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Pik 289, 12. Dezember 1912. Mchtamtlicher Teil. «örlenblatt f. d. Dtschn. vuchhanory 15915 staticren, wäre vielleicht nicht so wichtig, wen» nicht auch das Kunstsortiment seinen Anteil am sogenannten großen Kunst- Handel hätte. Gibt es ja doch eine Menge hochangesehener Firmen, bei denen sich beides, Sortiment und Handel mit hoher Kunst, in schönster Harmonie vereint, und so konnte es nicht ausbleiben, dah diese beiden immer mehr und mehr ver schwägerten Geschäfte gemeinschaftlich verantwortlich gemacht werden, für die das Ansehen des Kunsthandels als Kollektiv- begriff schwer schädigenden Vorwürfe. Dah diese alle Ursache haben, dem kunstliebenden Publikum gegenüber rein und makellos und unbedingt zuverlässig dazustehen, ist selbstver ständlich, und es sollte eigentlich kaum der dringenden Mah nung bedürfen, gerade unter der Einwirkung der in der letzten Zeit verbreiteten unerfreulichen Nachrichten doppelte Vorsicht walten zu lassen und doppelt danach zu streben, daß das Prestige gewahrt bleibt. Daß die Schmarotzer im Kunsthandel und die Eharlatane, die ihr durch die Lotterie oder durch Erbschaft erworbenes Geld nun durch den Handel mit Ge mälden in möglichst kurzer Zeit verzehnfachen wollen, sich zu den dümmsten und ungeschicktesten Maßnahmen hinreiben las sen, die selbst dem simpelsten kaufmännischen Verstände wider sprechen, sollte den wirklich vornehmen Kunsthändler, der stolz ist auf seinen Beruf, nicht irre machen. Es sollte ihn viel mehr doppelt bestärken in dem festen Willen, das Ansehen des Kunsthandels, eines der bevorzugten kaufmännischen Geschäfte zu sein, zu fördern. Wenn ein sogenannter Kunsthändler her geht und, wie es in einer Verhandlung vor der Kölner Straf kammer zutage trat, sich nach einem Bilde von Vautier, eine schlechte Kopie anfertigen läßt, die man mit einigen hundert Mark hoch einschätzt, und diese als Originalgcmälde für 10 OVO Mark anbietet, so kann mau wohl derartige Fälle, in denen eine unglaubliche Naivetät mit einer noch größeren Portion Dummheit wetteifert, zu den allergrößten Seltenhei ten rechnen. Aber das Publikum, das eben doch alles glaubt, was in der Zeitung steht, und wenn es das widersinnigste Geschwätz ist, bleibt natürlich gerade an solchen Dingen hän gen und ist zu leicht geneigt, den Einzelfall zu verallgemeinern. Wenn über die Tätigkeit einiger Koryphäen des internationa- len Gemäldehandels heute nicht mehr die beste Meinung herrscht, wenn es längst zum offenen Geheimnis geworden ist, daß sie unter der gütigen Mitwirkung anderer Faktoren nicht nur die Hausse und Baisse des Kunstgeschäfts bestimmen, sondern auch von nicht unwesentlichem Einfluß auf die mo derne Kunstgeschichte sind, so sollten diese Sondersälle den allgemeinen Kunst- und Bilderhandel nicht vom geraden Wege abbringen. Das Kunstgeschäst wird im wesentlichen und wohl noch immer mit dem besten und sichersten Erfolg auf die guten und soliden Grundsätze eines ehrbaren Kaufmannes aufzubauen sein. Diese gute Meinung dem Publikum zu erhalten, wird die Aufgabe jedes Einzelnen wie der Gesamt heit, nicht zuletzt aber der korporativen Vertretung in Gestalt der Deutschen Kunsthändler-Gilde sein. Wie das hohe Kunstgeschäft seine Schädlinge hat, über die man Bücher schreiben könnte, so wird auch das Kunstsorti ment, der Reproduktionshandel, nie ganz frei werden von den Widersachern, die entweder in den eigenen Reihen oder in denen zweifelhafter Verleger zu suchen sind. Vor mir liegt der Brief einer Berliner Firma, der als ein Musterbeispiel dafür, wie das Publikrim gefoppt wird, vielleicht einzig da stehen dürfte. Zunächst kommt der Dank für die Beteiligung an dem Preisausschreiben! Und dann wird in einer Weise, die dem Verfasser jedenfalls das Zeugnis eines großen Mei sters der Reklame ausstellt, der geehrte Empfänger so mit Redensarten be—trunken gemacht, daß ec zuguterletzt doch noch hereinfällt und zu dem angeblich gewonnenen Bilde ein gleich schlechtes Gegenstück bestellt, nicht ohne das erhebende Gefühl, daß die Firma, wie sie betont, ans lauter lieber Menschenfreundlichkeit die Güte hat, es ihm zu über lassen. Was der Prospekt, der nach seinem ganzen Äußeren den Stempel des Vorsintflutlichen, nach seiner Anlage das Kriterium der reklame- und schwindelhaften Anpreisung und Täuschung trägt, sonst noch alles an geschickten Redewen dungen enthält, mit denen das Volk geködert werden soll, hier zu zitieren, ist unmöglich. Es ist wohl auzunehmen, daß den Verlegern und auch dem Kunstsorliment die Firma und ihre Praktiken bekannt sind, und daß man sich gegen die unerhörten Vorspiegelungen zu schützen suchen wird. Gerade die Weih nachtszeit fördert immer wieder so schöne Sachen zutage, wo von geschäftseifrigen Leuten unter dem Deckmantel, die Kunst unter das Volk zu bringen und eine hohe, edle Mission zu erfüllen, in Preisausschreiben und Rätseln die unglaub lichsten Dinge in Gestalt von echten Gravuren gratis ver sprochen werden und dem regulären Kunstgeschäst ein kaum abzusehender Schaden zugefügt wird. Die Unwissenheit im Publikum und die Leichtgläubigkeit sind leider noch immer zu groß, und die Zahl derer, die nicht alle werden auch, und so muß betrüblicherweise angenommen werden, daß diese Fir men immer wieder mit großem Erfolg an die Beschränktheit ihrer Zeitgenossen appellieren. Hiergegen durch eine inten sive Aufklärungsarbeit zu arbeiten, wird die Pflicht jedes Kunsthändlers sein, der mit einem großen Aufwand von geisti gen und materiellen Kräften um sein Dasein kämpft. Wichtig aber ist es natürlich, daß man sich nicht nur darüber ärgert und schimpfend die oorpor» «teilet! beiseite legt, in dem beruhi genden Bewußtsein, daß andere das tun sollen, was man selbst zu tun hätte. Der Kunsthandel ist jetzt genügend orga nisiert, die Verleger sowohl wie die Sortimenter, um nicht mehr einzeln und erfolglos, sondern in geschlossener Phalanx gegen feine Feinde zu kämpfen. Es bedarf also nur der Mit- arbeit und des Interesses jedes Einzelnen an den Organisationen. Denn nur dann können diese das halten und durchführen, was sie verheißungsvoll versprechen, und was man von ihnen erwartet. Als eine immerhin nicht ungewöhnliche Neuigkeit geht just, während dieser Aufsatz geschrieben wird, die Notiz durch die Presse, daß die Berliner Sezession voraussichtlich im nächsten Jahre den Kunsthändler Paul Cassircr zum Präsi denten wählen wird*). Diese Meldung hat immerhin einen originellen Beigeschmack. Es ist für den Geschäftsmann sehr wichtig, sich in Szene zu setzen, und besonders für einen Kunst händler, der im Leben der Reichshauptstadt eine so wichtigeRolle spielt. Wenn auch nicht ganz unwahrscheinlich, so vermag man doch in den weitesten Kreisen noch nicht daran zu glauben, daß eine Künftlergruppe, die doch wahrlich weit über den lokalen Rahmen hinaus von großer Bedeutung für die ganze Kunst des 20. Jahrhunderts geworden ist, sich von einem Nichtkünstler präsidieren lassen wird. Für Cassirer wäre diese Ehrung, denn eine solche bliebe es auf jeden Fall, etwa das, was mutatis mutanckis für Gerhart Hauptmann der Nobelpreis bedeutet! Die Krönung seiner ungeheuren Betriebsamkeit, die man immerhin anerkennen muß. Es wäre diese Präsidentschaft ohne Zweifel ein Vertrauensvotum für den ganzen deutschen Kunsthandel, und wenn es dem Einzelnen auch überlassen bleibt, dabei zu denken, was er will, der Gesamtheit gegenüber, die wir Publikrim nennen, wird diese ' rnennung das Vertrauen zu unserem Stande stärken müst Sehr niedlich war es aber anzusehcn, resp. zu lesen, wie ,.uer der bekanntesten Berliner Kritiker angesichts dieser Meldung sich mit dem eisernen Mantel der Objektivität zu umhüllen suchte und an derselben Stelle, wo er xmal laut und vernehmlich die ungeheure Wichtigkeit des Kunsthändlers »j Inzwischen geschehen »nd zur vollendeten Tatsache geworden. D. Vers. 20kig"