Volltext Seite (XML)
^ 122, 29. Mai 1909. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt j. d. Dlschn. Buchhandel. 6183 tümlichen Bücher-Sammlungen, die dem Buchhändler ja hin reichend bekannt sind Ihre Aufzählung erübrigt sich also hier. Der Verfasser hat vollständig recht, wenn er dann fortfährt:) Es bietet sich also in reichem Maße geeigneter Lesestoff für Gefängnis büchereien, spannend und lebenswahr geschrieben und auch für die bescheidensten Mittel erschwinglich. Und ferner — warum soll man Bedenken tragen, diese oder jene geeignete Zeitschrift in die Hände der Gefangenen ge langen zu lassen? Dazu eignen sich besonders illustrierte. Bilder vermitteln das Verständnis für das gedruckte Wort und regen das Interesse an. Abzusehen wird natürlich sein von denen, die nach ihrem Inhalt das Verständnis der niederen Schichten über schreiten, und jenen »Bilderbüchern für große Kinder«, die haupt sächlich der Befriedigung törichter oder gar eitler Neugierde dienen. Aber es bestehen ja bereits eine ganze Reihe von Zeitschriften mit Bildschmuck, die man nach ihrem Inhalt und auch nach ihrem Preise unbedenklich als geeignet ansehen darf. Weit verbreitet, besonders auf dem Lande, ist das »Deutsche Volksblatt« (Berlin, 60vierteljährlich), das für den Osten in der Ausgabe »Ostdeutsches Volksblatt« erscheint und neuerdings wohl auch für Westpreußen eine besondere Provinzialausgabe hat. Mehr für Industriearbeiter ausgestattet siud die »Feierstunden« (Berlin, 60 vierteljährlich). Sie werden schon vielfach von sozial denken den Industriellen regelmäßig kostenlos an ihre Arbeiter verteilt. Volkstümlich gehalten ist auch der »Deutsche Soldatenhort« (Berlin, 1.80 vierteljährlich), der auch für Nichtsoldaten recht viel Beachtenswertes bringt. Sondergebiete behandeln »Kolonie und Heimat« (Berlin, 1.30 ^ vierteljährlich) und »Die Flotte« (Berlin, Preis wohl nach Vereinbarung). Diese Zeitschriften sind meist sehr reich illustriert. Ihr Inhalt ist nicht nur verständlich und anziehend für den einfachen Mann, sondern auch, ohne aufdringlich zu wirken, belehrend. Deshalb würden sie sicher lich freudige Zustimmung finden. Auch sind sie politisch und kon fessionell nach Möglichkeit unparteiisch gehalten, so daß man auch nach dieser Richtung hin keine Bedenken gegen sie'zu haben braucht. Gnesen. Staatsanwalt Spatz. Tolstoi und die russischen Gerichte. — Dieser Tage ge langt in Petersburg, wie der Wiener »Neuen Fr. Presse« gemeldet wird, der Prozeß gegen den Tolstojianer N. I. Selten in einer besonderen Session des Gerichtshofes zur Verhandlung. Gemein sam mit einem Gesinnungsgenossen namens Sutkvw hat Selten einige Broschüren Tolstois herausgegeben und bei einer Haus durchsuchung hat man bei ihm 385 Exemplare dieser von den Behörden verbotenen Schriften gefunden. Da Sutkow flüchtig ist, wird zunächst Selten allein der Prozeß gemacht. Die Verhand lung verspricht interessant zu werden, denn einer der beiden Ver teidiger Seitens ist der große Dumaredner Maklakow, und außerdem hat L- N. Tolstoi in Veranlassung des Prozesses einen Brief geschrieben, den die Verteidiger dem Untersuchungsrichter haben zugehen lassen. Das Schreiben lautet: »Sehr geehrte Herren! Nikolai Jewgenjewitsch Selten wird wegen Heraus gabe und Verbreitung meiner Broschüren »Du sollst nicht töten«, -Ein Sendschreiben an die Liberalen« und »Christen tum und Patriotismus« zur gerichtlichen Verantwortung gezogen. Da diese Broschüren von mir geschrieben sind und nicht nur mit meiner Einwilligung, sondern auch auf meinen Wunsch von einem meiner Freunde herausgegeben worden sind, Selten aber hierbei nur passiv beteiligt gewesen ist, so müssen ver ständiger- und gerechterweise all die Maßregeln, die gegen Selten getroffen worden sind, gegen mich gerichtet werden. Und zwar um so mehr, als ich wie schon mehrmals, so auch jetzt erkläre, daß ich mich vor meinem Gewissen für verpflichtet halte, sowohl diese als auch meiue übrigen Schriften nach Möglichkeit zu verbreiten. Solange ich es kann, werde ich es unentwegt tun. Ich halte es für notwendig, Ihnen dieses zur Kenntnis zn bringen, und bitte Sie, die meiner Erklärung entsprechenden Maßregeln zu treffen. Leo Tolstoi«. Selbstverständlich wird diese Bitte unbeachtet bleiben, denn vieles kann sich die russische Staatsgewalt allerdings gestatten, aber einen Prozeß gegen L. N. Tolstoi jedenfalls noch nicht. — Eine spätere Nachricht meldet die Verurteilung Seltens zu sechs Monaten Festungshaft. Rcichsverband österreichischer Buchdruckereibcsitzcr. — Der Jahresbericht dieses Verbandes ist soeben im Verlage der Administration Julius Brüll in Wien, gedruckt von Friedrich Jasper daselbst, für 1908 erschienen. Er bildet einen starken Groß- Oktavband von über 200 Seiten, doch kommen von diesen nur 67 auf den eigentlichen Jahresbericht, der übrige Teil enthält Ge schäftsanzeigen, Kunstbeilagen und Notizen über die durch erstere empfohlenen Geschäfte. Geschmückt wird der Band durch das in feiner Autotypie auf weißem matten Kunstdruckpapier gedruckte Porträt des Herrn Ottomar Bamberg, Buchdruckereibesitzers iu Laibach und Vizepräsidenten des Reichsverbands, als Titelbild; die übrigen Kunstblätter sind Farbendrucke, teils monochrom, teils in drei und vier Farben, die Mehrzahl von ihnen von großer Schön heit; oder es sind Atzungs-, Raster- oder Schriftproben, Ab bildungen von Maschinen, unter denen die neue Victoria- Herkulespresse der Maschinenfabrik von Rockstroh L Schneider Nachfolger zu Heidenau-Dresden durch ihren herkulischen, von gewaltiger Kraft zeugenden Bau besonders auffällt. Selbst verständlich sind auch zahlreiche andere buchgewerbliche Maschinen durch Abbildungen vertreten. Vom Inhalt des Werkes ist besonders zu erwähnen: Funk tionäre des Reichsverbands, desgleichen des Tarifamts der Buchdrucker und Schriftgießer Österreichs im Jahre 1908, desgl. der Kronlands-Schiedsgerichte; — das Protokoll der IX. General versammlung des Reichsverbands vom 30. März 1908; — Ver zeichnis der Buchdruckereien Österreichs, in denen der neue Normal - Lohntarif eingeführt wurde, desgleichen der, in denen er bisher nicht eingeführt wurde; — sodann noch zwei wertvolle Abhandlungen: »Unnütze Kalkulationen« und »Fortschritte auf dem Gebiete des Jllustrationsdrucks«. Die Notizen über die Beilagen und sonstige geschäftliche Re ferate umfassen weit über 120 Seiten und gewähren interessante Einblicke in den Druckereibetrieb Österreichs, geben auch zugleich Anhaltspunkte zur Beurteilung der graphischen Geschäfte in Wien und im ganzen Kaiserstaate, so daß dieser Jahresbericht auch über dessen Grenzen hinaus technischen und geschäftlichen Wert besitzt. Gedruckt ist derselbe, wie schon erwähnt, in der renommierten Buch- und Kunstdruckerei von Friedrich Jasper in Wien, — der Ruf dieser Firma ist schon allein eine Garantie für die Vor züglichkeit der Ausführung der graphischen Herstellung. Theod. Goebel. Verbranntes Trnktmanuskript. — In der »Papier-Zeitung» (Nr. 42 v. 27. Mai) finden wir folgenden Rechtsfall erörtert: Frage: Ein hiesiger Arzt übergab uns seine Doktor-Dissertation zum Druck; wir sagten ihm jedoch, daß unser Schriftmaterial für eine derartige Arbeit nicht ausreiche, und sandten daher mit seiner Genehmigung das Manuskript an eine auswärtige Druckerei zur Preisstellung. Daselbst verbrennt das Original-Manuskript bei einem Schadenfeuer, obgleich es angeblich in einem eisernen, feuersicheren Schrank gelegen hat. Das Feuer ist während der Nacht entstanden, indem aus dem Ofen glühende Kohlen auf den Fußboden fielen; ob Fahrlässigkeit des über 70 Jahre alten Heizers und Wächters vorliegt, läßt sich nicht sagen, wenigstens hat der Staatsanwalt keine Klage erhoben. Die Universität weigert sich, dem Arzt das Doktor-Diplom auszustellen, bevor er die vorschriftsmäßigen Druckexemplare abgeliefert hat; leider hat aber der Arzt keine Abschrift seiner Arbeit in Händen und muß daher diese auf Grund seiner Notizen noch einmal anfertigen. Hierfür beansprucht er als Entschädigung für Zeitverlust und Barauslagen rund 500 Die mit der Preisstellung beauftragte Druckerei weigert jede Zahlung, da die Hauptschuld den Arzt treffe, der sich keine Abschrift seiner Arbeit gemacht habe. In der Voraussetzung, daß eine Abschrift des Manuskripts vorhanden sei, hat sich die Druckerei freiwillig erboten, eine Kopie davon anfertigen zu lassen. Wie urteilen Sie hierüber, und wie sollen wir uns verhalten? Antwort des rechtskundigen Mitarbeiters der »Papierzeitung«: Der Schadenersatzanspruch des Arztes hängt von dem Nachweis eines Verschuldens auf seiten der Druckerei ab, in deren Räumen das Manuskript verbrannt ist. Das Verschulden kann in Außer achtlassung der Sorgfalt bei der Aufbewahrung oder in der An stellung eines wegen hohen Alters nicht mehr hinreichend zuver lässigen Heizers liegen. Wenn auch nicht strafbare Fahrlässigkei 841*