedaktionS-Eprechstunde: I I di« I» Uhr. Das österreichische Abgeordnetenhaus vertagt! DrsSden, den 28. März t!)1t. Das Unvermeidliche, das Kenner der parlamentarischen Verhältnisse bereits vor Wochen vorausgesagt haben, ist gestern zur Wirklichkeit geworden. Baron Bienerth hat ge tan, was er unter den obwaltenden Verhältnissen tun mußte — er hat das Haus vertagt. Das Ministerium hat die Auflösung des Hauses beschlossen, den Termin der Neu wahlen aber den Beschlüssen der Regierungsparteien über lassen. Das Abgeordnetenhaus, das erste des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechtes wird aufgelöst werden, ohne auch nur einen Teil jener Hoffnungen erfüllt zu haben, die bei seinem Zusuinmeiitritte von alleil Völkern Oesterreichs auf seine Wirksamkeit gesetzt worden waren. Große Fragen nationaler und volkswirtschaftlicher Art hätte es lösen sollen. Dem Volksparlamente wäre es be- schieden gewesen, die Frage der Volksversicherung, an welcher Hunderttausende, ja Millionen Bürger Oesterreichs interessiert waren, der Verwirklichung entgegenzuführen. Das Volksparlament sollte zu einem großen Schiedsgerichte im nationalen Streite der Völker Oesterreichs werden, der sein Inneres bereits seit Jahrzehnten durchtobt und sr w Entwicklung hemmt. Das Volksparlament hätte in Kcmw- quenz der Annexion der jetzigen österreichischen Reichslande an das Reich und der im Gefolge derselben eingetretcnen Ereignisse, die dem Reiche und seiner Großmachtstellung neue Pflichten auserlegten, die finanziellen Opfer für die zeitgemäße Ausgestaltung von Heer und Marine nicht mit den Blicken unangebrachter Engherzigkeit geiziger Sparer, sondern mit patriotischer Großherzigkeit bewilligen müssen. Das Volksparlament hätte auch die Aufgabe gehabt, den dringendsten Volksnotwendigkeiten Rechnung zu tragen, durch energische sozialpolitische Gesetzgebung für den Be amten-, Gewerbe- und Bauernstand. Nichts von alledem. Trotz des redlichsten Bemühens einzelner Parteien, ins besondere der Christlichsozialen, gelang es nicht, auch nur in einem dieser Punkte eine entscheidende Tat des Volks parlamentes herbeizuführen. Die Tschechen und mit ihnen im Bunde die Sozialdemokraten, die die Arbeit „für das Volk" so oft in dem Munde führen, sie haben das Parla ment durch die vier Jahre seines Bestandes niemals zu ruhiger Arbeit kommen lassen, sie haben es von einer Klippe zur anderen geschleppt, um das ihnen mißliebige Ne gierungsschiff daran zerschellen zn lassen, haben dadurch aber nur das eine bewirkt — die Herabsetzung des Hauses in den Augen der Bevölkerung, die Vernichtung einer jeg lichen positiven Arbeit und zum Schlüsse die Zerschmetterung des Parlamentes selbst. Ob ihnen diese Zerstörnngsarbeit ihre Wählermassen danken werden — das werden die Neu wahlen zu beweisen haben. Der Mittelstand in den Parlamenten. II. Der D e t a i l l i st e n st a n d. Im Reichstage begründete, nachdem vom Zentrum der Abgeordnete Dr. Pieper in der Sitzung vom II. März die Verhältnisse nnd Wünsche des gewerblichen und kauf männischen Mittelstandes schon kurz berührt hatte, die Resolutionen der Zcntrumspartei zugunsten des kauf männischen Mittelstandes der Abgeordnete Hauser-Freiburg i. B. Einleitend betonte er, daß, wenn das Zentrum in diesem Jahre davon abgesehen habe, Resolutionen auf dem Gebiete der H a n d w e r kc r p o l i t i k einzubringen, das nicht den Anschein erwecken solle, als wenn es in diesen Fragen vielleicht eine andere Stellung einnehmen würde als früher. Jni Gegenteil, er möchte ausdrücklich betonen, daß die Stellung des Zentrums in den Fragen der Hand- werkerfordcrungen heute noch die gleiche sei wie früher, und wie sie jedes Jahr im Reichstage immer dargelegt wor den sei. Veranlassung gewesen sei vielmehr insbesondere die Auffassung, daß man der Konferenz, die im April im Reichsamte des Innern stattfindet, und die sich mit jenen Fragen beschäftigt, die seit einem Jahrzehnt an der Spitze der Handwerkerforderungcn stehen, nicht vorgreifen und die Konferenz abwarten und sehen »volle, was sie zutage fördere. Im Anschlüsse daran äußerte sich der Abgeordnete Hauser nach dem stenographischen Berichte zu den Etats resolutionen des Zentrums folgendermaßen: Gehe ich nun über zu den eingcreichten Resolutionen, so verlangen »vir, daß die Vorschriften der Gewerbeordnung über die Wanderlager und Wanderauktionen erheblich verschärft werden, und daß der heimliche Warcn- handel durch scharfe Durchführung der bestehenden Gesetze unterdrückt werde. Der Herr Staatssekretär hat uns gestern in seinen Ausführungen gesagt, daß in Preußen beschlossen sei, für Wanderauktionen und Wanderlager die Bedürfnis- frage einzuführen. Wir anerkennen, daß das immerhin ein erster Schritt ist. Der erste Schritt fällt bekanntlich schwer; wir hoffen aber, daß diesem ersten Schritt auch bald weitere Handlungen der Regierung folgen werden, die dazu führen, daß schließlich die Wanderlager und Wanderauktionen voll ständig verboten werden. Nachdem die Negierung durch die Erklärung des Herrn Staatssekretärs zu diesem radikalen Schritte nicht zu betvegen war, so müßte doch gefordert werden, daß ein Nachweis über den Ursprung der Ware zu liefern sei. Es müßte ferner der Name des Inhabers des Wanderlagers bekanntgegeben werden und es müßte ge radeso wie beim Ausverkauf im Gesetze gegen den un lauteren Wettbewerb auch das Wanderlager zeitlich be schränkt und ein Nachschub von Waren verboten werden. Sodann halte ich die Besteuerung dieser Wanderlager für viel zu gering. Einen ebenso großen Schaden wie durch die Wanderlager erleidet der Kleinhandel durch den sogen. heimlichen Warenhandel. Dieser heimliche Warenhandel wird teils in der Form des direkten Verkaufes, mehr noch aber in der Form des provi- sions- nnd kommissionsweisen Verkaufes betrieben. Daß ein solcher heimlicher Warenhandel den reellen Kleinhandel schädigt, braucht eigentlich nicht erst bewiesen zu werden. Nicht weniger wird aber auch das kaufende Publikum ge schädigt, denn derjenige, der heimlichen Warenhandel treibt, ist im allgemeinen nicht mit übergroßer Sachkenntnis aus gestattet. Es werden aber auch geschädigt Staat und Ge meinde, denen die Abgaben, die der reelle Kaufmann zahlt, verloren gehen. Es ist deshalb der Wunsch der Geschäfts leute zu begreifen und auch voll berechtigt, daß diesem Trei ben Einhalt geschehe durch schärfere Vorschriften über die Anmeldepflicht, und falls die Händler die vorgeschriebenen Bestimmungen nicht beachten, durch eine strengere Be strafung der Uebertretung. Was weiter die Resolution ans Nr. 77k, betrifft, so ist darin verlangt, daß die Vorschriften der Gewerbeordnung über die D e t a i l r e i s e n d e n und Hausierer dahin abgeändert werden, daß die Einzelstaaten nach Lage ihrer Verhältnisse eine dahingehende Einschränkung treffen können. Ter Herr Staatssekretär hat uns gestern gesagt, daß die Behandlung dieser Frage eine schwierige Materie sei, daß sie beim Bundesrate öfter auf der Tagesordnung gestanden habe, und daß dort ebenso wie in unserer Fraktion die Ansichten darüber anseinandergingen. Das kann uns aber nicht abhalten, deswegen doch für eine Beschränkung des Hansierens und Detailreisens cinzntreten. Wir »vollen kein absolutes Verbot; »vir anerkennen ausdrücklich, daß eS Gegenden geben kann, wo Klima und Bodenbeschaffenheit es mit sich bringen, daß der Bewohner vom Ertrage des Bodens sich und seine Familie nicht ernähren kann, wo er also auf weiteren auswärtie.en Erwerb angewiesen ist. Es wird auch zugestanden, daß es Gegenden geben kann, wo auch von seiten des kaufenden Publikums vielleicht noch ein Bedürfnis für das Hausieren besteht. Aber gar kein Inter esse haben »vir daran, daß die ausländischen Hausierer bei uns Wandergelverbescheine ausgchändigt bekommen. Erstens machen sie den einheimischen Kaufleuten Konkurrenz, zweitens schädigen sie auch den einheimischen Hausierer, in dem sie ihm Konkurrenz machen. Ein Verbot der Abgabe Von Wandergewerbescheinen an Ausländer wäre mindestens am Platze. Als einen äbulichen Auswuchs des Hausier handels müssen »vir es a»cy bezeichnen, wenn große, zwei- spännige Wagen im Lande hernmfahrcn, gerade als flie gende Warenhäuser, und alle möglichen und unmöglichen Artikel vertreiben, dabei Waren nnd Artikel, die überhaupt nicht für de» Hausierhandel bestimmt und nicht dazu ge eignet sind. Auch für diese Art des Gewerbebetriebes im Umherziehcn wäre ein Verbot am Platze. Meine Herren, der kaufmännische Mittelstand hat nach unserer Meinung um so mehr Anspruch auf Berücksichtigung seiner wahlberechtigten Wünsche, als gerade durch die Er rungenschaften der neueren Zeit, durch Warenhäuser, Ver sandgeschäfte , Filialgeschäfte, Konsumvereine, Beamten- vereine und dergleichen ihm eine schwere wirtschaftliche Kon kurrenz erwachsen ist und er so von Jahr zu Jahr schwere Einbuße erleidet. Gewiß hat die Selbsthilfe auch hier schon manches Gute gezeitigt, schon mancher schöne Erfolg ist hier der Selbsthilfe zuteil geworden, namentlich seitdem der Detaillistenverband und der große Verband der Rabattspar vereine Deutschlands als große und lebenskräftige Organi sationen entstanden sind. Aber die Selbsthilfe allein ver mag nicht alles, sie muß unterstützt werden durch Staats- Hilfe; beide müssen Hand in Hand miteinander gehen, soll der kaufmännische Mittelstand, namentlich auch der Klein handel für die Zukunft lebenskräftig und widerstandsfähig erhalten werden und auch fernerhin ein wesentlicher Be standteil unseres Wirtschaftslebens bleiben. Die ausgiebige Behandlung der Mittelstandsfragen so wohl im Preußischen Abgeordnetenhause wie im Reichstage durch Abgeordnete des Zentrums hat wieder bewiesen, daß gerade im Zentrum der Mittelstand den besten Vertreter seiner Wünsche und seinen nachdrücklichsten Anwalt besitzt! Politische Rundschau. Dresden, den 28. März 1811. — D«S preußische Abgeordnetenhaus setzte am Montag die dritte Beratung des Etats fort. Nach unwesentlicher Debatte wurde der Kultus-, der Eisenbahn- und der Bau' Etat erledigt und tn die Beratung des Jnstizetats einge treten. Dienstag Foitsetzung. — Generalintendant v. Hülscn-Häseler hat am 27. d. M. vor den Mitgliedern der König!. Oper und deS Schauspielhauses im Konzertsaale des König!. Opernhauses zu Berlin Stellung genommen gegen die Angriffe, die der freisinnige Abgeordnete Kopsch am 2l. d. M. im preu ßischen Abgeordnetenhause gegen die Leistungen der König lichen Theater und die Geschäftsführung der Intendantur erhoben hatte. Ter Generalintendant erklärte, daß den« Abgeordneten Kopsch naturgemäß das Recht zur Kritik zu stehe, daß er aber sich genötigt sehe, hier zu ihr Stellung zu> nehmen wegen der Stelle, an der sie gehalten sei, und »veil sie eine schwere Kränkung aller Mitglieder der Königlichen Oper in sich schlösse. Er stelle die urkundlichen Naclßvecse tür die Unrichtigkeit der Behauptungen und Tatsachen jedem Interessenten zur unbeschränkten Verfügung. Er habe dem Kaiser die Bitte unterbreitet, ihn aus leinen« Amte zu entlassen. Ter Kaiser habe dieses Ansuchen jedoch abgelehnt. — In Dr. v. Tasters veröffentlichtem politischrir Testa ment heißt es: „Allen meinen Freunden und namentlich den politische» danke ich herzlich für alle Liebe und treue Freundschaft. Ich sende ihnen, aus diesem Leben im Vertrauen auf Gottes Gnade und Barmherzigkeit scheidend, die herzlichsten Grütze und bitte, mir zu verzeihen, wenn ich je einen verletzt oder ihm nicht ein gutes Beispiel gegeben hätte, und meiner ini Gebete zu gedenken. Mögen sie alle treu und standhaft blei ben in der Liebe zur heiligen katholischen Kirche, zunr engeren und weiteren Vaterlande, zum angestammte» Fürstenhause und in der unermüdlichen Sorge für das wahre Wohl des christlichen Volkes. Innig bitte ich meine politischen Freunde, an deren Spitze ich lange Jahre in Bayern zu stehen die ehrenvolle Aufgabe hatte, die Einheit in den politischen Grundsätzen unserer Zentrumspartei mit allen Kräften zu erhalten, stets das große Ganze gegenüber zu einseitig betonten Einzelintcressen zu schützen, niemals wegen Mängel oder Fehler einzelner die Partei und ihre Grundsätze büßen zn lassen, niemals wegen kleiner Fragen sich auch grundsätzlich zu spalten. Mögen sie nie vergessen, daß nur Festhalten an Grundsätzen, Standhaftigkeit und Geduld in der Arbeit, wie für den einzelnen, so für unser christliches Volk, vertreten durch die bayerische, wie deutsche Zentrumspartei, bleibende Früchte bringen und stets neue Lebenskräfte erwecken kann. Freising, 26. März 1910." — Tic Wirkungen der Reichsfinanzrcform von der badischen Regierung anerkannt. Die „Karlsr. Ztg.", das Organ der Großherzoglichen Regierung, bringt in Nr. 78 unter der unverfänglichen Ueberschrift „Reichsanleihen" einen offiziösen Artikel, in dem sie die günstigen Wirkungen der so sehr angefochtenen Reichsfinanzreform von 1909 anerkennt. Dos amtliche Blatt drückt sich zwar so vorsichtig »vie möglich aus. Es fällt aber doch ins Gewicht, daß nun auch die badische Negierung nicht mehr anders kann, als vor der so sehr verlästerten und verleumdeten Neichsfinanz- reform der Konservativen und des Zentrums von Amts wegen ein Kompliment zn machen. Der Hauptsatz lautet: „Wenn man den Anleihebedarf des Reiches in den letzten sechs Jahren überblickt, und sich dabei die Tatsache vergegenwärtigt, daß es im laufenden Jahre zum ersten Male »nit aller Wahrscheinlichkeit nicht nötig sein wird, den Geldmarkt mit neuen Anleihen des Reiches in An spruch zu nehmen, dann wird man sich der Ansicht nicht ver schließen können, daß die Finanzreform des Jahres 1909 trotz der schivercn innerpolitischen Erschütterungen, die sie zur Folge hatte und auch noch über die nächsten Reichstags wahlen hinaus zur Folge haben wird, doch eine Konsoli dierung unserer Ncichsfinanzen cingeleitet hat, welche in der kommenden Legislaturperiode eine wichtige Vorbe dingung für ein erfolgreiches Zusammenarbeiten zwischen Reichstag und Reichsregiernng nnd den Parteien unter einander schaffen wird." Ferner wird in dem Artikel noch cx»ranf hingewiesen, daß in diesem Jahre nur eine minimale Inanspruchnahme des NeichSschatzanwcisiingssonds nötig sein werde. So muß eine Regierung nach der anderen der Wahrheit die Ehre geben und das große Werk von 1909 loben. - Zentrum und Katholiken — Konservative und Protestanten. Auf einer Versammlung der konservativen Partei, die am Sonntag in Hamm i. W. stattfand, berührte der Vertreter dieses Wahlkreises im preußische» Nbgcord- netenhanse, der konservative Abgeordnete Schulze-Pelkum, auch das Verhältnis zwischen Zentrum und der konser vativen Partm. Er führte dabei ». a. aus: „Ganz besonders scharf aber muß ich den Vorwurf zu- lückweisen. als ob wir dem Zentrum irgendwelche konfessio nelle Konzessionen gemacht hätten, ols ob »vir irgend ein Gut unserer teuren evangelischen Kirche preisgegeben hätten oder preisgebcn wollten. Meine Herren! Das ist eine bodenlose Verleumdung! Ich kann versichern, wo immer nur ein Gut oder ein Gedanke unserer teuren evangelischen Kirche in Frage stand oder steht, da gibt es für unS sein politisches Machtinteresse, kein wirtschaftliches Inter, esse, keinen »vie immer gearteten Gedanken als allein den,