Volltext Seite (XML)
Es gibt falsche Propheten der Freiheit, nicht darum, weil sie sich, der Freiheit des menschlichen Willens bewußt und mit Hochgefühl bewußt, derselben auch bedienen wollen, sondern weil sie diese Freiheit darin suchen, worin sie nicht ist, und nicht darin, worin sie ist, weil sie das Wort des Herrn: Erkennet die Wahrheit und die Wahrheit wird euch frei machen, nicht verstehen oder nicht verstehen wollen, weil sie die Wahrheit nicht in Gott und in den«, den er gesendet hat, in Christo Jesu, sondern in sich selbst finden und somit einen Gebrauch von der Freiheit ihres Willens machen, bei welchem sie in die Ungebundenhci. und Zügellosigkeit aller ihrer Leidenschaften hineingeraten, wider Ordnung und Recht anstreben, alle geschichtlichen und gesellschaftlichen Bands auflöien und in die unwürdigste und entehrendste Knechtschaft sich verlieren. Christus hatte den Seinen die Freiheit der Kinder Gottes verheißen, die Freiheit von Irr tum und Sünde. Jene aber suchen die Freiheit zum Irr tum und zur Sünde. Durch Gehorsam, sagt der heilige Vinzenz von Paul, erlangt der Mensch die Vernichtung der Eigenliebe, welche ihn zum Knechte macht, und erwirbt sich die den Kindern Gottes eigene wahre Freiheit. Unsere Freiheitsapostsl aber wollen von Gehorsam nichts wissen, daher ist ihnen die Kirche eine Zwangsanstalt, der Kirche Heilsmittel, das heilige Bußsakrament, sind ihnen Ge wissensdruck, der, Kirche Segensübungen und Gebete er scheinen ihnen als lästige Hemmnisse des freien, mensch lichen Geistes. Christlich freie Seelen ertragen die freie Knechtschaft des Leibes mit Würde, jene aber erkennen eine andere Freiheit nicht, als jene äußere Ungebundenheit, die alle Vorschriften der eigenen Willkür untsrordnet, nie aber den eigenen freien Willen dem Gesetze sich unterwerfen läßt. Es gibt noch falsche Propheten des Fleisches, nicht dar um, daß sie der sinnlichen Natur ihre Rechte zugestehen und dem Leibe geben, was dem Leibe ist, sondern darum, weil sie den Leib über den Geist herrschen und im sinnlichen Ge nuß ihr Leben und ihres Lebens Trachten aufgehen lassen. Sie Predigen durch ihre Worte, Schriften und Handlungen das Evangelium von der Entfesselung des Fleisches und seiner Verherrlichung. Sie lösen alle heiligen Bande der Ehe und der Familien und bauen auf den Trümmern der alten Ehrbarkeit und Sittlichkeit der Wollust ihre Tempel. Sic sind, wie Judas, der Apostel, sagte, jene nach ihren Lüsten wandelnden Leute, die dem Fleische nachleben und den Geist nicht haben. Wie einst in den Tagen des Noe die Leute aßen und tranken, zur Ehe nahmen und gaben und nichts achteten, bis die Flut heceinbrach und alle vertilgte, so leben jene Fleischesmenschen in ihrem sinnlichen Taumel dahin und achten nicht auf den Ruf des Heiles, nicht auf die Zeichen der Zeit und nicht auf die Folgen ihres entehrende-. Rausches., bis für sie der Tag des Herrn hereinbricht. Darum beherzigen wir den Warnungsruf Jesu: Hütet euch von den falschen Propheten, denn die Zeit ist reich an ihnen und wo wir gehen und stehen, treten sie uns entgegen 'und suchen in Worten und Schriften und allerlei Vorspiegs- langen und Verheißungen für ihre falsche Weisheit uns zn gewinnen. Rudis letzter Tag Von M. H. Nack,druck verboten Es war ein lieber Junge, der dritte meines Hausherrn, der Blondkopf mit seinen blauen Augen und seinem guten Herzen. Ten Rudi hatten alle gern. Frisch und munter zu jeder Zeit, ein frohes Sonntags- kind. Früh am Morgen hörte ich ihn als den ersten seiner Brüder die Treppe lünuntcreilen. An meiner Tür blieb er stehen und horchte, ob der Herr Lehrer schon aufaestandcn. Ich brauchte nur ein wenig Geräusch zu machen, so erhielt ich einen freundlichen Morgengruß, selbst dann, wenn ich ihn am Tage vorher wegen irgend eines Fehlers batte stra fen müssen. Beim Spiel war er unermüdlich, für seine Kameraden der geborene Anführer zu jeder wilden Jagd, zu ledern lustigen Streich, nur Roheiten wachte er nicht mit. In der Schule war er nicht in allen Fächern der Beste. Das Rechnen war ihm eine große Qual, aber die deutsche Stunde, die liebte er. Fast alle Gedichte seines Lesebuches konnte er auswendig. Wenn ich einmal eine schöne Erzäh lung oder ein freudiges Gedicht als Extragabe vorlas, dann blitzten seine Aeuglern vor Freude. Das war für ihn ein Festtag. Doch nur von einem Tage in Rudis Leben will ich er zählen von einem traurigen Tage. Es war Ende Februar. Wir hatten einige verspätete kalte Nächte. Das ganze Haidtal, vom Haidbache durch flossen, stand während des Winters unter Walser und bil dete nach einigen Frosttagen eine spiegelglatte Eisfläche. Obschon die Nächte sehr kalt waren, brannte die Sonne am Mittag eigentümlich warm. Ich warnte meine Buben vor dem trügerischen Erse, Am Sonnabendnachmittag sind sie auch hübsch davon geblie ben. Die meisten sah ich in der Kirche, auch den Rudi, vor dem 'Beichtstuhl unseres Herrn Pfarrers. Dis Glocken des Sonntags weckten mich früh von der Lagerstätte. Kaum war ich in meinem Wohnzimmer, da huschte Rudi, zum Kirchgang gerüstet, in mein Zimmer und bot mir seinen Gruß. „Heute werde ich auch für Sie beten, Herr Lehrer." Ich dankte und legte ihm noch einige Anliegen ans Herz. Er versprach, an alles zu denken, und schon war er hinaus. Obschon ich dienstlich dem Hochamte beiwohnen mutzte, heute drängte es mich, auch an der Frühmesse teilzunch- men. Ich bin nicht sehr andächtig dabei gewesen, ich gestehe es. Immer wieder mutzte ich Hinsehen zu meinen Knaben. Rudi war heute ein Engel, so gesammelt, so fromm, so ernst. Das ist dem lebhaften Knaben nicht leicht geworden Als die anderen Kommunikanten nach der Danksagung auf standen. blieb er noch eine Weile zurück. Ich erwartete ihn vor der Kirchtür und in kindlichem Geplauder geleitete er mich nach Hause. Der Morgen brachte nichts Ungewöhnliches. Sonn- tngsstille ruhte über dem Dorfe und seiner Umgebung. Ein Heller Tag, ruhiges, kaltes Wetter. Gegen Mittag wurde es wärmer. Nach der Vesper erzählte mir Rudi, wie stark es in der vergangenen Nacht gestoren habe und wie schön die Eisbahn im Haidtale sei. Nachbars Georg und Franz 'eien schon heute morgen darauf gewesen, fast bis Bunan seien sie gefahren. Seine Eltern würden es ihm gewiß er lauben, denn es werde Wohl das letzte Mal sein. Armer Rudi, gewiß das letzte Mal, aber anders, wie du es denkst. Ich sprach noch mit ihm über die Tücken unseres Haid- bäches, der schon so manches Opfer gefordert habe. Rudi versprach, sicher diesseits des Baches bleiben zu wollen, wenn -:r gehen dürfe. Bald hörte ich ihn mit seinen Schlittschuhen aus dem Hause stürmen. Ich versuchte zu lesen, es ging nickst. Keines von meinen Licblingsbüchern konnte mich heute fesseln. Also ein Spaziergang. Am Haidtcle vorbei führte ein stiller Weg durch dunkle Tannenwaldungen', man nennt ihn nicht mit Unrecht den Dichterweg. Hinter der Mühle sehe ich bereits das fröhliche Treiben der Torfjugend auf der Eisbahn. Wenn das nur gut geht. Mein Ucberzieher ist mir schon zu warm. Nichtig, da winkt ja jemand. Es ist Rudi, der in weit ausholcndem Bogen mit roten Wangen und strahlenden Augen jauchzend auf mich zufährt. „Hurra, Herr Lehrer, das ist aber schön . . ." weiter verstehe ich nichts, denn er ist schon wieder fortgcsaust seinen Kameraden nach. Mein Weg führt mich weiter, in den Wald hinein. Sonst ist es hier so still, und man kann seinen Gedanken ruhig nachgehen, oder dem Treiben der Vöglcin oder dem Sviel der Eichkätzchen zusehen . . . Gibt es Stimmungen?