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Osr Zonntagzsrräklsr. U«terhalt»«gsveilage z«m Schönburger Tageblatt. > — > > Nr. 40 Sonntag, de« 1. Oktober 1922 Dev Wächter. Humoristischer Roman von Archibald Eyre. Frei bearbeitet von Helmut tan Mor. (Fortsetzung) .Wurde nicht mein Ehrenwort —?" »Ganz gewiß nicht." Er fuhr empor. „Wollen Sie mich beleidigen?" .Ich Hube strenge Instruktionen von dem Herrn Grafen' Er ließ sich wieder nieder. .Allerdings. Ich vergaß das." Er blickte zum Fenster hinaus, mit gefurchter Stirn. und fest zusammengekniffenen Lippen. Ich ivar der erste, der das Schweigen brach. „Haben Sie wirklich ehrlich gesprochen ? Wären Sie bereit, das Mädchen, das Sie lieben, aufzugeben, wenn Sie nur Ho h genug bezahlt werden ?" Es war ein Klang ehrlichen Befremdens in meiner Stimme. Er wandte mir langsam sein Gesicht wieder zu. „Wer sagt Ihnen denn, daß ich die Prinzessin liebe?' „Jedenfalls liebt sie Sie doch.' »Ich dächte, das machte einen gewissen Unterschied. Viele Frauen haben mich geliebt — und die Prinzessin kann man nicht einmal „Frau' nennen. Sie ist nicht mehr als ein Kind — ein Backfisch äußerlich, und ein störrischer Backfisch innerlich.' „Ich dachte, sie wäre neunzehn Jahre alt?" Er zuckle die Achseln. „Sie mag Wohl ungefähr so alt sein. Wenn man sie jedoch sieht, hält man sie für mehrere Jahre jünger." „Warum aber haben Sie dann — ?" begann ich. „Um Geld zu erhalten," unterbrach er mich hastig. „Ich muß Geld haben. Ich will nicht wie ein Arbeiter leben, sondern wie ein Edelmann; und da mein Vater mir f? gut wie qar nichts gab — mußt» ich eS auf andere Weise zu erhalten suchen." „Ich finde das — offen gestanden — recht niedrig gedacht." Es zuckte wie Spott um seine Augen. „Nicht wahr, Sie finden es recht verächtlich? Und doch ist es die beste Entschuldigung meines Tuns. Wenn ich jemandem sage: ich tue das, weil ich das Mädchen liebe — wird er mir antworten: Nehmen Sie ein bißchen Natron, cs wird sich schon wieder geben. Wenn ich aber sage: ich tue eS, weil ich ihr Geld haben will — wird er mir zublinzeln und sag«,,: Ei, Sie Schlaukerl! Sehen Sie, das ist der Unterschied. Jeder wird mein Verlangen nach Geld verstehen, weil dieses Verlangen eben einen jeden beherrscht. In, jeder würde seine Seele für Geld ver kaufen — nur daß es vielleicht nicht jeder so offen ein- gesteht wie ich." „Aber das arm« Mädchen? Haben Sie denn nicht wenigstens Mitleid mit ihr?^ Er machte eine geringschätzige Bewegung. „Ich bitte Sie — ein unerzogenes Kind! Ich hätte sie auch nur behandelt wie ein unerzogenes Kind, wenn ich sie geheiratet hätte." „Ich werde ihr das erzählen." „Aber ich bitte sehr! Warum denn nicht?" Seine Augen verwirrten mich. Ich wußte nicht, ob sein Zynismus wahr oder geheuchelt war. „Lieben Sie denn kein weibliches Wesens Der Ausdruck feines Gesichts wechselte sofort. Ein weicher Glanz kam iu seine Augen. „Werden Sie mir Glauben schenken, wenn ich Ihnen die Wahrheit sage? Ja — eine Frau — eine einzige Frau gibt es, die ich liebe, und für die ich sterben würde, wenn es sein müßte. Sie ist eine Gouvernante — ein armes Mädchen, aber mit einem Herzen, das allen Reichtum der Erde ersetzt. Würde ick sie heiraten — sie wäre allein imstande, ein brauchbares Mitglied der Gesellschaft aus mir zu machen. Das heißt — ich bitte das nicht etwa so zu verstehen, als wäre es mein Ideal, dazu gemacht zu werden." „Liebt sie Sie?" „Ich glaube wohl." „Warum heiraten Sie sie dann nicht?" „Weil sie nicht will. Sw ist zn ehrenhaft." Ich dachte über seine Worte nach. „Wo lernten Sie sie kennen?" „In Erlheim. Sie kam dorthin, als man kür die Prinzessin eine Engländerin als Gesellschafterin suchte.' Das Mädchen, das ich liebe, ist zwar in Deutschland geboren; als jedoch ihr Vater starb, nahm ihre Mutter eine geborene Engländerin, sie mit nach England, und sie ist dort ausgewachsen und erzogen worden. Als sie ein paar Monate in Erlheim war, Halle sie sich das Herz der Prinzessin schon so gewonnen, daß Isa sie zu ihrer Ver trauten machte. Sie wußte, daß die Prinzessin mich liebte — und als ich zu ihr kam, um sie zu meinem Weibe zu begehren, horte sie mich deswegen nicht an. Vor zwei Jahren verließ sie Erlheim — und es war wohl meine Beharrlichkeit, die sie vertrieb. — Rita — Rita! Es war ein grausames Schicksal, das un- trennte.' .Und wo befindet sie sich jetzt?' „Haben Sie es noch nicht erraten? — Zu ihr ist die Prinzessin geflohen. Sie besitzt eine kleine Villa — eigent lich nur ein armstliges Häuschen in Oban, und dorthin hat sich Isa begeben.' Was war das für eine unglaubliche Situation I Ich versuchte, meine Gedanken in einige Ordnung zu bringen. Wilhelm saß da, die Augen mit der Hand bedeckt, an scheinend in schweres, trübes Sinnnen verloren. Er ver mochte also wirklich zu lieben — und nicht eine Prinzessin mit einem hochtönenden Namen, nicht eine reiche Erbin war der Gegenstand seiner Anbetung, sondern eine arm«, mittel- und namenlose Gouvernante! Trotz feiner zynische« Art also hatte auch er ein warm und menschlich emp findendes Herz. Eröffnete mir sein Geständnis denn nicht großartige Aussichten? Ein wie glänzendes Ergebnis meiner Bemühungen würde es doch sein, wenn er die Prinzessin ausgab und ein Mädchen heiratete, das er liebte und die ihn liebte, und die nach seiner eigenen Erklärung imstande geivesen wäre, bessernd und veredelnd auf ihn einzuwirken! Es ivar unmöglich, eine bessere Lösung der vorhandenen Konflikte zu finden. Ich beugte mich nach vorn und legte meine Hand auf sein Knie. „Ich bezahle Ihnen fünszigtausend Mark an dem Tage, da Sie mit diesem Mädchen verheiratet sind,' sagte ich, ohne mich zu bemühen, meine freudige Erregung zu verbergen. Er ließ die Hand von seinen Augen sinken, und für einen Augenblick leuchtete eS freudig darin auf. Im nächsten Moment'jedoch erlosch dieser Helle Schimmer schon wieder, und er schüttelte trübe den Kopf. „Es hilft nichts — sic wird es nicht wollen,' sagte er schwermütig, .Sie glauben nicht, wie groß ihre Ergebenheit und Freundschaft zu der Prinzefsin ist — und wie ehr«- Haft ihre Gesinnungen sind."