Volltext Seite (XML)
^— * ^ ^ Feierabend KM Unterhaltungs-BeiLage -e* Sächsischen VoLkszeitring Nr LV Freitag, den 3. Mai 1918 Auf den fünften Sonntag nach Ostern Sv J»h. 16, 2? ro. Non der Kraft des Gebetes. Die Annen bitten die Menschen, welche reich sind n. die Menschen sie mögen arm oder reich sein, bitten Gott oft nicht. Dennoch besieht rücksichtlich der Armen ein großer Unterschied zwischen Gott und den Menschen. Die Menschen sind dürftig, Gott ist unendlich reich. Die Menschen kennen unser Elend nicht, Gott kennt nnsere Anliegen und Bedürfnisse. Die Men schen sind auch hart und unbarmherzig, Gott ist unendlich zärtlch und freigebig. Man macht den Menschen keine Freude, wenn man sie um etwas bittet, Gott aber erfreut man, wenn man etwas von ihm begehrt. Das Gebet ist ja ein Lobes opfer; es ist wie ein Nauchwerk von Tugenden, welches Gott dargebracht wird. Glaube, Hoffnung, Liebe, Demut, Ge duld, Beharrlichkeit, Ergebung, Andacht, Eifer und Gehor sam sind die Bestandteile dieses Opfers vor Gott, des Ge betes. Das Gebet ist nun allvcrnwgend über das Herz Gottes; denn es vereinigt sich mit seiner Güte, die, unendlich reich und fruchtbar, sich nun zu ergießen verlangt; es schließt in sich die Hoffnung, welche den Menschen mit der Allmacht Gottes vereinigt und ihn dadurch allvermögcnd inacht; es stützt sich auf die Verheißung, die uns Jesus Christus gegeben und die er mit einem Eidschwur bekräftigt hat, nämlich, daß er uns Alles gewähren wolle, uni was wir ihn bitten werden; es be dient sich seiner Verdienste und stützt sich auf dieselben, die doch unendlich sind; es bringt Gott das Opfer aller Tugen den dar, das ihm so wohlgefällig ist; es kommt endlich von Lein hl. Geist her, der in uns und für uns mit unendlichen Seufzern bittet. Woher kommt es nun, daß wir so ungern nnd so kalt und mißtrauisch beten? Es kommt daher, weil wir unser Elend nicht erkennen oder weil wir es lieben, weil uns die Kraft des Gebetes nicht bekannt ist, oder ineil wir hochmütig sind und uns vor Gott nicht verdemüthigcu wollen. Daher, weil wir ungeduldig sind und nicht wollen, daß er uns warten lasse. Daher, weil wir in seine Weisheit oder in seine All macht oder in seine Güte Mißtrauen sehen. Daher, weil wir, in eine Art von Schlafsucht versunken, unsere klebet nicht empfinden. Daher, weil wir die wahren Tugenden mehr fürchten als lieben, und sie darum von Gott nicht be gehren. Daher endlich, weil wir weder lebendigen Glauben, noch feste Hoffnung, noch reine Liebe, noch ungeheuchclte De mut, noch Geduld, Andacht und Beharrlichkeit haben. O mein Gott, wie sehr liebst Du die Armen, welche de mütig sind. Wie sehr aber verabscheust Du die Armen, welche hochmütig sind! Ich verwundere mich nicht, wenn ich von Deiner Güte nichts erhalte. Ich erkenne mein Elend nicht und will es nicht erkennen; ich will nach vor Dir nicht demü tigen; ich schäme mich. Dich zu bitten. Tue ich es so ge schieht es gleichgültig, kalt, stolz, verdrießlich und ungeduldig. Mein Gebet ist nicht ein köstliches Rauchwerk, das den Him mel mit Wohlgeruch erfüllt, sondern ein dicker Nebel, der sich rmporzieht und Donnerwolken über meinem Haupte bildet. Es ist nicht Anbetung, die Deine Gnade heralbzieht, sondern ärgerliche Mißachtung, die das Feuer Deines Zornes an- zündet und Züchtigungen verdient. Herr! schone meiner und verwirf mein Gebet nicht; denn in ihm besteht mein Heil. Ich will in Zukunft öfter, demütiger und beharrlicher beten, fest vertrauend, daß Du mir stets gewähren werdest, um was ich Dich bitte; oder, daß Du mir etwas Besseres gehen werdest, als das ist, um was ich zu Dir flehe. Und ich will nicht immer blos als Bittender kommen; ich will in mir wecken und pfle gen des Herzens Bedürfnis, das nach Dir ruft und nach Dir sich sehnt. Ich will mich freuen, daß ich ein Herz habe und die Kraft zu beten und Dir zu huldigen. Und ich will dafür Sorge tragen, daß ein jedes meiner Gebete eine Huldigung an die heiligste Dreifaltigkeit sei. ein wahrer Gottesdienst in Andacht und Demut. Tann ist mir das Gebet mich eine scharfe Waffe und ein unzerbrechlicher Schild gegen jode Ver- suchung, dann ist es mir ein geistiges Gnadenbrod für den Hunger meiner Seele und ein unversiechbarer Quell des Trostes für alles Erdenleid. So will ich beten. Herr hilf mir beten! Bubis Brief Skizze von Hertha Triepek- (Nachdriie vcrb»:cn.) „Liber Vater! wie get es Dir? Uns get es gut. Wan kommst Du wider? Tein Bubi." Liebster Mann! Ein Kommentar zu diesem ersten Schreiben Deines Aeltcsteu an Dich ist eigentlich überflüssig. Dieser Brief, unter zwanzigmaligem Hin- und Herlaufen verfaßt, „bloß mal fragen ..." — zwischen Kinderstube und Wohnzimmer hin- und herrennend — „ganz alleine schreiben, Mama, ganz allein" — ist so fabelhaft treffend in seiner Knappheit. Und ergössen sich über Euch draußen die Feldpostsäcke wie Frau Holles Federpfühle, wenn Goldnrarie sie schüttet, es kann kein stilistisch sowohl als inhaltlich bes serer geschrieben werden als dieser Brief unseres Bubi an Dich. So bedurfte es auch keiner mütterlichen Erläuterungen zu diesem einzigartigen Schriftstück — wenn ich nicht s o stolz darauf wäre, daß ich mich darüber auslasscn muß. Es ist genau so aut kein allererstes Geschenk für Dich.. Auch steht der Umfang seines Schreibens in gar keinem Ver hältnis zu der Zeit, welche die Abfassung dieses Schriftstücks in Anspruch nahm. (Daß infolgedessen das Papier nicht ganz blütenrein blieb, wird Dir Deinen Sohn obendrein beinahe körperlich näher rücken!) Ferner beachte die Schrift züge! Wären auch sie nicht wert, in Stein gemeißelt zu werden? Auch Du hast unsere Aniangsstndien ja nicht miter lebt, im Septeniber, Oktober nnd den ganzen Winter, weißt nicht, was es heißen will, sich zu solchem Ebenmaß der Formen durchzuringen. Zum Beispiel besieh Dir das große L, gegen das wir geradezu eine persönliche Feindschaft hegen, deren Grad nur jener ermessen kann, -er sich noch mit diesen