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Beilage zu Nr. SSV -er „Sächsischen Volkszeitung" vom 22. Dezember IVV4. AuS Stadt und Land. —* Der Großherzog von Toskana hat seine ausgedehnte Herrschaft Schlackenwerth, die sich bis Karls bad und Platten erstreckt, an den Kaiser von Oesterreich verkauft. Zu dieser Herrschaft gehört unter anderem der Berg Wölfling, von dem ein Mtglied des toskanischen Hau ses seinen Namen herleitet. —* Das Königliche Finanzministerium hat ein Gesuch des Landwirtschaftlichen Kreisvereins Leip zig abgelehnt, in welchem gebeten wurde, die ermäßigten Futtertarife auch auf solche Kartoffeln auszudehnen, welche für Brennerei- und Wirtsclwftszwecke in der Landwirtschaft verwendet werden. Ter abschlägige Bescheid wurde damit motiviert, daß eine Kontrolle ausgeschlossen sei, ob die Kar toffeln auch wirklich im obigen Sinne verwendet würden. Freiberg. In der letzten Stadtverordnetensitzung wurde eine abgeänderte Geschäftsordnung der Stadtverord neten verabschiedet, welche im Einklänge mit dem neuen Ortsgesctz steht. Im 8 19, welcher die Form und Unter stützung der Anträge regelt, wurde zwischen Initiativan trägen und Interpellationen (Anfragen) ein Unterschied gemacht. Für erstere ist eine Unterstützung von vier, fiir letztere eine Unterstützung durch zwei Mitglieder des .Kol legiums bestimmt. Leipzig. Tie ärztlichen Bezirksvereine Leipzig-Stadt und Leipzig-Land hatten bekanntlich die früheren Tistrikts- ärzte der Ortskrankenkasse, weil diese sich in den Dienst des ärztlichen Sanitätsvereins gestellt hatten, zu je 600 Mark resp. 1600 Mark Geldstrafe und mehrjährigen Wahlrechts- Verlust verurteilt. Der Ehrengerichtshof als Berufungs instanz hat jetzt die Geldstrafe ans je 300 Mark herabgc- mindert, nur der Vorstand des Vereins der sestbesoldetcn .Krankenkassenärzte wurde »nieder zu 600 Mark Geldstrafe verurteilt. Leipzig. Am Sonnabend ist hier der „Verband kon ditionierender Apotheker fiir das Deutsche Reich" gegrün det worden. Ter Verband nxihlte zu seinem Vorstand fol gende Herren: Tr. Spaner-Nürnberg (1. Vorsitzender), Dr. Wiskirchen-Essen (2. Vorsitzender), Dr. Frankel-Berlin <1. Schatzmeister), Tr. Wachsmann-Kattowitz (2. Schatz meister), Blatz-Frankfurt a. O., Götzle-Dresden, Piper- Dortmund, Tr. Koburger-Stuttgart, > Ebert-Heidelberg, Dr. Gilgenberger-Königsberg (Beisitzer). Der Vorstand wurde beauftragt, bei den in Betracht kommenden Behörden mit allen Mitteln dahin vorstellig zu werden, daß in Apo tbeken zweistündige Mittagszeit, 9-Uhr-Schlnß und Ein schränkung des Sonntagsdienstes, sowie Nachttare gesetzlich eingesührt werden. Als Ort der nächsten Hauptversamm lung wurde Hannover bestimmt. Leipzig. Das Römische Haus ist völlig abgetragen worden, um dem sich immer mehr ausdehnenden Verkehr Raum zu gewähren. Für das Grundstück, ans dem das Gebäude stand, und das zur Abrundung dienende Areal wurden bei der Versteigerung durch die Erben 1 078 000 Mark geboten. Ter Rat der Stadt Leipzig Hatto für das Grundstück des Römischen Hauses allein 650 000 Mark geben wollen, während die Besitzer 850 000 Mark ver langten. Leipzig. Der hier tagende Verein der Teichwirte er- suchte den Reichskanzler, darauf hinzuwirken, daß in, deutsch-österreichischen Handelsverträge der Karpsenzotl nicht unter 15 Mark für den Doppelzentner ermäßigt werde, da der Zoll eine Lebensfrage für die Teichwirte sei. Döbeln. Im Juli 1902 wurde im hiesigen Gas- anstaltsgrundstücke ein größerer Münzenfund gemacht. Der Direktor des Münzkabinetts stellte fest, daß es sich um eine große Zahl von wertvollen Brakteaten aus dem 12. Jahr hundert handelt, deren Auffindung für die Münzgeschichte Sachsens von ungewöhnlicher Bedeutung ist. Ein Teil der Brakteaten ist für das Königliche Münzkabinett angetanst worden, ein anderer Teil ist für das hiesige Stadtinweum bestimmt und der Nest soll an Liebhaber verkauft werden. Ki'rchberg. Der in der Tuchfabrik von Herrmann u. Rüdiger Hierselbst beschäftigte 46 Jahre alte Spinnmeister Ernst Hermann Planitzer ist in der Karhonisierkammer, woselbst er sich erwärmen wollte, eingeschlafen und hat in folge Hitzschlags den Tod gefunden. Planitzer war ver heiratet und hinterläßt sieben Kinder. Plauen i. B. Ter Arbeiter Mühlsriedel, welcher in Reichenbach seine Ehefrau durch ein Attentat mit Schwefel säure schwer verletzt bat, ist hier verhaftet worden. Aue. Da sich die hiesigen Drdnungsparteie» nicht ans eine gemeinsame Kandidatenliste einigten, gelang es de» Sozialdemokraten, zwei ihrer Anhänger durchz,«bringen. Gewählt wurden zehn Stadtverordnete. Marienberg. Tic städtischen Kollegien haben beschlos sen, bei der Sparkasse zu Chemnitz für Wasser- und Stra- ßenbauzwecke eine in zwei Jahren rückzahlbare Anleihe von 5>0 000 Mark anfznnehmen. Zwickau. Die Stadtvertretung hat volkstümliche Kon zerte im Gewandhause eingerichtet. Das erste dieser Kon zerte fand am 16. Dezember statt und war gut besucht. Das Eintrittsgeld mit Garderobegebühr betrug nur 20 Pfennig. Bautzen. In der letzten Stadtverordnetensitznng ist znm ersten Male der Haushaltplan für das neue Elektrizi tätswerk für das Jahr 1905) ansgestellt und genehmigt wor den. Er schließt mit einer Einnahme von 29 4-10 Mark und einer Ausgabe von 36 15)0 Mark, mithin mit einen, Fehlbeträge von 6710 Mark ab. Kamcnz. Montag erhängte sich hier der Arbeiter Hantsch. Andauernde Arbeitslosigkeit soll das Motiv zur Tat gewesen sein. Mühlberg a. d. E. Der Bau einer normalspnrigen Kleinbahn von Mühlberg (Elbhafen) nach Bnrrdorf «Ber lin Dresdner Staatsbahn) erscheint gesichert. Man hofft, mit dem Bahnbali bereits nächstes Jahr beginnen zu können. Ksth. Lehrerverb«nd im Königreich Sachsen. Bautzen. Am 14. Dezember hielt die katholische Leb- rervereinignng Bantzen-Schirgislvalde im „Fuchsbau" ihre zahlreich besuchte Versammlung ab. Herr Katechet Dcla» wurde ausgenommen. Danach sprach Herr Kirchschullehrer Rötzschke über das Thema: Einiges aus derSchul tz a n k s r a g e. Er kam zu folgenden zusammenfassende»» Leitsätzen: 1) Schlote Sckmlbänke sind in körperlicher, geistiger un sittlicher Beziehung eine Gefahr für Schüler nn- Lehrer-, 2) deshalb möchten bei ihrer Answahl nicht bloß ökon«- mische, sondern mehr noch pädagogische und hygienische Gründe gewissenhaft berücksichtigt werden 3) die Schulbänke müssen den körperlichen Verhältnissen der Schulkinder entsprechen-, 4) sie dürfen der Lüftung und Reinigung kein großes Hin dernis entgegensetzen-, 5>) während des Unterrichts 'ollen sie am Boden befestigt sein. Referate hatten übernommen die Herren Kanonikus Seminardirektor Löbmann über Lenschk e s Buch: „Z u r Geschichte der L e h r e r b i l d n „ g s f r a g e in, Königreich Sachsen" und Herr Dr. Nenbner über Arno S ch m ieders Büchlein: „ A n fiatzunter - r i cb t ani p s v cb o l o g i s ch e r 01 r n n d I a g e ". Es fanden außerdem noch Wahl zur Vertreterversammlimg und Vereinsangelegcnheiten ihre Erledigung. (tzericl'.t'iw,:!. Berlin. Unter geradezu lebensgefährliche», Andrange des Pnblitnms fand Montag die Fortsetzung des VerbörS im Prozeß Berger statt. Kriminalschntzmann Arlt hat ermittelt, daß damals in der Liebetrnthschen Wohnung nur Berger anwesend gewesen ,'ei. Kriminalkommissar Wanowski schildert die Verhastnngsszene. Man hatte e,n kleines Mädchen Namens Gertrud Rusch in ein Nebenzim mer geführt und die Türe etwas offen gelassen. Da Berger wiederholt erklärt hatte, daß er niemals mit der Lncie 2^e, - lin über die Straße gegangen sei, so sollte das Mädchen sich zunächst vergewissern, ob sie den Angeklagten auch sicher rekognoszieren könne. Erst als das Mädchen ein bejahen des Zeichen gemacht habe, sei Berger ihr gegenübergestellt worden und in diesem Moment sei er leichenbla s; u n - halb ohnmächtig znrückgetanmelt. Ter Angeklagte bestreitet dies jetzt. Kriminalkommissar Web», welcher die Oberleitung in der ganzen Angelegenheit hatte, behauptet, daß Lenz ganz außer Betracht komme. Zeuge bekundet, inan habe ihm zunächst erzählt, daß Lncie Berlin mit zwei Kindern davongegangen sei. Ta habe er sich gesagt, daß die Ermittelungen sehr schnell weitergehen würden, denn der Verbleih des Kindes hätte sich durch Befragen der Mäd chen sehr leicht feststellen lassen. Allein die Kinder hätten schließlich sämtlich erklärt, daß Lncie gar nicht vom Hole sortgegangen sei, und nun habe er gefragt, was sie dort zu letzt getrieben habe. Ans die Antwort, daß sie mit dem Hnnd der Liebetrntb gespielt und daß diese den Berger als Zuhälter habe, sei er eigentlich von selbst ans Berger ge lenkt worden. Dann sei zur Sprache gekommen, daß die Liebetrntb zur Zeit des Mordes in „Barnim" saß, und He! »V- ML ^ Ls 68 — Doch — was ist das? . . . Die Alte reibt sich die Augen . . . Täuscht sie ein Spuk? Geschehen Wunder? . . . Dort von der roten Sammetwand blickt in Lebensgröße ein Lduaben- bildnis herab. Tie großen schwarzen Augen lachen den Beschauer an. Die Lippen sind ein wenig geöffnet, so daß die weißen Zähnchen durchblitzen. Die kleine Hand, auf welche eine weiße Spitzenkrause fällt, ruht auf dem Kops eines großen schwarzen Hundes. Die Alte starrt und starrt . . . ihre Hände beginnen zu zittern . . . ihre Lippen bewegen sich ... die Beine versagen ihr fast den Dienst . '. . Stützesuchend greift sic um sich. »Ist Ihnen nicht wohl, liebe Frau Pcrini?" bemerkt Maria besorgt, ihr einen Stuhl hinschiebend. „Doch — doch nur wer sagten Sie, wer — der Kleine dort — ist?" stammelt sie fassungslos. „Meines Mannes Vetter, Virgilio!" „Der — der gestorben ist?" „Der im St. Agatha-Krankenhause gestorben ist." „Und — und meine Tochter — meine Assunta hat den Kleinen — gepflegt? Sagten sie nicht so?" „Und — und - - wo ist er begraben? Ich meine - - — ist er — über haupt — begraben?" Befremdet blickt Maria die seltsame Alte an. Ist sic plötzlich verrückt geworden? „Natürlich ist er begraben. Im großen Erbbegräbnis der Grafen Tosti . . . Doch nun. meine liebe Frau Perini, bitte, mich zu entschuldigen! Mein Mann wird nach nur verlangen. Leben Sie wohl!" Sie streckt der Alten die Hand entgegen, welche diese nur meckm nisch ergreift. „Leben Sic wohl! Sehr wohl!" stottert Frau Perini mühsam hervor. Dann sckMankt sic gleich einer Betrunkenen die Treppe hinab. Wie die alte Frau wieder in ihr Hotel gekommen — sie weiß es selbst nicht. Ihr ist ganz wüst im .Kopf. Alle ihre Gedanken wirbeln. O. diese Entdeckung! Diese entsetzliche Entdeckung! Als Frau Pcrini. noch zitternd vor Erregung, in ihrem Zimmer an langt. springt ihr jauchzend Virgilio entgegen. „Endlich! Endlich, Mutter Pcrini! Ich habe mich so gelangweilt." Die Alte drückt das Kind an sich. Langsam nimmt sie Schal und Kopftuch ab, legt beides fein säuberlich in eine Schublade, streicht sich die weißen Haare glatt — alles langsam, ganz langsam, um Zeit zu gewinnen. Dann ruft sie den Knaben zu sich. „Virgilio!" „Ja. Großmutter?" „Ich habe einen schönen Spaziergang gemacht." „Wohin? Zu ihr?" „Zu wen,?" „Nun, zu ih r! Zu deiner Tochter!" So läßt sie das Kind im Hotel zurück und fährt allein nach der Villa Borgon i. Assunta ist aufs miangenehmsie berührt von dem Besuch. Fnständigsr bittet sie die Mutter, wieder mit Virgilio nach Rocca di Papa zurückzukebren. Die Alte schüttelt den Kops. Nur, «nenn sie weiß, wer der Kleine ist und was fernerhin mit ihm geschehen soll, wird sie den Wunsch der Tochter erfüllen. Und dabei bleibt sie. In direktem Unfriede» geben Mutter und Toch ter auseinander - die alte Frau fester, entschlossener, denn je, ihren Willen ^ dnrchziisetzen. An demselben Nachmittage nimmt sie Virgilio bei der Hand und schien dort mit ihm durch die Straßen Noms. Nach Art alter Leute vom Lande, die selten in eine größere Stadt kommen, bleibt sie an jedem Schaufenster stehen, guckt und bewundert sic. wo es nur irgend etwas zu gucken und zu bewundern gibt . . . So spazieren sie auch den Eorw Umberto entlang mit seinen kostbaren Läden und vornehmen Palazzi. Plötzlich fühlt die alte Frau die Hand des Kindes in der ihrigen zittern. Erstaunt blickt sie den Knaben an. Seine Bäckchen lind 'enerrot. Mit abge wandten, Gesicht will er die Frau bastig wefterzielien. Die Alte bleibt stehen. „Was ist. Virgilio? Hat dich was erschreckt, Kind?" Der Knabe schüttelt stumm den Kons und zerrt die Frau durch die sich stauenden Menschenmassen. Frau Perini blickt sich kopfschüttelnd noch einmal nm. Nichts Aus «egendes ist zu bemerken. Nur vor dem großen ernsten Palazzo, den sie so eben Passierten, steht mit der ganzen Würde eines gräflichen Dieners der galonierte Portier und starrt der Alten und dem Kinde nach. Frau Perini ist aber nicht nur eine gutherzige, sondern auch eine pfiffige Person. Sie kombiniert sich sofort etwas zusammen. Noch einmal prägt sie den düsteren Palazzo fest ihrem lyc'dächtnis Zn. Dann läßt sie sich von dem aufgeregten Kinde fortziehen. Am nächsten Morgen teilt sic Virgilio mit, daß sic wieder ein Stünd chen allein ausgehen müsse, er möge hübsch artig im Hotel ans sie warten. Der Knabe nickt. Seit seiner Ankunft in Rom ist er anfsallcnd nach deutlich geworden. Zwar wußte er bis gestern abend noch nicht, daß er sich in derselben Stadt befindet, in welcher er geboren ist, wo seine Wiege stand, wo er einen der vornehmsten Pala.zzi besitzt. Erst, als er gestern an der Hand der alten Frau in bekanntere Gegenden kam, als er plötzlich vor dem Eingangstor seines Hauses stand, als er das wohlbekannte Gesicht seines Portiers sah — da dämmerte es in ihm ans wie ein plötzliches Erkennen. Einen Augenblick war cs ibin, als müsse er laut aufweinen, als müsse er binstürzen zu dem alten Diener und ibm zurnsen: „Kennst du mich denn nicht, Antonio? Ich bin'S ja — ich, dein junger Herr!", als müsse er mit ausgebreiteten Armen binanseilen die breite, marmorne, teppichbelegte Treppe, hin zu seiner Mutter, hin zu Alcsiandro. hin zu all seinen Spielsachen . . . Dann siel ihm sein Versprechen ein. daß er der fremden Frau gegeben - jener schönen Frau mit dem rotgoldcncn Haar, die ihn aus schwärm Krankheit gesund pflegte -- jener seltsamen Fra», die eine uubezwingliche