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113, Polen 16, Nationalliberal« 41, Deutsch-Frei sinnig- «5, «olkSpartei 10, Sozialdemokraten 3b, Fraktionslose 27. Vom Reichstag. Der Präsident eröffnete am Dienstag die Sitzung mit einer Reihe geschäftlicher Mittheilungen. Nachdem begann die erste Lesung der Helgoland-Vorlage. StaatSminister v. Bötticher er klärte e» als ein glückliches Omen, daß das HauS mit einem ungetheilter Zustimmung sicheren Gesetzent würfe beginne. Heute sahen auch die Helgoländer, be sonders in Folge der Anwesenheit des Kaisers voll Vertrauen in die Zukunft. Der Minister drückte so dann der englischen Regierung und dem letzten eng lischen Governeur seinen Dank für das Entgegen kommen auS. Ueber die Angliederung der Insel an daS Reich herrschen verschiedene Meinungen. Die Insel ist zu klein, umselbststündig zu bleiben, sie soll an Preußen angeschlofsen werden. Die Einverleibung soll bereits am 1. April 1391 stattfinden. Der Minister führte die aus dem Vertrag fließenden Einschränkungen in der Einführung des deutschen Rechts an. Das Reichstagswahlrecht werde sofort in Kraft gesetzt, die Insel an einen Wahl kreis angegliedert werden. Die Frage, ob Helgoland zu einem Kriegshafen eingerichtet wird, ist noch nicht spruchreif. Der Minister hoffte durch die Annahme der Vorlage, die Ueberleitung der Insel in deutsche Verhältnisse gesichert zu sehen. Abg. Benda: Ueber die Bedeutung und den Werth des Besitzes stimmt das Haus wohl mit der Vorlage überein. Die erforder lichen finanziellen Opfer seien nicht sehr erheblich. Er stimmte der Modifikation der Reichsgesetze für Helgo land bis zum December 1893 b^i; auch mit der eigen tümlichen Trauung sei es nicht so schlimm, die zwei oder drei Trauungen, die er dort erlebt habe, seien im Ehestande von den besten Folgen gewesen. Er hoffe, Alle würden mit Freuden der Vorlage zustimmen. Gott sei Dank, daß wir unser Helgoland wieder haben. Abg. Windthorst betonte die allgemeine Einmütigkeit bezüglich Helgolands und bat, die berechtigten Eigen tümlichkeiten der Insel gewissenhaftest zu schonen, und ferner um möglichste Sparsamkeit. Er dankte der Regierung für die Erwerbung Helgolands. Abg. Richter erklärte, es sei lange her, daß er einer Vorlage so rückhaltslos zustimme. Er möchte wünschen, daß sich noch eine Insel mit deutschen Bewohnern fände, gegen die unser Colonialbesitz vertauscht werden könnte. Abg. Keßler wünschte eine Commissionsberathung. Eine Verbindung mit Preußen sei nicht so richtig, wie mit Hamburg oder Bremen. Bezüglich des Options rechtes wünschte der Redener Garantien durch das Reichsgesetz. Minister v. Bötticher führte aus, ein näheres Eingehen auf Spezialfragen werde erst nach der Einverleibung möglich. Dir Neigung der Helgo länder für England zu optiren ist jedenfalls sehr zu rückgegangen. Jeder Helgoländer kann übrigens bis zum 1. Januar 1892 für England optiren. Der Antrag der Sozialdemokraten auf Commissionsberathung wurde abgelehnt. Es folgte sodann die erste Berathung der Rechnungen der Oberrechnungskammer für 1887/88, 1888/89, sowie betreffend die Controle des Reichs- haushaltsetats und des Landeshaushaltetats für Elsaß- Lothringen. Oesterreich.Ungarn. Das innige politische Bündniß, welches Deutschland mit Oesterreich-Ungarn verknüpft, soll bekanntlich durch Abschluß eines Zoll vertrages eine weitere Verstärkung erfahren. Am Dienstag begannen in Wien die allgemeinen Ver handlungen zwischen den Vertretern der beiderseitigen Regierungen. Es darf schon jetzt als sicherstrhend be zeichnet werden, daß ein Scheitern des Planes unter keinen Umständen zu befürchten ist. Anderseits ist es freilich noch unmöglich, auch nur die Grundzüge des künftigen Vertrags voraus zu bestimmen. Man weiß nur, daß eine Verständigung auf deutscher Seite eine Herabsetzung der Getreidezölle, auf österreichischer eine solche der Jndustriezölle zur unerläßlichen Vor aussetzung haben muß. Das Wort „Elender Verräther", welches der Jung tscheche Vaschaty kürzlich dem Führer der Alttschechen, Rieger, im böhmischen Landtag zurief, hat den Schwiegersohn des Letzteren, Herrn Ezerwinsky, veran laßt, Vaschaty eine Forderung zu übermitteln, falls er nicht widerrufe. Vaschaty zog es aber vor, bei den wiederholten Besuchen der Kartellträger in seiner Wohnung sich verleugnen zu lassen. Als er einer Be gegnung doch nicht mehr auSweichen konnte, gaben seine inzwischen gewählten zwei Zeugen die Erklärung ab, daß Vaschaty nur Rieger allein das Recht zu einer Herausforderung zuerkenne. Der Jungtschechenklub dagegen urtheilt anders. Er forderte Vaschaty auf, nachdem derselbe wegen Verweigerung veS Zweikampfes mit dem Schwiegersohn Rieger'S für satisfaktionS unfähig erklärt wurde, sein Mandat niederzulege». vaschaty dagegen lehnt« die Aufforderung ab, «eil andere Jungtschechen früher ebenfalls den Aroeikampf verweigert hätten. Holland. Der königliche Leicherzug ist am Montag Nachmittag vom Schlöffe Loo auf dem StaatSbahnhofe im Haag eingetrofsm, wo ihn die Minister, die Behörden und die Truppen erwarteten. Sodann wurde der Sarg unter Glockengeläute und Artilleriesalven durch 24 Unteroffiziere des LandheereS und der Marine in den prachtvollen Leichenwagen ge hoben und nach dem Palais in Noordeinde gebracht. In den Straßen, welche der Trouerzug paistrte, bildeten die Truppen Spalier. 5 Uhr 15 Minuten traf der Zug im Palais ein, wo der Sarg alsbald in dem Dauergemache aufgebahrt wurde. Afrika. Der „Times" wird aus Sansibar ge meldet, daß 80 Massai's das Lager des Herrn Leith, eines Beamten der British-Ostafrikanischen Gesellschaft angegriffen haben. Leith und drei Gefährten schlugen den Angriff ab, tödteten 12 und verwundeten meh>ere. — Der vertriebene Sultan von Witu, Fumo Bakari, wandert Völlig gebrochen umher. Oertliches und Sächsisches. Riesa, den 3. December 1890. — Auf Ansuchen des Stadtraths hat das hiesige Pfarramt erklärt, an den beiden Sonntagen, den 7. und 14. December d. I. Gottesdienst im Sinne des Gesetzes, betr. die Sonn-, Fest- und BußtagSfeier, Nachmittags nicht abhalten zu wollen. Es können somit an diesen Tagen die Geschäftsläden unserer Stadt von Beendigung des VormitlagsgotteSdienstes an, ununterbrochen ofsengehalten werden. Gewiß wird dies von den Geschäftsinhabern dankbar begrüßt werden, da im Weihnachtsverkehr ja gern jede Stunde ausgenutzt wird. Am letzten Sonntag vor Weih nachten (also Heuer am 21. December) kann nach dem genannten Gesetze bekanntlich Nachmittags auch während des Gottesdienstes verkauft werden. — Die tgl. Brandversicherungskammer hat unserer Stadt für deren Feuerwehr einen Mannschaftswagen (System Kellerbauer) mit Approtzvorrichtung für eine Kastenspritze zum Geschenk gemacht. Auf diesem Wagen finden 12 Mann Feuerwehr Platz, außerdem 150 Meter Schläuche und eine Spritze, welche in Folge der sehr praktisch eingerichteten Approtzvor richtung ein einziger Mann zu Boden gleiten lassen kann. Dieser höchst elegante Wagen wurde gestern Dienstag Vormittag mit Besatzung und fertig zum Abrücken unter Leitung der Herren Feuerwehr kommandanten Schumann und Ulbricht und in Gegen wart des Herrn Branddirektor Oeser aus Cölln-Meilen auf dem Albcrtplatze Herrn Bürgermeister Klötzer, durch dessen Vermittelung er erlangt worden ist, vorgefahren. Die Pferde, zwei schmucke Braune, mit nagelneuen Geschirren, hatte freundlichst Herr Kohlenhändler Arnold hier gestellt. — Auf die mit der Ausgabe der vorliegenden Nr. d. Bl. in Kraft tretende, in der der Stadtauflage bei gegebenen Beilage zum Abdruck gebrachten Straßen polizeiordnung der Stadt Riesa machen wir hiermit noch ganz besonders aufmerksam. — Am Montag, den 1. Dec. feierte das Freiw. Rettungscorps im Saale des „Wettiner Hofes" sein 16 jähriges Bestehen durch Tafel und darauf folgenden Ball unter zahlreicher Beteiligung seitens der städtischen Behörden und geladener Gäste. Auch Herr Branddirektor Oeser aus Cölln-Elbe, Mitglied des Landesausschufses Sächs. Feuerwehren beehrte zu diesem Feste das Freiw. Rettungscorps mit seiner Gegenwart. Bei dieser Gelegenheit wurden Herr Bürgermeister Klötzer zum Ehrenführer, Herr Kaufmann Felix Weidenbach, als der eigentliche Urheber zur Gründung einer Freiw. Feuerwehr in Riesa, zum Ehrenmitglied des Freiw. Rettungscorps unter Ueberreichang ent sprechender Ehrendiplome ernannt. Herr Branddirektor Oeser nahm hierbei Gelegenheit, dem Freiw. Rettungs corps und der Stadt Riesa Glück zu wünschen, daß es solche Männer an der Spitze habe, daß es so vor zügliche Feuerlöscheinrichtungen besitze und von den vorgesetzten Behörden in so hervorragender Weise in seinen Bestrebungen unterstützt werde. Bis zu den flöhen Morgenstunden hielt der animirte Ball die Festtheilnehmer zusammen, und soll nicht unerwähnt bleiben, daß Küche und Keller deS Herrn Herrmann Vorzügliches geboten haben. Gleichzeitig sei noch mit- getheilt, daß Herr Hauptmann Schumann eine Medaille vom Ministerium erhalten hat für Betheiligung am Wettinfest, zu welchem derselbe als Vertreter deS Feuer- wehr-BezirkSverbandeS zu dem HuldigungSzuge abze- ordoet war. — Hoffen wir, daß die gemeinnützigen Be strebungen d«S Freiwilligen RettuogScorps auch ferner opferwillige und wohlwollende Unterstützung finden mögen. — In der Witterung ist wieder »in vollständiger Umschlag eingetreten, der grimmigen Kälte voriger Woche ist Thauwetter gefolgt, und mild:,wie Früh- lingShauch" wehte heute der Wind, während dre Sonne vom klarblauen Himmel wärmend hernieder strahlte. — Auf daS morgen Donnerstag Abend im Saale deS „Wettiner Hof" flattfindende Concert der Capelle deS k. s. 2. Grenadier-Regiments unter Leitung deS Herrn L. Schröder, machen wir auch an dieser Stelle empfehlend aufmerksam. — Die Theatergesillschaft Karichs beabsichtigt hier von nächster Woche an ein« Reihe Theatervorstellungen zu geben. — Der Beitrag, den Sachsen für 1891 an das Reich zu zahlen hat, der sogenannte „Matricularbei- trag", ist im sächsischen Staatshaushalt auf 17 Mill. Mark veranschlagt; er wird aber 4 Millionen mehr, nämlich 21 Millionen, betragen. Dagegen beläuft sich die ihm aus den Zöllen und andern Reichs-Einnahmen zu überweisende Summe schätzungsweise auf 22503060 Mark, und die Mehr-Herauszahlung an Sachsen wird daher 1 331278 Mark betragen. — Die amtliche Gewinnliste 5. Classe 118 königl. sächs. Landeslotterie ist jetzt zur Ausgabe gelangt. Wir empfehlen daher jedem Spieler, sich bei seinem Cvllecteur nach dem Schicksale seiner Nummer zu er kundigen. Viele erleiden dadurch Verluste, daß sie der irrthümlichen Ansicht sind, ihr Loos sei nicht gezogen, da sie die Nummer desselben, wie es leicht möglich ist, in den Tagesgewinnlrsten übersehen haben. * Gröditz, 30. November. Am gestrigen Abend fand eine vom konservativen Landes-Verein für Stadt- und Amtsbezirk Großenhain einberufene Versammlung statt, zu welcher Herr Schuldirektor G-sell-Chemnitz den Vortrag übernommen hatte. Herr Direktor v. Manteuffel eröffnete dieselbe, indem er die zahlreich Versammelten willkommen hieß. Hierauf brachte er in klaren Worten Einiges über den konservativen Landesverein zur allge meinen Kenntniß und verbreitete sich hauptsächlich über die Zeit seines Bestehens, über Zweck und Ziel des selben, sowie über die Anfechtungen, welchen derselbe ausgesetzt ist. Bezüglich der letzteren weist er vor Allem darauf hin, daß man den konservativen Verein als Gegner des Fortschritts beschuldige. Diese An schuldigung wies er zurück, indem er auf das segens reiche Wirken der Reichs- und Landtagsabgeordneten hrnwies, welch' Letztere nur nicht dahin strebten, alles im Sturme erreichen zu wollen, ebensowenig glänzende, aber unerfüllbare Versprechungen machten, wre manche andere Parteien im Gegensatz zum konservativen Landes- Verein thun. Redner wies ferner darauf hin, wie auch von der Regierung sowohl unseres engeren als auch unseres weiteren Vaterlandes alles zum Wohle des Vaterlandes gethan werde. Er bezeichnet die Wahr heitsliebe als den Grund, auf welchem der konservative Landesverein stehe, daS Halten zu Gott, Fürsten und Vaterland als die Grundpfeiler, auf die er sich stütze. Redner richtet im Anschluß hieran die Bitt- an die Ve sammlung, die Bestrebungen des konservativen Landes vereins nach Kräften zu unterstützen. Hierauf ertheilte Herr von Manteuffel Herrn Schuldirektor Gesell das Wort zu seinem Vortrage: „Ueber die Entwickelung der deutschen Einheitsidee in den letzten 50 Jahren." Redner wies einleitend darauf hin, daß er gekommen sei, um der Versammlung einen Abend nicht der Auf regung, sondern der Anregung zu verschaffen. Er könne als ein den Anwesenden vollständig Fremder auch nicht Vertrauen verlangen, bitte aber, ihm nicht mit Mißtrauen entgegenzukommen. Auf das Thema seines Vortrages übergehend, wies Redner zunächst darauf hin, wie den Germanen eine innige Vereinigung viel schwerer geworden sei, als z. B. den Romanen und Slaven. Er begründete dies mit der Art und Weise der germanischen Ansiedelungen, sowie mit der Be kämpfung der deutschen Stämme untereinander und aus anderen Beispielen der deutschen Geschichte. Dar aus ging er auf die Neuzeit über, wies auf das Jahr 1806, als die traurigste Zeit Deutschlands, hin. Es sei daS Jahr, in welchem daS Deutsche Reich voll kommen zusammengebrochen sei; und zwar sei der deutsche Kaisermantel gefallen, weil daS deutsche Volk die drei Grundsäulen, welche der Vorsitzende der Versammlung schon erwähnt habe, niedergeriffen habe. Diese traurige Zeit bezeichnet der Redner aber als eine läuternde Trübsal. Diese läuternde Kraft habe sich 1812 und 1813 vor Allem an Preußen gezeigt. Habe es doch in dieser Zeit bei einer Einwohnerzahl von 5'/c Mill, eia Heer von 30000 Manu gestellt, habe doch Mancher damals eine» bedeutenden Theil seines Vermögens zur Wiederaufrichtuug deS Staates geopfert und Preuße»