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250. 27. Oktober 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 12799 Hans Springinklee. Die hübschen Kupferstiche in den Meßbüchern von Georg Reyser in Würzburg und Michael Reyser in Eichstätt gehören zu den frühen Kupferstichen in Büchern. Die große Bedeutung der liturgischen Drucke für den Musik- Notendruck ist ebenfalls hervorzuheben. Merkwürdigerweise be fassen sich die einschlägigen Werke über diese liturgischen Drucke (Weale, Rivoli usw.) sehr wenig mit der musiktypographischen Beschaffenheit derselben. Di-. Hugo Riemann gebührt das Ver dienst, in seiner bibliographisch-typographischen Abhandlung über »Notenschrift und Notendruck« in der eingangs angeführten C. G. Röderschen Festschrift von 1896 die Frage des Typendruckes von Musiknoten vor 1500 im wesentlichen endgültig geklärt zu haben. Das erste Druckwerk, in dem Noten Vorkommen, ist das Mainzer Psalterium von 1457, in dem für die Eintragung der Musiknoten mit der Hand, mit Patronen bzw. Schablonen Raum freigelassen wurde, das seit 1490 mit vorgedruckten vier roten Linien, aber selbst 1616 noch ohne eingedruckte Noten erscheint. Auch das 1473 von Konrad Fyner in Eßlingen gedruckte Oolleetoriuw 8uper Usgniüest des Jean Charlier de Gerson läßt auf Blatt 4,- Raum für die Eintragung der Noten frei; es scheint aber, daß in einer Anzahl von Exemplaren die Eintragung der Musiknoten und des Schlüssels mittels hölzerner Stempel schon in der Druckerei ge schehen ist, die Linien dagegen erst zuletzt mit der Hand hinzu gefügt werden sollten. Niemann führt in seiner Abhandlung eine Reihe von Werken an, die Musiknoten in Holzschnitt ent halten, kommt aber auf Grund seiner Untersuchungen zu dem Ergebnis, daß es nicht richtig ist, vor dem Musikdruck mit beweg lichen Typen eine Vorstufe anzunehmen, auf welcher die Drucker sich des Holzschnittes für die Musiknoten bedienten. Der Holz- schnitt von Musikbeispielen kommt vielmehr sogar wahrscheinlich erst später als der Typendruck der Noten auf und hält sich lange neben den vollkommensten Herstellungsarten als eine Art Surrogat. Nach den Untersuchungen Riemanns ist das Niesle ^wbro8isvum des Antonius Zarotus, Mailand 1476. ohne Noten; das Ui88g.1l> Howsnum des Ulrich Hahn, Rom 1475, hat rastrierte Linien und geschriebene Noten (Exemplar der Wiener Hofbibliothek); das Ui88g.Il; U.0wa.nuin des Zarotus, Mailand 1476 (Exemplar der Kgl. Bibliothek Neapel), hat mit der Hand mit roter Tinte ge zogene vier Linien und geschriebene Noten. Das Ui^ale kowsnum des Mathias Moravus, Neapel 1477 (Exemplar der Kgl. Hof- und Staatsbibliothek München) und das Niesle kowsvuw des Aloysius de Siliprandis, Venedig 1477 (Exemplar des Kritik Llmreum), haben ebenfalls nur handschriftliche Noten. Ganz ohne Noten sind das Ui8r-sls Oltrswontsnoruw, Verona 1480; das Uink-alc- Lg8iIi6N8s, Bernh. Richel, Basel 1480 (Exemplar der Kgl. Biblio- Lübeck 1480 (Exemplar der Dom-Gymnas.-Bibliothek Magdeburg); das Uin--g.Is 6o1ooi6N8k>, Konr. de Hombergh, Köln 1481, und wahr scheinlich alle anderen vor 1481 gedruckten Missalien. Der erste Missalnotendrucker Italiens für römische Choralnoten, nots gus ärata, ist allem Anscheine nach Octavianus Scotus aus Monza (Uoäoet6N8i8), der 29. Dezember 1481 ein Uigsals geouuäuw worew kowsns eeolegio. Iwpr633uw Venedig arte et iwp6N8i9 Oetg.vig.ni Leoti Uocloeteogjg .... IV. Xsl. cksn. U6660l-XXXI in Venedig druckte, dem er am 24. Dezember 1482 ein Ui88sle geeunäuw orckinew krstrum prseckiestoruw (Expl. in der Kgl. Sächs. Bibliograph. Sammlg. Leipzig) folgen ließ. Ob übrigens an der Herstellung der zu diesen Werken verwendeten Notentypen nicht der spätere Teilhaber des Scotus, Bonetus Locatellus, Anteil hat, ist nach Riemann noch fraglich. Bereits am 6. März 1482 (1483 unserer Zeit) erstand dem Scotus ein Konkurrent im Notendruck durch Stephan Planck in Passau, der in Rom ein Ui88sle ko- wsnuw herausbrachte, dessen Noten groß auf fünf rastrierte rote Linien gedruckt sind. Gedruckte Noten enthalten u. a. auch das Niesle äiviu. (Me. 860. U3. see1e3. 8sruw ^vAliesnse, 1494 von Johann Hamann aus Landau in Venedig gedruckt, und zwar in Oktav mit römischen Notenformen auf vier roten Linien; ein kro- e688ioug.rillw orckinig krstrum prseckiestoruw von Johann Emmerich aus Speyer für Lucantonio Giunta 1494 in Venedig gedruckt, in Oktav, mit römischen Choralnoten auf vier Linien; das Ui88s1e 86o. con8uet. Lrstruw prseckiestoruw des Andreas de Torresani de Asula, Venedig 1496, mit römischen Choralnoten auf vier roten Linien; das Niesle R-owsnuw des Bonetus Locatellus, Venedig 1501, in Oktav mit vier aus einem Stück gesetzten roten Linien; mehrere Missalien von Lucantonio Giunta in Venedig, Richard Pynson in London, Wynkyn de Morde in London; ein Pariser Missale von 1497 von Ulrich Gering und Berchtoldus Renbolt. Das älteste Missale, das mit beweglichen Typen gedruckte Musiknoten gotischer Form (Gotische oder Fraktur-Choralnoten) (Jeorius, Jörg, Georg Reyser, Ryser, Reiser) vom 8. November 1481. Die für die Geschichte des Musikdrucks denkwürdige Ver ordnung des Bischofs Rudolf von Würzburg (datiert vom 8. No vember 1481) gibt zugleich einen festen Anhalt für den Tag der Veröffentlichung dieses Missales, so daß sie das fehlende Kolophon vollständig ersetzt und den Beweis erbringt, daß Reyser noch sieben Wochen früher als Octavianus Scotus als Missaldrucker auftrat. Es heißt darin unter anderem: »per Iiuju3 artig iw- pre88orie opikieew perituw vickelieet 9eorium li^'ger guew U8gus sä priwo oetava ckia wensig novewbri pleniter et owuiwocko inte- ^ruw ot psrkeetuw datiere äebeat; guo oxere expleto äedeat et teoeatur ex so euilibet libruw guswlibet datiere exp0306nti Gulden rheinisch durfte Reyser für ein Exemplar dieses epochemachenden Prachtdruckes fordern! Mit diesem Würz- burger Meßbuch tritt Reyser an die Spitze der Musik drucker des fünfzehnten Jahrhunderts. Die Musiknoten dieses Reyserschen Meßbuches füllen 21 nichtfoliierte Blätter zwischen Folium 110 und 111 und sind ungespalten gedruckt mit 290 wm Satzhöhe, 195 ww Satzbreite und 12,5 ww Spannweite der vier roten Notenlinien, die wie die umgebende Randlinie in einem Stück gesetzt sind (Leisten), mit 11 Notenzeilen nebst Text auf der vollen Seite. Wenn nicht, was kaum zu erwarten, noch ältere Missaldrucke mit Musik zum Vorschein kommen, ist Reyser nicht nur der erste deutsche Missaldrucker mit gotischen Notentypen, sondern der erste Musiknotendrucker überhaupt, da selbst Holzschnittnoten kaum über die Zeit seiner ersten Drucke zurück reichen. Johann Sensenschmid druckte mit Noten ein Regensburger Missale 1185, ein Freisinger Missale von 1488 und ein Olmützer Missale vom 3. März 1488 und jedenfalls teils allein, teils mit Heinr. Petzensteiner und Joh. Pfeil gemeinsam noch einige andere Missalien mit Noten. Erhard Ratdolt druckte in Augsburg ein Obneguisls 0cw8tst.ien86, datiert 1. Februar 1487 (1488 nach unserer Zeit), ein Niesle kowsnuw, ein Augsburger Missale 1491 und eine stattliche Reihe weiterer Missalien mit Noten. Mit Natdolt- schen Typen und mit Noten sind jedenfalls gedruckt ein Regens burger Missale des Jörg Ratdolt von 1515, ein Eichstätter Missale des Hieronymus Hölzel von 1617. Die Baseler Michael Wenszler und Jakob de Kilchen kommen als Erfinder des Missaldruckes mit gotischen Typen nicht in Frage, sind vielmehr vielleicht sogar erst Nachfolger Ratdolts und brachten 1488 zwei liturgische Werke mit Noten fast gleichzeitig heraus, nämlich ein 6rs.clua.le Vs8ilgen8s und eine ^L-encks psroekis- liuw eeolegisruw. Eine Art Anspruch auf die Originalität der Er findung des Druckes mit Frakturnotentypen, die zu dem Fraktur text besser passen als die römischen Notentypen, scheint Wenszler im Kolophon des Baseler Graduals zu erheben, wenn er sagt: rsSulsts uoikorwitsto e weckio tollitur eon^ruenti88iwuw«. Solcher Anspruch ist aber natürlich nicht beweiskräftig gegen Reysers, Sensenschmids und Ratdolts erwiesene Priorität. Der bedeutendste Nürnberger Missaldrucker ist Georg Stuchs (Jeorius Stuchs, Stöchs, Stüchs), von dem Riemann u. a. fol gende Musiknotendrucke aufzählt: ein Ob36guisIo ksti8pon6N8o 1491, ein Ui88sle 8slt2purgen8e 1492, ein Missale für die Deutsch herren 1499, ein Prager Missale 1503, 1608, ein ke8pov8orium cke tewpore et cke saneti8 1509 und zahlreiche andere Meßbücher, die Riemann nicht einsehen konnte. Der Passauer Drucker Johannes Petri hat 1491 ein Passauer Missale mit Noten von eigenartiger Form gedruckt. Konrad Kachelofen in Leipzig druckte Missalien nur für Meißen 1495, 1660*