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sich die Prinzessin Victoria von Preußen, zweitälteste Schwester des deutschen Kaisers, welche gegenwärtig Gast der Königin von England ist, demnächst mit ihrem Vetter, dem Prinzen Albert Victor, dem ältesten Sohne des Prinzen von Wales, verloben werde. Prinz Albert ist am 8. Januar 1864 geboren und somit etwas über zwei Jahre älter, als die Prinzessin Vic toria. In Karlsruhe haben die Festlichkeiten aus Anlaß der Vermählung des Erbprinzen Friedrich von Anhalt mit der Prinzessin Marie von Baden ihren Anfang genommen. Die „Kreuzztg." schreibt zum Besuch des Czaren: Sehr erklärlicherweise ist gerade neuerdings die Frage vielfach erörtert worden, ob der Kaiser von Rußland schon in diesem Jahre den Gegenbesuch am Berliner Hofe ausführen würde. Wir glauben gut unterrichtet zu sein, wenn wir bemerken, daß endgiltige Bestim mungen bisher noch nicht getroffen sind. Nach den zur Stunde bekannten Dispositionen scheint ein dies jähriger Besuch des Czaren in Berlin aber nicht in Aussicht genommen zu sein. Fürst Bismarck hat sich wieder einmal über die § deutsche Kolonialpolitik geäußert. Der Missions- ' inspector vr. Fabri hatte dem Reichskanzler ein Exemplar seiner Schrift „Fünf Jahre deutscher Kolo nialpolitik" übersandt und hat darauf folgende interessante Antwort erhalten: „Berlin, den 5. Juni 1889. Ew. Wohlgeboren danke ich verbindlichst für die mit dem gefälligen Schreiben vom 27. v. M. erfolgte Zusen dung Ihrer neuen Schrift über deutsche Kolonialpolitik und hoffe, auf dem Lande bald Muße zu finden, um mich mit dem Inhalt näher bekannt zu machen. Was die koloniale Frage im Allgemeinen betrifft, so ist zu bedauern, daß dieselbe in Deutschland von Hause aus als Parteisache aufgefaßt wurde, und daß im Reichs tage Geldbewilligungen für koloniale Zwecke immer noch widerstrebend und mehr aus Gefälligkeit für die Regierung oder unter Bedingungen eine Mehrheit fin den. Die kaiserliche Regierung kann über ihr ursprüng liches Programm bei Unterstützung überseeischer Unter nehmungen nicht aus eigenem Antriebe hinausgehen und kann nicht die Verantwortung für Einrichtung und Bezahlung eigener Verwaltung mit einem größeren Beamtenpersonal und einer Militärtruppe übernehmen, so lange die Stimmung im Reichstage ihr nicht helfend und treibend zur Seite steht und so lange nicht die nationale Bedeutung überseeischer Kolonieen allseitig ausreichend gewürdigt wird und durch Kapital und kaufmännischen Unternehmungsgeist die Förderung fin det, welche zur Ergänzung der staatlichen Mitwirkung unentbehrlich bleibt, von Bismarck." Graf Moltke sandte dem Verfasser folgende Zeilen: „Empfangen Sie den verbindlichsten Dank für die gütige Zusendung Ihrer interessanten Schrift über die deutsche Koloniol- politik, welche sehr geeignet ist, Klarheit in diese bisher dunkle Frage zu bringen." Feuilleton. Demaskirt. Kriminal-Roman von Karl v. Leistner. Nachdruck »erboten. (Fortsetzung.) Als Liddy mit der Hand, welche das Messer um klammerte, eine Bewegung gegen ihre Brust machte, trat Jener entsetzt zurück und rief, seinen bisherigen Ton ändernd, mit unverkennbar wirklicher Besorgniß: „Halten Sie ein und legen Sie das Messer weg — ich werde bleiben, wo ich stehe; denn ich traue Ihnen zu, daß Sie im Stande wären, Ihre Worte zur That zu machen, und den Anblick Ihres Blutes vermöchte ich nicht zu ertragen, da Sie mir über Alles theuer sind! — Bedenken Sie aber auch: Liddy, daß Ihre Schönheit niemals berückender und hinreißen der hervorgetreten ist, als in diesem Momente; die Waffe in Ihrer Hand könnte Ihnen darum vielleicht noch in ganz anderer Weise gefährlich werden, als Sie denken. Ich liebe Sie mit unbezwinglicher Lei denschaft und nie finde ich ein Weib verlockender, als in kühner, selbstbewußter Entschlossenheit!" „Wenn Sie vorgeben, mich zu lieben, so ist das eine unglaubbare Unwahrheit, denn durch Ihre Hand lungen haben Sie, so lange ich Sie kenne, Ihre Worte Lügen gestraft. Würde irgend eine bessere Regung in Ihrem Innern zu meinen Gunsten sprechen, so müßten Sie vor rohester Vergewaltigung zurück schrecken. Mit Hinterlist und allen verabscheuungs würdigen Mitteln haben Sie sich meiner bemächigt. Nicht Genüge habend an den Qualen, welche Sie mir früher schon auferlegten, als Sie meinen Onkel zwan gen, seine Autorität zu mißbrauchen, haben Sie mir feit gestern Schrecknisse verursacht, die einen minder- starken Geist, als der meinige ist, mit ewigem Wahn sinne zu umnachten vermocht hätten! Nicht minder nichtig, als das Vorgeben, mich zu lieben, ist Ihre Behauptnng, baß Sie Rechte über mich besäßen. Sie In der Thronrede zur Eröffnung der Delegationen hatte der Kaiser von Oesterreich bekanntlich betont, daß die Verhältnisse in Bulgarien sich sehr erfreu- - lich entwickelten. Das hat in Petersburg arg ver- s drossen und das dortige Journal macht hierüber folgende Bemerkung: „Was das unglückliche Bul garien anbetrifft, so ist der Standpunkt Rußlands, welcher auf Recht und Achtung der Verträge beruht, ! Allen bekannt. Wir brauchen nicht weiter darauf zu rückzukommen." Bulgarien ein unglückliches Land! Die Bulgaren werden sich darüber weidlich amüsiren. Der Chef des Großen Generalstabes, Graf Wal- dersee, ist mit dem größten Theil seiner Officiere von der Generalstabsreise aus Württemberg nach Ber lin zurückgekehrt; der andere Theil der Officiere hat sich direct nach Meiningen und Bückeburg begeben, um an den im Juli dort stattfindenden Uebungsreisen der Kriegs-Akademie theilzunehmen. Diese Uebungsreisen ' der Officiere der Kriegs-Akademie währen drei Wochen ! und werden in zwei Abtheilungen zu je 50 Ofsicieren abgehalten. Ueber die Taktlosigkeit der russischen Officiere bei der Jubiläumsfeier in Stuttgart liegt jetzt fol gender authentischer Bericht vor: Bei der Regiments feier, wobei die russischen Officiere Gäste des Oificier- corps waren, hatte die Gesellschaft an kleinen Tischen Platz genommen, und zwar so, daß die russischen Officiere an verschiedenen Tischen saßen neben württem- bergischen Herren, die zum Theil der russischen Sprache mächtig waren. Als ein Hoch auf die deutsche Armee ausgebracht wurde, weigerte sich einer der Russen, ein junger Hauptmann, auf die deutsche Armee sein Glas zu leeren. Er sagte in deutscher Sprache zu seinem würt- tembergischen Nachbar: „Ich kenne keine deutsche Armee, ich kenne nur eine württembergische Armee." Der ! angeredete württembergische Officier erhob sich und ' erwiderte: „Dann werden Sie die deutsche Armee kennen lernen müssen", und entfernte sich mit seinen ' Kameraden von dem Tische, den bald darauf der junge russische Hauptmann und ein zweiter, an diesem Tische befindlicher Kamerad verließen. Später hat der Führer der russischen Abordnung den Vorfall auszugleichen versucht, indem er insbesondere darauf hinwies, daß der Hauptmann der deutschen Sprache nicht genügend mächtig sei. Der in Metz zum Reichstagsabgeordneten gewählte deutschfreundliche Herr Lanique hat die Mandats annahme ab gelehnt und dieselbe damit begründet, daß von 24,000 eingeschriebenen Wählern nur 8600 ab gestimmt hatten. Von diesen 8600 hatten 8200 Herrn Lanique ihre Stimme gegeben. Die Wahlbetheilgung war wohl um deswillen so gering, weil kein Gegen- candidat in Frage kam. Bekanntlich hatte der frühere Erzieher des Kaisers, Geh. Rath Or. Hinzpeter, in des Monarchen Auf- s trag während des Streiks das Ruhrkohlengebiet be- s reist. Den Bericht, den Herr Hinzpeter darüber dem ' berufen sich auf das Jawort, daß Sie aus meinem eigenen Munde gehört hätten. Aber auf welche Weise haben Sie dasselbe erzwungen, wie haben Sie mich zu diesem nur scheinbaren Zugeständnisse gebracht? Indem Sie mit diabolischer Planmäßigkeit meinen unglücklichen Onkel ruinirten und mich dadurch in einen Zustand versetzten, in welchem ich ohne Willens freiheit, fast ohne Bewußtsein handelte! Hat Ihnen meine Flucht aus dem Olsdorfer Gasthause noch nicht genug dargethan, daß ich wieder in Besitz meiner selbst gelangt, jenes Jawort tausendmal widerrufe? Haben Sie daraus nicht erkannt, daß ich Ihre Zudringlich keiten verabscheue und Ihre Berührung mir wider wärtig ist, wie das des unreinsten Geschöpfes? Sie und mein Onkel hätten mich vielleicht bis zum Trau altar schleppen können, aber im letzten Augenblicke würden Sie doch statt des früheren Ja ein entschie denes Nein vnnommen haben! — Nun, Graf Zechini, wissen Sie, wie ich von Ihnen denke und wie ich Ihre Bewerbungen aufnehme. Werden Sie dennoch den ! Muth haben, dieselben fortzusetzen?" Liddy schwieg, hohe Röthe hatte Ihr schönes Ant litz übergossen und sie war wirklich in ihrem berech tigten Zorne eine herrliche Erscheinung. Des Gra fen Augen hafteten sprechend auf ihrer Gestalt, als er entgegnete: „Ich habe Sie lange sprechen lassen, ohne Sie mit einem Worte zu unterbrechen. Nun glaube ich aber auch fordern zu können, daß Sie anhören, was ich Ihnen zu sagen habe. Ob Sie es bisher geglaubt haben oder nicht — gleichviel — ich versichere es Ihnen doch aus dem Grunde meines Herzens, daß ich Sie heißer und aufrichtiger liebe, als ich es selbst je für möglich gehalten hätte. Selbst diejenigen Hand lungen, welche Sie mir als unwürdig vorhalten, wa ren nur eine Folge dieser Liebe. Ich habe mir vor genommen, Sie um jeden Preis zu besitzen — hören Sie, Liddy, und beherzigen Sie, was ich sage — um jeden Preis! — Als mein Weib, als meine mir an- Kaiser eingesandt, soll nicht ohne Einfluß auf die Antworten geblieben sein, welche der Herrscher den Deputationen der Arbeiter und Zechenverwaltungen ertheilte. Nunmehr hat Herr Hinzpeter auch ein großes socialpolitisches Werk vollendet, in dem er die Ergebnisse langjähriger Studien und Beobachtungen niedergelegt hat. Der vortragende Rath im Handelsministerium, Geh. Ober-Regierungsrath Gamp, hat jetzt im Auftrage des Fürsten Bismarck nach seiner Rückkehr aus dem west fälischen Kohlenrevier sich in das schlesische Kohlen revier begeben, um auch dort die Betriebsverhältnisse der Gruben kennen zu lernen. Ein Correspondent der „Frankfurter Zeitung" hatte derselben aus Duisburg vor wenigen Tagen geschrie ben: „Daß die meisten Belegschaften heute noch immer auf die Erfüllung des Berliner respective Essener Protokolls warten!" Hierzu bemerkt die „Rheinisch-Westfälische Zeitung": „Der Herr Be richterstatter ist freundlich gebeten, möglichst umgehend die Namen der „meisten" Zechen deutlich und genau anzugeben, wo die Belegschaften „noch immer" auf die Erfüllung des Essener resp. Berliner Protokolls warten." In den Bundesraths-Ausschüssen in Berlin herrscht gegenwärtig rege Thätigkeit. Fast alle Tage werden von einzelnen oder von vereinigten Ausschüssen Sitzungen abgehalten, auch wird diese Thätigkeit wohl noch eine Woche andauern. Es sind nicht nur eine größere Anzahl von Vorlagen zu erledigen, welche den Ausschüssen zum Theil ,chon früher überwiesen wurden, sondern es soll auch noch über einige Eingaben be schlossen werden. Unter Anderm liegt auch die Be schlußfassung über lie Abänderung der Militär-Trans port-Ordnung vor. Die Menge der zu erledigenden Verwaltungsangelegenheiten ist so groß, daß man in Bunderathskreisen der Ansicht ist, es würden zur Beschlußfassung darüber noch zwei Plenarsitzungen nothwendig werden. Qesterreich-Ungarn. Im Heeres-Ausschuß der ungarischen Delegation wurde ein Ausweis über die Verwendung der im Vor jahre bewilligten Rüstungs-Credite vorgelegt; der selbe wird als geheimes Actenstück behandelt. Die Ankunft des Kaisers Franz Joseph in Berlin ist officiell auf den 11. August festgesetzt. Franrreiey. Vor dem Schwurgericht zu Monts wurde der Anarchist Rouhete wegen Aufreizung zu Verbrechen und Mordversuch zu fünf Jahren Gefängniß ver- urtheilt. Die Senatscommission, welche die Untersuchung gegen Boulanger leitet, hat ihre Arbeiten wirklich beendet. Am nächsten Donnerstag wird sie den An klageantrag des Generalstaatsanwaltes entgegennehmen und sich dann sofort als Anklagekammer constituiren. In der Deputirtenkammer giebt es nahezu Tag für Tag Skandal. Die Monarchisten brechen wahrer getraute Gattin werden Sie dieses Haus verlassen, anders nie! Was ich begonnen habe, das führe ich durch mit unwandelbarer Energie und Consequenz. — In mir sind zwei Naturen vereint, Liddy, die des Tigers und die des Lammes. Wählen Sie, mit wel cher Sie es zu thun haben wollen. Es steht in Ihrer Macht, durch ein Wort mich als Sklaven Ihnen zu Füßen zu werfen, um sich dann zu überzeugen, ob ich fähig bin, wahrhaft zu lieben oder nicht. Treffen Sie diese Wahl, dann werde ich Sie auf den Händen tragen und der liebendste, zärtlichste, besorgteste Gatte sein, der Ihnen nicht zur leisesten Klage mehr Ver anlassung giebt. Verzeihen Sie mir in dieser Stunde, daß Ihre Schönheit, daß Ihr mächtiger Liebreiz mich zur Gewaltanwendung verleitet haben! Nur die heißeste aller Leidenschaften, die fast bis zum Wahnsinn ge steigerte Liebe, hat mich nicht ruhen lassen, bis ich Sie wieder in meiner Nähe hatte. Glauben Sie es mir, Ihre Angst, Ihre Leiden, die ich Ihnen verursachen ! mußte, haben mich selbst tief ergriffen, mir im In nersten wehe gethan, aber ich wußte, daß Sie mir freiwillig nie folgen würden. Was bliebe mir da übrig, nachdem es mir als eine Unmöglichkeit erschien, ohne Sie noch weiter zu leben!" Zechini trat einen Schritt vor und warf sich auf seine Knie nieder. „Wollen Sie noch mehr, Liddy, als dieses reu- müthige Bekenntniß? Sehen Sie mich nicht, Verzeihung erflehend, zu Ihren Füßen liegen?" „Stehen Sie auf, Graf!" unterbrach ihn hier das Mädchen. „Wenn Sie sich entfernen und mir ver sprechen wollen, mich ungehindert aus diesem Hause ziehen zu lassen, wohin ich will, so gelobe ich Ihnen, daß ich die erbetene Vergebung Ihnen gewähren, alles Geschehene vergessen und künftig ohne Haß an Sie denken will. Aber nur dann — verstehen Sie mich wohl — nur dann, wenn Sie sofort dieses Zimmer verlassen, um niemals wiederzukehren!" (Fortsetzung folgt.)