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Voigtlän-ischer Anzeiger» Siebenundsechszigstkr Jahrgang. Derantwortlich« Redaction, Druck und Beklag von Moritz Wieprecht in Plauen. Jährlicher AbonnementSpreiS für dies,- Blatt, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Thlr. 6 Ngr. — Die InsertiooS-ebühren mit 1 Ngr. für die gespaltene CorpuS-Zeile berechnet, größere Schrift nach Derhältniß de- Raumes. — 12. SS Januar >8i« Verordnung, daL Maaß bei dem Milchverkaufe betreffend, vom 12. Teeember 1855. lst zur Kenntniß des Ministeriums des Innern gekommen, daß bei dem Milchverkaufe anstatt des gesetzlichen LandtSmaaßeS, der vreadner Hanne, in einigen Theilen des Landes noch die s. g. große oder alte Kanne, sowie in manchen Orten verschiedene andere Kannenmaaße, deren Haummhalt jedoch ebensowenig als derjenige der grotzen Kanne feststeht, in Anwendung kommen. Um diesen Mißbrauch abzustellcn und weiteren Contravenlionen vvrzubeugen, wird andurch verordnet, wie folgt: t) Vom 1. Juli 1856 an ist jeder Verkauf von Milch nur nach der Dresdner Kanne und deren Unterabtbeilungen gestattet. ,.2) Kontraventionen ziehen nächst der ConstScati.n der dem Verbote entgegen angewendetcn Kannenmaaße eine Geldstrafe von 10 Reu- -roschen b,S zu fünf Thalern nach sich. n v ' 3) Die Polizeibehörden haben di« pünktliche Ausführung dieser Verordnung zu überwachen. Dresden, den 12. December 1855. Ministerium deS Innern. Frhr. v. Beust. Demuth. Unsere Realschule i Bei b,m nahe bevorstehenden Abschluß eines ZahreScursus und dem Wiederbeginn eines neuen scheint «S besonders zweckmäßig, einige Worte über unsere Realschule zu sagen. Sie sollen nicht etwa, wie eS anderswo wohl geschieht, eine anpreisrnde Annonce für das Publikum sein, sie haben vielmehr den Zweck im Auge, Aufklärung über einen Punkt zu geben oder dessen Besprechung zu veranlassen. Was uns bewogen hat, die Feder zu ergreifen, können wir kurzweg sagen: eS ist die unserer Meinung nach man gelhafte Benutzung dcr Realschule, insofern als viele Eltern ihre Kinder sogar aus den unteren Classen fvrtnehmen, um sie unmit telbar dem praktischen Leben zu übergeben, während sie doch die selben Lcn ganzen Eursus sollten durchwachen lassen. ES läßt sich nicht verkennen, daß gewichtige Gründe vorhanden sind, welche die Eltern zu diesem Schritte bewegen; aber betrachten wir einmal die ganze Sachlage. Welches ist der Zweck einer Schule? Die Bildung der ge summten Geisteskräfte, ist die einfache Antwort. DaS heißt also: der Schüler soll befähigt werden, die Kräfte feines Geistes an- zuwrnden; er soll nicht allein mit den Kenntnissen auSgestattet werden, die er im späteren Leben gebrauchen könnte, er soll die Fähigkeit haben, selbstständig seine erworbenen Kenntnisse an wenden, und neue sich erwerben zu können. Die Schule verfolgt ein falsche- Princip, welche eS sich zur Aufgabe macht, die ihrer Pflege Anbefvhlenen nur soweit zurechtzustutzen, daß sie nur für den erwählten Beruf zu gebrauchen find. Gegen eine solche Bil dung müssen wir un- mit Hand und Fuß stemmen, denn ihr Platz Ist höchsten- in den eigentlichen Berufsschulen, wozu leider manche höher strhende Schul« herabgefunken ist. Eine Schule dagegen wie die unsrige darf nicht den ausgesprochenen Zweck haben, ihre Schüler z. B. nur für den Kaufmann-stand ausbilden zu wollen — sie soll ihnen eine höhere Bildung, eine allgelneme, geben. Wenn sie wesentliche Theile einer solchen Zugendbildung vernach lässigen oder durch einen Unterricht ersetzen wollte, der speciell auf einen bestimmten praktischen Beruf vorbereiten soll; wenn sie also in den Bereich eigentlicher Berufsschulen hinübergreifen wollte, d" würde sie ihre Bestimmung nie vollständig erreichen, wenn sie auch mehr gäbe, als man von ihr zu fordern berechtigt wäre. Eine gründlich« Berufsbildung setzt' aber auch schon einen nicht geringen Lorrath allgemeiner Kenntnisse voraus. Andererseits erfordert sie einen Aufwand von Zeit und Anstrengung, den die übrigen An sprüche einer allgemeinen Btldungsanstalt nicht einräumen können. Somit ist es ein wohlbegründetes Verlangen derartiger Berufsschulen, z. B. polytechnischer Anstalten, daß sie nur solche Schuler aufnehmen wollen, welche entweder auS den oberen Classen eines Gymnasiums abgehen oder den ganzen CursuS einer Real schule durchgemacht haben. Kurz, die Realschule soll nicht darauf ausgehcn, ihre Schüler praktisch auSzubilden, sondern nur sie zu einer praktischen Ausbildung befähigen. Soll nach dieser Richtung hin etwas geschehen, so haben dafür Handels- und Gewerbeschulen zu sorgen, deren Aufgabe es ist, die für den gewählten Beruf er forderliche besondere Ausbildung zu gewähren. Diese- Derhältniß zwischen Real- oder höheren Bürgerschulen und anderen Anstalten, wie die zuletzt genannten, ist nicht scharf genug ins Auge zu fassen. Man begegnet noch gar oft der An sicht, als habe eine Realschule weiter nicht- zu thun, als ihre Knaben so weit zu bringen, daß sie sogleich inS praktische Leben übergehen können, d. h. man verlangt, daß sie soweit „abgerlchtet" werden. Zm Gegentheil, die Realschule unterscheidet sich von jeder anderen Berufsschule auf da-Entschiedenste dadurch, daß sie ohne Rücksicht auf die manntchfachen Unterschiede in der künftigen Lebensstellung ihrer Schüler zu nehmen, überhaupt für den Standpunkt eines wahrhaft gebil deten Mitgliedes der bürgerlichen Gesellschaft zu er ziehen sucht. Insofern fällt ihre Aufgabe allerdings mit der de-