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82. Jahr- Dienstag, den 8. April 1879. Mauch. «kMtint in Riesa wöchentlich dreimal: LienStag, Donnerstag und Tvnnabeud.— tibonnementSpici« vierteljährlich I MarkrsPlg. — Bestellungen nehmen alle ikaistrl. Post-tlnilalten. die lkxpedilioneii i» Riesa und Strebla («t. Schön), in Stauchitz v"r Bruno Döriel, sowie alle Voten entgegen. — Inserate, welch« öei dem au-gebreueten Leserkreise eine wirksame Beroßenll-chung ftndeii, erbitte» wir uns bi- TagS vorher Vormittags lö Uhr. Bekanntmachung. Alle Diejenigen, welche dem Nachlasse der verstorbenen Schnittwaarenhändlcrin Wilhelmine Charlotte Walther in Riesa Etwas schulden, oder im Besitze von der Walther gehörigen Effecten sind, werden hierdurch aufgefordert, ihre Schuldbeträge binnen 14 Tagen an da unterzeichnete Königliche Gcrichtsamt als Nachtaßbehörde einzuzahlen, beziehentlich etwaige Effecten hierher abzuliefern. Gleichzeitig werden Diejenigen, welche an den Waltherschen Nachlaß aus irgend einem Rechtsgrunde Ansprüche zu erheben haben, aufgefordert, diese ihre Ansprüche binnen gleicher Frist hier anzumelden. Riesa, am 3. April 1879. Königliches Gerichtsamt. , ' ( Scheuffler. EiMall und Anzeiger. Amtsblatt der Sönigl. Ämtshauptmannlchast Großenhain, der Lönigl. Gerichtsämter Mesa und Strehla, sowie des Ztadtraths M Mesa und des Ztadtgemeinderaths ;u Strehla. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. Für die Redaction verantwortlich: T. Langer in Riesa, n Umschau. In Berlin wurde in den letzten Tagen mehrfach die Nachricht verbreitet, daß bei Gelegenheit der gol denen Hochzeit unseres Kaiserpaares eine abermalige Zusammenkunft der Kaiser von Deutschland, Rußland und Oesterreich stattfinden werde. Neuerdings ist eine solche Dreikaiserzusammenkunft jedoch stark wieder be zweifelt worden und es dürfte nur so viel wahr scheinlich sein, daß der Kaiser Alexander von Rußland bei der Feier der goldenen Hochzeit unseres Kaiser paares zugegen sein wird. Auf Anordnung Kaiser Wilhelms wird die goldene Hochzeit auch nur im engsten Familienkreise und zwar wahrscheinlich auf der Insel Mainau im Bodensee gefeiert werden, wohin sich der Kaiser zur Luftkur im Laufe des Frühjahrs zu begeben gedenkt. Auch werden der Kaiser und die Kaiserin, für den Fall, daß die milde Witterung an hält, demnächst ihren Aufenthalt auf Schloß Babels berg bei Berlin nehmen. Der Bundesrath hat sich in letzter Woche in einer vom Fürsten Bismarck geleiteten Plenarsitzung sehr rasch über die Vorlage, welche die Zolltarifrevisions commission eingereichl hatte, schlüssig gemacht. Die freien Städte Hainburg, Lübeck, Bremen und auch das Großherzogthum Oldenburg stimmten gegen die Vorlage, alle anderen Staaten aber für dieselbe, sodaß die gesammte Vorlage mit großer Mehrheit vom Bundesrath angenommen wurde und eS mithin nur dem Reichstag übrig bleibt, etwaige Abänderungsan träge zu stellen. Der Reichstag hat am 3. April seine letzte Sitzung vor den Osterferien gehalten und sich hierauf bis zum 28. April vertagt. Derselbe arbeitete in den letzten Sitzungen mit Anzeichen offenbarer Unlust; auch hatte das milde Frühlingswetter zu viele Abgeordnete in's Freie gelockt, so daß bei den letzten Sitzungen nahezu die Hälfte der Abgeordneten fehlte, welche die Oster ferien noch früher beginnen ließen, als eS offiziell der Fall war. Weder den Reden zum Nahrungsmittel gesetz, noch den Debatten über den Vogelschutz wurde eine mehr als vorübergehende Aufmerksamkeit zu Theil. Bei dem NahrungSmittelgesetz führte der 8 10 noch einmal zu einer etwas lebhaften Diskussion. Es ist darin die Definition deS Begriffs der „Fälschung" und „Nachahmung" enthalten, und drehte sich die Debatte um die Feststellung der Grenzen hierfür. WaS die zweite Berathung deS BogelschutzgesetzeS anbelangte, so wurde die Vorlage einer Kommission überwiesen, da es sich als mißlich erwies, den Entwurf im Plenum durchzuberatheu. Außerdem erledigte der Reichstag eine« Nachtrag zum Wechselstempelgesetz. Die vom BuudeSrath genehmigt« Zollvorlage ist den ReichS- tagSabgeordnetru in die Ferien nachgesendet worden, damit fie für die Prüfung derselben hinlänglich Ge legenheit haben. Lre längere Unterredung, welche Fürst BiSmarck mit dem RnchStagSabz. Wmdthorst am 81. v. M. im Reichskanzler-Palais hatte, wird immer noch in allen Tonarten in der Presse besprochen und glossirt. Es scheint doch nunmehr fest zu stehen, daß zwischen beiden Staatsmännern eins specifisch hannöversche An gelegenheit verhandelt worden ist, wobei es wohl an gelegentlichen Seitenblicken auf andere Gegenstände nicht gefehlt haben dürfte. Die Aufhebung des Artikels V des Prager Friedens von Seiten Deutschlands und Oesterreichs ist nun doch iin dänischen Landtage Gegenstand einer geheimen Berathung gewesen, wobei der dänische Mimster des Aeußern alle den Artikel V betreffenden Aktenstücke vorgelegt hat. Das Resultat der Berathung konnte kein anderes sein, als das Regierungs- und Volksver treter Dänemarks zur Einsicht ihrer politischen Schwäche gelangten. In Oesterreich ist man kurz vor den Osterferien des Neichsraths noch mit her Bilanzirung der Finanz lage herausgerückt, wobei leider abermals ein Deficit von 50, sage fünfzig Millionen Gulden vorgefunden wurde. Dieses Deficit und einige hinsichtlich der Occupalion Bosniens- eingebrachte Interpellationen werden daher wohl später zu endlosen Debatten im österreichischen Abgeordnetenhause führen. — Im ungarischen Abgeordnetenhaus machte der Minister präsident Tiska die Mittheilung, daß für die Verun glückten von Szcgedin bis jetzt 857,000 Gulden ein gegangen seien, welche Summe bis zur Wiederher stellung der Stadt verzinsbar angelegt worden sei. Außerdem soll den Szegediner Instituten ein Credit von einer Million bewilligt und Alles gethan werden, um die vollständige Trockenlegung des Stadtgebiets herbeizuführen. In der Frage der Rückkehr der französischen Kammern nach Paris hat sich der Senat nun doch vorsichtiger und gemäßigter gezeigt als die rücksichts los Vorwärtsstürmende republikanische Mehrheit der Deputirtenkammer, denn der Senat hat einfach die Vertagung der betreffenden Vorlage votirt. Wahr scheinlich ist es, daß dieses Votum des Senats eine neue Zersplitterung unter den französischen Republikanern erzeugt, da sich die Radikalen der Deputirtenkammer durch die Haltung des Senats jedenfalls verletzt fühlen. Inzwischen sind jedoch die französischen Kammern in die Osterferien entlassen worden und die ängeregte Affaire wird wahrscheinlich bis zum neuen Zusammen tritt der Kammern schlummern. In Rußland scheint keine Woche mehr ohne ein nihilistisches Attentat verfließen zu können, denn aus Moskau wird wiederum von einem Morde gemeldet, der einen starken nihilistischen Anstrich hat. Auf einem Ball«, nach anderen Nachrichten auch in einer Thee- gesellschaft erschien am Abend deS 28. März rin Fräulein Kazeka, aus adeliger Familie stammend, welche direkt auS Petersburg angekommen war, und erschoß einen jungen Mann, NamenS BajraszewSki. Die Mörderin ließ sich ruhig verhaften, doch «tigerte sie sich) daS Motiv ihrer That anzugeben. - - In der italienischen Deputirtenkammer wurde em Antrag der Abgeordneten Cairoli und CriSpi auf Aufhebung der Mahlsteuer angenommen. Die bulgarische Notabelnversammlung hat die Entscheidung in der Fürstenwahl noch hinausgeschoben, obwohl der Prinz von Battenberg bereits als sicherer Thronpräsident Bulgariens gilt. Dagegen Verieth die bulgarische Notabelnversammlung die von Rußland durchgeführte militärische Organisation Bulgariens, nach welcher dieses Land in den letzten sechs Monaten 21 Bataillone Infanterie, 8 Batterien Artillerie, 4 > Schwadronen Cavallerie, eine SappeurS- und eine Ähr compagnie und eine Compagnie Belagerungsartillerie erhielt. Man sieht, daß die Ruffen die Bulgaren bis an die Zähne bewaffnen und dies Alles zur Aufrecht erhaltung des Friedens im Orient- Die Verhandlungen über die „gemischte Occupatio»" Ost-Rumeliens dauern ununterbrochen fort. Nach den neuesten Nachrichten ist bisher die Theilnahme Englands, Oesterreichs, Rußlands und wahrscheinlich auch Italiens . festgestellt, während von der Türkei noch keine Rede , ist. Nach der „Morning-Post" soll es aber bereits entschieden sein, daß keiner der kriegsführenden Mächte (Rußland, Türkei) zur Theilnahme an der Occupation zugelassen sei. Natürlich ist die Pforte bemüht, sich durch Garantien sicher zu stellen, damit ihr die im Berliner Vertrag in Ost-Rumelien gesicherten Rechte auch erhalten werden. Für die Signaturmächte handelt es sich bei dem Projekte der gemischten Occupalion durchaus nicht um ein Lossagen von den Grundsätzen des Berliner Vertrags. — Die englische Regierung . soll beschlossen haben, ein englisches Truppencontmgeüt von 5000 Mann nach Ostrumelien zu senden. Was Englands Finanzen betrjfft, so liegt seit dem 1. April der detaillirte Ausweis über die Staatsein nahmen vom 1. April 1878/79 vor, nach welchem die Gesammt-Linnahmen 83,115,978 Lstr. betröge». Das sind 3,352,673 Lstr. mehr als die Einnahmen des vorigen Jahres. An diesem Zuwachs der Staats einkünfte sind fast alle Einnahmequellen betheiligt, mit Ausnahme der Getränke-Steuer (Accise) und der Stempel gefälle. Die Einnahmen des am 31: März s. «.en dende» vierten Quartals des verflossenen Finanzjahres ?' belaufen sich auf 28,520,188 Lstr. gegen 25,888,25LLstr. ein entsprechender Zeitraum deS vorhergehenden Jahves, das ist ein Zuwachs von 2.631,933 Lstr. — WaS , den in Aussicht stehenden Krieg Englands .mit Birma anbelangt, so erfährt man darüber, daß die in Britisch-Birmä stehenden Truppen nur zUM Schutze der englischen Unterthanen verstärkt wurde«. In Spanien ist ein heftiger Wahlkampf auSge- gebrochen. Die föderalistische» Republikaner haben er klärt, sich überhaüpt am Wahlkampfe nicht betheiligen zu wollen. Die demokratische« Anhänger Resez Zoriklqs gingen nicht so weit. In einer Versammlung diesev Gruppen wurde beschlossen, und zwar mit 115 gegen 75 Stimmen an de» Wahlen Theil zu nehmen. SÄK die liberalen Parteien sich vereinigten, dürfte der jetzigen Regierung der Wahlkampf sehr sauer gemacht werden.