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Bates soeben in Lem „Century Magazine" einen Ar tikel veröffentlicht und mit Namen gezeichnet hat, in welchen er eine so leidenschaftliche Voreingenommenheit gegen Deutschland und eine soerregtchauvinistischeHaltung in Bezug auf Samoa an den Tag legt, daß die deutsche Regierung vollkommen berechtigt wäre, nachträglich gegen diesen Delegaten Einspruch zu erheben. Herr Bates zeiht die deutsche Regierung geradezu mit dürren Worten der Lüge und scheut sich nicht, ohne Rücksicht auf völkerrechtlich anerkannte Grundsätze, dem allergewöhn lichsten Gewäsch von Penny-Blättern in Bezug auf die angebliche Verletzung der amerikanischen Flagge seinen Namen als Unterstützung zu leihen. Diploma tische Verhandlungen bei einer Conferenz setzen die Theilnahme von Staatsmännern und nicht von leicht fertigen Schwätzern voraus. Die Bundesregierung aber wäre unseres Erachtens nicht bloß verpflichtet, die Bestallung eines solchen Delegaten zu widerrufen, sondern auch ohne Beeinträchtigung ihrer Würde um so eher dazu berechtigt, als der bewußte Magazins artikel des Herrn Bates erst nachträglich zur Ver öffentlichung kam. Der letzte Dampfer der Wißmannschen Expedi tion, „Vesuv", Kapitän Römer, hat Mittwoch Vor mittag den Hamburger Hafen verlassen, so daß jetzt sämmtiche fünf Dampfer unterwegs sind. Beim Diner im Marine-Kasino in Wilhelmsha ven saß der Kaiser zwischen den Admiralen Frhrn. v. d. Goltz und v. Paschen. Der erstere brachte einen begeistert aufgenommenen Toast auf den obersten Kriegsherrn, den Chef der deutschen Marine aus. Der Kaiser dankte sofort und wies in seinen Worten auf die Ursache seiner Anwesenheit hin, der tapfer« Män ner gedenkend, welche vor kurzem ihr Theuerstes, ihr Leben, im Dienste des Reiches und für das Vaterland freudig hingegeben! Nach dem Diner blieb der Kaiser noch bis zur elften Stunde mit den Marineoffizieren in kameradschaftlicher Unterhaltung vereint. Tausende von Fackeln hatten sich inzwischen auf dem Kasernenhof vereinigt und brachten dort dem Kaiser unter dem Jubel des dicht gedrängten Publikums eine gegeisterte Ovation. Der kaiserliche Extrawagen war inzwischen auf die Werft geschoben worden, wo der Kaiser in seinem Salonwagen übernachtete. In der Mittwoch.Nummer veröffentlicht die „Nordd. Allg. Ztg.", daß vom 11.—13. Februar das Kano nenboot „Hyäne" einen Kampf im nördlichen Ka merun zu bestehen hatte. Danach gab es auf deut scher Seite einen Todten und mehrere Verwundete. Die Eingeborenen sollen sehr schwere Verluste erlltten haben. Von Ostern ab werden eine größere Anzahl von nicht deutsch sprechenden Lehrern im Bezirk Lothringen in den Ruhestand versetzt. Man geht dabei von dem gewiß berechtigten Grundsätze aus, daß ein Lehrer, der in 18 Jahren nicht deutsch gelernt hat, entweder geistig unfähig oder aber böswillig ge sinnt ist und daher im Interesse des Dienstes beseitigt zu werden verdient. Die dadurch frei werdenden Stellen werden durch einheimische Lehrer aus dem deutschen Sprachgebiet besetzt, welche beider Sprachen mächtig sind. Deren Stellen werden durch Seminar abiturienten und durch preußische Leyrer besetzt. Vor läufig treten 24 Lehrer aus Westfalen in reichsländische Dienste; weitere Nachschübe sind zu erwarten, da mit der preußischen Regierung ein diesbezügliches Abkom men getroffen ist. Das „Militär-Wochenblatt" schreibt: „Einen neuen Beweis für die in dem letzten Jahrzehnt schon öfter wahrgenommene Thatsache, daß die Franzosen die deutschen Heereseinrichtungen nachzuahmen suchen, liefert das Erscheinen des Exerzier-Reglements für die französische Infanterie. Noch sind keine 5 Jahre verflossen, seit in Frankreich eine derartige Vorschrift den Truppen übergeben wurde (unter dem 29. Juli 1884), und abermals wird dieselbe durch eine neuere Verfügung verdrängt werden. Das französische Kriegs ministerium hat am 3. Januar d. I. die Anordnung getroffen, daß das Reglement von 1884 wesentlich umgeändert werden soll, und die ergänzenden beziehungs weise abändernden Bestimmungen bereits erlassen. Es dürfte wohl nicht zweifelhaft sein, daß diese Entschei dung von dem Erscheinen des neuen Exerzier-Regle ments für die deutsche Infanterie vom 1. September 18s8 stark beeinflußt worden ist. Die „Times" druckt einen soeben erschienenen Be richt des früheren amerikanischen Generalconsuls auf Samoa, Seewall, über die deutschen Plantagen auf Samoa ab. Der amerikanische Generalconsul zollt darin der sorgfältigen Bebauung des Landes die höchste Anerkennung; die Arbeiter, etwa 750, würden unter humanen Bedingungen importirt und keiner lande gegen seinen Willen; die Behandlung, die Be hausung und die Ernährung auf den Plantagen seien gut. Innerhalb des Cent rums sollen auch gegenüber den Vorschlägen auf Verschärfung des Strafrechts sehr getheilte Meinungen herrschen, und man sieht bei die sem W«Mande einem Auseinanderfallen der Par tei Partei, welche, in Ueberein ¬ stimmung mlPder deutschfreisinnigen Partei, das Socia- listengesetz aufheben und gar nichts an seine Stelle setzen will, steht, wie die „Nationalliberale Correspon- denz" hört, eine fast ebenso starke Richtung gegenüber, welche die Gewährung von Abwehrwaffen gegen die Umsturzbestrebungen in irgend einer Form zur Zeit noch für nothwendig hält und sich damit den Con- servativcn und Nationalliberalen nähert. Diejenigen Centrumsmitglieder, welche schon bei den letzten Er neuerungen des Socialistengesetzes für dasselbe gestimmt haben, werden auch jetzt bei dem Streben, einen Ersatz für dieses Gesetz zu finden, ihre Mitwirkung nicht versagen. Oesterreich-Ungarn. In Brünn (Mähren) ist kürzlich eine czechische Broschüre erschienen, welche sich gegen das Bünd- niß mit Deutschland richtet. W-gen des Elsaß, so heißt es darin, müssen sich Oesterre'ch und Italien finanziell ruiniren. Das Budget ist der Ausfluß der auswärtigen Politik. Die Zetrümmerung Deutsch lands sei die größte Kulturaufgabe des Jahrhunderts. KrantretM. Rochefort bestätigt, daß in der Nacht vom 2. Dec. 1887, am Vorabend der Wahl Carnot's, sich ein Comitö, bestehend aus den Häuptern der Patriotenliga, gebildet habe, um im Falle der Wahl Ferry's eine Revolution in Paris hervorzurufen. Boulan ger wußte darum. Rochefort erklärt jedoch, daß ver schiedene Persönlichkeiten aus der Umgebung Grevys, insbesondere General Brugöre, der Generalsekretär der Präsidentschaft, den Plan ausdrücklich gebilligt hätten. „La Presse" verzeichnet das Gerücht, es seien neuer dings 60 Haftbefehle von Merlin erlassen worden. Laguerre und die andern Mitglieder des National- comitö's sind Dienstag nach Brüssel abgereist, wo das Count« am Mittwoch eine Versammlung halten wollte. Diese Versammlung hat thatsächlich stattgefunden, und zwar wurde dieselbe Vormittag 10 Uhr im Hotel Menzelle eröffnet. Außer den Mitgliedern des bou- langisti,chen Comits's haben daran die 4 bonapar- tistischen Abgeordneten theilgenommen; wie verlautet, soll eine große Verteidigungsschrift Boulangers gegen die Anklage des Staatsanwalts aufgesetzt werden. General Soussier untersagte den Truppen die Theilnahme an dem Fackelzuge zur Eröffnungsfeier der Ausstellung. Goblet, der frühere Minister des Aeußern, schrieb an den jetzigen Inhaber dieses Portefeuilles, Spuller, einen entrüsteten Brief, in welchem er ihn ohne Um schweife beschuldigt, der „Agentur Havas" mitgetheilt zu haben, daß Hauptmann Bujar während seiner, Goblets, Ministerschaft Einverständnisse mit Außen stehenden unterhalten habe. Er fragte ihn, ob er eine solche unerwiesene Behauptung mit der Rücksicht ver einbaren könne, die er (Spuller) sich selber und seinem Amtsvorgänger schulde. Diesen Brief ließ Goblet gleichzeitig mit der Absendung an Spuller im „Temps" erscheinen. Spullers Zeitung, „Rep. fr.", ist hierüber sehr aufgebracht und sagt, der Verüber des Sagalla- kunststückes brauche den Mund nicht so voll zu nehmen. JtaUen. Der vom König Menelik von Schoa in geheimer Mission nach Rom entsandte Afrikaforscher Traversi erklärte gegenüber römischen Journalisten, König Mene lik baue auf die Unterstützung Italiens zur Er langung der Neguskronc; Menelik, an dessen Hof Traversi ein halbes Jahrzehnt weilte, sei ein entschiedener Freund des Fortschritts und der Europäer, er würde nicht säumen, sobald er Negus geworden sei, den Italienern sein Reich zu erschließen. Traversi weist auf die großen für Italien zu erhoffenden Vortheile hin und verlangt auch seinerseits energisch die Occupation Osmaras. Die italienische Regierung beschloß, sofort nach Wiederaufnahme der Kammerarbeiten die Einwilligung des Parlaments zur Besetzung Osmaras einzu holen. Die Reise des Prinzen von Wales nach Rom steht in Aussicht; dieselbe wird nicht ohne politische Bedeutung sein, sondern auf das Verhältniß Englands zum Dreibund Einfluß ausüben. Gnglanv. In Londoner maßgebenden Kreisen werden die Ge rüchte, Lord Salisbury beabsichtige, den Fürsten Bismarck nächstens zu besuchen, für erfunden erklärt. Parnell hat am Dienstag seine Berleumdungs- klage gegen die „Times" eingebracht, er verlangt 100,000 Pfund Schadenersatz. Rumänien. Das Wiener „Fremdenblatt" erklärt, der Sturz des Ministeriums Rosetti in Rumänien dürfe nur den inneren Verhältnissen zugeschrieben werden, mindestens zeige sich das Cabinet Catargi bemüht, die Zumuthung einer Aenderung der äußeren Politik Rämäniens zurückzuweisen. Wenn das neue Cabinet aufrichtig an der neutralen Basis der äußeren Politik sesthalte und allen dieselbe discreditirenden Agitationen entgegentrete, so dürfte es der Zustimmung der Friedens mächte gewiß sein, wobei allerdings zweifelhaft bliebe, ob in einem ernstlichen Falle die Behauptung der Neu tralität ohne Anlehnung an einen stärkeren Schutz möglich sei. Oesterreich Ungarn sehe die Entwickelung Rumäniens ebenfalls aus dem bekannten Gesichtspunkte an, daß die Entwickelung der staatlichen Individuali täten im Oriente die beste Gewähr für die Stabili- sirung der Ordnung dieser Politik bilde, welche zu gleich diejenige der Friedensmächte sei. Der Still stand der Orientfrage sei der Hebung des Selbstge fühls der Orientvölker zuzuschreiben, welches letztere eine wachsende Garantie dafür biete, daß die Orient völker jedweder Bevormundung sich erwehren wollten und erwehren könnten. (Auch der Bevormundung des Rubels?) Aus dem Muldenthale. *Waldenb«rg, 18. April. Der kürzlich in der Mulde hier durchgeschwommene und in Altpemg her ausgezogene Kindesleichnam trug, wie sich bei der Un tersuchung herausstellte, Spuren einer gewaltsamen Tödtung an sich. Infolge dessen ist dteser Fall in die Hände der Staatsanwaltschaft übergegangen und erläßt dieselbe in heutiger Nummer dieses Blattes eine diesbezügliche Bekanntmachung. *— Wie wir von zuverlässiger Seite hören, wird gegenwärtig der Bau einer Fabrik (Strumpfbranche) in der Nähe des Bahnhofes in Altstadtwaldenburg projectirt; zur Zeit wird bereits ebenfalls in Altstadt waldenburg am Bau einer Mühlenbau-Anstalt gearbeitet, die mit Dampfbetrieb eingerichtet wird. In beiden Fällen macht sich der Einfluß der nahen Eisenbahn station geltend. — In diesen Tagen entdeckte der Zwickauer Stadtschreiber in einem lange Zeit unbenutzten Raume des RathhauflS daselbst ein Schränkchen und in diesem eine interessante, über 400 Jahre alte Urkunde, welche zwar bekannt, auch gedruckt, jedoch seit längerer Zeit verschwunden war. Diese Urkunde ist auf Pergament geschrieben, 61 ein breit, 72 em lang, mit dem großen Siegel der Nürnberger Kirche und dem Siegel des Bischofs Heinrich von Nürnberg versehen. Diese Ur kunde enthält das am 30. Mai 1473 erfolgte Ver« mächtniß des Zwickauer Rathsherrn Martin Römer's in Höhe von 10,000 fl. zu 4 Proc. zu Seelenmessen. Nach Römer's Tode erhöhten zwei Zwickauer Raths- herren die Stiftung um weitere 2200 fl. Dieselbe wird vom Zwickauer Rath als „Das reiche Almosen vom Jahre 1475" unter Mitwirkung der Herren v. Römer verwaltet. — Wieder einmal hat das drakonische Dynamitgesetz angewandt werden müssen. Ein Brunnenbauer in Zwickau, welcher ohne Genehmigung in seiner Werk bude eine Anzahl Dynamitzündhütchen und Patronen aufbewahrt hatte, wurde deshalb vom Landgericht zu einer viermonatlichen Gefängnißstrafe verurtheilt. — Der Erzgebirgisch-Voigtländische Fleischerverband, mit Sitz in Zwickau, hat am 9. d. M. seine Auflö sung beschlossen. Demselben gehören 36 Innungen in ebenso vielen Gemeinden des Erzgebirges und Voigt- landes zu. Die Vereinsinnungen werden, soweit es noch nicht geschehen ist, dem Verband sächsischer Flei scherinnungen zutreten. Dieser Jnnungsverband hält übrigens in diesem Sommer in Zwickau seinen Ver bandstag ab. Aus dem Sachsenlande. — Seit einigen Jahren bestanden in Leipzig zwei Lehrervereine. In diesen Tagen hat nun eine Ver einigung stattgefunden. Der „Leipziger Lehrerverein" zählt nunmehr 792 Mitglieder. — Ende voriger Woche wurde in Leipzig ein eif riger Socialdemokrat wegen Verbreitung verbotener Schriften verhaftet. Dabei stellte sich heraus, daß er seinen Lehrling, einen ihm zur Pflege anvertrauten Waisenknaben, fortgesetzt in so unmenschlicher Weise behandelt hatte, daß das Waisenamt die sofortige an derweite Unterbringung des Knaben anordnete. Jede Bemerkung hierzu ist überflüssig. — Die Leipziger Posamentiergehilfen haben den angekündigten Ausstand in's Werk gesetzt. Sie streiken — 5 Mann hoch! — Ein Schüler der Realschule in Chemnitz hat sich erschossen, weil er nicht versetzt wurde; ein Schü ler des Gymnasiums daselbst machte einen Selbstmord versuch, weil er über das zu ergreifende Studium mit seinen Eltern in Differenz gerathen war. — Am Dienstag, den 16. April, war ein Biertel jahrtausend verflossen, daß am 3. Osterfeiertag des Jahres 1639 dreimaliger Kanonendonner vom Sonnen stein verkündete, die Schweden seien im Anzuge auf Pirna. Alles rannte, vor Angst und Schrecken über mannt, aus der Kirche und den Häusern. Die Schwe den waren von dem muthig vertheidigten Freiberg, der „Hexenstadt", die im ganzen 30jährigen Kriege keinen Schweden in ihre Mauern gelassen hat, mit blutigen