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Redaktioneller Teil. .V' 131. 26. Juni 1919. Meine Damen und Herren, ich gebe aber ohne weiteres zn, daß einige Schäden auf dem Gebiete des Schnlbnchwesens vorhanden sind, die vielleicht einem, der nicht die Dinge näher betrachtet, wohl Veran lassung geben konnten, zn sagen: Nun, dann mal gut, her mit einem solchen Staatsmonopol! In dieser Zeit, wo das Sozialisieren und Verstaatli ch e n aller Di n g e zn einem v e r h ä n g » i s - vollen Schlagivort geivorden ist, da geht man auch alizn gern dazu über, den Geist zn sozialisieren und z» schematisieren. (Sehr richtig!) Wir andern aber haben die stärksten Bedenken und lehnen diese Bestre bungen ab. Nicht weil wir, wie Herr Hoffmann gemeint hat, kapita listische Beweggründe haben, sonder» weil wir in der Uniformierung, in der Monopolisierung des Geistes den geistigen Tod unseres ganzen Kultur- und Volkslebens sehen. Es kommt doch am letzte» Ende nicht nur darauf an, unserer Schule schöne Gebäude mit guten und künstle rischen Fassaden zn geben, nicht nur darauf an, ihr gute Lehrkräfte zn geben, sondern es kommt auch darauf an, de» Lernende» gutes Lehr- nnd.Hilfsmaterial in die Hände zu geben. (Sehr richtig! bei der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei) Wenn wir dieses wünschen und wollen, dann können nur nur die wei teste Freiheit gebrauchen und nicht den Zwang. Wir müssen fordern, daß hier Freiheit bleibt im Interesse der Qualität. Und wenn der deutsche Verlag hier heute von Herrn Hoffmann angegriffen, wenn gesagt worden ist, daß er den Verleger gern sehen möchte, der die Gewinne des einen Gebietes, also vielleicht der Lehrbücher, für andere Knltnrgebiete seines Verlages anwendet, so konnte ich ihm deren eine ganze Menge nennen, und wenn er glaubt, daß die Zeitschriften, von denen er sprach, nur herausgegebcn würden, um billige Reklame mittel zu haben, so ist das ganz und gar falsch. Die Zeitschriften sind die Stätten, auf denen die Fortschritte der Wissenschaft ventiliert und so lange gewälzt und gedreht werden, bis sic wieder für eia Lehrbuch reif sind. Auf dem Gebiete dieser fachwissenschastlichen Zeit schriften wie auf wissenschaftlichem Gebiete überhaupt, wo die Vor arbeiten für die Lehrbücher in ernster, mühevoller Arbeit unter großen sinanziellen Spfern auch der Verleger geleistet werden, da ist nur zu oft die Gelegenheit, wo die Gewinne, die man im Schulbücherverlag haben kann, meinetim'gen auch in starkem Maße haben kann, wieder ihre wohl tätige Wirkung für die Gesamtheit austtben. Die Zersplitterung im Schnlbücherivesen ist vielleicht einer der Gründe, die manche Eltern besonders aus den Volksschulkreiseu dazu bringt, sich dem Gedanken der Monopolisierung freundlich gegen- überznstellen. Gegen diese Zersplitterung im Schnlbucherwesen müssen wir uns auch wenden: wir wenden uns auch gegen die zu starke Bevor zugung einiger großer Verlagsfirmen, die man in eine Monopolstel lung hineingebracht hat. (Hört, hört! bei der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei) Wir wünschen in dieser Beziehung nicht Monopolisierung, sondern Dezentralisation. Möge das Schulbuch auch fernerhin das ganze Land wirtschaftlich befruchten: eS gehört mit zu einem sehr wich tigen Teil unserer Volkswirtschaft! Meine Damen und Herren, ich will die Zeit nicht übermäßig in Anspruch nehmen, weil ich hoffe, daß wir noch später beim Knltusetat die Gelegenheit haben werden, auf diese Dinge einzugehen. Ich will nur das eine noch sagen: Wir haben in der Geschichte man che Revolutionen gehabt: sie haben dazu geführt, derartige geistigc Monopole und Hindernis s e rea k - tionärer Negierungen zn beseitigen. Es wäre wirk lich ein Schauspiel für Götter, wenn die Revolution desIahres 1 9.18 dazu führen sollte, in Deutschland über den Weg des S ch u l b ü che r m o n o p o l s den ersten Schritt zur Knebelung des deutschen Geisteslebens zn tun. (Lebhaftes Bravo rechts) Vizepräsident Dr. v. Kries: Das Wort hat die Abgeordnete Frau Poehlmann. Frau Poehlmann, Abgeordnete (D. V.-P): Meine Herren und Damen, der Herr Vorredner hat die Frage des Schulbüchermonopols vom Standpunkte des deutsche» Verlagsbnchhandels aus erörtert, dieses deutschen Verlagsbuchhandels, der in der Welt unerreicht dasteht, der gerade ans dem Gebiete des Schulbuches vorbildlich ist und einen Ruf erlangt hat, der von dem Herrn Vorredner geschildert worden ist. Ich brauche auch nicht ans das einzugchcn, was der Herr Vorredner gesagt hat; denn ich wünsche mich von ihm dadurch zn unterscheiden, daß ich zur Sache sprechen, also kurz sprechen werde. (Abgeordneter Adolph Hoffmann: Schulmeister!) — Ja, selbstverständlich als Schulmeister, und ich hoffe, als Schnl- mcisterin meinem früheren obersten Vorgesetzten für zukünftige^ Fälle ein gutes Beispiel zu geben. (Heiterkeit und Bravo! rechts) Sehr beruhigend hat es auf mich gewirkt, daß dieser mein früherer oberster Vorgesetzter, Herr Adolph Hoffmann, gesagt hat, daß bei der Frage der Neubearbeitung von Schulbüchern nur Kenner mitzuwirken habe» werde»: denn damit hat er gesagt, daß er sich selber ansschaltci. (Heiterkeit und sehr gut! rechts) Das ist in jeder Beziehung wichtig. In der eine» Beziehung, in der ich mit ihm natürlich am wenigsten übereinstinime, muß ich mich zum Teil auch gegen bas wenden, was Fra» Dr. Wegscheider gesagt Hai. Diese beide» Redner habe» die Frage des SchnlbücherinonopolS ihrer politischen Richtung entsprechend anfgesaßt von einer Seite, die nicht zulässig ist. Fra» Dr. Wegscheider hat hierbei auch eine» starken Angriff ans Herrn Dr. Boelitz und das gerichtet, was er als schwächliche Völkerbeglückung und Völkerverbrii dernng gekennzeichnet hat, und hat dann ansgeführt, daß sie die Schul bnchabsassnng von ihrem politischen Standpunkte ans geordnet wisse» will. Der Angriff gegen Herrn Dr. Boelitz war durchaus ungerecht fertigt. Herr Dr. Boelitz hat sich nur gegen die schwächliche Völ kerverbrüderung und Völkerbeglückung gewendet. Gegen eine Völker beglücknng und Völkerverbrüderung an sich wird wohl ein Mitglied meiner Fraktion nichts zu sagen haben. Wir stehen auf dem Stand Punkt, daß ans dem Grunde des Deutschtums unser Volk zur Wahr Hastigkeit, zur Tüchtigkeit, zur Ehrlichkeit, zur Einfachheit zurückgeführt werden soll. Das wird unser deutsches Volk auch in seinem Unglück ivicder zu einem glücklichen Volke machen, (Bravo! rechts) und das glückliche Volk wird Völkerbeglückung in dem besten Sinne krei ben müssen. Es ist also unmöglich, daß ein Mitglied meiner Frat tion sich gegen eine wirkliche Völkerbeglückung und Völkerverbrüderung aussprechen kann. Ich habe aber zu dieser Frage noch einiges zu sagen, was vorhin noch nicht berührt worden ist. Ich sehe in dem Monopol der Schul büchcr eine Gefahr, die mir gerade durch die Ausführungen der Frau Dr. Wegscheider und des Herrn Adolph Hoffmann noch klarer geworden ist. Was wird denn aus dem Monopol der Schulbücher, das von einer Regierung einer bestimmten Richtung festgesetzt worden ist, und was wird aus diesen monopolisierten Schulbüchern, wenn eine Negierung anderer Richtung folgt? . (Sehr gut! rechts) Dann werden diese Schulbücher, wenn sie von kraftvollen und über zeugungstreuen Leuten abgefaßt worden sind, die ihre Grundsätze und Anschauungen hineingelegt haben, doch wieder abgeschafft werden müs sen, und es wird eine Reihe von neuen Schulbüchern wieder eingeführt werden müssen, die der neuen Richtung gerecht werden. Freilich geht es zum Glück hier nicht so schnell, wie es mit dem Wechsel der Negie rungen in andern Ländern gegangen ist. Bei uns haben wir hierin noch keine Erfahrung; aber das können wir schon jetzt sagen: so schnell lasse» sich die Schulbücher nicht wechseln wie unter Umständen die Re giernngen. (Sehr richtig! rechts) Deshalb wird man die Monopole von Schulbüchern nicht so aits gestalten können, daß sie einer einzelnen Richtung ganz und gar ein sprechen. In der Monopolisierung liegt also eine große Gefahr. Es ist schon auf Österreich hingewiesen worden, und ich möchte noch als Beispiel Frankreich heranziehen, wo zwar kein eigentliches Schulbücher Monopol bestand, aber doch eine sehr starke Beeinflussung der Schul bücher durch den Staat erfolgte und damit eine Grundlage für eine» so starke» Chauvinismus geschaffen wurde, wie wir ihn hier in Deutsch land nicht annähernd kennen, wie es denn überhaupt in Deutschland nicht ei» einziges Schulbuch gibt, das in dieser Beziehung mit den fra» Mischen zu vergleichen wäre. (Sehr richtig! rechts) Frau Dr. Wegscheider hat nun immer wieder gesagt, das Schul buch müßte von wirklichen Pädagogen gemacht werden. (Sehr richtig! bei der Sozialdemokratischen Partei) Aber sie wird mir doch zugeben, daß die anderen Fraktionen im Ver gleich mit ihrer eigenen nicht arm an wirklichen Pädagogen dastehen. Es haben sich doch wahrhaftig nicht die wirklichen Pädagogen, die Herz, Sinn und Liebe für die Jugend haben, die ehrliche und aufrichtige Menschen sind, nur in dieser einzigen Fraktion zusammengefnnden. Und das; die geistige Qualität der Fraktion des Antragstellers nun hinter der jener anderen Fraktion znrückstehen sollte, das kann ich als Mitglied dieser Fraktion natürlich nicht zugeben. Wenn wirkliche Pädagogen die Bücher hcrausgeben, dann werde» die Bücher auch brauchbar sein. Aber ich stehe auch ans dem Standpunkt, daß das Unmaß und Übermaß von verschiedenen Schulbüchern ein Ver derb gewesen ist. Ich sehe das Heil in dem Wege, den uns der Herr Kultusminister gekennzeichnet hat: in der Einbernfnng eines Ausschns ses. Diesem Ausschüsse müssen wirkliche Pädagogen angehören, die eine vollendete, umfassende Geistesbildung besitzen und auch ein warnies Herz für unsere Jugend haben. Mit dieser Zusage des Herrn Ministers 520