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104 den der Preußen entreißen werden; unser einziger Gedanke ist nur der der Rache an den Barbaren. Und sie wird kommen, verlaßt Euch darauf!" Oesterreich. Wien, 11. Januar. Betreffs der bereits signalisirten Veränder ungen in der österreichisch-ungarischen Diplomatie macht ein Wiener Correspondent der „Köln. Ztg." nachstehende Mittheilung: „Graf Paar vertauscht den Posten in Dresden mit jenem in Kopenhagen und wird durch Herrn v. Franckenstein, zur Zeit Legationsrath in Petersburg, ersetzt. Nach Stuttgart, zugleich mit der Vertretung für Baden, kommt Ritter v. Pfusterschmid (vordem in Karlsruhe), nach dem Haag Herr v. Haymerle, nach Stockholm Baron WaltterSkirchen, nach Athen Baron Pottenburg, nach Rio Baron Sonnleitner, während der bisherige Re sident daselbst, Graf Ludolff, als Gesandter »ä interim nach Kon stantinopel berufen ist. Durchweg sind es junge Kräfte, die bei diese, Umsetzung in den Vordergrund treten." Lemberg, 1N. Januar. Nach einem Beschluß der hiesigen pol nischen Parteiführer sollen zur Erinnerung an die hundertjährige Theilung Polens in allen ehemals polnischen Landestheilen, in denen dies gesetzlich zulässig ist, Sammlungen von Beiträgen zur Bildung eines nationalen Schulfond s organisirt werden. Zu diesen. Zwecke ist hier bereits unter dem Vorsitz deS Prinzen Adam Sapieha ein Central-Comitä zusammengetreten, dessen Wirksamkeit auch auf das Herzogthum Teschen und preußisch Oberschlesien ausgedehnt werden soll. I t« l i e ». Nach Depeschen auS Rom vom 10. d.M. sollen im Februar und März drei Konsistorien gehalten werden, doch sei es zweifelhaft, ob der Papst Cardinäle ernennen werde, so lange er noch in Rom residirt. Gleichzeitig wird versichert, daß den Bischöfen, welche das Unfehlbarkeitsdogma noch nicht anerkannt haben, ein „Ultimatum" zugeschickt werden solle. Rom, 6. Januar. Gestern während der Papst seinen gewöhn lichen Spaziergang machte, wendete er sich gegen einen der ihn be gleitenden Cardinäle mit den Worten: „Eminenz, Sie waren ja ehe dem Nuntius in Brüssel; ich habe Ihnen eine gute Neuigkeit mit- zutheilen. Eine fromme Dame von dort hat mir geschrieben, sie schenk-, der Brüsseler Nuntiatur ihr Palais." — Von einem angesehenen Prälaten erfährt die „Germ.", daß eine Pariser Dame auch ein schönes PalaiS der dortigen Nuntiatur testamentarisch vermacht har. - Auf das heutige Fest der h. drei Könige hatte der Papst den Mitgliedern deS deutschen katholischen LesevereinS eine Audienz be willigt. Zunächst hielt der Viceprästdent, in Abwesenheit des Präsidenten, Grasen Schönburg, eine Anrede. Darauf erwiederte (wie die „Germ/ berichtet) der Papst ungefähr also: „Die Gesinnungen, die Ihr mir eben ausgesprochen habet, sind dieselben, welche die große Mehrzahl Eurer Landsleute in der Heimath beseelen. Mögen die edlen Be strebungen und Absichten, die Euch und Jene erfüllen, in immer froh licherem Gedeihen erstarken und Früchte bringen, damit aus dein katholischen Volk heraus Denjenigen, welche berufen sind, die höchsten Güter der Menschheit, die Religion und das wahre Heil der Staaten und der Gesellschaft zu wahren, zu pflegen und zu schirmen, Licht und Stärkung zu Theil werde, um verderblichen und unrechten Ein flüssen gegenüber sich nicht schwach zu erweisen. Denn es bedarf eine, in der That nicht gewöhnlichen Entschiedenheit und Festigkeit, um sich von den herrschenden falschen Grundsätzen unserer Tage nicht beirren und bethören zu lassen. Ich will mich nicht weiter aussprechen; Ihr wißt, was ich sagen will " Frankreich. Paris, 10. Jan. Ein Artikel der „Patrie" erregt Aufsehen; in demselben wird versichert, Herr von Gontaut-Biron habe dem Präsidenten der Republik telegraphisch berichtet über die erste Unter redung, welche er mit dem Fürsten Bismarck gehabt habe. Herr Thiers soll sich sehr befriedigt über diese Depesche gezeigt haben. Die Auf nahme, welche der Botschafter bei dem deutschen Reichscanzler gefunden, soll besser gewesen sein, als man nach den letzten diplomatischen Mit- theilungen hoffen durfte. „Man versichert uns (so heißt eS weiter), daß der Fürst v. BiSmarck in seiner Unterredung mit Herrn v. Gon- taut erklärt habe, eS sei unmöglich, die Anstrengungen zu übersehen, welche Herr ThierS bis jetzt gemacht habe, um Frankreich in die Lage zu bringen, die Verpflichtungen deS Frankfurter Vertrage« zu erfüllen; der Canzler habe besonders die Thätigkeit und die Capacität anerkannt, welche Pouyer-Quertier entfaltet, um die Vertragsbestimmungen auS- zuführen. Schließlich geht auS der Mittheilung hervor, daß in Berlin zur Zeit ein gewisser Geist der Mäßigung vorherrscht. Wir denken, daß eS nichts Wesentlicheres giebt, als das festzustellen; denn inmitten unserer täuschenden politischen Diskussionen vergessen wir immer und immer wieder den Hauptpunkt, auf den Alles ankommt: unsere Stellung zu Deutschland und die Verpflichtungen, welche wir übernommen haben." — Der Exgeneral Cremer ist nach der „Gazette des Tribunaux" verhaftet worden, da er sich dem Gericht in Beaune nicht gestellt hat. Er wurde von einem Polizeibeamten nach Beaune transportirt. Im südlichen Frankreich sind die Ausbrüche des Radicalis mus so leidenschaftlich, daß, wie es heißt, Herr Gambetta selbst mit Schrecken erfüllt nach Versailles zurückgekehrt ist. Spanien. Aus Madrid, den 10. d., wird gemeldet: „Am Tage der Er öffnung der Cortes wird Sagasta sein politisches Programm dar legen. Die DiScussion über dieses Programm wird unmittelbar darauf eingeleitet werden, und die Cortcs werden sich zwischen Sagasta und Zorilla auszusprechen haben. Man versichert, der König werde die Lcitung der Angelegenheiten Demjenigen der Beiden übertragen, welcher am meisten Stimmen unter den dynastischen Deputaten davon tragen wird, ohne die Stimmen der Republikaner und Carlisten in Betracht zu ziehen. Ein Präsident der Cortes an Stelle Sagasta's wird erst nach Entscheidung der CabinetSsrage ernannt werden. — Marschall Espartero hat den ihm angebotenen, in Spanien nicht üblichen Titel eines Fürsten (oder Prinzen) von Vergara abgelehnt. Der geheime Grund für das betreffende Anerbieten der Regierung soll die Absicht gewesen sein, auch dem Marschall Serrano einen ähn lichen Rang, mit dem Titel eines Fürsten von Alcolna, zu verleihen und damit überhaupt zur Creirung eines neuen Adels aus poli tischen Notabilitäten der Gegenwart überzugehen, da die Mitglieder des alten, castilianischm Adels sortfahren, durch ihre Abwesenheit vom Hofe zu glänzen. Diesem Project scheint nunmehr durch die Weigerung Esparteros so ziemlich die Spitze abgebrochen zu sein." Landtagsverhandluugen. A Dresden, 12. Januar. In der Zweiten Kammer er bat sich heut vor Eintritt in die Tagesordnung Abg. Professor I)r. Biedermann das Mort zu Motivirung eines Antrags. Der Kammer liege das Decret wegen Errichtung eines Landesconsistori um S vor. Nach Einsicht der Motive sei ihm und seinen politischen Freunden das Bedenken aufgestoßen, ob die Kammer bloS in Bezug auf die Äewilligungsfrage mit diesem Gegenstände sich zu beschäftigen habe, oder ob sie nicht verlangen könne, daß auch materiell für die Einrichtung deS neuen LandeSconsistoriums eine gesetzgeberische Mitwirkung der Stände in Anspruch genommen werde. Deshalb erlaube er sich den Antrag, daß die Frage, ob und inwieweit bei der Errichtung eines LandesconststoriumS auch die Kammern als GesetzgebungSfactoren mit- zuwirkrn haben, der ersten Deputation zur Prüfung übergeben werde. Durch die Errichtung eines LandeSconsistoriums gingen wichtige Rechte des StaateS auf diese neue Behörde über, eigentlich daS ganze so genannte jus circa sacra Während bis jetzt das Kirchenregiment durch den verantwortlichen Kultusminister vertreten war, bleibe künftig das Kirchenregiment dem nicht verantwortlichen LandeSconsistorium über lassen. Denn wenn auch das Kirchenregiment in seiner höchsten Spitze durch die Minister in NvanLcUeiL repräsentirt werde, so sei doch zweifel haft, ob diese als solche den Ständen verantwortlich sind. Ferner werde das Gesetz, welches die Kreisdirectionen zu Consistorialbehörden machte, in Wegfall gebracht. Nun könne nach § 2 der Verfassung kein Recht der Krone ohne Zustimmung der Stände auf irgend eine Weise veräußert, also auch nicht in seiner Ausübung ohne diese Zustimmung beschränkt werden. Man könne zwar einwenden, hier habe man cs mit einer inneren Angelegenheit der evang.-lutherischen Kirche zu thun und dafür sei nur die Synode competent. Allein das Gesetz wegen Errichtung eines LandeSconsistoriums greife in ein Ge biet, welches nicht blos als innere Angelegenheit der Kirche bezeichnet werden könne, nämlich in das Gebiet der Schule. Außer dem Religions unterrichte, welcher der Kirche zufalle, gehöre der ganze übrige Theil der Schule dem Staate und wenigstens müsse eine Grenzscheidung zwischen Staat und Kirche stattfinden, wobei die staatlichen Faktoren