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198 scheinung auf die bevorstehende Berathung in Plauen einen nachtheiligen Einfluß ausüben werde; so mögen doch im Interesse der Sache sür die, denen der Inhalt der früheren empfehlenden Aufsätze in' d. Bl. nicht mehr gegenwärtig ist, einige beleuchtende Bemerkungen dem zweiten Leipziger Ge suche beigcgeben werden. Dieses nimmt zuerst daran Anstoß, daß die erste Petition jeden Volljährigen oder doch Jeden, der einen eigenen Haus stand besitze und, zu dem Kirchen verbände sich halte, als ein vollberechtigtes Mitglied der Kirchengemeinde ansieht und als nothwendiges Ersorderniß zur Theilnahme an den kirchlichen Gemeinderechten nur einen sittlich unbescholtenen Lebenswandel voraussetzt, und will vielmehr Merkmale der Kirchlichkeit im Besuch des Gottesdienstes, Genuß des Abend mahls rc. als Bedingung des Eintritts in die Reihe der Presbyter (Kirchenälteften) aufgestellt wissen. — So wün- schenswerth es nun auch ist, daß jedes Glied der Kirche den Anstalten derselben eine lebendige Theilnahme schenke^ so befähigt Loch diese an sich so wenig wie der unbescholtene Lebenswandel zur Verwaltung ihrer Angelegenheiten, wenn nicht die nöthigen Eigenschaften des Geistes und Herzens vorhanden sind. Forderte man als deren Zeichen jene Theil nahme; so müßte man Register über den Kirchenbesuch hal ten, Beichtzettel ausgeben und eine Behörde einsetzen, welche die Aeußerungen der einzelnen Glieder überwachte und be- urtheilte, also eine Kirchenpolizei und womöglich ein Glau bensgericht unseligen Andenkens errichten, wenn man es nicht vorzöge, dem Geistlichen doch lieber geradezu das Rechr zu ertheilen, die ihm am, meisten kirchlich gesinnt Scheinen den allein in's Presbyterium zu wählen, da man ja der Gemeinde nicht zutraut, daß sie schon selbst Gottesläugner, Kirchenverächter und Religionsspötter von der Anordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten fern zu halten wissen werde. Gewiß hielt die ersten Leipziger Petenten von der Ausstellung besonderer Merkmale der Kirchlichkeit die Be fürchtung ab, der Scheinheilichkeit und Heuchelei Vorschub zu leisten und den Geistlichen oder einzelnen beaufsichtigen den Gemeindegliedern eine fast ausschließliche, päpstliche Macht einzuräumen. Indeß mochten die mit einem zweiten Gesuch Aufgetretenen, wie wohl manche Andere, in dieser Hinsicht entgegengesetzter Meinung sein: sie würden doch nicht nöthig gehabt haben, eine neue Petition an die Staatsregierung zu richten und Spaltungen in die Sache zu bringen, käme ihnen bei ihrer kirchlichen Richtung nicht Alles auf die Wahrung eines Zweiten an, das ihnen von ihren Vorgängern gefährdet zu sein scheint. Diese hatten nämlich als Recht der einzelnen Kirchen gemeinden auch eine größere und umfassendere Betheiligung bei der Anordnung der liturgischen und dogmatischen (auf dett Gottesdienst und die Lehrer bezüglichen) Angelegenheiten erbeten. Da meinen nun die 5 Unterzeichneten der aus- liegenden Bittschrift, es dürfe das Presbyterium nicht be rechtigt sein, „aus eigener Machtvollkommenheit, abgesehen von dem Bekenntniß der Kirche oder wohl gar gegen das selbe, neue Lehren festzusetzen (davon kann gar nicht die Rede sein) oder gottesdienstliche Einrichtungen zu treffen, welche das Dogma berühren," und beantragen bei der Staatsre. gierung, es möge dieselbe „kräftigst dahin wirken, daß man absehe von einer jeden unvermittelten, von der Grundlage des bestehenden evang. Bekenntnisses absehenden Einführung von Presbyterien und Synoden." — Hatte die erste Lpz. Petition des Bekenntnisses, d. h. der symbolischen Bücher, auch keine Erwähnung gethan, noch weniger auf die Ent bindung der Geistlichen von der Verpflichtung auf dieselben angetragen; so merkten die Fünf doch nur zu gut, daß nach Verleihung jenes Rechts an die Gemeindeglieder ihre Partei, welche das Christenthum in den starren Begriffen einer vergangenen Zeit findet, schwerlich viel Glück machen werde. Daher die sonderbare Begründung ihres Gesuchs; daher das augenscheinliche Bemühen, durch erträumte Schreck bilder ein vermeintliches Unheil abzuwcndcn und die Sache so zu drehen, daß man in dem allgemein gehofften Guten ein erst von ihnen entdecktes Uebel sehen soll. „Zu allen Zeiten, sagen sie, hat es Schwärmer und Stifter verkehrter Seelen gegeben, welche ihre Irrlehren durch Berufung auf unrichtig erklärte Stellen der h. Schrift zu begründen ge sucht haben. Diese Gefahr würde auch in unserem Lande eintrcten, wenn unsere Geistlichen bei ihren Predigten rc.-- an keine andere Regel ihrer Lehren gebunden fein sollten, als an ihre eigene Auffassung der h. Schrift." Als wenn dieß durch die Verpflichtung auf die symbolischen Bücher vermieden werden könnte! Da müßten dieselben ja die ge nauesten Bestimmungen über jeden einzelnen Punkt der christl. Lehre enthalten, wie es gar nicht d.r Fall ist. Und heißt es nicht, auf jene Weise die Sache auf die Spitze stellen? Was würden die Herren wohl dazu sagen, wenn man dagegen behauptete, es werde noch dahin kommen, daß die Geistlichen und Nichtgeistlichen, welche alle Sätze der öffentlichen Bekenntnißschriften, auch den von der Grund- verdorbcnheit der menschl. Natur und dem Teufel als Ursache der Gewitter und Viehseuchen, und ähnliche, festzuhalten ge zwungen wären und dieselben mit Bibel und Vernunft in Einklang zu bringen suchten, durch das stete Nachgrübeln darüber verrückt würden? — „Erhielten diese, fahren sie fort, das Recht, uns zu predigen und zu lehren, was sie selbst auf einer vielleicht noch untergeordneten Stufe der Erkenntniß für richtig halten; so setzte das uns nicht nur der Gefahr aus, den Neichthum der Erfahrung und die Fülle der Wahrheiten, welche unsere Kirche durch Gottes Gnade wieder errungen und bisher treu bewahrt hat, zu