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6482 BSrsrnLlatl s d Dtschn. Yuchhandel. Nichtamtlicher Teil. Haydn-Gedcnkfeier und internationaler musikwissen schaftlicher Kongreß in Wien. (Vgl. Nr. 99, 100 u. 106.) — Die Haydn-Zentenarfeier und der mit ihr verbundene musik wissenschaftliche Kongreß begann am Mittwoch den 26. Mai in Wien. Am Vormittag fand die Eröffnung des Kongresses statt, zu dem die Regierungen fast aller Kulturstaaten Ver treter entsandt haben. In das Präsidium wurde» neben Makenzie (England) Lorenzo Perosi und Professor Kretzschmar gewählt. Um 12 Uhr mittags fand im großen Musikvereinssaale das erste Festkonzert statt. Es wurde mit einer Ouvertüre von Haydn eingeleitet, worauf Professor Guido Adler die Festrede hielt, die einen Überblick über die Entwicklung der Kunst Haydns gab. Dann kamen die erste und die letzte Symphonie und das Tedeum von Haydn zur Aufführung. Felix Weingartner dirigierte das Hofopernorchester, die Singakademie wirkte mit. — Neben zahl reichen Sektionssitzungen über musikwissenschaftliche Fragen sind eine sehr große Anzahl von Empfängen geplant, u. a. eine Fahrt nach Eisenstadt, wo Haydn lange Jahre als Kapellmeister des Fürsten Esterhazy wirkte. Am selben Abend wird der Kaiser den Kongreß in der Hofburg empfangen. — Aus Budapest wird gemeldet: Am 27. Mai fand unter großer Beteiligung inländischer und ausländischer Musikkreise anläßlich des hundertsten Todes tages des Komponisten Haydn eine Gedenkfeier in Eisenstadt statt, wo Haydn als fürstlich Esterhazyscher Kapellmeister gewirkt hat und auch begraben ist. In dem Musiksaal des Esterhazyschen Schlosses, wo Haydn dirigierte, wurden Werke des Komponisten aufgeführt und eine Ausstellung von Haydns Reliquien eröffnet. Landwirtschafts-Wanderausstellung in Leipzig. — Der durch das Gesetz vom 18. März 1904 (Reichsgesetzbl. S. 141) vor gesehene Schutz von Erfindungen, Mustern und Waren zeichen tritt für die in diesem Jahre in Leipzig stattfindende Wanderausstellung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft in Kraft. (Dtschr. Reichsanzeiger) * Rene Bücher, Aataloge «sw. für Bmchhandler: mocksrnss. ?aris, I^idrairis Vorbon-^ine L karis 53t«r, (juai äs8 6^» ^.uKU8tins. 9. ^.nnoe. No. 72. ^uin 1909. 8". 8. 231—303. No. 3150—4267. ^Vion. 8°. 8. 1125—1177. No. 18 498—18878. ^nticiu.-XataloS No. XXXIX von N Nauptvo^eli ^nti- ciuariat in 8". 39 8. 713 Nrn. Moderne (tzefiingnisbttchereien. — In der Zeitschrift »Das Recht« (Hannover, Helwing) Nr. 8 vom 25. April gibt Herr Staatsanwalt Spatz in Gnesen bemerkenswerte Anregungen zu einer zeitgemäßen Ausstattung der Gefängnisbüchereien. Mit der Erlaubnis der Verlagshandlung sei der Aufsatz hier im großen ganzen wiedergegeben: Die soziale Sorgsamkeit der letzten Jahrzehnte hat sich auch den Strafgefangenen gegenüber in reichem Maße betätigt. Be- schaffenheitund Einrichtung der Gefangenenzellen haben sich gebessert, die Gefangenenkleidung ist in mancher Beziehung zweckmäßiger gestaltet, bei Beschäftigung der Sträflinge wird nach Möglichkeit auf ihre Fähigkeiten und Interessen Rücksicht genommen, ihre Beköstigung ist so gut und reichlich geworden, daß sie die in unteren Volkskreisen üblichen Ansprüche bereits mehrfach übersteigt. Auf einem Gebiete aber hat sich wohl bisher noch immer kein nennenswerter Fortschritt gezeigt, auf dem der geistigen Versorgung und Anregung durch Gefängnisbüchereien. Dieses Gebiet unbeachtet zu lassen und lediglich die rein materiellen Interessen der Gefangenen zu berücksichtigen, hieße einen Faktor verkennen, der heute im Lebeu der unteren Volks kreise eine wichtige Rolle spielt und dies nach einer im guten Sinne modernen Anschauung auch tun darf und soll. Wer die Fühlung mit dem Volke nicht verloren hat, weiß, wie das Steigen des allgemeinen Wohlstandes den Lese- und Bildungshunger, der wohl dem deutschen Volke immer eigentümlich gewesen ist, auch in den einfachsten Ständen bedeutend verstärkt hat. Mit Recht suchen Behörden, Gemeindeverbände und private Vereinigungen diesen ideellen Bedürfnissen in immer wachsendem Maße durch Einrichtung von öffentlichen Büchereien, Kreiswanderbüchereien Volksbildungsabenden usw. zu genügen. Hinter ihnen sollten auch die Gefängnisverwaltungen, soweit möglich, nicht Zurückbleiben. Es soll nicht bezweifelt werden, daß in den Gefängnisbüchereien gar nicht selten inhaltlich vortreffliche und nützlich wirkende Bücher zu finden sind und daß gar manches von ihnen gern und häufig gelesen wird. Als sehr fraglich darf man es wohl ansehen, ob die große Mehrzahl der Bücher, die die Bestände der einzelnen An stalten ausmachen, den Ansprüchen genügt, die ein einfach Gebildeter bei gesund und natürlich empfindender literarischer Geschmacks richtung an seine Lektüre stellt und auch zu stellen berechtigt ist. So trifft man unter ihnen verhältnismäßig viele, in denen, wie in Jugendschriften aus älterer Zeit, der Verfasser in weltfremdem Optimismus alle Lebensverhältnisse so schildert, als ob ein paradie sisches oder doch wenigstens patriarchalisches Zeitalter herrschte, in denen der Held der Erzählung der Inbegriff aller Tugenden und sein Widersacher der Träger aller Laster ist und in denen gar nicht selten sogar der Schluß der Geschichte durch eine mehr als deutlich be merkbar gemachte moralische Nutzanwendung gebildet wird. Solche Bücher mögen vielleicht in besonders empfindsam Beanlagten hier und da einen Leser finden im allgemeinen aber wird sie der ein fache Mann unbefriedigt und unwillig beiseite legen. Für ihn stehen sie in gar zu schroffem Gegensätze zu dem, was ihm das wirkliche Leben zeigt. Uber diesen Gegensatz sich hinwegzusetzen, hat er zwar die Fähigkeit und vielfach auch den Willen, aber nur dann, und sie in eine Phantasiewelt führt, die seinen Neigungen, Gefühlen und Interessen Raum zur Betätigung bietet. Da jene Bücher nicht von solcher Art sind, wendet er sich ab von ihnen, während er anderseits für Hintertreppenromane viel Geld und Zeit opfert, weil bei ihnen die starke Einwirkung auf die Sinne ihn ihre innerliche Unwahrscheinlichkeit vergessen läßt und ihn in einer ihm angenehm erscheinenden Weise beschäftigt. besteht aus Schriften mit reichlichem religiösen Beiwerk. Auch sie finden nur selten Anklang. Wohl findet man auch in den niedrigen Ständen häufig genug noch mehr religiöses Interesse, als man heute nach mancherlei Anzeichen erwartet, aber zu dessen Be friedigung greift der Arbeiter zu einem Buche oder Büchlein, das ihm seinem ganzen Inhalte nach und ausschließlich als religiös gilt. In einem Buche, das ihm zur Unterhaltung dienen soll, stört es ihn, wenn er Bibelworte und Predigtstellcn zahlreicher findet, als der Gang der Handlung es erfordert; zumal wenn sie so zahl reich vorhanden und so durch den Druck hervorgehoben sind, wie es häufig der Fall ist. Das erschwert ihm nicht nur, da er geistig langsamer und schwerfälliger ist als der Gebildete, dem Fort schreiten der Erzählung zu folgen, sondern es läßt bei dem Miß trauen, das nun einmal der einfache Mann dem Staate und den höheren Klassen heutzutage entgegenzubringeu pflegt, oft geradezu den Gedanken in ihm entstehen, nur in majorsw Aloriain der Kirche und Geistlichkeit sei ihm das Buch in die Hand gegeben worden. Die zahlreichen Vereinigungen für Volksbildung und Vvlks- wohlfahrt, die in den letzten Jahren entstanden sind, haben denn auch wohl durchweg davon abgesehen, derartige Schriften für ihre Büchereien anzuschaffen. Die geistige Kost, die sie ihren Lesern vorsetzen, hat im wesentlichen zwei Eigenschaften: sie ist realistisch (in gemäßigtem Sinne), und sie ist spannend. Und die Erfahrung gibt ihnen recht, denn die Büchereien werden sehr stark benutzt, und nicht etwa überwiegend von Angehörigen höherer oder mittlerer Stände. Freilich können ihnen die Gefüngnisverwal- tungen nicht auf der ganzen Strecke ihres Weges folgen. Denn sie haben für ihre Anschaffungen mit nur sehr geringen Mitteln zu rechnen. Aber auch mit diesen wäre es wohl zu erreichen, daß die Gefängnisbüchereien modernisiert würden und allmählich den Zweck wirklich erreichten, für den sie noch heute bestimmt sind. Heute herrscht wahrlich in Deutschland kein Mangel mehr an gutem und billigem Lesestoff für das Volk. Rührige Verleger und volksfreundliche Privatvereinigungen haben davon eine solche Menge auf den Markt gebracht, daß wohl jeder Geschmacksrichtung vollauf genügt wird. Und fast sämtlich bieten diese dünneren oder dickeren Hefte und Büchlein die Vorzüge handlichen Formats,