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wir dort gekraut werden könnten > „Sicherlich. Ich dächte, man kann an jedem Punkt der Erde getraut werden." „Aber es wird vermutlich ein paar Wochen dauer«, und ich wünschte, wir könnten einen schnelleren Weg aus findig machen." „Ich glaube nicht, daß hier unten in Schottland große Formalitäten notwendig sind." Wilhelm strich sich gedankenvoll über das Haar. „Ich glaube anch nicht, daß Rita damit einverstanden sein wurde, die Sache allzusehr zu überstürzen," meinte er. „Im übrigen mill's mir beinahe scheinen, als verhandelten wir da die Haut der Löwen, ehe wir ihn hätten. DaS Geratenste ist — nun wir uns einmal über die Hauptsache einig sind — wir warten alles weitere rnhtg ab und handeln so, wie es die Gelegenheit vorschreibt." „Das dächte ich auch. Warum sollten Sie sich nicht ruhig in der herkömmlichen Weise trauen lassen? — Ein paar Wochen auf einem Landgut gehören in dieser Jahreszeit doch nicht gerade zu ' den unangenehmsten Dingen." „Gewiß nicht," erwiderte er, jedoch nicht eben sonder lich begeistert. „Was aber sollen wir mit Karl — mit dem Bruder der Punzcssin beginnen?" Er schien sehr erstaunt. „Mit Karl? — Aber er ist ja doch gar nicht mehr hier. Er ist nach Deutschland zurückgekehrt." „Davon wußte ich nickus." „Ich habe ihn von Berlin aus durch ein Telegramm von der Erkrankung seines Vaters in Kenntnis gesetzt. Meinen Sic denn nicht, daß die Schwester ihn daraufhin sofort heimgesaudt hat? — Ja — daß er nicht von selbst gegangen ist?" „Sie wissen jedoch nicht bestimmt, ob er abge- rcist ist?" „Ah — darüber kann doch gar kein Zweifel sein. Gar kein Zweifel." Ich wäre sehr froh, wenn Sie recht hatten, und wenn der junge Mann ganz aus dem Spiel wäre. DaS macht die Sachlage noch einfacher.' »Verlassen Sie sich darauf, er ist gefahren!' erwiderte er zuversichtlich. „Karl ist ein guter Junge, und ich habe großen Einstuß aus ihn. Es sollte mich wundern, ob sich nicht vieles, sehr vieles ändern wird, wenn er in den Besitz des großen Erbes gelangt sein wird." „Er ist minderjährig, und Ihr Vater wird gewiß zu seinem Vormund ernannt." »Sehr wahrscheinlich. In ein paar Jahren jedoch ist Karl sein eigener Herr — und dann dürste mein Vater große Ueberraschungen erleben." „Wie alt ist er eigentlich?" „Warten Sie mal — sechzehn wird er sein, so unge fähr wenigstens. Ich weiß es nicht mehr genau." „Und wie alt ist Fräulein Dobson?" „Etwas über zwanzig. Wollen Sie ihr Bild sehen?* Er brachte eine Photographie zum Vorschein und reichte sie uur. Ich sah in ein geradezu schönes, interessantes Mädchmgestcht, mit großen, ernst blickenden Augen und einem ungewöhnlich fest und energisch geschnittenen Mund und Kinn. Ich war wirklich überrascht. „Sie muß »n der Tat sehr schön sein," sagte ich höf lich. „Wie charaktervoll dieser Kopf ist!" „Und die Photographie läßt ihr noch nicht einmal Ge rechtigkeit widerfahren I" erwiderte er. Und ehe er das Bild wieder in die Tasche schob, drückte er es für einen Augenblick an seine Lippen. In der Nacht laugten wir in Oban an. Ich war todmüde und wahrhaftig mcht zu einer Unterhaltung auf gelegt. Er schlug mir erst vor, noch eine Flasche Wein mit ihm zu trinken; er mußte wirklich stählerne Nerven haben. Dann aber mochte er mir meine Abgespauntheit ansehen und zog seinen Vorschlag aus freien Stücken zurück. „Ich denke, es ist das Gescheiteste, wir lege» uns jetzt zu Bett," meinte er. „Morgen früh — vielleicht so gegen zehn — wollen wir dann die Prinzessin aufsuchen." Ich war damit einverstanden. Nun, da wir ein ge meinsames Ziel hatten, konnten wir auch in allen» gemein sam handeln. Ein verschlafener Portier empfing uns und wies «n» unsere Zimmer an. ES war nur eines im ersten und einet im dritten Stock frei; nachdem er unS prüfend angesehen, wurde ich «« pvei Stockwerke höh« al» Wilhelm quartiert. Ich gab Anweisung, mich keinesfalls vor acht Uhr ui wecken, und verabschiedete mich dann von Wilhelm. So tief und fest wie in dieser Nacht, nach der endlose« Reitz, mag ich wohl selten geschlafen haben. Als mich em stärket Klopfen weckte, schien die Sonne schon hell int Zimmer, und nieine Uhr, die ich auf dem Tischchen neben dem Bett gestellt hatte, wies die zehnte Stunde. Auf meine Aufforderung trat ein Kellner ei« und überbrachte mir ein Telegramm. „Ich war schon zweimal oben," meinte er mit eine» kleinen Lächeln, „aber der Herr schliefen zu fest." Ich riß die Depesche auf und laS: „Habe Telegramm erhalten. Warne Sie, sich vo« Wilhelm täuschen zu lassen.' Dies beständige Mißtrauen in meine Fähigkeiten be gann mich nachgerade auf das heftigste zu reizen. Ab« seine Zweifel schienen nicht auszurotten, und ich mußte sie wohl als notwendiges Uebel hinnehmen. WaS konnte Wil helm denn für eine Täuschung beabsichtigen? Ich ^ann darüber nach, während ich mich rasch ankleidete. Gab er vor, diese Rita zu lieben, um mich in Sicherheit zu wiegen und trotz allem die Prinzessin zu heiraten? Es war das ja nicht ganz unmöglich. Warum aber hatte er dann so rasch eingewilligt, nach Dalavich zu gehen? Dort befanden . sie sich doch wirklich weit mehr als in Oban in meiner Gewalt. Seine Angst, ob sich da auch ja eine Gelegenheit zur Trauung fände, war ja ein klein bißchen verdächtig; andrerseits aber hätte er, wenn er die Prinzessin heiratete, die fünfzigtausend Mark verscherzt Ich wußte nicht recht, wo ich glauben und wo ich mißtrauen sollte. Jeden falls nahm ich mir vor, auf das Sorgfältigste aufznpassen — besser, ein bißchen zuviel Vorsicht, als törichte Leicht gläubigkeit. Ich wollte Wilhelm bewachen, wie eine listige Katze wohl eine kecke Maus bewachen mag. Als ich in den Flur hiuunterkam, fand ich Wilhelm Mit eben jenem Kellner plaudernd, der mir daS Tele gramm überbracht hatte. Er begrüßte mich mit kardial« Freundlichkeit und erkundigte sich, wie ich geschlafen hätte. ES schien mir etwas VersteckteS in seinem Wesen, ohne daß ich weiter darauf geachtet hätte. Mit einem raschen Blick auf den Gar?on versicherte er mir, daß er ebenfalls erst in diesem Augenblick aufgestanden sei, und erkundigte sich, ob ich mit ihm frühstücken wollte. Ich erklärte mich einverstanden, und ziemlich schweig sam nahmen wir den Lunch ein. Ich hatte beim Toilette machen bereits auf unseren Besuch bei der Prinzessin Rück sichtgenommen; und da ich fand, daß er ebenfalls reichlich elegant angekleidet war, schlug ich ihm vor, daß wir uns sogleich auf den Weg machen wollte,». Die verabredete Stunde war ja ohnedies überschritten. Villa Myra präsentierte sich mir als ein in der Tat recht bescheidenes Häuschen an der äußersten Stadtgrenze. Ein winziger Vorgarten schloß es gegen die Straße ab, die Fenster waren größtenteils durch schief in ihren Angeln hängende Läden verwahrt. Ein unpassenderes Heim hätte man für eine Prinzessin nicht gut ausfindig machen können. Vor der Gartentür blieb Wilhelm stehen. „Soll ich zuerst hineingehen und sie vorbereiten?' fragte er. „Oder gehen wir gleich zusammen?" „Wir gehen zusammen I' erwioerte ich fest. Ich war entschlossen, ihn nicht für eine Minute aus den Augen zu lassen. „Und eins müssen Sie mir vor allen Dinget» ver sprechen.' „Und das ist?' „Daß Sie die Prinzessin niemals ohne mein Wissen, ohne meine Erlaubnis sehen werden." „Ich gebe Ihnen mein Wort darauf," erwiderte er ohne Zögern. „Ich vertraue Ihrer Ehrenhaftigkeit — dafür darf ich vor» Ihnen doch wohl das gleiche er warten." Er schien doch überaus nervös, als ar mm die Gartentür öffnete und neben mir dem Hause zuschritt. Ich