Volltext Seite (XML)
»ertammluna ab. D«r 1. Bor sitz ende. Kamerad Luge, begrüßte die Zahlreich erschienenen Kameraden und eröfsnete die Keriamm- iuu- mit einen. Hoch auf König und Kaiser. Kamerad Kliemand, als erster Schriftführer, trug den Jahresbericht vor, der. in Druck geleat, e,n übersichtliches, mit grober Sorgfalt gezeichnetes Mld der LereinStätigkeit gab. Der Kassenbericht, den Kamerad Trüber erstattete, ergab, daß aus dem Gebiete gegenseitiger »perktätiaer Unterstützung der Verein auch im abgelcnifenen G» ^ ^ L., Aran7enuriterstützungen »d an feiner . . . . ^ 45 Mk. für Unterstützungen in Krankheitsfällen, 4S70 Mk. Sterbegeld und 1360 Mk. an außerordentlichen Unterstützungen. Las Vereinsvermögen beträgt ^404 Mk. Eine besondere Ehrun« Verein hoffnungsfroh in das neue Vereinsjahr ein. — Die diesjährige Hauptversammlung des Dresdner Zweig- vereinS der evangelischen Gustav Abols-Stiftung wird am 5. November, abends 6 Uhr, mit einem Jestgottcsdienst i» der hiesigen DreikönigSkirchc etnaeleltet werden. Die Fcstprcdigt hält Herr Pfarrer F r o in m l, v ld - Eheinuitz, den Bericht gibt Herr Pfarrer Heise. Die Hauotversammlung wird im Anschluß an den Gottesdienst im Gcisthausc „Zum goldenen Apfel", Große Meißner Straße, abgehalte». — Der Gemeinnützige Verein eröfsnete vorgestern seine Vortragsabende im Saale des Stadtverordueten-Kollegiums Herr Pwfessor Dr. Gctz sprach über „Luthers Reise nach Rom" — Der OrtSverband Dresden der P e n s r o n sa n st a l t deutscher Journalisten und Schriftstelle am Montag im Verein nut dem Dresdner Schriftftell, Künstlerklub im Hotel ,,Amalienhof" den ersten geselligen Haltungsabend diefer Wintersaison ab, der in seinem ersten Teile ausschließlich Kompositionen von Felix Draescke brachte. Es erfreuten Fräulein Marie Alberti, Gejangslehrerin, ruit Ge sängen, Frau Wallner-Thurm. Schriftstellerin, mit ernsten und heiteren Rezitationen, sowie die Herren Kammermusikus Lang mit Äiolin- und Musikdirektor Richter mit Klaviervorträgcn. Allen Mitwirkenden wurde für den von ihnen gebotenen künst lerischen Genuß reicher Beifall zu teil. Den Flügel hatte die Hospianofortcfabrik von Kaps zur Verfügung gestellt. Ter an gekündigte Vortrag über „Liebespoesie aus dem alten Testament' nach Professor Wünsches neuestem Werk: „Die Schönheit der Bibel" mußte, da der Vortragende. Herr Beyer, erkrankt war, ausfallen. — Am Montag eröfsnete der Verein Ge werb treibender Dresdens die Reihe feiner dieswinterlichen Vortragsabende. An Stelle des schwer erkrankten Vorsitzen den, Herrn Buchbindermeisters Müller, eröfsnete und leitete dessen Stellvertreter, Herr Tapezierermeister Heinze, die gut besuchte Versammlung. Ter Vortragende des Abends, Herr Pastvr Tischer, behandelte das Thema: „Norwegen mit Bezug auf die neuesten Ereignisse". In knapper, aber klarer Form gab der Redner zunächst einen Abriß über die geographischen und ge schichtlichen Taten und ging daraus auf die neuesten politischen Vorgänge in jenem Teile der skandinavische» Halbinsel ein. Len Hauptteil des Vortrags bildete sodann die Schilderung der Naturschönheiten Norwegens und die Beschreibung der hervor- ragendsten Städte, der Bewohner usw., die Herr Pastor Tischer bei dem zweimaligen Besuche dieses Landes näher kennen zu lernen Gelegenheit hatte. Daß die anregenden, lebendigen Dar stellungen, die von einer großen Zahl von Photoarapyien usw. unterstützt wurden, das größte Interesse geweckt hatten, bewies der starke Beifall, der dem Vortragenden am Schlüsse gespendet wurde. — Ans eine 2 5 jähriac Dienstzeit konnte gestern Herr Gerichtsdiener Karl Wolf znrückblicken. Der Jubilar, der sich bei seinen Vorgesetzten und Kollegen allgemeiner Achtung und Beliebtheit erfreut und vom Publikum sehr geschätzt wird, ist, so lange er im Jiistizdienste steht, ausschließlich niit dem Dienst bei den Strafkammern betraut gewesen. — Ei» Bahnbeamter hat auf Postamt 25 auf dem Ncnstädter Bahnhofe gestern vormittag '/<12 Uhr beim Geldeinznhlc» ein Porte monnaie mit etwa 81 M k. 5 0 P s g. ans dem Zahlbrett liegen lassen, während er einen Gang in einen anderen Raum des Postamtes besorgte. Während dieser Zeit ist das Portemonnaie gestohlen worden. Wer etwas über den Verbleib des Porte monnaies anziigebcn vermag, wird gebeten, Mitteilung an die Polizei oder an das Postamt 25 gelangen zu lassen 200 Mk. wegen Fahnenflucht auf 6 Monate Gefängnis, der geringsten zulässigen Strafe! 4 Wochen gelten als durch die lnteriuchunqShast verbüßt. Von der sonst obligatorischen Ver setzung in die 2. Klasse des Soldatenstandes muß abgesehen werden, da der Angeklagte in keinem militärischen Verhältnis mehr steht. Zur Begründung wird ausgeführt, daß im allge meinen dos Delikt der Fahnenflucht nach Ablauf einer füns- ährigen Frist nach Zurücklegung des 39. Lebensjahres wohl verjährt, nicht aber im einzelnen Falle, wie hier, wenn die fünf jährige Verjährungsfrist durch einen rechtzeitigen Gerichts beschluß immer wieder unterbrochen wird. — Landgericht. Gegen den 1873 geborenen früheren Bahnarbeiter Gustav Paul Seifert in Klotzsche verhandelt die 6. Strafkammer wegen versuchten schweren Diebstahls. Der An geklagte hatte früher von dem VerniögeuSverwalter eines inzwischen verstorbeiicii Berussgeuosscil einige Gebrauchögeaeiistände gelaust und war dabei mit den Oertlichiciteu des stagkichc» Gruiidstücks bekannt geworden. Am 20. August öffnete er gewaltsam eine im ersten Stockwerk befindliche Wohnung und raffte einige gebrauchte Kleiduiigsstücke von geringem Werte zusammen. Ein hinziikom- inender Hausbewohner nahm dem Eindringling jedoch die Beute wieder ab. Der Angeklagte hat mit l Monat Gefängnis zu büßen. — Der Mjährige frühere Koutorist, jetzige Fabrikarbeiter Herma»» Oskar Map Schuppan befand sich im Jahre 1903 bei einer hiesige» Spcditioussstma i» Stellung Trotz seiner Jugend knüpfte ec mit mehreren Mädchen Liebesverhältnisse a», was ihm mehr Geld kostete, als ihm bei einem Monatsgchalte von zuletzt 65 Pik. zur Verfügung stand. Die Folge war, daß er da die Gescbäitskasse angriff nnd innerhalb eines halben Jahres den Der Zar soll den am Montag vollzogenen Schritt nach einer Meldung des «Daily Telegraph" wochenlang vorher über legt und eine Hospartei nach der anderen befragt haben, ohne zu einem Entschlüsse kommen zu können. Schlieulich sandte er am Montag morgen zu Witte und ließ ihm sagen, daß er bereit ei, leinen Vorschlägen den Vorzug zu geben und das große Experiment eines konstitutionellen Rußlands zu wagen. Als Witte dann kam, ergriff der Zar die Feder, bekreuzte sich und setzte, ohne ein Wort zu sage», seine Unterschrift unter das Dokument, welches seiner Autokratie ein Ende bereitete. Das russische Hofmarschallamt trifft Vorbereitungen für eine Reise des Zare n nach Moska ». Falls der Zar seine Dispositionen nicht ändert, wird er mit der Kaiserin bereits heute in Moskau cuttreisen Des weiteren liegen noch folgende Meldungen vor: In Wjasma (Gouvernement Smolensk) ist das ganze Jude »viertel zerstört und geplündert worden. Die Verluste sind sehr bedeutend. In Moskau haben die Rechtsanwälte in einer Ver sammlung beschlossen, die Entlassung TrepuwS und die gerichtliche Verfolgung des Moskauer Metro politen zu fordern, der antikanonijche Predigten versandie, in denen anfgesordert wird, über die Opposition berzufalle». Ferner wurde der Beschluß gefaßt, die Duma um Bildung einer Miliz aiizugehen uird im Falle der Weigerung der Dumn eine solche Organisation selbst ins Leben zu rufen. — Gestern ist der Verkehr auf den Bahnen von Moskau nach Kursk. Kiew, Woroucsch, Rfäfa», Ural und Wjasma erüsinet worden. — Aus einer Reihe von Provinzs ädtcn wird gemeldet, daß die P r ä v e n t i v z e n j u r für die Zeitungen gestern aui - gehoben worden ist. Zeit in Kiel ermittelt werden. Die 6. Strafkammer diktiert ihm 8 Monate Gefängnis zu, rechnet aber 2 Wochen als verbüßt. — Der 1818 geborene Glaseinträger Friedrich Hermann Bühlich in Großburgk verführte ein geistig schwaches unbescholtenes Mädchen unter 16 Jahren. Da die Angehörigen Strafantrag stellten, wird B. wegen Vergehens gegen 8 182 des Stmfgeietzbuches nach geheimer Beweisaufnahme zu 3 Monaten Gefängnis verurteilt. — Der aus Böhme» gebürtige, wegen EigentlimSvergeheilS mehrfach vorbestrafte Arbeiter Joses Angelina«» stahl in einem Restaura- tionsaruiidstück beschäftigten Maler» eine Anzahl Kleiduiigsstücke im Werte von 17 Mk. In der Zentralherberge wurde der Dieb beim Verkauf der gestohlenen Gegenstände abgefaßt. Da die er schwerende» Bestimmungen über den Rücksalldiebstahl zur Anweu düng komme» müssen, lautet das Urteil aus 4 Monate Gefängnis und 3 Jahre Ehrverlust: die Uiltcrsuchiliigshast wird mit 2 Wochen Gefängnis aliAerechnct. -- Eine 3mouatige Gefäiigiiisstraie wird der 1687 i» Striesen geborenen Zignrctteiipacterin Anna Louise Breuer zudiktiert, weil sie am 4. September als rückfällige Diebin ihrem Brotherrn ans dessen Wohnung eine Taschenuhr stahl. Tic Angeklagte leugnet bis zuletzt hartnäckig, obwohl man die Uhr in ihren Kleidern versteckt vorfand. — Der 25 Jahre alte Musikus Robert Paul Bellmaim aus Potschapvcl unterschlug als Chor führer eines Musikdirektors in Radeburg zwei Geldbeträge von zusammen fast 100 Mk. und betrog die Elter» seiner Schüler um geringe Darlehen in Gesamthöhe von 20 Mk. Er eintet, weil vorbestraft. 4 Monate 2 Worbe» Gefängnis. — Die wegen Dieb stahls wiederholt vorbestrafte Fabrikarbeiterin Elia Martha Bäßler aus Irnberg entwendete am 15. Juli ihrer Wohmingsacirofsiii einen Geldbetrag von 11,50 Mk. Das Urteil lautet auf 3 Monate Gefängnis: 2 Wochen gelten als verbüßt. Aus Len amtlichen Bekanntmachungen. Mit dem Kanal-Umbau in der B i e n e r t st r a ß e, zwischen Chemnitzer und Hohe-Straße, soll am 13. November begonnen werden. der neu — Eine Kuriosität bei der z» Ende gegangenen Ziehung Sächsischen La »des! ottcrie ist insofern zu verzeich- , als die höchste Nummer der Lose, die „100000", diesmal noch am letzte» Ziehungstage mit dem Geldeinsatz heraiisgckvmmcn ist. Diese Nummer figuriert ans der letzte» Ziehungsliste als letzte gezogene Nummer. Auch die „l" als erste Losnummer ist in der 5. Klasse derselben Lotterie mit dem Geldcinsatze gezogen worden. — Der heutigen Nummer d. Bl. liegt für die Stadtauflage ein Prospekt der Firma Görlitz u. Atiogbe, Spezial geschäft für Tapisserie-Artikel, Waisenhausstr. 16, bei. — Die Firma M. E. Korn in K ö tz s ch e n b r o d a begeht am 6. November ihr 25jähriges Geschästsiubttäuiii. — Anläßlich des goldenen Ehejubiläums, das das Ehevaar Ludwig Metzner in Miilsc» St. Niklas gefeiert hat, wurde ihm vom König und der Königin-Witwe Carola ein Ge- schenk von 40 Mark sowie 6 Wein übersandt. — Bei der Firma Nestler u. Breitfcld in Schwarzen« berg, vereinigte Eisenhüttenwerke Erla, Pieilkammcr und Wittigsthal konnte kürzlich 20 aus den Werken seit 30 Jahren und mehr beschäftigten Arbeitern daS „tragbare Ekrenzcichen für Treue in der Arbeit" verliehen werden. Kommerzienrat Richaro Breitfeld beschenkte außerdem jeden Ausgezeichneten mit einem namhaften «Sparbetrage. Aehnlichc Feiern fanden bei der Firma 1882. 1697 und 1901 statt, bei denen 32, '29 und 28 Mann der Arbeiterschaft in gleicher Weise ausgezeichnet wurden. — Militärgericht. Ein 52j übriger Deser teur hat sich vor dem Kriegsgericht der 32. Division in der Person des aus Neusalza bei Löbau gebürtigen Bürstenmachers und Arbeiters Karl August Rentzsch zu verantworten. Der aus der Untersuchungshaft vorgcsührtc Angeklagte wurde im De zember 1874 bei der 1. Kompagnie des 102. Infanterie-Regi ments in Zittau eingestellt. Angebliche Mißhandlungen und Schikane seitens seiner Vorgesetzten und Kameraden — nach der Beurteilung seines damaligen Kompagnicchcfs hat sich R. schlecht geführt — haben ihm nach seiner Behauptung das Soldatenleben verleidet, so daß er schließlich am 1. Juni 1875 von seiner Truppe fortlics in der Absicht, sich seiner Dienstpflicht dauernd zu entziehen, lieber Böhmen begab er sich nach Ungarn, Bulgarien, Serbien und später nach der Türkei. In diesen fremden Ländern hielt er sich bis zum Jahre 1898 auf. Um sein beim Vormundschaftsgericht in Ncusalza hinterlegtes Vermögen abheben zu können, machte sich seine Rückkehr »ach Deutschland notwendig. Vorsichtigerweile zog er aber erst Er- kundignngen ein, ob er beim Betreten deutschen Bodens noch strafrechtlich belangt werden könne. Ta ihm von angeblich zuoer- lässiger Seite ein günstiger Bescheid wurde, machte er sich aus die Reis« und traf am 18. August 1698 in Ncusalza ein. R. begab sich sofort auf das Gericht und gab auch hier über seine persön lichen Verhältnisse genaue Auskunft, blieb aber trotzdem unbc- 'helligt und bekam sogar sein Vermögen ausaczahlt. Jinolae- dessen blieb er, da er wegen der Fahnenflucht eine strasrecht- liche Verfolgung nicht mehr befürchten zu müssen glaubte, in Deutschland, bis er am 3. Oktober d. I. in Berlin plötzlich ver haftet wurde. Bor Gericht behauptet der Angeklagte, der bereits einmal im Jahre 1861 in Budapest verhaftet, aber schließ lich wieder aus freien Fuß gesetzt worden war, seine Festnahme sei zu «Unrecht erfolgt; wenn man ihn hätte zur Verantwortung ziehen wollen, hätte dies sofort 1898 bei seiner Rückkehr erfolgen müssen, so sei ihm aber im Gegenteil vom Gericht in Neusalza «in« beruhigende Auskunft aavorden. DaS Gericht erkennt unter Jnwegfallstellung einer im Jahre 1876 im Kontumazialversahren ge-a» den Angeklagten ausgeworsLiren Geldstrafe in Höhe von Die Unruhe» in Rntzland daucrn einstweilen noch sort. Das zarische Reform- Ai a n r f e st hat die gemäßigten Elemente anscheinend vollauf befriedigt, und von dieser Seile gehen denn auch die Freudenkundgebungen, bestehend in Umzügen, Volksversamm lungen, Festessen ufw., aus. Dagegen geben die auf den völligen Umsturz der bestehenden Staatsordnung hinarbcilendcn sozial- revolutionären Agitatoren ihr Spiel noch nicht verloren, und da sic die Volksmassen beherrschen, sorgen sic dafür, daß die revolutionären Kundgebungen nicht aufhörcn und der Massenstreik weiter aufrecht erhalten wird. Mehr fach sind, wie gemeldet wird, die Vertreter beider Richtungen anelnaiidergcratcn. In St. Petersburg scheint die Umsturz- Partei bereits auch in den Reihen des Heeres und der Marine einen großen Anhang zu haben: wenigstens berichtet der offiziöse Telegraph, daß Soldaten, Offiziere und Matrosen in den Räumen der Universität Versammlungen abgehalten haben, wobei die Teilnehmer lediglich die Vorsicht gebrauchten, die Achselklappen und die Achselstücke init Papier zu umwickeln, um das Regiment, dem sic angehörtcn, nicht erkennen zu lassen. Tie Matrosen der 10. Flottenequipage hatten den Revolutionären sogar versprochen, ihnen Waffen und Munition zu liefern: sie wurden an der Ausführung ihres Versprechens nur dadurch verhindert, daß man^ie nicht hcrauslicß, als die Volksmenge achen vor der Kaserne der 10. Flotten- zum Empfange der equipage erschien. Cs wird letzt bestätigt, daß Gras Witte einen scharfen Druck auf den Zaren durch den Hinweis auf den unvermeidlichen Zu sammenbruch des russischen Reiches und die Unzuverlässigkeit oer Truppen ausüben giutzte, um die Einwilligung zu den von ihm vorgeschlagenen Reformen zu erlangen. Nunmehr scheint er aber Herr der Lage zu sein: selbst Großfürst Wladimir hat zurzeit jeden Einfluß auf den Zaren verloren. Ein Ukas des Keifers reorganisiert, wie bereits mitgctcilt, den M > nisterrat. Ter Kaiser «wählt den Muttstcrrcitspräses aus den Ministern nnd anderen Würdenträgern, Tie Berichte der Verwaltungschefs an den Kaiser sind vorher dein Ministerpräses mitzitteilen. Gras Witte unterbreitete dem Zaren folgende Mi »ist er liste: Inneres Professor Karawajcw. Finanzen Romanow, Krieg General Kossitfch, Unterricht Kong, Marine Birilcw, Acußcres Graf Lnnisdorff, Verkehr Chilkow. Witte selbst behält die allgemeine Leitung oer ganzen Politik, Karawajew »nd Kong gehören der radikalen Richtung der Resormpartei an und sind beim Volke sehr beliebt. Die Zusammensetzung des neuen Kabinetts bietet eine Gewähr für die Durchführung der Ver fassung und der sonstigen Reformen. Interessant ist, wie sich die Pariser Presse über das kaiserliche Manifest äußert. Im „Siöcle" sagt de Lanessan: „Der Zar behält sich noch immer das. Recht vor, die Minister nach Belieben zu ernennen und abzusetzen: der Duma räumt er nur das Recht ein, die Gesetzlichkeit ihrer Handlungen zu überwachen. Die Duma wird sich das nicht gefallen lassen, cs wäre Selbsttäuschung, sich cinzubildcn, daß eine aus der Um wälzung hervorgeganaeiie Duma nicht etwas Revolutionäres in ihrer Haltung bewahren wird," „Petitc Räpnblianc" schreibt: „Die Verschwommenheit des Zarencrlasscs verhüllt vielleicht die geheime Absicht, das Volk noch einmal z» betrügen, wenn die Bewegung aufgeklärt hat, vor der die Widerstandskräfte der Selbstherrschaft die Waffen gestreckt haben. Die zeitgenössische Geschichte kennt mehrere Beispiele solcher Zweideutigkeit, aber die Bewegung würde sofort Wiederbeginnen, wenn der Kaiser feine Zusagen brechen würde." „Figaro" nennt den Erlaß und Wittes Bericht einen gräßlichen Galimathias, das ist nicht russisch und nicht sranzösisch, sondern eine Art bald zu harten, bald zu nebligen Kanderwälsch, das die Gedanken Kalo qualvoll hervorquetscht, bald sie in einem Gewäsch aufschwemmt. In einem anderen Artikel führt das Blatt aus, Rußlands Heil fei nicht in einer einheitlichen Duma, die zur Anarchie führen müsse, sondern in der Dezentralisation, in einem Bunde selbst- ständiger Landcsteile. Der wahre Freund Rußlands müsse heule den einst feindlichen Ruf wiederholen: „Es lebe Polen, Sire, dessen König Sie sind: cs liebe Finnland, sind!" Clsmenceau greift in der „Aurore" cn Großfürst i-ie .. . - Bitte heftig an. „Keine einzige Partei," sagt er, „kann zum guien Glauben und zur Uncioeniiiitzigkeit dieses Mannes Vertrauen haben. Cr war daS Faktotum der Selbstherrschaft, hat mit unermüdlicher Gefälligkeit alle ihre Fehler und Verbrechen gedeckt und steht der Bewegung der Geister, welche die letzten Widerstände des Zaren besiegt hat. gänzlich fern. Woher nimmt er das Recht, m der entscheidenden Stunde der Ausführung der Fnbrer dieser Bewegung zu werden?" TlineStteschichte. Fürst Bülow und die Abordnung des Tcntschcn Städtciagcs. Der Reichskanzler Fürst von Bülow empsliig am 31. Oktobcc in Gegenwart des Chefs der Reichskanzlei, Wirklichen Geheimen Oberrcgierungsrats von Loebell. die Abordnung des Deutschen Städtetagcs, welche um eine Audienz nachgesucht hatte, um ihre Wünsche in Sachen der Fleischoerteiiernng vorzubringen. Unter Führung des Herrn Oberbürgermeisters Kirschner-Berlin waren erschienen die Herren Bürgermeister Wirkt. Geh. Rat Bact- Slraßburg, Oberbürgermeister Geh. Finanzrat a. D. B e u t l e r- Drcsden, 1. Bürgermeister Ritter v. Borscht-München, Lbei- bürgermeistcr Gaiiß-Stullgari, Oberbürgermeister Schnetzlcr- Karlsruhe. Zunächst ergriff das Wort der Berliner Oberbürgermeister Kirsch n er und bemerkte u. o.: Es habe sich ergeben, das; ebenso in allen Teilen des Reiches eine ticsgehende Unzufrieden heit darüber Platz gegriffen habe, daß zur Beseitigung oder Milderung dieses Notstandes seitens der Regierungen der Bundesstaaten wie des Reiches nichts veranlaßt worden, und daß diese Mißstimmung erhöht und verstärkt worden sei durch die Behandlung, die diese Angelegenheit im preußischen Land- wirtichaftsministerium erfahren. Die einzelnen Mitglieder der Deputation seien bereit, über die Verhältnisse in ihrem Lande Auskunft zu geben, auch die Auffassung der städtischen Kreise über die Ursachen des Notstandes und die Mittel zu dessen Be seitigung oder Milderung näher üarzulegen, Sie dankten, daß der Herr Reichskanzler trotz seiner Bedenken die Deputation empfangen habe. ' Hierauf verbreitete sich der Reichskanzler zur Sache in folgenden, in einem Teile der gestrigen Morgenausgabe bereits kurz skizzierten Aeußerungeu: Es sei ihm erwünscht, die Vertreter großer deutscher Städte bei sich zu sehen und mit ihnen eine Frage zu besprechen, die unsere Volkswo'hlsahrt tief berühre. In der Presse, in Versammlungen und in Petitionen werde dem Reichskanzler und preußischen Ministerpräsidenten der Vorwurs gemacht, daß er gegenüber der in vielen Gegenden Deutschlands herrschenden Fleischverteuerung eine zu passive Nolle spiele. Ter Vorwurs sei ungerecht. Er, der Reichskanzler, verkenne keinen Augenblick, daß eine ungerechtfertigte Ver teuerung notwendiger Lebensmittel zu einer schweren Schädi gung, zu einer Bedrängnis weiter Volkskreise führen könne. Cr verkenne ebensowenig, daß der verantwortliche Leiter der Reichs- und Staatsgeschäfte die Pflicht habe, solcki« Schädi- gungcn zu verhindern oder einzuschränken, soweit dies in seiner Macht liege. Er habe den Herren bereits schriftlich mitgeteilt, welche Zuständigkeit der Reichskanzler gesetzmäßig in dieser Frage habe. Er habe die Verpflichtung und Berechtigung, die zur Abmehr von Seuchencinschleppungen von den zuständigen Landesregierungen getroffenen Maßregeln zu überwachen, auch die beteiligten Bundesstaaten zu einheitlichen Abwehrmaßregeln zu veranlaßen. Darin liege aber an sich nicht das Recht, Maß regeln, die von einer Landesregierung zur Abwehr von Vieh seuchen erlassen seien, auszuheben ober zu befchränken: die Verantwortung zu solchem Eingriff in die Rechtssphärc der Einzelitcicitcn gegen deren Willen könnte kein Reichskanzler übernehmen. Tie Erhaltung unseres deutschen Viehbestandes entspreche vitalen Interessen unseres Volkes, nicht nur der Landwirtschaft, sondern des gesamten Volkes. So lange er an verantwortlicher leitender Stelle stehe, werde er niemals die Hand dazu bieten, den deutschen Viehbestand durch Außeracht lassung notwendiger Vorsichtsmaßregeln oder durch einseitige Maßnahmen zu gefährden. Er sei zu sehr durchdrungen von der Bedeutung der Landwirtschaft für unser Volkswohl, um nicht Schädigungen von ihr sernzuhalten. Das schließe aber keine einseitige Bevorzugung der Landwirtschaft in sich, sondern lasse sich vollkommen vereinigen mit der Wahrnehmung der Inter- essen aller Erwcrbsstände, Die formale Zuständigkeit vcr- bindere nicht — Lies sage er ganz besonders gegenüber den Erörterungen in einem Leipziger Blatt, das seine neuliche Antwort an den Herrn Oberbürgermeister Kirjchner kritisiert habe —, daß er seinerseits nicht unterlassen würde, in aemein- same Erwägungen mit den Bundesregierungen darüber zu treten, ob Erleichterungen an den Grenzen eintreten könnten, wenn er die Ueberzengiing gewonnen hätte, daß solche Erleich terungen möglich und zweckmäßig wären. Zu dieser Ueber- zengniig fehlten aber vorläufig die Voraussetzungen. Wenn Maßregeln zur Beseitigung von Ucbclstcinden getrosten werden sollen, io müsse man zunächst klar sehen über die Gründe der Ncbelitände, Ziiznacben sei eine zum Teil erhebliche Steigerung der Biehpreise, insbesondere bei den «Schweinen. Es frage sich aber, ob diese Steigerung aus einen Vichmangel im Jnlande oder ans andere Ursachen zurückzuführc» sei. Ob ein Viehmangel vorliegc. könne nicht durch die Statistik einzelner Märkte in den großen Städten, nicht durch Preßarlikcl oder Reden in Ver sammlungen, sondern nur durch eingehende Ermittlungen im Lande scstgestellt werden. Es frage sich ferner, ob die Preise an den Markierten im Verhältnis stehen zu den Stallprcisen, die Großhandelspreise zu den Detailpreisen oder ob ein ungerecht- icrliater Aufschlag vom Zwischenhandel erhoben werde. Sollten Flcischmangcl und zu hohe Fteischpreise festgeftellt werden, io frage es sich weiter, ob die Ocsiiiuna dcrGrcnzen ein taugliches Mittel sei, nnd ob sie sich ohne Gefahr der Scucheneinschleppuna durchftihren lasse. Sei letzteres nicht der Fall, so müsse inan von dieser Maßregel Abstand nehmen, denn ein Seilchcnailsbrnch im Jnlande würde nicht nur die Landwirtschaft anss schwersie schädigen, sonder» auch die Fleischtencriing erheblich vermehrcn, ja zu einer wirklichen Fleischlich führe». Er müsse immer wie der daran? hmtveiseii, daß die Sperrung der Grenzen nicht zu dem Zweck erfolge, der Landwirtschaft höhere Preise zu sichern, sondern um die schwere Schädigung zu vermeiden, die der Aus bruch von Viehseuchen dem nationalen Wohlstände und der Er nährung des Volkes bringen würde. Schließlich bedürfe cs auch der Feststellung, ob im Auslände genügendes Vieh zur Aus fuhr vorhanden sei. und ob im Auslände die Preise wesentlich geringer wären als im Jnlande. Diese Feststellungen seien notwendige Voraussetzungen für eine Entschließung, die Grenzen zu öffnen oder andere Maßrcaeln zu treffen. Tie Herren Wüßten, daß für Preußen seit Wochen cingebende Erhebungen nngeordnet seien, die Klarheit über olle diese Fragen geben sollen. Diese Erhebungen wären dem Abschlüsse nahe und würden die Grundlage weiterer Entschließungen für die vreu- ßische Staatsrcgiernng bilden. Inzwischen könnten die städti schen Verwaltungen manches tun, um ihrerseits die Fleiich- ttueriing zu beschränken. Er könne den Herren nur empfehlen, dem Beispiele der Stadt Wien und den Anregungen der preu ßischen Landwirtschastskammern zu folgen und ihrerseits in der Dv-»-ire* Aachpichten. -k. SOS. Seite 3. Freitag. ». November LOOS