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dieser Greuelthat ist unbekannt, jedoch vermuthet man Geisteszerrüttung infolge eine- Sturze- vor einem Jahre von der Emporscheune. Man be dauert allgemein diesen Unglücksfall in der geachteten Familie. Groitzsch, 14. Nov. Am frühen Morgen deS 2. Nov. reifte eine zahlreiche Gesellschaft hiesiger Schuhmacher im Omnibus eine- Pegauer LohnkutscherS nach Chemnitz zum Jahrmarkt. Jenseits Lucka beliebte cS dem Kutscher, trotz der Abmahnung der Passagiere, die Chaussee zu ver lassen und einen kürzeren Communicationsweg durch daS Dorf Ruppers dorf einzuschlagcn, ungeachtet er denselben nicht einmal genau kannte und es noch nicht 5 Uhr, mithin noch ganz dunkel wär. Leider trafen die Besorgnisse der Passagiere nur zu bald und schrecklich ein. Im genannten Dorfe nämlich schlug bei einer scharfen Biegung deS WegS der Wagen um und erlitt nicht blos selbst bedeutende Beschädigungen, sondern es tru gen auch fast sämmtlichc Passagiere mehr oder weniger gefährliche Ver letzungen und Brüche an den Köpfen, Armen, Schlüsselbeinen, Schulter blättern, Rippen rc. davon. Sechs derselben konnten an eine Fortsetzung ihrer Reise gar nicht weiter denken, sondern mußten, nachdem ein aus der Nähe herbeigerufencr Wundarzt den ersten, einstweiligen Verband angelegt hatte, theilS im zerbrochenen, jedoch noch nothdürftig fahrbaren, theilS in einem herbeigcholten zweiten Wagen wieder nach Hause zurückgebracht werden. Die Uebrigcn waren im Stande, mit Hilfe eines dritten Wagens ihre Reise fortzusetzen und daS Ziel derselben auch glücklich, wiewohl nicht ohne mehrmalige neue Beängstigung durch den ebenfalls etwas waghalsig darauf loSfahrcndcn Kutscher, zu erreichen. Um ihre Rückreise am Abend deS 4. Nov. desto sorgenfreier vollführen zu können, beschlossen sie daher, sich einem Chemnitzer Kutscher auzuvertrauen. Allein daS Unglück verfolgte sie auch hier wieder. Den Wirkungen der scharfen Abcndluft besser zu be gegnen, hatte dieser ein Gläschen mehr zu sich genommen, als er füglich vertragen konnte, und in dem dadurch gesteigerten Muthe verfiel er auf den unglückseligen Gedanken, einen ihn überholenden Wagen wieder auS- zustechen, gcrieth dabei in der Dunkelheit mit den Kieshausen der Chaussee rn zu nahe Berührung, und ehe noch die gemüthlich sich unterhaltende und ihrer baldigen Rachhausekunft sich schon im Geiste freuende Reisegesellschaft eö ahnte, lag sie bereits — kaum anderthalb Stunden von Chemnitz ent fernt, in der Nähe von Röhrsdorf abermals am Boden, dießmal jedoch mit Ausnahme diverser Contusionen, ohne sonstige Beschädigungen. Sie freute sich dieses ihres Glückes im Unglück umsomehr, als sie gewahr wurde, daß sie ebenso leicht einen in großer Nähe befindlichen Abhang hinunter hätte kollern können, wie sie zwei Tage zuvor in Ruppersdorf in einen nur wenige Schritte von der dortigen Unglücksstclle entfernten Teich versinken konnte! Unvergeßlich werden darum allen Teilnehmern jene Reise tage sein und bleiben, unvergeßlich aber auch die höchst freundliche Auf nahme und Hilfeleistung, die ihnen in ihrem Unglück von Seiten der bie dern Bewohner Ruppersdorfs zu Theil ward. Bautzen, 19. Nov. Seit gestern trinken wir unsern Kaffee schwarz, die mit Kuhmilch genährten Säuglinge sind dem Verschmachten nahe und sämmtliche Hausfrauen starren in dumpfer Verzweiflung in ihre plötzlich versiegten Mllchtöpfe. Vermuthlich werden Sie an eine Rinderpest denken, aber nein, daS liebe Vieh ist frisch und munter, nur die Besitzer desselben haben uns mit Fehde überzogen. Wie an vielen andern Orten ans die sem Erdenrunde, so hatten auch in hiesiger Stadt Klagen über Verfäl schung und Verdünnung der alltäglich zum Verkauf eingcführten Milch überhand genommen und war der Verdacht geäußert worden, daß die Fäl schung von den mit dem Verkauf der Milch beauftragten Dienstboten ver übt werden möchte. Unser Stadtrath hatte hierauf, wie cS seine Pflicht war, angeordnct, die betreffendcn Gefäße so einzunchten, daß sie nur von dem Absender (?) geöffnet und gefüllt werden können. Diese harmlose, von Vielen schon langer aus eigenem Antriebe getroffene Maßregel hat nun die Milch der frommen DcnkungSart der Landwirlhe hiesiger Umge gend in gährend Drachengift verwandelt, sie haben unS ihre Melkeruen verschlossen und geben nicht einmal solchen hiesigen Händlern Milch ab, welche sich dieselbe selbst rn eigenen Gefäßen von ihnen abholen und wollen sie lieber nach Dresden schaffen. Ueber dieses freundnachbarliche Beneh men, einer vollkommen gerechtfertigten obrigkeitlichen Maßregel gegenüber, i't in der Stadt allerdings nur eine Stimme, die eben nicht sehr rüh mend lautet; jedoch das Alles bewirkt nur Galle und keine Mtlch, und wer weiß, zu welchen bedenklichen Folgen dieses MUchficbcr noch führen wird. Frankreich. Die Pariser Börse fängt an, über das Budget der Stadt Paris nachzudenkcn. Bekanntlich ist die Ausgabe für die Stadtpolizei in vier Jahren von 7,863,136 auf 13,860,000 Fr. gestiegen. Die Armen- psiege stieg in derselben Frist von fünf auf acht Millionen und die künst liche Herabsetzung deS BrodpreiseS hat die Gemeinde mit einer Schuld von 40,000,000 Fr. belastet, welche im Laufe deS JahrcS 1857 ohne Zweifel auf 80,000,000 Fr. erhöht werden wird. Unglaublich aber find die Ko sten der „strategischen Verbesserung" deS Pariser Bauplan-. Die Jsoli- rung des Hotel de Ville hat die ungeheuere Summe von 50,477,817 Fr. verschlungen. Die Kosten einer neuen befestigten Kaserne in der Mitte der Stadt nebst dem nachträglichen Credit zur Vollendung deS Justizpa- lasteS werden, wie ein gut unterrichteter Korrespondent schreibt, auf 2,700,000 Fr. veranschlagt. Selbst nach den amtlichen Ausweisen beträgt die Häuserexpropriation seit 1852 nicht weniger als 120,000,000 Fr. (Wo hinaus soll dieß?) Paris, 18. Nov. In. England will man von keinem Kongresse wissen. Man glaubt daselbst auch nicht an die von Rußland an den Tag gelegte Bereitwilligkeit zur Nachgiebigkeit. ES werden in London so viele Schwierigkeiten gemacht, daß die gehoffte Regelung der Dinge wahrschein lich auf alle Fälle noch einige Zeit auf sich wird warten lassen. Paris, 20. Nov. AuS Madrid, vom 17. Nov., wird gemeldet: Am 16. Nov. hat in Malaga ein Aufstand stattgefunden. Die Insurgen ten machten einen Angriff auf die Garnison, indem sie die Republik aus ¬ riefen. Die Truppen leisteten tapfern Widerstand. Die Aufständischen haben 5 Todte, die Truppen 7 Verwundete. Die Ordnung ist wieder hergestellt. London, 15. Nov. In einem seit längerer Zeit leer stehenden Hause eines der eleganteren hiesigen Quartiere wurde gestern zufällig eine Fran mit vier Kindern entdeckt, die sämmtlich dem Hungertode nahe waren. Der Anblick dieser Unglücklichen soll über alle Begriffe trostlos gewesen sein. Blos daS älteste der Kinder, ein Mädchen von etwa 14 Jahren be saß noch einige Lumpen, seine Blöße zu bedecken, die Anderen lagen nackt auf der bloßen Diele, abgemagert, den Tod erwartend; sie hatten seit s Tagen keine Speise zu sich genommen. Hilfe war rasch zur Hand, und doch kam sie zu spät, die Mutter gab nach einigen Stunden den Geist auf, und ob die Kinder die Leiden der letzten Tage überstehen werden, ist noch ungewiß. So viel die Polizei ermitteln konnte, war die Verstorbene früher in einem Arbeitshanse gewesen, auS dem sie vor Monaten ihren Abschied nahm. Was sie dazu bewogen haben mag, lieber in einem ein samen Winkel mit ihren Kindern zu verschmachten, als die Unterstützung ihres Kirchspiels in Anspruch zu nehmen, wird vielleicht ewig ein Geheim- niß bleiben. Rußland, das nach dem Pariser Frieden nur 12 leichte Kriegsschiffe im schwarzen Meere halten soll, scheint cs damit nicht genau nehmen zu wollen. Man sagt nämlich, daß eS bereits 18 Kriegsschiffe in jenen Ge wässern besitzt; zwei sollen jetzt von dem Baltischen Meere eintreffcn. Dazu kommt noch, daß die für den Postdicnst bestimmten Dampfer so eingerichtet sind, daß sie zum Kriegsdienst verwendet werden können, und daß na mentlich daS Personal, welches dasselbe Kommando und dieselbe Uniform wie daS der Kriegsmarine hat, leicht auch für diese letztere verwendet werden kann. In Nikolajeff soll außerdem eine unerhörte Rührigkeit herr schen, die nicht einmal durch die beginnenden Winterfröste unterbrochen wird. MaunichfaltigeS. O e r t l i ch e s. (Eingesandt). Im Rückblick ans daS am letztvergangenen Sonn tag stattgchabte wahrhaft gefährliche Glatteis und im Interesse derjenigen Personen, welchen der Beruf nicht gestattet, daS allmälige Verschwinden deS Glatteises im Bette oder Lehnstuhle gemüthlich ruhig abzuwarten, er laubt man sich auf eine die betreffende Gefahr wenn nicht gänzlich ver hütende, doch mindestens sehr beschränkende polizeiliche Anordnung auf merksam zu machen, welche bereits in andern Städten besteht. Sobald ncmlich während der Nacht Glatteis sich bildet, sind die Nachtwächter instruirt, in früher Morgenstunde ein Zeichen mit der Glocke zu geben und die Bewohner von dem Vorgefallenen zu benachrichtigen, worauf dann das Bestreuen der Wege mit Sand, Asche oder einem andern passenden Material sofort vorgenommen werden muß. Letzteres erfolgt hier in Plauen nur in einzelnen Fällen, und wie dankbar dies anzuerkennen ist, so werden dadurch doch nur hin und wieder Oasen gebildet, auf denen der Fuß deS ängstlichen Wanderers einige Augenblicke sicher hinschreitet, um sogleich neuen Gefahren entgegen zu gehen. Geldwesen. Die Berl. „Bank- u. Hdlsz." theilt zur Warnung mit, daß eine große Anzahl falscher Braunschweiger Kassenscheine im Um lauf sind, die sich durch den Glanz und die Stärke ihres Papiere-, so»»e durch besonders schwarzen Druck kenntlich machen.