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Vorgttän-ischcr Anzeiger» Siebenundsechszigster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Zährlicher Abonnementspreis für diese- Blatt, auch bei B^ieh^ durch die Post, 1 Thlr. k Ngr. — Die InsertionSgebühren werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Eorpus-Zeile berechnet, größere Schrift nach Derhälmiß de- Räume-. — Donnerstag. A8» 22. l8S6. Plauen, 20. Mai 1856. Trotz deS Frieden- gehen eine Menge Dinge vor, die der Beobachter des Wettlaufes nicht aus den Augen lassen darf. Da ist der Krieg in Central-Amerika, auf den wir schon hinge- wiesen haben. Wie seiner Zeit der Angelsachse Hengist in England einfiel und dieß Land sich unterwarf, gerufen von sich zerfleischenden Briten und Pikten, so hat der Hengist der angelsächsisch-normanni schen Rasse in Nordamerika, Walker, herbeigerufen von den sich in Nikaragua zerfleischenden Demokraten, diese nordamerikanisch gesinnte Partei mit den Legitimisten oder nationale Selbstständigkeit bewah ren wollenden Gegnern derselben in einen Topf geworfen und sich zum Herrscher des Landes gemacht. .Es ist dieß kein Froschmäus- lerkrieg, wenn auch nur Hunderte sich gegenüberstehen. Walker wird von einer starken Partei in Nordamerika gestützt, welche von der lockeren, machtlosen Unionsregierung nicht gehindert werden kann, ihre Plane zur Anheftung MerikoS und Centralamerikas an die vereinigten Staaten allmählig ins Werk zu setzen. England unter stützt, vorläufig nur mit Wassen, die verbündeten Gegner Walkers, doch stellt sich, bei Lichte betrachtet, jetzt schon dieser Kampf in Centralamerika als ein verdeckter Krieg zwischen den vereinigten Staaten und England heraus. Siegt Walker, so ist der Anschluß Nikaraguas und Costa Rikas an Nordamerika außer Zweifel, die Sclaverei geht immer südlicher, die Lehre Monrve's, daß Europa in Amerika nichts zu suchen habe, naht sich der thatsächlichen Wahr heit, Meriko verfällt natürlich den anheftungslustigen Dankers. Die italienischen Angelegenheiten, auf welche wir auch schon deuteten, sind ebenfalls noch lange nicht zur Ruhe. Die Sprache der sardinischen Minister und der österr. amtlichen Zeitungen wird immer gereizter, anzüglicher, fast grob. Sardinien dringt darauf, die seit sieben Zähren dauernde Besetzung des größten Theils von Italien, durch welche Sardinien bedroht werde, müsse aufhören, da mit dieß aber geschehen könne, die weltliche Macht des Papstes in dem größten Theile des Kirchenstaates aufgehoben, das franz. Gesetzbuch eingeführt werden. Davon will Oesterreich nichts wissen, sondern sagt, es sei nach Italien gerufen, bedrohe keineswegs Sardinien, welches Parma gerne haben möchte und mit der Revo lution liebäugle, sondern sehne sich selbst nach der Stunde, in der eS die kostspielige Besetzung Italiens aufhören lassen könne rc. Kein Mensch kann natürlich wissen, wohinaus diese Vorwürfe und Mißhelligkeitrn führen werden, aber wir halten eS für Schuldigkeit, unsere Leser daraus aufmerksam zu machen, da es eben Zeitereig nisse sind. Ein anderes, zum Theil noch unaufgeklärtes Factum ist der Vertrag zwischen Oesterreich und den Westmächten vom 15. April, gleichsam ein Nachtrag zum Friedensschlüsse, der die Türkei unter den besonder» Schutz der 3 vertragschließenden Mächte stellt. Daß Oesterreich diesen Vertrag veranlaßt habe, überhaupt neuerlich stark an den Westen sich schließe, scheint gewiß. Rußland und Preußen, das scheint auch festzustehen, haben von einem solchen Vertrag vor her nichts gewußt und sind natürlich stark davon überrascht wor den; ersteres deshalb, weil er offenbar nur gegen Rußland ge richtet sein kann, letzteres, weil man es abermals hat links liegen lassen. Was auS diesem Vertrage sich weiter entwickeln werde, muß man erwarten, er ist indeß ein schlagender Beweis für unser» Ansicht, daß die morgenländische Frage durch den faulen Pariser Frieden nicht gelöst, sondern nur vorläufig hingeflickt worden ist. Zeitungen. Sachsen. Plauen, 20. Mai. Wiederum sind wir im Stande, unsern Lesern heute eine Freudenbotschaft zu bringen. Nach einer Bekanntmachung unseres Finanzministerium- vom 15. Mai fallen, da es die Zeitverhältnisse gestatten, von den Steuern für 1856 ein Pfennig von jeder Einheit der Grundsteuer, sowie ein halber Jahresbetrag der Gewerb- und Personalsteuer weg. Es werden demnach von der Grundsteuer auf 1856 nur neun Pfennige ordentliche Steuer und ein Pfennig Zuschlag von jeder Einheit, von der Gewerb- und Personalsteuer ein voller Jah- reSbetrag ordentliche Steuer und ein halber Jahresbenag als Zu schlag erhoben. Plauen, 19. Mai. Heute ist das für die Pariser Ausstel lung auSgewählte Rindvieh, ächt voigtländischer Rasse, von hier auf der Eisenbahn nach Paris abgegangen. Dresden, 14. M.i. Die Fortschritte der sächsischen Land- wirthschaft finden auch im entfernten Auslande eine ehrende Aner kennung. Nicht nur hat unter Andern» die kais. franz. Regierung den Wunsch an den Lag gelegt, die sächsischen Viehstämme bei der demnächstigen landwirthschaftlichen Ausstellung in Paris nach allen Richtungen hin vertreten zu sehen, sondern dieselbe hat auch schon zu verschiedenen Malen tüchtige Männer nach Sachsen gesendet, um bei uns bestehende Einrichtungen genau und durch eignen Augen schein kennen zu lernen. Zm gegenwärtigen Augenblicke weilt ein höherer Beamter M. Maurice Block hier, um der landwirthschaft lichen Ausstellung in Guttau bei Bautzen beizuwohnen. Chemnitz, 16. Mai. Als heute früh vor 8 Uhr eine neue Locomotive aus der Fabrik von Richard Hartmann auf den Bahnhof geschafft werden sollte, stürzte vor der Spitalkirchr der Wagen um, die Esse der aufgeladenen Maschine schlug den zur Pfarrwohnung gehörigen Thorweg ein, und im Hause des Advoc. F. Hübner wurde ein Fensterstock beschädigt. Ursache deS Unfalls war, daß man von der Krone der Straße etwas abseits gekommen war, wo sich unter der Böschung die Cloake befindet, deren Decke durch die infolge der Neigung des Wagen- nach dem einen Rade zu verstärkte Last einbrach, so daß das Rad etwa 1 Fuß tief ein sank und die Ladung umstürzte.