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richten. Da wir die Erzeugnisse des Außenhandels ein tauschen müssen, ist ein so vervollkommneter Nachrichten dienst für unser Wirtschaftsleben eine der wichtigsten Voraussetzungen. Hier liegt für uns die Möglichkeit, wirtschaftlich wie der emporzukommen und die harten Bedingungen zu er füllen, die uns der Schmachfrieden von Versailles aufer legt. Unter diesen Bedingungen befindet sich auch die Besetzung der Rheinlands, die 15 Jahre dauern soll und deren Kosten in Höhe von 240 Millionen Goldmark jähr lich wir tragen müssen. Wir muffen uns ferner erinnern, daß der Friedensvertrag uns Entschädigungen auferlegt, deren Höhe noch immer nicht ziffermäßig seststeht. Unsere Unterhändler boten eine bestimmte Summe, hundert Mil liarden Goldmark an, die heute etwa tausend Milliarden Papiermark bedeuten. Der Vielverband hat das abge lehnt, weil er glaubt, es ließe sich aus Deutschland mehr herausholen. Zunächst können wir unsere Arbeit«- und Tparkraft nur unwesentlich steigern, dEnn die englische Hungerblockade läßt sich in ihren Folgen nicht so bald beseitigen. Die 240 Millionen Goldmark bedeuten über zwei Milliarden Papiermark. Es muß uns daran liegen, wenigstens diese Auflage mit der größten Beschleunigung zu beseitigen. Die offizielle Note im „Temps* spricht von der Voraussetzung des „guten Willens*. Daß wir den Verpflichtungen des Friedensvertrages nachzukommen suchen werden, daran ist wohl nicht zu zweifeln. Aber «S ist die Frage, ob wir dabei selbst gering geschraubte Hoffnungen des VielverbandeS zu erfüllen vermögen. Was finanziell aus dem deutschen Volke herauszuholen ist, das werden die neuen Steuervorlagen gewiß besor gen Nun bleibt zu berücksichtigen, daß wir unser Wirt schaftsleben innen und außen wieder aufbauen müssen. Weiter, daß wir uns in die neue Staatsform der De- «okrptte nach der Zerschlagung des ObrigkeitS- staateS einzuleben haben. Aus dem Zusammenwirken schwerer steuerlicher Belastung und wirtschaftlicher und sozia ler Uebergangserscheinungen werden sich indessen Mißhellig- keiten ergeben. Sie berühren allerdings nicht unser Ver hältnis zum Bielverband. Aber die Arbeitskraft muß erst wieder geweckt werden, um in Hinsicht auf unsere finanziellen Lasten Höchstleistungen zu erzielen. Bis da hin werden uns Streiks und Unruhen heimsuchen, zumal die Unabhängigen und Kommunisten sie als Mittel zur Eroberung der politischen Macht gebrauchen. DaS führt notwendig zur Schwächung unserer Wirtschaftskraft, was wieder auf die finanziellen Verpflichtungen zurückwirkt. Geht es nun an, daß der Vielverband darin einen Mangel an gutem Willen sieht? ES ist klar, daß unsere Regierung die äußerste Energie aufwenden muß, um ge waltsame Störungen unserer Entwicklung und Gesundung zu verhindern. Putsche sind in dieser harten Prüfungs zeit ein Verbrechen am deutschen Volke. Die Unabhän gigen verlangen offen Diktatur des Proletariats. Sie wollen die Wirtschaft sozialisieren, sie also neuen Ver suchen aussetzen, dis die Ertragskraft mindern. Wenn ihnen die Eroberung der politischen Macht gelänge, so würden sie sich nicht beeilen, die Verpflichtungen dem Bielverband gegenüber zu erfüllen, umso weniger, als sie auf den Ausbruch der Revolution in den andern Ländern rechnen. Dann aber wäre das Rheinland endgiltig für uns verloren, zumal eine unabhängige Republik mit einem Ministerium Haase-Crispien keinerlei Anziehungskraft auf die rheinische Bevölkerung ausüben dürfte. Der „gute Wille* ist nach alledem ein mehr als kautschukartiger Begriff, immerhin stellt er eine Hoffnung dar, denn der Vielverband kann sich bei gutem Willen seinerseits wohl davon überzeugen, daß Deutschland seinen Verpflichtungen nachzukommen sucht. Aber das wird durch die erheblichen Kosten für die Besatzung nur erschwert, nicht erleichtert, ganz abgesehen von der Einbuße unserer Wirtschaft, die die Besetzung an sich bedeutet. Alles in Allem genommen kan man sagen, daß es andauernder Arbeit bedarf, wenn wir unsere übernommenen Verpflichtungen erfüllen und wieder hochkommen wollen. Politische Rundschau. Deutsches »eich. In nächster Zeit beginnen die großen Entlassungen in der Reichswehr. Es handelt sich um rund Million Mann, die auf Grund des Friedensvertrages ins Zivilleben zurücktreten müssen. Die jetzt angenommene Verfassung überträgt bekanntlich die Heeresverwaltung auf das Reich. Berwaltungsbefugniffe und Kommandogewalt stehen jetzt den einzelnen Gliedstaaten nicht mehr zu. Bis zum 1. Oktober wird aus den Ministerien der Gliedstaaten und geeigneten sonstigen Militärbehörden dar Reichswehrministerium gebildet, die Einzelministerien werden in Reichswehrbefehlsstellen um gewandelt. Reichswehrminister Noske besichtigte am Dienstag in Karlsruhe Abordnungen sämtlicher badischer Reichswehr formationen. Der Minister hielt dabei eine markige An sprache, in der er erklärte, daß die stramme Disziplin gerade bei der verringerten Zahl des Heeres dringend not wendig sei und daß von einer neuen Soldatenratswirtschaft keine Rede sein dürfte. Das Verbot der Einführung von deutschen Banknoten, deutschem Geld und anderen deutschen Zahlungsmitteln ist von der französischen Regierung aufgehoben worden. Die Aufhebung der niederländischen Ausfuhrverbote für Rohwolle, Rohbaumwolle und Hanf steht bevor. Wie aus Reuyork gemeldet wird, sind nicht weniger al« 12 Dampferlinien zwischen nordamerikanischen und deutschen Häfen errichtet worden. Seitdem der Hafenarbeiterstreik be endet ist, sind mehrere hundert Schiffe von Neuyork abgegangen. In Elsaß-Lothringen ist die Streikbewegung beigelegt. Die ausführende Gewalt bleibt in den Händen der Militär besatzungsbehörde. Politische und gewerkschaftliche Versamm lungen find verboten. Der zehnte Ausschuß der Nationalversammlung begann am Mittwoch die Verhandlungen über die Nachlaß- und Erbschaftssteuer. Längere Beratungen fanden statt über die Besteuerung der toten Hand. Erzberger betonte hierbei, daß dann auch eine Besteuerung der Aktiengesellschaften, Vereine re. eintreten müßte. Ein Antrag, Mobiliar im Werte von 50,000 Mk. zu besteuern, wurde angenommen. Die Frage der Fideikommisse wurde an einen Ausschuß verwiesen. Der Aeltestenrat des bayerischen Landtags beschäftigte sich mit dem Briefe des Kronprinzen Rupprecht. In der Besprechung wurde betont, daß für die Auslieferung deutscher Staatsbürger erst ein entsprechendes Rcichsgesetz geschaffen werden müsse. Im Reichsernährungsministerium kündigte der Unterstaats sekretär Edler von Braun seinen bevorstehenden Rücktritt an. In Rotterdam trafen am 6. d. mit dem Dampfer „Sutter- worth" 198 deutsche Zivilpersonen aus England ein. Seit einigen Monaten macht sich die Hebung unserer Schweinebeftände durch verstärkten Austrieb und Sinken der Preise bemerkbar. Den Schleswig Holsteiner Viehmärkten wurden in der letzten Woche 3000 Ferkel und junge Schweine zugeführt, gegen 2500 in der Vorwoche. Der Bedarf auf den Märkten konnte voll gedeckt werden. Einigemal blieben sogar Restbestände unverkäuflich. Die Preise blieben weit hinter den Höchstpreisen. Im internationalen Wettbewerbe für den Bau der großen Eisenbahnbrücke über das Hafengebiet der Westbahn in Stockholm wurden erste und dritte Preise deutschen Firmen zugesprochen. Den ersten Preis von 15,000 Kronen erhielt die Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg in Gustavburg bei Mainz und in Biebrich, den anderen dw Firma Krupp in Essen und Mannheim. Das Preisgericht bezeichnete laut „Köln.Ztg." die deutschen Entwürfe als ganz besonders geglückt. Wir besaßen am 1. Januar 1913 eine Flotte von 4850 Schiffen jeder Größe mit insgesamt 4,935,909 Brutto registertonnen. Wir behalten mit den Schiffen bis 1000 Tonnen 3649 Schiffe mit zusammen 589,263 Bruttoregister tonnen Rauminhalt und mit den Schiffen über 1000 Tonnen 106 Schiffe mit zusammen 135,673 Bruttoregistertonnen. Alles in allem also behält Deutschland 3755 Schiffe mit 724,944 Bruttoregistertonnen. Das Endergebnis ist ein Verlust von über 4 Millionen Bruttoregistertonnen, das ist mehr als vier Fünftel unseres gesamten Schiffsraumes, der nicht ganz genügt, um unsere Ostseeschiffahrt mit eigenem Frachtraum zu betreiben. Oesterreich-Ungar«. Die Ententemission hat die oberste Staatsgewalt in Ungarn dem Erzherzog Josef übertragen, der den früheren Sektionschef im KriegSministerium Stefan Friedrich zum Ministerpräsidenten ernannte. Mit der Leitung des Mini steriums des Aeußeren wurde General Tanozos, mit der Leitung des Kriegsministeriums General Schnetzer betraut. In der Stadt herrscht Ruhe. Die Missionen der Entente Mächte hielten Abends eine gemeinsame Beratung ab, zu der auch Erzherzog Josef und Ministerpräsident Friedrich zugezvgen waren. Die Beratungen galten den schwebenden Fragen, wobei volles Einvernehmen erzielt wurde. Der Präsident der Friedenskonferenz, Clemenceau, und die aus ländischen Regierungen- wurden von dem Ergebnis der Be ratungen sofort verständigt. Erzherzog Josef ist am 24. Mai 1872 in Salzburg als Sohn des Großherzogs Fer dinand von Toskana geboren. Er nahm am Kriege in Galizien, in Kärnten und gegen Rumänien teil. Im Mai 1917 führte er mit großem Geschick die Verhandlungen mit den Parteien des ungarischen Abgeordnetenhauses. In Ungarn erfreut er sich hohen Ansehens. Er hat sich als zielbewußte starke Persönlichkeit erwiesen. Von der Ofener Burg weht wieder die alte königliche Fahne. Ganz Ungarn ist von den Bolschewisten gesäubert. In Waizen und Komvrn wur den alle Bolksbeauftragten von der wütenden Bevölkerung erschlagen. Staatssekretär Or Renner übergab den Alliierten die Antwort auf die Friedensbedingungen für Deutsch-Oester- reich, die als vernichtend für da« Wirtschaftsleben des österreichischen Staates bezeichnet werden. Die Proklamierung der Diktatur des Erzherzogs Josef wurde in Budapest mit Begeisterung ausgenommen. Die Straßen bilden ein einziges Flaggenmeer. Wo sich ein Volksbeauftragter oder Arbeiterrat auf der Straße zeigt, wird er von der empörten Menge niedergeschlagen. Die Wohnungen mehrerer Bolksbeauftragter sind von der Menge demoliert. Man fand in den Wohnungen unermeßliche Vor räte an Lebensmitteln. Aus dem Ungaria Hotel, dem Sitze der Räteregierung, wurden allein neun Wagen mit Lebens mitteln fortgefahren. Es sollen sich unter ihnen mehr als 200 Schinken befinden. Die Empörung der Bevölkerung, auch der Arbeiterkreise, soweit sie nicht radikal find, ist groß. Die Rumänen haben in Budapest am Mittwoch früh zwei frühere Bolksbeauftragte wegen begangenen Raubes an ungarischen Staatsangehörigen in Budapest während der Kommunistenregierung erschießen lassen. Bei Verwandten Mela KhunS, der vor der Revolution völlig vermögenslos war und von Unterstützungen gelebt hatte, wurden für mehrere 100,000 Kronen Gold und Juwelen vorgesunden. Die Rumänen haben 14 Waggons mit Lebensmitteln für die hungernde Bevölkerung Budapests herbeischaffen lassen. Schweiz. Wie das Kommando der Züricher Ordnungsgruppe mit teilt, find unter den verhafteten Teilnehmern an den schweize rischen Unruhen vier Fünftel Ausländer. Diese werden ausgewiesen. Nach Mitteilung der schweizerischen Presse wurde der Basler „Vorwärts", dessen Hauptredakteur zur Zeit eine Gefängnisstrafe verbüßt, zuletzt von drei deutschen Spartakisten redigiert, denen es gelang, zu entfliehen. Wie sich herausstellte, war die Basler Bewegung in der selben Weise organisiert wie der Spartakistenausruhr in Deutschland. Die schweizerischen Blätter behaupten u. a., die Streikenden in Basel hätten Handgranaten und acht Maschinengewehre deutscher Herkunft zur Verfügung gehabt. Tie Untersuchung hierüber ist noch nicht abgeschlossen. Arankretch. Aus Paris wird gemeldet, daß der Oberste Rat der Friedenskonferenz sich gestern mit der rumänisch-ungari schen Frage beschäftigt hat. Aus den darüber ausgegebe nen halbamtlichen Mitteilungen geht hervor, daß die Alli ierten sich dem Standpunkt des amerikanischen Vertreters Polk angeschlossen haben und gleichfalls die Eigenmächtigkeit Rumäniens mißbilligen. Die Besetzung der ungarischen Hauptstadt durch rumänische Truppen und die Ausstellung der Waffenstillstandsbedingungen ohne vorherige Fühlung nahme mit der Friedenskonferenz werden als eine Eigen mächtigkeit Rumäniens betrachtet, die der Oberste Rat nicht dulden kann. Falls die an Bukarest erteilte Warnung er gebnislos bleiben sollte, ist ein gemeinsamer Schritt der alli ierten Großmächte geplant, durch den Rumänien gezwungen werden soll, sich in der ungarischen Frage der Entscheidung der Friedenskonferenz zu unterwerfen. Italien. Der Friedensausschuß der italienischen Kammer beschloß gegen die Stimmen der Sozialisten und unter einigen Vor-, behalten der Katholiken und Nationalisten die Ratifizie rung des Friedensvertrages von Versailles, der durch die Annahme im italienischen Parlament sofort Rechtskraft erhält. Spanien. Der spanische Senat hat einen Gesetzentwurf angenommen, durch welchen sich Spanien dem Völkerbund anschließt. England. In England werden die Lebensmittelkarten teilweise wieder eingeführt. Die Regierung wird den Verbrauch von Fleisch, Butter und Zucker unter Kontrolle stellen. Amerika. Der Ausschuß der amerikanischen Eisenbahner hat dem Kongreß eine Gesetzesvorlage unterbreitet, welche Verstaat lichung der Eisenbahnen, Verteilung des Reingewinnes an die Allgemeinheit und die Angestellten, Ermäßigung der Frachtpreise fordert. Auch wird die Verstaatlichung der Berg werke, Stahlfabriken, Fleischversorgungsfabri'en re. verlangt. Aus dem MuldeuEale. "Waldenburg, 8. August. Aeußerst wichtige Fragen des Handwerks sollen in einer allgemeinen Handwerker-Ver sammlung, die nächstefi Sonnabend Abend 8 Uhr im Saale des „Schützenhauses" stattfindet, erörtert werden. In einem Bortrage wird sich Herr Gewerbeschuldirektor Müller aus Glauchau über die Lage des Handwerks verbreiten und da bei Wege weisen, auf denen eine Besserung zu erreichen ist. Im Interesse die Handwerker liegt es, diese Versammlung zahlreich zu besuchen. *— Die durch Reichsverordnung für den Großhandel mit Gemüse, Obst und Südfrüchten vorgeschriebene beson dere Genehmigung' ist aufgehoben worden. Die Genehmi- gungspflicht nach der Verordnung über den Handel mit Lebens- und Futtermitteln und zur Bekämpfung des Ket tenhandels vom 24. Juni 1916 bleibt jedoch auch weiter hin bestehen. *— Das Wirtschaftsministerium verfügt, daß in jeder Amtshauptmannschaft ein Bezirks Bauern- und Landarbeiter rat zu wählen ist, in dem Landwirte und Landarbeiter in gleicher Zahl vertreten find. Der Bezirks Bauern- und Landarbeiterrat hat weder die Befugnis einer Behörde noch das Recht, in die Befugnisse der bestehenden Behörden ein zugreifen. Außer den Ausgaben, die ihm durch reichs- oder landesrechtliche Bestimmungen besonders zugewiesen werden, liegen ihm insbesondere ob: 1. Mitwirkung und Beratung bei der Erfassung der vorhandenen Lebensmittel, bei der Regelung ihrer Ablieferung sowie bei der Bekämpfung des Schleichhandels und der Schleichversorgung. 2. Mitwirkung bei der Fortführung der landwirtschaftlichen Betriebe und Förderung der Erzeugung. 3. Mitwirkung bei der Beschaf fung von Arbeitskräften und deren Unterbringung. 4. Für sorge für den Schutz der Bevölkerung und Eigentum. * — Die amtliche Untersuchung in Deutschland massen haft feilgebotener französischer Schokolvde hat ergeben, daß diese aus folgendem Mischmasch zusammengesetzt ist: viel Bananenmehl, etwas Maismehl, Weizenmehl, Fett, Zucker, etwas Zimmt und Kakaoschalen. Die Ware ist durchaus minderwertig und im Verkaufspreise viel zu teuer. * — Die staatlichen Kraftwagenlinien für Personenverkehr müssen demnächst stillgelegt werden, da es an Benzol fehlt. Das noch, vorhandene Benzol wird vorläufig ausschließlich der Landwirtschaft sowie solchen Betrieben zugcwendet, die vom Reichswirtschaftsministerium für lebensnotwendiger an gesehen werden. ES wird gehofft, daß in der zweiten Srptemberhälfte genügende Mengen von Betriebsstoff wieder überwiesen werden und damit die Wiederaufnahme der still- gelegten staatlichen Kraftwagenlinien ermöglicht wird. * — Nach Mitteilung des Statistischen Landesamtes ist die Zahl der Sparkassen im Mai 1919 durch Eröffnung