Volltext Seite (XML)
OertlicheS und Sächsische-. Riesa, de» 7. April 187S. — Nach Beendigung der diesjährigen öffentlichen Schulprüfungen, welche iu der Zeit vom 29. März bi- zum 4. April stattfanden und es wiederum zur Genüge bekundeten, mit welchem Ernst die Aufgabe der Schule hier aufgefaßt und mit welcher Treue und Gewissenhaftigkeit an der Lösung derselben gearbeitet wird, wurden am Sonnabend, den 5. April, Vormittag- 10 Uhr, diejenigen Schüler und Schülerinnen, welche den Schulcursus beendigt haben, feierlich entlassen. Die Abschiedsansprache a» die Scheidenden hielt Herr Vice director Bemmann auf Grund von 1. Joh. 2, 15—17. Nach dem Gesänge zweier Strophen aus dem Liede: „O Vater, du, mein Licht und Leben rc.", ergriff der Herr Redner das Wort und legte in tief durchdachter, ernster und warm gesprochener Rede den versammelten Schülern und Schülerinnen die hohe und ernste Be deutung des Tages ans Herz, führte sie im Geiste noch einmal durch die einzelnen Stadien der schönen Schul zeit, erinnerte sie an die Pflicht der Dankbarkeit gegen Gott, gegen Eltern und Lehrer und entwickelte dann im Hinblick auf die dem Menschenauge verhüllte Zu kunft auf Grund des gewählten Textes die Gefahren, die ihnen auf dem Markte deS Lebens entgegentreten werden. Wenn das treue Vaterauge in der Ferne weilen, das sorgende Mutterherz mjr noch das Gebet als einziges Mittel in der Hand haben wird, die jungen Christen auf dem Wege zu erhalten, der zum Leben führt, wenn auch die warnende Stimme des treuen Lehrers ihnen nicht mehr helfend zur Seite stehen wird, dann werden kommen, die ihnen aus dein Herzen werden reißen wollen, was Elternhaus und Schule mühsam hinein gepflanzt haben. Dann aber sollen sie gewappnet sein gegen die Versucher von außen und innen und sollen im Hinblick auf Gott und im Hinblick auf den, der uns ein Vorbild gegeben hat, daß wir nachfolgen sollen seinen Fußtapfcn, im Hinblick auf Jesum Christum, den Anfänger und Vollender unseres Glaubens, allen Reizungen und Lockungen zur Sünde standhaft widerstehen. Mit einem Gebet für die Scheidenden und einem allgemeinen Gesänge schloß die' ernste und ergreifende Feier. Die Kinder wurden da rauf von ihren Klassenlehrern in die Klassenzimmer geleitet, wo sie ihre Entlaffungszeugnisse eingehändigt bekamen. Den Tag darauf, am Sonntage Palmarum, wurde vor versammelter Kirchengemeinde an diesen Kindern, 151 an der Zahl, nämlich 85 Knaben und 66 Mädchen, an heiliger Stätte die Confirmation vollzogen. Herr Pastor Führer gründete seinen Zuruf an die jungen Christen auf Jerem. 21,8: „Siehe ich lege euch vor den Weg zum Leben und den Weg zum Tode!" — Heute, Montag, fanden die Proben für die beiden vakanten Lehrstellen an hiesigen Schulen in der Aula statt und sind die Herren Johne aus Colditz und Höppner aus Glauchau gewählt worden. — Schluß des Schuljahres: Mittwoch, den 9. April, Mittags. Der Unterricht beginnt wieder: Mittwoch, den 23. April. — Gestern Sonntag Nachmittag 3 Uhr fand der Schluß der Ausstellung von Lehrlingsarbeiten statt. Leider waren zu diesem Acte nur wenige Lehrmeister, deren Lehrlinge ausgestellt hatten, erschienen. Es wurden ß Vorzugsprämicn gewährt und zwar dem Schlosser lehrling Robert Scheibe die erste, von 3 Mark, dem Tischlerlehrling Oscar Rühle und dem Uhrmacher lehrling Richard Müller die beiden Prämien, L 2 Mark, dem Schmiedelehrling Otto Hofmann in Röderau, detn Maschinenschlofferlehrling Fürchtegott Strehle und dem Glaserlehrling Karl Scbuster drei Prämien, L 1M. 50 Pf Alle übrigen Aussteller erhielten eine Prämie von 1 Mark ; außerdem wurden jedem Aussteller außer 2 Lehrlingen Belobigungs-Decrete ausgehändigt. Diese kleinen Geschenke, nahmen die Lehrlinge mit sichtbarer Freude entgegen. Nach der Prämiirung wurden 6 Lehr linge, welche diese Ostern die Lehre verlassen, von der Commission losgcsprpchen, und die ihnen hierüber ausgefertigten Lehrbriefe ausgehändigt. — In der am 1. April abgehaltenen Sitzung des Handwerkcrverejns, in welcher zunächst einige Vereinsangclegenheiten erledigt wurden, referirte Herr Schmidt über die Frage: „Welche Bedachung ist die beste, Ziegel-, Schiefer- oder Eisen-Bedachung", und gelangte Redner nach eingehender Erörterung zu dem Resultat, daß gegenwärtig Schiefer als die beste Be dachungsart zu empfehlen sei, da Ziegel allerdings billiger seien, aber in ihrer heutigen Beschaffenheit nicht dauerhaft, auch ihrer Poröfität wegen zu viel Feuchtigkeit einsaugen, wohingegen Schiefer keine Nässe annimmt, eine große Widerstandsfähigkeit gegen Sturm hat und von unbegrenzter Dauer ist, der theurere Kostenpunkt aber durch vorgenannte Vorzüge ausgewogen werde. Ueber Eisenbedachung sprach Redner seine Ansicht dahin au», d-ß dieselbe noch zu neu sei, um heute schon über ihre Zweckmäßigkeit em Urtheil Men zu können.' Hierauf gab Herr »Nagel einen Auszug au« einem Vortrag, welchen der österreichisch-ungarische Generalcousul Rittex vou Scherz« unlängst gehalten ha^ über „die deutsche Arbeit in frenrden Erbtheilen", rn welchem derselbe zunächst constatirt, daß überall in der Welt, wohin die Cultnr gedrungen, dte Spuren deutschen Fleißes zu sehen seien, es zeige sich dies namentlich jenseits des Oceans, in Amerika. Wenn dort bis jetzt kein neues Deutschland entstanden, so habe dies nur m der Gleich gültigkeit seinen Grund, mit der die deutsche Regierung die Auswanderung bisher behandelt habe. Die Aus wanderung aus Deutschland datirt seit dem dreißig jährigen Ikriege, und war eS die englische Regierung, welche die ersten 12,000 Deutschen unentgeldlich nach Amerika befördert har. Seitdem habe die Auswanderung progressiv zugenommeu, und allein rn den letzten 60 Jahre» seien aus Deutschland mindestens 4 Millionen ausge- wandert, die an Vermögen und Arbeitskraft einen un geheuren Betrag mit fortgenommen hätten. Es wurden nun die verschiedenen Länder nach ihrem Klima und ihrer Bodenbeschaffenycit beleuchtet, welche sich am meisten für die deutsche Auswanderung eignen dürften und wurde u. A. der Freistaat Chile mit seinen freien Institutionen als für dre Einwanderung einladend befunden, wo auf 6650 Quadrat-Meilen nur eine Bevölkerung von etwa 2 Millionen Seelen lebe. Auch die Samoa- und Salomons-Inseln, wo bei einem Flächeninhalt von 750 Quadrat-Meilen nur 6000 Seelen wohnten, seien namentlich deshalb zu empfehlen, weil daselbst gutes Klima herrsche und eine leichte Verbindung Mit dem Mutterlande einzurichten sei. Ueberhaupt sei die aufgetauchte Befürchtung, daß die Erde bald nicht mehr das erzeugen könne, was zur Ernährung der Menschen rc. nöthig sei, neuerdings durch die sorg fältigsten Forschungen dahin widerlegt, daß gegenwärtig nur erst der zehnte Theil der culturfähigen Erde be baut sei, es seien somit alle Chancen vorhanden, um bei richtiger Auswahl und Ausbeutung der betreffenden Länder den überschüssigen Theil der deutschen Bevölkerung eine neue sichere Heiinath zu bieten, nur sei die Haupt sache, daß die deutsche Auswanderung endlich einmal organisirt und unter staatlicher Aufsicht von gut fundtrten Gesellschaften in die Hand genommen werde. Redner schloß seinen Vortrag mit Darlegung der Erfolge, welche das Deutschthum in vielen fremden Ländern errungen habe, und mit dem Einfluß, welchen dasselbe namentlich in Amerika auf die Entwickelung in wirthschaftlicher und politischer Beziehung daselbst ausgcübl habe. »Nachdem man noch ein neues Mit glied ausgenommen hatte, erfolgte Schluß der Sitzung. — Arn 1. Osterfeiertag früh 8 Uhr 20 M. expedirt der Reiseunternehmer A. Hessel einen Extrazug nach Berlin tlt. Inserat). Die Anschlußstation für Riesa und Umgebung ist Elsterwerda. — Es steht die Einführung einer Geldpostkarte in Aussicht. Mittelst derselben sollen Beträge von 3 M. an abwärts im Jnlande für 10 Pf. und Beträge von 5 Ni. an abwärts nach dem Auslande für 20 Pf. offen durch die Post befördert werden können. — Dem Direktorium des zu Leipzig bestehenden Rennclubs ist von dem Ministerium des Innern auf Ansuchen Erlaubniß zur Veranstaltung einer Verloosung von Rennpferden, 'Reit- und Fahrutensilien bei Ge legenheit des im Monat Mai dieses Jahres daselbst stattfindenden Frühjahrsrennens unter der Bedingung ertheilt worden, daß die Nummern der gezogenen Ge winne seiner Zeit in der „Leipziger Zeitung" und im „Dresdner Journal" veröffentlicht werden. -7- Bei der Wahl der Mitglieder der vom Reichstage zur Vorberathung des Antrages der Abgeordneten von Seydewitz und Genossen, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, niedergesetzten Spezialcommission ist das Königreich Sachsen ganz ausnehmend berücksichtigt worden, indem inan in die aus 21 Mitgliedern be stehende Commission nicht weniger als fünf sächsische Abgeordnete gewählt hat. Es sind dies die national liberalen Abgeordneten Holtzmann und Vopel, die frei- conservativen Abgeordneten Schmiedel und Günther und der deutschconservative Abgeordnete Ackermann. Den Abgeordneten Schmiedel und Holzmann ist zu gleich das Schriftführeramt in der Commission über tragen worden. — In den letzten Tagen sind in Berlin so viele falsche Reicbscaffenscheine über fünfzig Mark in Um lauf gesetzt worden, daß das Publikum, um sich vor Verlusten zu schützen, bei der Annahme von 50-Mark- Scheinen nicht vorsichtig genug verfahren kann. Die hauptsächlichsten Falsifikate sind folgende: Das Papier der echten Scheine hat eine grünlichere Farbe, das Format der echten Scheine ist um ein Geringes kleiner, das Panzerhemd der, rechtseitigen Figur reicht bei den echten Scheint» bi« zum Halse, während dasselbe bei den unechten Scheinen nur bis zur Mitte de- betref fenden Flügels geht, die Linien der Schraffirung des rechte» Kußes der rechtseitigen Figur sind ber den Falsifikaten weiter von einander, als bei den echten Scheinen, auch fehlen an denselben die die Zehen mar- kire»den Striche; die Diamantschrift in dem unteren Rande: „Wer Kassenscheine rc.". ist auf den echten Scheinen klar und deutlich zu lesen, auf den falschen ist die Schrift verzogen und das Wort „Strafe" fast unleserlich. DaS Wasserzeichen „50", welches sich in dem rechten und linken lithographirten Rande der echten Scheine deutlich lesbar befindet, erscheint in den falschen Scheinen verwischt und unleserlich; daS auf dem Revers des Scheines befindliche abgekürzte Wort „Ausg." ist auf den falschen Scheinen fast unleserlich, die Buchstaben s und g sind kaum zu erkennen. Strehla, 6. April. Die Schulprüfungen an hiesiger Schule endeten am vergangenen Donnerstage. Dieselben waren sehr wenig besucht. Aus der Fort bildungsschule wurden 5 Schüler, welche sich durch Fleiß und musterhaftes Betragen auszeichneten, nach Genehmigung des Schulvorstandes und des königl. Be- zirksschulmspector, schon nach 2jährigem Besuche der selben entlassen. Die Probezeichnungen und die weib lichen Handarbeiten liegen heute im Rathskellersaale aus. Der Besuch ist auch hier ein sehr geringer. — Mit dem 1. April «r. hat der neue Rathskellerpachter Herr Justin die Bewirtschaftung desselben übernommen. — Als ein Zeichen der „schlechten Zeit" dürfte die gestrige öffentliche Vergebung des Schulbaues in Zauß- witz gelten. Der Ban war mit über 9000 Mark ver anschlagt und wurde einem hiesigen Maurermeister für nur 4700 Mark zugeschlagen. — Im hiesigen Oeco- nomen - Verein, welcher heute Nachmittag 4 Uhr im Gasthofe zum Schiffchen eine Sitzung abhält., spricht Herr Cantor Kleber über „Getreidezölle." Großenhain. Am 3. April entstand in Rostig bei dem Schmied Schulze ein Schadenfeuer, welches drei Wohn- und zwei Seitengebäude, sowie zwei Scheu nen gänzlich einäscherte. Außer dem Genannten sind die Gutsbesitzer Dörschel und Heine durch dieses Brand unglück betroffen worden. Lommatzsch, 4. April. Am 1. April Vor mittags ist in Barmnitz das 3 Jahre alte Söhnchen des Wirthschaftsbesitzers Paul vermißt worden. Nach längerem Suchen ist es endlich in dem daselbstbefind lichen Tümpel ertrunken aufgefunden worden. — In hiesiger Stadt wurde bei einer vorgenommenen Haus suchung bei einer von Riesa hierher gezogenen Familie ein Diebesnest entdeckt, wodurch das Dunkel verschie dener vorgekommener Diebstähle erhelltwerden wird. Meißen. Eine im Laufe des Monat März d. I. veranstaltete Einwohnerzählung-hiesiger Stadt hat einen Einwohnerbestand von 13600 ergeben, folglich nach der Zählung von 1875 720 mehr, nach Abzug einer im Jahre 1876 nach Niederfähre, Vorbrücke, Cölln verlegten Compagnie des 13. Jägerbataillons. — In Anerkennung seines verdienstvollen Wirkens auf dein Gebiete des Thierschutzes hat die 8creiöle pioteeliiee llos animaux in Paris dem Vorsitzenden des hiesigen Thierschutzvereins Lehrer Korb die bronzene Medaille verliehen. Zittau. In voriger Woche wurden bei einigen Soldaten der Zittauer Garnison Krankheitserscheinungen beobachtet, welche auf Trichinose schließen ließen. So fort wurden umfassende Untersuchungen sämmtlicher Mannschaften vorgenommen. Glücklicherweise stellte es sich heraus, daß nur 6 Mann, welche ein und dersel ben Compagnie angehörten, von jener Krankheit befallen waren. Die Befürchtung, daß die Krankheit durch das in der Kaserne gelieferte Fleisch entstanden sei, ist also hierdurch widerlegt. Ebersdorf, 4. April. Heute Vormittag wurde hier ein überaus frecher Diebstahl ausgeführt. In der Oberstube-des Gutsbesitzers Kühn wurde ein Schreib pult, welches verschlossen war, erbrochen und wurden auS demselben vier Sparkassenbücher auf eine Gesammt- einlage von weit über 1000 M. lautend, gestohlen. Drei dieser Bücher sind von der Sparkasse in Franken berg ausgestellt und tragen die Nummern 10607, 8790 und 8448. Ein Buch ist von der Sparkasse in Chemnitz ausgestellt, auf den Namen Lina Kühn, unter der Stummer 43177. Bis jetzt ist es noch nicht gelungen, dem Diebe auf die Spur zu kommen. Leipzig, 6. April. Wie allseitig — wenn auch freilich noch nicht in amtlicher Form - verlautet, ist die Ernnenung vr. Simson's zum Chef-Präsidenten deS obersten Reichsgerichtes gewiß. Die Initiative dazu hat — so heißt es aus sonst verläßlicher Quelle — der Kaiser selbst ergriffen, dem die Ernennung ver fassungsmäßig zusteht. Vr. Simson begiebt sich be reits m diesen Tagen, nachdem er die Wahl — wie