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105 mit ru reden hätten. Aber auch abgesehen davon sei diese ganze Neu- gestaltung, welche durch die Consistorialverfassung erst vollendet werde, eine Frage zwischen Kirche und Staat. Die Kirche war bisher nur ein Theil der allgemeinen Staatsverwaltung. Ehe dieser Zustand ge ändert und ein neues Verhältniß zwischen Kirche und Staat festgesetzt sei, habe der Staat, ergo auch der Landtag, wesentlich mit zu concurriren. Die Kirche, auch wenn sie gewisse Organe durch die Synode und dir Kirchenvorstände gewonnen, könne nicht einseitig ein Verhältniß lösen, ohne den anderen Theil heranzuziehen. Dieser andere Theil sei aber nicht die Krone allein, sondern der durch die Gesetzgebungsfactoren re- präsentirte Staat. Heut stehe die Gesetzesvorlage über das Patronats recht aus der Tagesordnung. Wenn irgend eine kirchliche Frage, so sei die Wahl des Geistlichen eine innere kirchliche Angelegenheit. Gleichwohl werde das Gesetz den Ständen vorgelegt, Werl es eine rechtliche Seite berühre, die nur von den weltlichen Faktoren erledigt werden könne. So berühre auch das Gesetz über das LandeSconsistorium wesentlich einen Theil des öffentlichen Rechtes. Die Frage nämlich, wie weit der Staat noch Gewalt habe über die Kirche oder nicht. Diese Frage müsse auch durch die weltlichen Factoren mit entschieden werden. Uebrigens sei in der Synodal- und Kirchenvorstandsordnung nirgends der geringste Vorbehalt oder Verzicht, der andeutete, daß dieser zum völligen Ausbau der Kirche als vollständiger Organismus noch nothwendige Theil nicht auch den Ständen vorgelegt werden solle. Im Gegentheil enthielte der Entwurf von 1860 eine vollständige Consistorialordnung. Die Regierung war also damals entschieden der Meinung, daß die Stände nicht blos über das erste Vorstadium, über die Repräsentation der Kirche in Gemeinde und Synode, sondern auch über die Behörden der Kirche und deren Stellung zum Staate zu ent scheiden hätten. Der Entwurf wurde damals zurückgezogen und 1866 ein neuer Entwurf vorgelegt, der blos die Kirchenvorstands- und Synodalordnung enthielt. Aber in dem begleitenden königl. Decret habe die Staatsregierung ausdrücklich Bezug auf den früheren Ent wurf genommen und gesagt: die Frage, ob man auch jetzt wieder die Consistorialverfassung mit vorlegen solle, sei einer sehr ernsten Er wägung unterzogen worden, und nur aus praktischen Gründen habe man vor der Hand davon abgesehen. Die ständische Schrift, womit der Regierung die Kirchenvorstands- und Synodalordnung überreicht worden, sage kein Wort von einem Verzicht der Stände bei Errich tung des Landesconsistoriums. Auch das Finanzprincip führe auf Umwegen dahin zurück, daß ein solches Gesetz ohne ständische Mitwir kung nicht rechtskräftig werden könne. In keinem Budget werde sich ein Postulat für irgend Etwas nachweisen lassen, in Bezug auf dessen Einrichtung, Nützlichkeit oder Nothwendigkeit die bewilligenden Stände gar kein Wort mitzureden hätten. Wofür man Geld geben solle, dazu müsse man auch irgendwie eine Beziehung haben. Sage man aber, es gehe die Sache die Stände nichts mehr an, so müsse auch die Kirche selbst die Mittel aufbringen. Verlange man diese von den Kammern, dann sei von dem Budgetrecht auch das Recht der Controls und der Mitgesetzgebung untrennbar. Aus all' diesen Gründen ersuche er die Kammer um Annahme seines An trages. — Cultusminister vr. v. Gerber: Im Synodalabschied scr ausdrücklich erwähnt, daß dem Landtage Mittheilung über die fragliche Errichtung eine? Landesconsistoriums gemacht werden soll. Gegen eine Vorprüfung dieser Angelegenheit habe er um so weniger etwas ein zuwenden, als sich eine solche bei jeder geforderten Bewilligung von selbst versteht. Er werde dann auch Gelegenheit finden, specieller auf den Gegenstand einzugehen, weshalb er heut davon absehe. Nur wolle er darauf aufmerksam machen, daß in dem Kirchengesetz über die kirch- liche Gewalt durchaus nichts Neues, vielmehr diese nur auf eine andere Behörde, das LandeSconsistorium, übertragen sei. Damit werde übri gens kein Recht deS StaateS ausgegeben, denn das Kirchen-Regiment sei eben ja ein Recht der Kirche und mit dem Staate nur äußerlich verbunden gewesen. Auch falle die Verantwortlichkeit der in vvangolieiL beauftragten Minister nicht weg, denn dieselben blieben künftig der Synode gegenüber verantwortlich. — Abg. Prof. I)r. Biedermann: Obgleich in manchen Punkten mit dem Herrn Minister nicht ein verstanden, wolle er jetzt auf eine weitere Erörterung der Sache ver zichten, da ja der Minister sich mit der Verweisung an die Deputation einverstanden erklärt habe. — Abg. Oehmichen: Die Finanz-Deput. sei in Folge von Competenzzweifeln über die Mitwirkung des Staates bet Errichtung des Landesconsistoriums in ihrer Majorität geneigt ge wesen, die geforderten Gelder abzulehnen. Um so lieber sei es ihm, wenn der Biedermann'sche Antrag Annahme finde, damit die Angelegenheit einer gründlichen Prüfung unterzogen werde. — Die Kammer nahm nunmehr den Biedermann'schen Antrag einstimmig an. — Hierauf folgte, zur Tagesordnung übergehend, die Berathung deS (von der Ersten Kammer bekanntlich schon genehmigten) Decrets, einige Abänderungen des §25 der Kirchenvorstands- und Synodal ordnung bctr. Aus der Debatte Folgendes: Abg. vr. Gensel wünscht vom Kultusministerium Auskunft, ob das in der Vorlage mehrfach erwähnte „LandeSconsistorium" dieselbe Behörde sei, deren Errichtung beabsichtigt werde. — Nachdem Cultusminister vr. v. Gerber diese Frage einfach bejaht und der Abg. Anton seine Zustimmung zur Vorlage motivirt hatte, beantragt vr. Gensel: die Berathung über diesen Gegenstand der Tagesordnung bis nach Er ledigung des Biedermann'schen Antrages durch die Deput. auszusetzen. — Cultusminister vr. v. Gerber: In der gegenwärtigen Vorlage handele es sich lediglich um einige Beschränkungen des Patronats- rechtes; sie stehe also mit einem anderen Gesetze in keiner Verbind ung. Sollte aber später die Kammer die Errichtung eines Lande?« consistoriums durch Verweigerung der dafür erforderlichen Mittel ab lehnen, was er tief beklagen würde, so müßten die Befugnisse der in Aussicht genommenen kirchlichen Behörde einstweilen und biS auf Wei teres vom CultuSministerium ausgeübt werden. — Abg. Ludwig: Er bedauere sehr, daß der Vorredner durch diese Erklärung deS Mi nisters sich zur Zurücknahme seines Antrags entschlossen und deshalb nehme er denselben wieder auf. Noch sei kein LandeSconsistorium ge schaffen und doch werde diese Behörde fortwährend in der Vorlage erwähnt. Genehmige man dieselbe, so präjudicire sich die K. und genehmige damit indirect auch daS LandeSconsistorium. Ueberhaupt könne er die letzte Synode nicht für eine gesetzliche Vertretung der Kirche ansehen, denn nicht der Landtag, sondern eine Vorsynode mußte diese Vertretung ordnen. Dazu komme noch der orthodoxe Charakter der Synode. Die Regier ung habe sich durch die Wahl und Zusammensetzung dieser Körper schaft im Lande den Vorwurf zugezogen, nicht ihre Pflicht gethan und die wahren Rechte der Kirche geschützt zu haben. Im In- und Auslände hätten die Berathungen und Beschlüsse der Synode so harte und gerechte Verurtheilung gefunden, daß er und seine Collegen im Reichstage sich ihres Namens als „Sachsen" schämen mußten. Er nehme keinen Anstand, die Synode als ein „Landesunglück" zu be zeichnen, die zum Ruin der Kirche führen müsse. Denn je größer ihre Reaktion sei, um so mehr werde sie zum Baustein einer deutschen Nationalkirche werden. Er beantrage deshalb Absetzung des Gegen standes von der Tagesordnung und Verweisung desselben an die I. Deputation. — Abg. Uhle erklärt damit sein Einverständniß und behält sich in Betreff der Schönburg'schen ReceßHerrschaften besondere Anträge vor. — Cultusminister vr. v. Gerber: Die Vorwürfe und Anklagen gegen die Synode, welche ohne bestimmte Rechtfertigung vom Mg. Ludwig vorgebracht worden, hätten ihm wehe gethan, doch sei es hier nicht seines Amtes, die Synode zu vertheidigen. Eine gerechte Beurtheilung derselben könne man erst von der Zukunft er warten, da ihr Zusammentritt in einer Zeit geschah, wo die Gegen sätze sehr geschärft waren. Auch sei es seine persönliche Ueberzeugung, daß die Synode dies Urtheil nicht zu scheuen haben werde. Die jetzige Vorlage hänge mit der Synode gar nicht zusammen, denn es handle sich lediglich um die Beschränkung des Patronats. — Abg. Uhle mann: Als Mitglied der Synode müsse er constatiren, daß er weder das Gefühl gehabt, als ob die Synode ein „Landesunglück" sei, noch habe er sich des Namens „Sachse" geschämt. Einreißen sei leicht, Ausbauen aber schwer. Gehe man nur schrittweise vorwärts, ohne sich dabei der Hoffnung zu verschließen, daß auch die Synode der Zeit und ihren Forderungen Rechnung tragen werde. — Vicepräs. Streit: Die erhobenen Bedenken würden sich vielleicht erledigen lassen, wenn die Staatsregierung erklären wollte, daß sie in der Annahme der jetzigen Vorlage keine indlrecte Zustimmung zu dem noch fraglichen LandeSconsistorium erblicke. — Cultusminister vr. v. Gerber giebt diese Erklärung. — Abg. Schreck: Da die Früchte der Synode in diesem Saale heut zum ersten Male in Frage kommen, lohne eS sich wohl, dieselben etwas näher zu betrachten. Redner ging nun in seiner Weise und unter dem Beifall eines TheilS des HauscS auf eine nähere Betrachtung dieser Früchte über, suchte insbesondere dabei nachzuweisen, daß die Synode zwar viel beschließen könne, eS gelte aber in der Regel nichts, wenn nicht andere Factoren es genehmigten. — Hiermit schloß die Debatte und wurde der Ludwig'sche Antrag mit allen