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Lerlag von Alexander Wiede in Chemnitz, Theaterstraße 8, Nr. 213. — Dienstag, 13. September 1892. — IS. Jahrgang. Beilage z« Sächsischer Landes Anzeiger (Chemnitzer General-Anzeiger). Amtliche Anzeigen. > Pfänder-Auetio». Die bei hiesiger städtische» Leihanstalt i» der Zeit Vom 16. Oktober vis mit 30» November 1891 versetzte» Il»d z»r Verfallzeit nicht eingelüste» Psättder solle,: Dienstag, de» 27. September 18V2, und folgende Tage öffentlich versteigert werden. Den Pfaudscheininhabern ist jedoch gestattet, ihre Pfänder unter Milentrichtnng der AuclionSgebähren Von 5 Pfennige» von jeder Mark des Darlehns bis . Freitag, den 23. September 1»S2,' enizulösen oder zu verlängern. Nach diesem Termin werden weder Einlösungen noch Verlängerungen von den im Anclionsverzeichniß enthaltenen Pfändern angenommen und könne» die Schcininhaber ihre Ansprüche hieraus nur im Wege der Anctio» geltend machen. Die bei der Anctio» etwa erzielten Neberschnsse liegen für die Schcininhaber ei» Jahr lang, vom Beginn der Auktion ab gerechnct, zur Abholnng bereit. Die bis dahin nicht erhobene» Ileberschntzgelder verfallen dann der Leihanstalt» Chemnitz, den w. September 1892. Die Verwaltung der städtische» Leihanstalt» G. Eberhardt. Dienstag, der 13. September 18V2, Vorm. 11 Uhr, sollen in Borna bei Chemnitz verschiedenePfandstücke, namentlich: Möbel, Spiegel, Bilder, 1 Regulator, 2 Kntschgeschirre, 46 Stück Füllnngsthnre» u. V. »I. gegen sofortige Bezahlung meistbietend versteigert werde». Sammelplatz: Restauration znm Schweizerhans in Borna bei Chemnitz. Selbmann, Ger.-Vollz. bei dem König!. Amtsgericht Chemnitz. Politische Rundschau. Chemnitz, den 12. September. Deutsches Reich. — I» Metz hat am Sonntag Mittag nnter grotzer Festlichkeit und zahlreicher Theilnahme die Enthüllung des Denkmals für Kaiser Wilhelm I. staltgesunde». Der Kaiser wnrde durch den Statthalter Fürsten Hohenlvhe vertrete», der mit den Mitgliedern der Negierung von Straßburg nach Metz gekommen war. — Die nene Militärvorlage. Mit den Koste» der neuen Militärvorlage für die Einführniig der zweijährigen Dienstzeit soll e» zuverlässigen Angabe» znsolge so stehen: Jährliche Mehrausgabe: 80 Millionen Mark. Einmalige Ausgabe 150 Millionen Mark. Die Berathnng der Vorlage im Reichstage soll nach Fertigstellung des Etats für 1893/94 beginnen. — Die Vertretung der Militär- Vorlage im Reichstage wird hauptsächlich dem Reichskanzler Grafen Caprivi znfallen. Er wird nicht nur, wie die- ja anch Fürst Bismarck gethan hat, die allgemeine politische Bedeutung der Hecres- verniehrnng und den Zusammenhang mit der europäischen Lage d,r- zulegen haben, sonder» sich auch der rein militärischen Seite der Sache wenigstens im Plenum des Reichstages aunehmcu müsse», weil der gegen wärtige Kriegsminister, General von Kaltcnborn-Stachan, nngleich allen seinen Vorgängern kein Redner ist. Er steht in dieser Be ziehung nicht nur hinter de» Ministern von Verdy und Bronsart von Schellendorf, oder gar Noou zurück, die ganz ausgezeichnete Parlamentsredner gewesen sind, sondern anch hinter Herrn von Kamecke, der des Wortes, wenigstens in großer Rede, weniger »nächtig war,- aber durch eine gewisse Bonhommie seines Auftretens vor dem Reichstage diesen Ansfall zu ersetzen wußte. Graf Caprivi ist aber durch rednerische Begabung und seine hervorragende militär ische Sachkeinitniß unstreitig der geeignetste Vertreter jedes Militär- gesetzes. — Dev eonfevvative Abgeordnete von Meher-Arnö- lvalde, Mitglied des deutschen Reichstages und preußischen Abge ordnetenhauses, ist am Freitag Abend an einer Lungenentzündung gestorben. Herr von Meyer gehörte der alte» und strengen conser- vativen Richtung an, genoß aber wegen seiner bedeutenden geistige» Gabe» und seines liebenswürdigen Wesens überall und bei alle» Parteien die höchste Achtung. Er ließ sich niemals von seiner Ueber- zengnng abbringeu undwar manchmal der einzige conservative Gegner von Regierungsvorlage». Ein sehr entschiedener Gegner war er von häufigen Gcsetzesändernngcn. Er wnrde 1646 Landrath des Kreises Arns- waldc, in welchem Amte ihm sein Sohn gesolgt ist. Im amtlichen Reichstags-Handbuch war bei dem Namen des nun verstorbenen Ab geordneten nach dessen eigener Mittheilnng die Parteistellnng, wie folgt, bezeichnet: „Conscrvativ, aber möglicherweise wild." Ter conservaliven Fraktion des preußischen AbgcocdnetenhanseS gehörte er in seine» letzten Lebensjahre» nicht mehr an. Wegen mehrfacher politischer Meinungsverschiedenheiten war er ans der Fraktion anS- geschiede». — Die königliche»» Pvovii»zial-Sch»»lt0llegie»» in Preußen sind vom Unterrichts-Minister vr. Bosse veranlaßt worden, de» Leitern der Schulen folgende Beslimmiinge» der im NeichSamt des Inner» festgestellten Maßnahmen für den Fall des Anstauchens der asiatische» Cholera in Deutschland znr »»bedingten Nachachtung zu empfehlen: „Schulkinder, welche außerhalb des Schulortes wohnen, dürfen, so lange in dem letzteren die Cholera herrscht, die Schicke nicht besuchen; desgleichen müssen Schulkinder, in deren Wohnort die Cholera herrscht, vom Besuche der Schule in einem noch cholera freie» Ort ausgeschlossen werde». An Orten, wo die Cholera heftig anstritt, sind die Schulen zn schließen." Gleichartige Bestimmungen werden anch für den Confirmanden-Unterricht erlassen werde». --- Dev Magistrat der Stadt Berlin hat an den Bürger meister von Genua ans Anlaß der dort stallfindenden großartigen Columbnsfeierlichkeiten einen telegraphischen Glückwunsch gerichtet. — Eine weitere Durchführung der Sonntagsruhe ist sistirt. Den „Bcrl. Pol. Nachr." zufolge steht fest, daß eine kaiser liche Verordnung betreffs Einführung der Sonntagsruhe in Industrie und Handwerk mit dem 1. October nicht erlassen werden wird; die Erörterungen über diese Angelegenheit daner» bei den zuständigen Reichsämtern noch fort. — Für den konservativen Parteitag sind, wie berichtet wird, die vorläufigen Bestimmungen derart getroffen, daß seinem Zu sammentritte lim die Mitte dcs,kv»»»enden Monats nichts im Wege stehen dürfle. Die vom Ausschuß des conservcitiven Wahlvereins erhobene Forderung, die RcichstagSfraclion möge vor dem Parteitage znsaininentrcteu und sich über die Programinfrage äußern, ist ab- gclehnt worden, da die Mehrheit der Fractionsmitglieder keine Neigung fühlt, sich vor dem Beginn der Ncichstagssitznngen in Berlin einznfiuden. — Ein schöner Zug von Dankbarkeit wird von den armen Fischern Helgolands berichtet. Vor zehn Jahren erhielten sie, als heftige Stürme ihnen viele Boote und Schaluppe» fvrtgetricbe» Halle», von Hamburger» reichliche Unterstützungen. Jetzt habe» sie gleich beim Ausbruch der Cholera in Hamburg ans eigenem Antriebe unter sich eine Sammlung znni Besten der armen Kranke» i» Ham- bnrg veranstaltet und die verhällnißmäßig hohe Summe von 1800 Mk. ihren frühere» Helfer» i» der Nvth übersandt. Diese 1800 Mk. waren wohl die erste Geldiniterstützniig, welche die Hamburger von außerhalb erhalte» haben. Die wohlhabenderen Helgoländer, die Gasthaus- und Hausbesitzer, wolle» in kurzer Zeit dem Beispiel der Fischer folge». Italien. — Die ColttMbttöfestlichkeite»» i»» Ge»«»»<» nehmen nnter großem Enthusiasmus der Bevölkerung ungestört ihren glänzenden Fortgang. König Humbert hat de» Admiral des sranzösischc» Ge schwaders in besonderer Audienz empfange», und es wurden die bei solche» Gelegenheiten üblichen Hvslichleitsansprachen anSgetanscht. Politische Bedeutung halten dieselben nicht im Blindesten. Glanz punkte der Festlichkeiten waren ein großer Ball, welchen die Stadt Genua de» königliche» Majestäten und den Ehrengästen gab, sowie ei» großartiger Festzug, welcher die Rückkehr des Colnmbns darstellle. Montag oder Dienstag verläßt das Königspnar wieder Genna. — Ein reicher Gutsbesitzer ans Faenza, Namens Eugenia Bald,', der in Nom ansässig ist, aber in der Erntezeit sich auf secne» Gütern bei Faenza aufznhalte» pflegt, ivar mit seinem Verwalter und einem jungen Sohne behufs Thcilnng der Maisernte in Nivalta gewesen, und befand sich gegen Abend ans dem Rückwege nach Faenza, als er cmf der Landstraße durch zwei Strolche angehalien wurde, von welchen der Eine »»r mit einem Messer, der Andere mit doppel läufiger Flinte bewaffnet war. Da sie bei den Uebecfallciicn nur eine geringe Summe fanden, so befahlen sie Herr» Baldi, ihnen un verzüglich aus der Stadt 30,000 Lice zu holen, widrigenfalls es dem Sohne und dem Verwalter, die sic inzwischen znrückhicllcn, an s Leben gehen werde. Baldi fuhr ans seinem Wägelchen nach Faenza, hütete sich weislich, Anzeige zn erstatten, hatte aber den gute» Gedanke», die Gauner über den Löffel zn barbieren, indem er ei» Säckchen mit Kupfermünzen füllte und obendrauf eine Schicht Silbcrgeld und wenige Die Namenlose. Von E. M. Brame. Berechtigte Ucbcrsetznng von Luise Koch. (Fortsetzung und Schluß.) Nachdruck verboten. „Mein liebes Kind," rief sie in überschwänglichem Tone, „Sie müssen jetzt Alles ihn», »in diese verlorenen Jahre »achzuhole». Was nur in meinen und meiner Tochter Kräften liegt, Ihne» dabei be hilflich zu sei», soll geschehen, von ganzem Herzen geschehen." Lady Caryl schnitt der guten Dame jedoch sehr kurz diese Ver sicherungen ab. „Das Bewußtsein, daß die Letzte der Drake's nnter uns lebte, ohne daß wir eine Ahnung davon hatten!" seufzte Frau Scll. Sie gab ihre Frenndschaftsversichernngen in allen Tonarte», eesd »hreLvchter, welche z» dem frenndlosen, verlassenen Mädchen nie zuvor anch „ur ein lösliches oder thcilnehineiidcs Wort gehabt, schweifwedelte jetzt förmlich vor der Besitzerin von Reihcruest. Ich aver war außer Stande, ihre Annähernngen auch nur im Geringsten zu begünstigen. Lady Caryl sagte mir eines Tages, als wir wieder über die Znknnst sprachen, daß sie glaube, Sir Arthur wolle sich in der Pro vinz Norsvlk ankanfen. Gegen mich zeigte sie große Herzlichkeit und forderte mich auf, die nächste Saison in London in ihrem Hanse zu- zubriuge». Ich sagte ihr nicht, weshalb mir dieser Plan so aus nehmend gefiel. Ich wußte, daß, wenn ich bei ihr weilte, ich fast täglich ihre» Sohn sehe» würde. Sir Arthur schrieb mir ans Spanien und theilte mir mit, daß er die alte Kirche gesehen, in welcher meine Elle»» getraut worden waren — daß er auch das Heirathsregisiec eingesehe» und die Grab stätte mit dem weißen Marmorkreuz besucht habe, auf welchem er de» Name» „Jsola" gelesen. Er fügte hinzu, und ich küßte die Worte wieder und wieder, daß er Weihnachten in England sei» lvcrde und das Fest ans Nciheruest zu verlebe» gedenke. Und Weihnachten kam — es kam mit seinem zarten Mantel von Schnee ,,„d der Krone von Stechpalmen und Ephcn. Was seit Le,» vorigen Weihnachtsabend an mir vorübergezogcn, dünkte mich em Traum, ,,„d dennoch war cs so glückselige Wirklichkeit. Dieser Heiligabend war gerade wie der vorige, kalt, Nar .und schön; der Himmel war ebenso bla», die Sterne leuchteten ebeiiso hell. Unter ihnen glnnzte der Weihnachtsstern, der mich »ach dem Hinterpförtchen gesuhlt, besonders hervor. Jetzt brauchte ich nicht mehr zu frage», wohin sei» Licht mich geleitet. .Weihnacht ist da — Weihnacht ist da!" Auch heule tönten diese Worte über den Schnee klar und dcntlich aus den Glockcnktängen der alte» Kirche zn mir herüber. Rcihccncst gewährte dieses Mal einen so malerische» Anblick, als wolle es die Vernachlässigung der ganzen vergangenen Jahre ein- holcn. Ich halte mir mit seiner Ausschmückung die größte Mühe gegeben. Mistelzwcige und rothbeerige Stechpalmen hinge» im Ucber- fluß an alle» Wänden des alte», mächtigen Schlosses. Weihnacht war in der Thal gekonim.'n und hatte Liebe und Frieden gebracht. Kein hartes Wort störte die Harmonie, welche im ganzen Haushalte herrschte. Ich hatte jedem Versuche Lady Caryl's, ihre Herrschaft als Hausherrin »iederzulege», energisch gewehrt. So lange sie im Schlosse blieb, sollte sic anch die unumschränkte Gebieterin desselben bleibe». Sie vergalt mir dies durch doppelte Freundschaft. Wir waren Beide übercingekomnieu, das alle Gebäude zn Weihnachten heransznpntzcn, wie nur möglich. Jeder Bildcrrahmen, jede Säule waren mit frischem Grün umkleidet. ES war nicht zn lengncn, ein fröhlicher, weihnacht licher Hauch wehte durch ganz Rciherncst. Sir Arthur sollte Abends eintrcffen, zu derselben Stunde, in welcher er im vorige» Jahre zum ersten Male seinen Fuß über dieses Schlosses Schwelle setzte. Oh, glückliche Weihnacht, die Du wir ihn wieder brachtest! Ich dachte nicht darüber »ach, ob Sir Arthur kurze oder lange Zeit bei n»S weilen würde; ich versuchte nicht, in die Zukunft zn blicke». Alle meine Gedanken conccnirirlc» sich auf die eine Thalsache, daß ich ihn heute Abend sehen sollte. Die Glocken hatten das Läute» noch nicht eingestellt, der Mond lenchlcte hoch und hell am tiefblaue» Himmel. Ruhelos und »n- geduldig ging ich von einem Fenster dcS Salons zum anderen, von Ivo ans ich die Anfahrt übersehen konnte. Dies war jetzt mein Heini, und ich mnßte ihn bewillkommnen. Als ich endlich de» Wage» nahe» sah, dachte ich a» keine Etikette, sondern eilte »ach der Hausthüre, um die Erste zu sein, die ihn begrüßte. Von diesem Augenblick an wußte ich nichts mehr, bis ein schönes, von der frischen Luft kaltes Gesicht das meine berührte und die Stimme, die ich am meiste» auf der Welt lieble, jubelnd nnSrief: „JneS!" Dann erst hieß ich ihn willkommen. Al» wir darauf a»f der obersten Stufe der Haustreppe an der offenen HauSlhüre standen, müssen wir wohl Beide Alles um uns her vergessen habe», außer UNS selbst. . ^ Plötzlich ließ er mich au» seine» «men und in die Halle hinein Banknoten legte. Er kehrte dann sogleich allein zurück nnd die Ränbcr machten sich ohne Untersuchung mit de», schweren Sacke da« von. Erst jetzt erstattete der Beraubte, der nur eine kleine Summe geopfert hat, Anzeige, doch waren die Nachforschungen bisher ohne Erfolg. Frankreich. — Dev König Georg von Griechenland hat dem Präsi denten Carnot in dessen Sommerresidenz Fontainebleau einen Besuch abgestattet, an welche» sich eine Gegenvisilc des Präsidenten bei dem Könige in Paris anschloß. Die Begegnungen solle» einen recht herz lichen Charakter getragen haben. — Der Gesundheitszustand des In Aix in Sndsrankceich anwesenden russischen Minister» de» Auswärtigen von Giers hat sich verschlechtert. — Die Cholera hat in Paris abcrmnls zngenommc». Die thatsächlichc, aber nie ver kündete Zahl der täglichen Todesfälle soll Hundert weit übersteige». Belgien. — In Antwerpen tritt die astatische Cholera »och sehr bestimmt cmf; täglich sterbe» noch 10—12 Personen. Ji» benachbarte» Orte Boom sind 14 CholcratodeSfälle jfestgcstcllt, weiter vereinzelt« Erkrankungen und Todesfälle in Viloorde (Provinz Brabant), ln Tvnrnai im Hennegau, in Brüssel, im flandrischen Dorfe GitS re. Die Cholera tritt somit im ganzen Lande sporadisch auf. — Di» Bertreivnngen belgischer Bergarbeiter aus den nordfranzö- fischen Zeche» dauern unter den Augen der srauzösischeu und belgischen Negierung und unter Verübung der roheste» Gcwcilithätigkciten seilen» der französische» Arbeilerbcvölkerung »»geschwächt fort. Die Haltung des Brüsseler Ministeriums, welches nicht das Geringste thut, die Arbeiter seines Landes zn schützen, findet i» ganz Belgien den schärfsten Tadel. Schweiz. — In Rorschach am Badenser ist der erste Cholerafall inH, der Schweiz constatirt worden. Die erforderlichen Maßnahmen sind unverzüglich getroffen. Rtchland. — In Petersburg »ätzt die Cholera jetzt langsam nach; eine allgemeine Aufregung hat aber die Nachricht von dem Ausbruch der Cholera in der heiligen Stadt Kiew hervorgernfe», di« bisher von der Epidemie verschont geblieben war. Das bei Kiew gelegene Petscherskitlvster ist ein beliebter WahlfahrtSort für ganz Rußland, mid um diese Zeit findet dort das Klosterfest statt, zn welchem zahlreiche Wallfahrer aus allen Theile» des Reiches zu- saniiiieuströinc», die auch die Seuche dorthin gebracht haben. Sehr cntmnlhi'gend wirkt »och der Umstand, daß die Hoffnungen, welche man in ganz Rußland an de» Eintritt der kühleren Witterung ge knüpft hat, sich gar nicht erfüllen wollen; im Gegenthcile werde» immer neue Gebiete von der Cholera ergriffe». — Die Rüsten pflege» an bestimmten Tage» für ihre Tvdicn Seelenmessen abznhalten. Eine solche ist »u» anch in der Adniiralitälskirche in Petersburg für die Hingerichteten bulgarischen ^Hochvcrräther abgehalte» worden. Das ist kennzeichnend. Orient. — Zum zehnten Male wird der Ansstand in Arabien von Constantinopcl aus für unterdrückt erklärt. Diesmal meldet-der Militärgonvcrnciir von Jemen, Ohnied Fejzi Pascha, diese Nachricht. Hainini-Eddi'n, der falsche Jinam, welcher an der Spitze dcr Aufständ ischen stand, ist nebst 20 Unterführern gefangen und gelödtet worden. Saade, der letzte Zufluchtsort der Rebellen, 26 Meilen nördlich von Sanaa, wurde nach blutigem Kampfe gestürmt. In ganz Jemen herrscht jetzt Frieden »»d die türkischen Truppen inarschiren nach Sanaa zurück. — Rach einer Depesche ans Teheran griff ein Pöbelhanfen das dortige Gesängniß an, erbrach dasselbe und befreite die Sträflinge. Ei» Gefangenwärter, welcher Widerstand leistete, wnrde gctödtet. — Die Cholera ist in Teheran zu Ende, die Bazars sind seit dein 6. September wieder offen, »nd dcr Geschäfts verkehr hat wieder begonnen. Acht bis zehn Tage hat die Epidemie lodlbringend gewüthet. Gewöhnlich starb dcr Kranke in zwei bis zwölf Stunden. Es mögen in Teheran an der Cholera 13 000 Mrnschen gestorben sei»; andere schätzen die Zahl ans 20000. Im ganzen Lande hat die Seuche an 30000 Menschenleben gefordert. Viel hat zu der große» Sterblichkeit dcr Mangel an Aerzlen und Heilgehilfen beigelrcigcn. In ganz Teheran gab es mir zwei europäische Arrzt, tretend, nahm er cincn dort hängenden Pelzmantel von, Nagel, in den er mich hüllte. „Begleite mich, Ines," sagte er. „Ich habe Dir etwas zn sage», und das kann nur an unserem lieben, epheniimranklcn Hinierpfvrtchen geschehen." Ich ging mit ihm die Stufen der Terrasse herab, über den Rasenplatz nach der Hinterpfvric. Der schneebedeckte Ephen mit seinen leise von, Winde bewegten Blättern hing in denselben Ranke» herab, wie im vorigen Jahre, nnd über nnscren Köpfen leuchtete dcr Weihnachtsstern ebenso hell. Ich zitierte nicht, aber ein eigen« thümlichcs Angstgefühl beklemmte meine Brust. Während des Weges hatte» wir nicht gesprochen, als wir aber an nnscrem Ziel angelangt waren, schloß er mich in seine Arme nnd küßte mich leiden schaftlich. „Ines," sprach er bewegt, „hier, wo Dein Ster» Dich zuerst hingelcilct, laß mich fragen, willst Du die Meine werden?" Ich faßte Mnth nnd sah im fest ins's Gesicht. „Und Lady Editha?" fragte ich, tief crröthcnd. „Lady Editha steht im Begriffe, sich mit dem Herzog von Corlland zn vermählen," lachte er. „Sic Halle mich sehr gern, als ich ein kleiner Knabe war; um Dir aber die Wahrheit zu sagen, Ines, sic verlor jedes Interesse an mir, als sie Hörle, daß ich Ncihcr- »cst verloren hatte." „Liebtest Du sie?" fragte ich stockend. „Nicht im Mindeste». Nein, Ines, ich habe allezeit nur Dich geliebt, Niemand außer Dir! An dem Abend, als ich Dich zuerst sah. Dich, mit den wnndcrbaren dunklen Auge» »nd dem süßen, fremdklingcnde» Name», da lieble ich Dich. Ich liebte Dich damals, wie ich Dich seitdem geliebt. Willst Du mein Weib werde», Ines?" Ich vermochle vor Glückseligkeit keine» Laut hervvrznbri'ng«». „Niemals werde ich eine Andere lieben," fuhr er fort. „Dir gehört mein Herz, Ines, in nimmer wankender Treue. Willst Du mein Weib werden?" Ich sagte „Ja". Und dann gestand ich ihm meine Liebe., So feierten wir unsere Verlobung im Sterncnschcin, inngebcn vom blendenden Weihnachtsschnec, »nd die Worte der Liebe nnd Treue waren begleitet vom zauberischen Klange dcr Weihnacht-» glocken — Worte, welche sich lebenslang als wahr und echt bewährten. Hierher halte mich das Licht meine» Weihnachtsstern«» geleitet und sein» Strahlen «wärmen mein Herz noch heut«.