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X- 263, 12. November 1935. Redaktioneller Teil Börsenblatt s. b. Dtschn Buchhandel. Solche Wirkungen sind möglich, weil das freizügige, überall hingelangende wissenschaftliche Buch die Ergebnisse der Forschung überall bekanntmacht. Es erlaubt die Erörterung seiner Inhalte in aller Öffentlichkeit und fördert dadurch die wissenschaftliche Auseinandersetzung. Zugleich wird aber auch die Verantwortlich keit des Verfassers für sein Werk geschärft. Sie muß jederzeit übernommen werden können, denn von jedem Ort aus kann zu jeder Zeit in den Streit der Meinungen eingegriffen werden. Die gelehrte Welt als Ganzes kann zustimmend oder ablehnend die Bildung neuen Wissensbesitzes überwachen. Wie wohltätig diese Überwachung zu wirken vermag, hat die Einführung des Druck zwanges für die Dissertationen gezeigt, welcher Zwang auf Ver anlassung Mommsens seit dem Jahre 1875 von den deutschen Universitäten durchgeführt worden ist. Unter dem Druck der wirt schaftlichen Verhältnisse mußte er in der Inflationszeit außer Kraft gesetzt werden, die Nachteile aber, die sich daraus sehr fühlbar ergaben, haben dazu geführt, ihn wieder herzustellen, sobald dies angängig war. (Schluß folgt.) Zur Wirtschaftslage Von Prof. Dr. G. Menz Zur Arbeitsiiiarktlage — Konjunkturberichte — Buchgewerbe und Buchhandel Während die Weltwirtschaft unverkennbar völlig von den Sorgen eingenommen ist, die sich aus dem Vorgehen Italiens gegen Abessinien ergeben, kann Deutschland in Ruhe an dem Aus bau seiner Wirtschaft wciterschaffen, der planmäßig seit der Machtübernahme durch den Nationalsozialismus eingeleitet ist. In einem der letzten Wochenberichte hat das Institut für Kon junkturforschung in einem Beitrag »Tiefpunkt der Ar beitslosigkeit- ausgcführt, die »eigentliche« Arbeitslosig keit sei gegenwärtig bereits erheblich geringer, als die Zahlen der registrierten Arbeitslosen erkennen ließen. Eine große Zahl der gemeldeten Arbeitslosen, wahrscheinlich mehr als eine halbe Million, sei entweder arbeitsunfähig oder nur beschränkt arbeitsfähig. Vielleicht ebenso groß sei die Zahl der Arbeitslosen, die sozusagen den Mindcstbcstand der Arbeitslosigkeit bilden, der auch im Höhepunkt der Konjunktur nicht unterschritten werde. Rechne man selbst die etwaigen Reste der »unsichtbaren« Arbeits losigkeit noch mit ein, so seien es im Augenblick nicht einmal mehr als eine Million Arbeitslose, für deren Beschäftigung ge sorgt werden müsse. Die saisonmäßige Zunahme der Arbeitslosig keit im kommenden Winter werde von der Höhe der gesamten Beschäftigung, von der Strenge des Winters und besonders von der Zahl der Arbeitskräfte abhängen, die mit Außenarbeiten be schäftigt seien. Da im gegenwärtigen Aufschwung der Anteil der Arbeitskräfte, die in ihrer Beschäftigung vom Wetter abhängig seien, recht groß sei, so liege eine saisonmäßig bedingte Zunahme^ der registrierten Arbeitslosen um mehr als eine Million durch aus im Bereich des Möglichen. Manches deute darauf hin, daß sich die saisonmäßige Zunahme der Arbeitslosigkeit in der tat sächlichen Entwicklung voll auswirke. Wie nahe wir am Ende der eigentlichen Arbeitslosigkeit ständen, zeigten die mehrfachen Wandlungen der Arbeitspolitik in den letzten Jahren. In ein zelnen Berufen bestehe ein ausgesprochener Mangel an fachlich geschulten Arbeitskräften. Wenn dieser Mangel an Fachkräften gelegentlich zu Schwierigkeiten führe, so könnte doch eine Aus dehnung der Produktion niemals daran scheitern, daß es an den notwendigen Arbeitskräften fehlen würde. Denn die Gesamtzahl an beschäftigten und unbeschäftigten Arbeitern und Angestellten sei keine unveränderliche Größe. Es kommt aber in diesem Zu sammenhang auch sehr maßgeblich daraus an, daß der Umschulung und vielleicht noch mehr der Nachwuchsschulung und Fortbildung innerhalb der Arbeiter- und Angestelltenschaft größte Aufmerk samkeit geschenkt wird. Vor kurzem hat Herr von Siemens in einer Ansprache über die Heranziehung tüchtigen Nachwuchses in seinen Werken darauf hingewiesen, daß man mit großer Freude auf die Entwicklung und die Erfolge zurückblicken könne, die die Ausbildung von jungen Facharbeitern bei den Unternehmen ge wonnen habe. Sie finde allgemeine Anerkennung, habe aber auch den Werken tüchtige Kräfte geschaffen. 60"/° aller Ausgebildetcn zählten heute noch zu den Gefolgschaftsmitgliedern der Werke, darunter viele in zweiter und dritter Generation. Von jeher sei es auch das Bestreben gewesen, besonders tüchtigen und leistungs fähigen Mitarbeitern den Aufstieg in höhere Stellen zu ermög lichen. Die Leitung habe sich deshalb entschlossen, auf diesem Wege ein Stück weiter zu gehen und den ungelernten und angelernten Arbeitern eine Möglichkeit des Ausstiegs zu eröffnen; zu diesem Zweck würden besondere Schulungslehrgänge von dreimonatiger Dauer eingerichtet werden. Zunächst sollten etwa hundert be fähigte, strebsame Gefolgschastsmitglieder hierfür ausgewählt wer den, die während der Schulungszeit eine Freistelle erhalten, die nicht nur freie Schulung, sondern auch Mittel für den Lebens unterhalt umschließe. Man lege auch großen Wert darauf, den zukünftigen Ingenieuren die für sie so dringend notwendige Kenntnis der handwerklichen Arbeit und die Achtung vor der selben zu vermitteln. Für erprobte Handwerker seien Kurse ein gerichtet, um sie für die Stellung eines Meisters vorzubereiten. Der Buchhandel hat in seinen eigenen Reihen bekanntlich den Fortbildungsfragen schon lange besondere Beachtung geschenkt. Die dafür getroffenen Maßnahmen sind eben erst durch die Er richtung der Reichsschule gekrönt worden. Je mehr sich diese Be strebungen auch sonst ausbreiten, desto stärkere Rückwirkungen wird der Buchhandel davon aber auch, hoffentlich zu seiner Freude, in seinem eigenen Absatz zu spüren bekommen. Mit Recht ist im Rahmen der Werbung in der Woche des Buches eben auch des Fachbuches besonders gedacht worden. Das gehört in denselben Rahmen. Auch der letzte Sortimenterkursus hat deshalb gerade dieser Frage Raum gegeben. Verlag wie Sortiment haben hier ein wichtiges Arbeitsgebiet vor sich, das sich mit fortschreiten der Besserung der allgemeinen Lage als immer aussichtsreicher erweisen dürste. Das Problem, das die Wirtschaftsprogrammatik gegenwärtig in erster Linie zu lösen hat, ist nach einem Aufsatz von Roos im 1. Novemberheft der »Deutschen Volkswirtschaft» die Frage, wie allen Arbeitsfähigen und Arbeitswilligen in Deutschland ein ihrer Leistung entsprechendes Einkommen gesichert wird, und zwar derart, daß gleichzeitig das Nationalvermögen sich ver größert und die nationale Unabhängigkeit gestärkt wird. Die Auf gabe der staatlichen Wirtschaftslenkung bestehe darin, durch stän dige Marktbeobachtung und statistische Erfassung das organische Zusammenwirken von Kapital und Verbrauch zum Wohle der Volksgemeinschaft zu steuern, wobei die freie Initiative in der Wirtschaft überall da aufrcchterhalten bleiben werde, wo ein Mißbrauch des Grundsatzes angemessener Preise nicht vorhanden sei. Nach dem Leitartikel desselben Heftes ist aber nicht Umsturz des Alten, des zeitlich Überholten die Hauptsache, sondern Auf bau des Neuen. Der Kampf des Nationalsozialismus gelte einer jeglichen Erstarrung, die sich auf wirtschaftlichem Gebiet bemerk bar mache und den Fortschritt hemme. Es bestehe kein Gegensatz zwischen einer »planenden Lenkung- und einer ebenso lebens wichtigen »Freiheit» der Wirtschaft. Es komme nur darauf an, daß alle Einzelmaßnahmen so aufeinander abgestimmt würden, daß sie als Ganzes der Volksgemeinschaft dienten. Der Kampf dürfe daher nicht mehr um Grundsätze geführt werden, die sich gegenseitig bedingten, als vielmehr gegen Erstarrungserscheinun gen, die einer fortschrittlichen Entwicklung im Wege ständen. Das, worin Volk, Staat und Wirtschaft sich erschöpfen sollten, sei die aufbauende Arbeit, nicht das nutzlose Tun um versteinerte Ge danken und Organisationsformen. In diesem Sinne haben wir an dieser Stelle immer wieder auf die Notwendigkeit jenes »Gra- nattrichter-Jndividualismus« hingewiesen, der im Felde jedem einzelnen Soldaten aus eigenem Verantwortungsgefühl und per- 9S7