Volltext Seite (XML)
s. Bei Reisenden, selche durch häufige Wiederkehr oder sonst sich des Bagabondirens verdächtig erweisen, welche Betten, Zimmer oder sonstige Herbergsräume verunreinigen, welche betrunken «»kommen und sich ungebührlich betragen, welche die ihnen zugewiesene Arbeit nicht ordentlich und fleißig betreiben, kann schwere Arbeit in Anwendung gebracht, auch die in Punkt 5 festgesetzte Arbeitszeit um die Hälfte verlängert werden. Bei nachgewiesenermaßen ganz oder theilweise arbeitsunfähigen Reisenden ist die Arbeitsleistung ganz oder zum Theil zu erlassen oder zu ermäßigen. In zweifelhaften Fällen ist ärztliches Gutachten einzuholen. Auch kann, wenn in den Wintermonaten die Kürze des Tages einen Nachlaß der Arbeitsleistung unabweislich macht, ein solcher eintreten. 10. An Sonn- und Feiertagen haben die Reisenden in der Regel in den Stationen zu verbleiben. Für die Verpflegung an diesen Tagen ist nur die Hälfte der in Punkt 5 geordneten Arbeitsleistung zu fordern. Die Ableistung derselben hat am vorhergehenden oder nachfolgenden Wochentage stattzufinden. Bei unmittelbarer Folge mehrerer Feiertage kann ein weitergehender Nachlaß der Arbeitsleistung stattfinden. Im Uebrigen sollen Reisende in der Regel nicht über 24 Stunden auf der Station verweilen. Auch ist ihre Abfertigung so einzurichten, daß die rechtzeitige Erreichung der nächsten Station möglich wird und die Reisenden gesättigt die Station verlassen. 11. In den Stationen ist möglichst dafür Sorge zu tragen, daß die Reisenden sich ihre Kleidung ausbessern können. Zu dem Ende ist Nähzeug vorräthig zu halten und unentgeltlich zu verabfolgen. Auch empfiehlt es sich, soweit dies durch Privatwohlthätigkeit zu ermöglichen ist, Knöpfe und Flickflecke an zuschaffen und unentgeltlich abzugeben. Die nöthige Stiefelschmiere zum An fetten des Schuhwerkes ist den Reisenden ohne Entgelt zu verabfolgen., Ebenso sind bei Schnee und Nässe oder wenn es sonst nach dem Ermessen des Herbergsvaters angezeigt erscheint, den Reisenden Filzschuhe oder Pantoffeln zum Gebrauche in der Herberge oder bei Verrichtung der Arbeitsleistung zu überlassen. Endlich ist Verbandzeug zur Hülfeleistung in Bedürfnißfällen, insbesondere für vorkommende Verletzungen bei der Arbeitsleistung bereit zu halten. 12. Für Reinigung und Abtrennung unreiner Leute in den Stationen ist Sorge zu tragen. Ernstlich Erkrankte sind zurückzuweisen. 13. In allen Stationen ist eine Arbeitsnachweisung für die zureisenden Arbeiter einzurichten. 14. Die Herbergsväter und Stationsverwalter, welchen die Beobachtung der vorstehenden Grundsätze in erster Linie obliegt, haben namentlich die größte Sorgfalt bei der Prüfung der Legitimationen, bei der Zuweisung und Be messung der Arbeit und der Ueberwachung der Arbeitsleistung, soweit ihnen diese obliegt, sowie bei der Zulassung der Reisenden zu Bevorzugungen — Punkt 8 — in Anwendung zu bringen. Reisende, die ihnen des Landstreichens verdächtig erscheinen, haben sie nicht nur von Bevorzugungen streng auszuschließen und zu schwerer beziehentlich längerer Arbeit heranzuziehen, sondern auch, wenn möglich, der Polizeibehörde zur Bestrafung zuzuführen. Erforderliche vorzukehren, andernfalls aber, und in besonders wichtigen Fällen auch noch nachträglich, die Entschließung des Bezirksausschusses einzuholen. 16. Den Verwaltungen der einzelnen Naturalverpflegstationrn beziehentlich dem Kreisverein für innere Mission als Eigeythümer derjenigen Herbergen zur Heimath, mit denen Naturalverpflegstationen verbunden werden sollen, ge währt der Bezirksverband der Amtshauptmannschast Großenhain Entschädigung für die mit Einrichtung und Verwaltung der Naturalverpflegstation ver bundenen Unkosten. Die Höhe dieser Entschädigung wird, soviel die fort laufenden Anwendungen anlangt, «ls Pauschalsumme nach Maßgabe der Zahl der verpflegten beziehentlich zu verpflegenden Personen festgesetzt. Das Nähere hierüber bleibt besonderen Verträgen Vorbehalten. Im Allgemeinen soll die fortlaufende Entschädigung dergestalt bemessen werden, daß jede Nachtver pflegung auf 30 Pf., jede Tageverpflegung auf 15 Pf. zur Anrechnung kommt. Außerdem übernimmt der Bezirksverband diejenigen Unkosten, für welche der Ortsarmenverband, in dem die Naturalverpflegungsstation sich befindet, nach Maßgabe des Unterstützungswohnsitzgesetzes in solchen Fällen aufzukommen hat, in denen verpflegte Reisende sich gelegentlich der von ihnen geforderten Arbeitsleistung einen Unfall oder eine Erkrankung zuziehen. Bekanntmachung. Eingegangen sind folgende Gesetze, welche bei uns emgesehen werden können: Verordnung vom 20. September 1889, betreffend die Bestellung von Commissaren für die Ergänzungswahlcn zur II. Kammer der Ständeversamm lung. Verordnung vom 25. September 1889, betreffend die Enteignung von Grundeigenthum für Erweiterung der Eisenbahnstrecke Kleinschirma - Oederan. Verordnung vom 30. September 1889, betreffend die Enteignung von Grund eigenthum zu Erbauung einer schmalspurigen Secundäreisenbahn von Mügeln durch das Müglitzthal nach Geising. Verordnung vom 11. Oktober 1889, be treffend die zweite juristische Staatsprüfung. Bekanntmachung vom 11. Ok tober 1889, betreffend die Versammlung der Stände des Königreichs Sachsen zum nächsten ordentlichen Landtag. Bekanntmachung vom 29. Oktober 1889, betreffend eine Anleihe der Leisniger Mühleu-Aktien-Gesellschaft (A. Uhlmann). Verordnung vom 8. November 1889, betreffend die Enteignung von Grund eigenthum für Erweiterung der Leipzig-Dresdener Bahnlinie in der Flur Priestewitz zur Herstellung von Schnceschutzanlagen. Verordnung vom 19. No vember 1889, betreffend die Vollstreckung der Freiheitsstrafen. Bekannt machung vom 23. November 1889, betreffend die Eröffnung des Betriebes auf der normalspurigen Secundärbahn Annaberg-Schwarzenberg und auf der normalspurigen Zweiglinie Schlettau-Crottendorf. Verordnung vom 25. No vember 1889, betreffend die Enteignung von Grundeigenthum zu Erbauung einer schmalspurigen Secundäreisenbahn von Mügeln durch das Müglitzthal nach Geising. Verordnung über die Inkraftsetzung des Gesetzes vom 5. Mai 1886, betreffend die Unfall- und Krankenversicherung der in land- und forst- wirthschastlichen Betrieben beschäftigten Personen. Vom 30. September 1889. Verordnung vom 30. September 1889, betreffend die Einberufung des Reichs tags. Bekanntmachung vom 25. Oktober 1889, betreffend den Aufruf und die Einziehung der Einhundertmarknoten der Bremer Bank in Bremen. Be kanntmachung vom 25. Oktober 1889, betreffend den Antheil der Reichsbank an dem Gesammtbetrage des steuerfreien ungedeckten Notenumlaufs. Riesa, den 11. Dezember 1889. Der Stadtrath. Klötzer. S. Bekanntmachung. Die an die Schulvorstände ausgegebenen statistischen Zählkarten sind bis 15. Deeember wieder hier einzureichen. Großenhain, am 14. December 1889. Der Königliche Bezirks-Schulinspektor. Schulrat Wigand. 15. Den Aufsichtsorganen liegt es ob, die Verwaltung der Naturalverpfleg stationen zu überwachen und hierbei insbesondere die Beobachtung der gegen wärtigen Grundsätze zu beaufsichtigen. Dafern bei deren Handhabung Zweifel entstehen sollten, so haben sie, soweit eine sofortige Entschließung nothwendig ist, diese zu fassen und das Tagest; eschichte. Der Reichstag hielt am Freitag die letzte Sitzung vor dem Weihnachtsfeste ab. Nach allen Windrich tungen zerstreuten sich alsbald die Abgeordneten, um alsdann in der engeren Heimath mit den Ihren die Freuden des kommenden Christfestes zu genießen und zugleich neue Kräfte zu sammeln für die weitere par lamentarische Thätigkert, welche nach dem Feste noch der Erledigung so mancher wichtigen Angelegenheit zu gelten hat, da in den jüngsten Wochen die betreffenden Arbeiten durchaus nicht immer in jener Weise gefördert wurden, wie es in Hinsicht auf das dem Reichstage unterbreitete Gesammtpensum zu wünschen gewesen wäre. Die Etatsberathung steckt noch tief in der zweiten Lesung und unentschieden ist ferner auch die Frage deS neuen Sozialistengesetzes, betreffs dessen verschiedener Zwischenströmungen halber zur Stunde noch gar nicht gesagt werden kann, wie der weitere Verlauf der Dinge sich gestalten wird. Der Reichstag wird unter diesen Umständen jedenfalls bis in den Februar hinein zu tagen haben, also bis dicht an die Grenze der Mandatsdauer, worauf dann der große Kampf für die Neuwahlen seinen Anfang nimmt. Daß wir unS in diesem Jahre einer außergewöhn lichen Friedlichkeit der Lage Europas zu erfreuen haben, ist bereits mehrfach hervorgehoben worden. Erfreulich ist eS, daß auch die an maßgebender Stelle bestehende Benrtheilung der Zeitverhältniffe diese Auffassung be stätigt. Daß dies in Wirklichkeit der Fall ist, wird I durch eine Besprechung dieses Gegenstandes in der ,W. Pol. Korr.", welche der Berliner Mitarbeiter dieses hochoffiziösen Organs liefert, dargethan. Derselbe ist in der Lage, aus amtlichen Quellen zu schöpfen, wird also wohl nach der Natur gezeichnet haben, wenn er versichert, daß wir uns, was die Beziehungen der Völker untereinander anbelange, in einer Periode der Ruhe und Sicherheit befänden, wie sie seit geraumer Zeit nicht gekannt worden sei. Trotz der öfters in den Zeitungen sich vorfindenden Notizen über Rüstungen und Verstärkungen der Wehrkraft müsse die augenblick liche Stimmung in Europa unzweifelhaft als eine allgemein friedliebende bezeichnet werden. Sowohl in Frankreich wie auch in Rußland sei der streitsüchtige Chauvinismus verstummt. Dort, weil er anerkenne, daß Deutschland innerhalb des griedensbundes eine maßgebende und machtvolle Stellung cinnehme, hier, weil man einzusehen beginne, daß die österreichische Balkanpolitik nicht auf Erweiterung, sondern nur auf Erhaltung des österreichischen Ansehens unter den Bal- kanvölkern abziele. Im Anschluß hieran wird dann noch des Erfolges gedacht, den der Besuch deS Zaren in Berlin für die Stärkung des Friedens gehabt. Es seien Mißverständnisse beseitigt worden. — Wenngleich dies nun bereits früher gesagt worden ist, so ist es doch von besonderem Werthe, zu wissen, daß auch dort, wo man vermöge gen«uerer Kenntniß der Personen und Sachen die Verhältnisse sicherer zu beurtheilen ver mag, das vertrauen auf die Friedlichkeit der gegen wärtigen Zeitlage so rückhaltlos ist. Deutsches Reich. Se. Majestät der Kaiser, in Allerhöchstdessen Gefolge sich auch die Staatsminister Graf Herbert Bismarck und Dc. v. Lucius befanden, ist am Freitag Nachmittag 1 Uhr mittelst Sonder zuges in Hannover eingetroffen. Se. Majestät trug die Uniform des Königs-Ulanen-Regimrnts und begab sich alsbald in offenem Wagen, bei der Fahrt durch die festlich beflaggten Straßen von der Bevölkerung von lebhaften Zurufen begrüßt, mit dem General Grafen Waldersee nach dem Casino des Königs-Ulamn- Regimsnts, um einer Einladung des Offizier corps zum Frühstück Folge zu leisten. In den Berliner Hojkreisen ist man fortgesetzt be züglich des Gesundheitszustandes des in Cannes weilenden Gcoßtzerzogs von Mecklenburg-Schwerin in Besorgnis;. Das Lunzenleiden desselben soll weitere bedenkliche Fortschritte gemacht haben. Die in früheren Wintermonaten beobachtete günstige Ein wirkung des südlichen Klimas scheint diesmal noch nicht eingetreten zu sein. Es ist möglich, daß der Großherzoz demnächst Cannes verlassen und sich noch weiter südlich, vielleicht in Aegypten, nicderlaffen wird. Ueber die Aeußerung, welche Se. Majestät der Kaiser beim Diner beim Kriegsminister zu Herrn Oberbürgermeister Miqr-l gethan haben soll, schreiben die „Hamb. Nachr.": „Auf Grund zuverlässiger Infor mationen können wir versichern, daß der Kaiser nur eine Bemerkung über d«S Parteileben gemacht hat, welche mit seinen früheren Aeußeruugen über daS Kartell insofern in Uebereiustimmnng steht, als der Monarch