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ersten Male bei seinem Vornamen, „hören Sie mich ruhig an. Sie sind ein junger, chatkräftiger Mann, de n die ganze Welt offen steht, ich bin ein schwergeprüftes Weib, das sich scheut, nochmals in die Welt zu treten, das in stiller Ruhe seine ganze Fr" »de findet. Ich würde Sie nur hindern, beein flussen in Ihrer Laufbahn, das bedenken Sie — und darum vergessen Sie mich. Ich werde es nie, denn heißen, heißen Dank bin ich Ihnen schuldig. Und Ein« noch, Franz," fuhr sie leise fort, als sie sah, daß er unruhig auffahren wollte, „denken Sie an meine Vergangenheit, was würde man in See feld sagen, wenn Sie die Wirthschafterin, über die so viel gesprochen, als Ihr Weib heimführten? Denken Sie auch daran. Sie könnten später, wenn man auf mich mit Fingern deutete, ihren Entschluß bereuen. Und darum bitte ich Sie noch mals, Franz, vergessen Sie mich für immer!" Sie schaute ihn liebevoll an, Er ergriff ihre beiden Hände und küßte sie. „Alles, was Sie sagen, Pauline, ist nebensäch lich, wenn Sie mich nur so lieben, wie ich Sie! Ich bin der Mann, der es versteht, sein Weib zu vertheidigen und ihr die gebührende Achtung, Aner kennung und Ehre zu verschaffen. Eine Unwürdige sind Sie nicht, Pauline, Sie mögen sagen, was Sie wollen, und eine solche wird auch Franz Weid ner nie zu seiner Gatlin wählen. Mein Herz sagt es mir, Pauline, daß Sie nicht nur meiner werth, daß Sie viel, viel besser sind, als ich." Sie lächelte wehmüthig! (Fortsetzung folgt.) Verwischtes. Der erste eheliche Streit um — Kaiser Wilhelm. Einer meiner liebenswürdigsten Freunde, so erzählt der bekannte Schriftsteller Robert von Hagen, hat vor Kurzem ein schmuckes, unverfälschtes Schwarz- waldmädele als sein Weibchen nach Berlin heimge führt und stellte mir die lustige junge Frau neulich vor. In ihrem so gemüthlichen Süddeutsch erzählte sie mir nun von der „Hochzeitsreiß" — das heißt, „wenn mersch e' Hochzeitsreiß nenne kann" — sagte sie —- „denn wir stn blos von Mannheim nach Bade'-Bade' und von da direct nach Berlin. Mei gu.'s Männele wollt' ehe, wir solle noch e biß'le nach der Schweiz fahre' — ich aber hab' g'sagt: Weißt was, Männele? thu's nit, wir wolle lieber e paar Tag in Bade'-Bade' bleibe, ich möcht' für mei Lebe gern den alten Kaiser sehe — ich hab' ihn noch nimmer g'sehn, außer am Bild." „Aber, liebes Weibchen", sagte er darauf in seiner hochdeutschen Sprach' — „den Kaiser kannst Du ja dann,! wenn wir in Berlühn sind, alle Tage sehen — wir wollen unser Reiseprogramm einhalten." „Also Du schlägst nur mei unschuldig's Verlange rund ab? Schau, Männele, das hält' ich nit 'oacht von Dir -f- jetzt sin wir netto 48 Stund' verheirath' — — 's is gut — — Du bischt ja das Männe — nit, Du bischt ja der Mann — Du hascht ja zu befehle!" — „Befehlen? — ich befehle nicht", sagte er dann, „ich bitte Dich blos — und zwar bitte ich Dich, vernünftig zu sein —" „Vernünftig? — Also bin ich unvernünftig? fragte ich dann mei Männele und — „sehen Sie, mei Herre", sagte sie recht treuher zig, „ich war wirklich recht unvernünftig; denn ich hab' zu weine ang'fange und hab' so lang' g'weint bis ich mei' Wille doch durchgesetzt hab'!" Triumphirend sah die junge Frau von mir auf ihr gedankenvoll lächelndes Männele — dann fuhr sie foU: „Ja — und da sin wir also doch nach Bade'-Bade' g'fahre. Ganz zeitlich, — früh um Uhre 8 hab' ich mich in der Näh' der Villa Meß mer ausg'stellt und hab' g'wart bis halb 12 — und richtig, da is er plötzlich 'rauskommen. 'N Cylinder hat er aufg'habt und n' langen grauen Havelock und a Spazierstöckle — aber nit vielleicht, um sich d'rauf zu stütze' — Gott bewahr' — so ganz leicht in der Hand hat er's g'halte. Die Leut' hab'» alle reichpektvoll ihre Hüt' zöge und ich hab' 'nen tiefen, tiefen Knix g'macht. Das gute alte Herrle hat mich dabei so freundli anguckt und so herablassend dankt, als wenn wir Beide aus ein' und demselben Ort im Schwarzwald wären. Dann is er zu Fuß und ganz allein bis nach dem Hotel Angleterre 'gange. Ich hab' ihm nachg'schaut: „Nei, — wie der alte Herre noch forsch laufe kann! — mer möcht'S nit glaube, wenn mer's nit g'sehe hält'!" "77 „So, sehe Sie" — schloß sie ihre muntere Er zählung, „vom alte Herre, der noch so forsch laufe kann" — „das war unser erster und hoffentlich auch unser letzter Streit — — aber durchg'ßstzt' hab' ich mei' Wille halt doch!" Aus einer Berliner Luxus- und Kleiderordnung don 1334! Keine Frau durfte Gold- und Silber sachen tragen, die mehr als eine halbe Mark Gold m Gewicht hatten. Bei Hochzeiten durften nur 5 Gerichte in 40 Gedecken gegeben und beim Trinken, Tanzen u. s. w. mußte Maß gehalten werden. 1604 beschenkte Kurfürst Johann Georg seine Resi denz mit einer neuen Verordnung gegen den Luxus. In derselben wurde die Bürgerschaft in ihren Ver hältnissen in drei Klaffen eingetheilt, für welche be sondere Bestimmungen auch für Familienfeste galten. Seidene Strümpfe durfte kein Bürger tragen. 1694 wurde diese Verordnung erneuert und 1731 eine solche erlassen, in welcher es den Mägden , und ein fachen Frauen verboten wurde, seidene Kleider auf der Straße zu tragen, widrigenfalls sie ihnen ohne Weiteres abgenommen werden sollten. Wörtlich aus einem Amtsblatte. Das Gast haus zu Hickelsberg ist auf sechs Jahre zu verpach ten. Dem Pächter steht das Recht zu, Gäste zu beherbergen, zu schlachten und zu speisen. Der Magistrat. Allerlei. Ein entsetzliches Bubenstück wird aus dem Dorfe Stöckenheim bei Einbeck am Solling ge meldet. Dort hat die Majorität der Gemeinde den Pastor Harms als ihren neuen Geistlichen gewählt, und derselbe ist am vergangenen Sonntag in sein Amt eingeführt worden. An diese Feierlichkeit schloß sich am Abend eine Festvereinigung an. Gleich nach deren Auseinandergehen wurde das Pfarrhaus von einer heftigen Detonation erschüttert und zu gleich stand es in Flammen. Die Insassen ver mochten kaum das nackte Leben zu retten. Man fand, daß eine Pulvermine gelegt und mittelst Zündschnur zur Explosion gebracht war. Auch die Spritzenschläuche waren durchschnitten, um die Lösch arbeit zu verhindern. Es wird dieses Schurkenstück als ein Racheacl für die nicht erfolgte Wahl eines anderen Predigers betrachtet. Die Untersuchung ist im Gange. — Auf der Insel Chios hat ein starkes Erdbeben stattgefunden, welches 8—10 Sekunden dauerte. Mehrere Häuser sind eingestürzt und eine Anzahl von Personen verletzt. Auf der Insel herrscht große Bestürzung. Auch in Syra, an den Darda nellen, in Smyrna und Avalik ist das Erdbeben s wahrgenommen worden. Letztere Stadt ist erheb lich beschädigt und sind mehrere Personen daselbst ums Leben gekommen. — In Etienne (Frankreich) wurde ein Schauspieler bei der Aufführung des Stückes: „Dreißig Jahre aus dem Leben eines Spielers" wahnsinnig. Seine Rolle gab ihm einen Degen in die Hand, und man glaubte jeden Augenblick, daß er seine Partnerin aufspießen würde. Zuletzt bekam er einen offenen Wuthanfall, und lief unter gellendem Geschrei aus der Bühne und in den Logengängen umher, Alles zerstörend. Eine Schau spielerin biß er in die Wange, eine andere er drosselte er beinahe, bis es endlich gelang, ihn zu fesseln. Als der Wulhanfall vorüber war, wurde er sehr ruhig. Die Scene machte einen entsetzlichen Eindruck. — Auf die Amtsführung des verflossenen französischen Kriegsministers Thibaudin wirft der nachfolgende Scherz, welchen man sich auf den Boulevards erzählt, ein besonderes Licht. Der Kriegsminister giebt einem seiner Ordonnanz-Offi- ziere einen Befehl. Dieser verharrt darauf in der vorgeschriebenen dienstlichen Haltung, ohne sich zu rühren. „Worauf warten Sie?" herrscht ihn sein Chef an. „Auf den Gegenbefehl!" war die prompte Antwort. — Sir Moses Montefiore wird am 24. October 1884 seinen hundertsten Geburtstag feiern. In Dover wird demnächst ein Meeting ab gehalten werden, um zu Herathen, in welcher Weise dieser denkwürdige Tag des großen Philantropen, dessen grenzenlose Wohlthätigkeit die Leiden unzäh liger Mitmenschen gelindert und so viel Gutes ge schaffen hat, zu feiern wäre. — Gegen den Redac teur des Pester Journals „Fueggetlensburg" Julius Verhovay und dessen Bruder Ludwig ist wegen angeblicher Unterschlagung der durch das gedachte Journal für die Csangos gesammelten Gelder die strafrechtliche Untersuchung eingeleitet. — In Ut recht wurde am Montag das Standbild des Grafen Johann von Nassau, des Urhebers der Utrechter Union vom Jahre 1579, enthüllt. Der König und die Königin der Niederlande wohnten der Feierlich keit bei. — Die Trichinose-Epidemie in Emers- leben und Umgegend nimmt noch immer zu, man zählt bereits täglich Todesfälle. Nach Meinung der Aerzte ist leider eine noch weitere Ausdehnung der Krankheit zu befürchten, da Personen, welche trichi nöses Fleich als Blutwurst, Sülze, gekocht rc. ge nossen, oft erst nach vier Wochen oder später von der Krankheit ergriffen werden. Das Elend ist sehr groß! Die Gejammtzahl der Erkrankten beträgt wohl 3—400! — In der Bucht von Sebastopol wurde ein mit 14 Personen besetztes Boot von einem Dampfer überfahren. 8 Insassen ertranken. Der Dampfer kümmerte sich nicht im mindesten um die mit den Wellen Ringenden. — In Brüssel hat am Montag die Einweihung des Justizpalastes in Gegenwart des Königs und der Königin stattge funden. Abends fand großer Bankett für die an wesenden Advokaten statt. — Die Prinzessin von Wales leidet^-wie es in London heißt, an Taub heit. Das Uebel spottet der Kunst der besten Aerzte und verkümmert der Prinzessin insbesondere den musikalischen und theatralischen Genuß. — Gegen Lady Franklin ist hei dem Gerichtshof in Limerick von einem jungen Offizier eine Klage auf Schadenersatz von 10,000 Lstrl. wegen Bruche» des Eheversprechens eingebracht worden. Die Ver handlungen nahmen am 2. October ihren Anfang. — In Breslau ist in einem Gehöfte die Rinder pest ausgebrochen. Der Viehkrug ist abgesperrt. — Im Cafs Concert Skala in Paris erregte am 15. d. das Debüt der Prinzessin Pignatelli Cerchiera als Chansoneltensängerin großen Skandal. Die Prinzessin ist von ihrem Gatten getrennt, findet die ihr gewährte Pension von 12,000 Francs zu stan desgemäßem Auskommen ungenügend und sucht durch dieses Mittel die Familie zu größeren Zuge ständnissen zu zwingen. — Die Wittwe des jüngst verstorbenen Herrn Engel-Dollfus in Mühlhausen hat, um das Andenken ihres Mannes zu ehren und um einem seiner letzten Wünsche zu entsprechen, sich entschlossen, eine Pensionskasse für die Angestellten des Hauses Dollfus, Mieg und Co. zu gründen. Zu diesem Ende hat Frau Engel-Dollfus nun ein Capital von 200,000 Francs ausgesetzt und es haben die drei Söhne derselben ebenfalls die gleiche Summe für denselben Zweck bestimmt, sodaß ein Capital von 400,000 Frcs. für die neu zu begrün dende Pensionskasse vorliegt. — Die in Frank furt verstorbene Gräfin Bose, geb. v. Reichenbach- Lessonitz, eine Verwandte des Grafen Luckner auf Altsranken, hat ihrem Rechtsconsulenten Or. Hertzog testamentarisch ein Kapital von 300,000 Mark und außerdem noch eine Jahresrente von 3000 Mark ausgesetzt. — An der Berliner Börse erregte am 16. d. der Selbstmord eines Münchener Specu- lanten namens Weil einiges Aufsehen. Disco commandit-Antheile fielen zeitweilig, da der Be treffende gerade in diesem Papier jpeculirt hatte. Es sollen für 900,000 Mk. Antheile verkauft wor den sein. Gewerblich-technischer Theil. (Erscheint jeden Donnerstag.) Eine Patentgeschichte. Das kaiserliche Patentamt hat am 11. Oetober d. I. in einer hochinteressanten Patentstreitsache eine Entschei dung getroffen, die für die deutsche Papierindustrie vor aussichtlich von den allcrwichtigsten Folgen begleitet sein wird. Seitdem der Papierconsum so ungeahnte Ausdeh nung angenommen hat und in Folge dehen der Vorrath von Hadern, die früher den Rohstoff für die Fabrikation bildeten, bei Weitem nicht mehr ausreichte, hat es die Wissenschaft als ein Problem angesehen, Ersatz und Surro gate zu finden. Einem deutschen Erfinder (Keller im Königreich Sachsen) gebührt das Verdienst, zuerst auf die Verwendbarkeit des Holzes zu diesem Zwecke hingewiesen zu haben. Nachdem durch die Praxis mehrere Methoden für die Gewinnung des Holzstoffes auf mechanischem und auf chemischem Wege bereits eingeführt waren, nahm der Amerikaner Tilghman schon vor etwa zwanzig Jahren in England Patente für ein von ihm neuerfundenes Ver fahren zur Gewinnung von Faserstoff mittels Behand lung des Holzes unter Mitbenutzung von schweflig-sauren Salzen. Diese Patente kamen derartig in Vergessenheit, daß, als vor einigen Jahren Herr Professor Mitcherlich in Minden um ein Patent für die gleiche Methode der Herstellung von Cellulose nachsuchte, demselben das Pa tent ohne Weiteres ertheilt wurde. Herr Professor Mit cherlich hat sich von jedem Fabrikanten, der sein Verfahren ausnutzen wollte, auf eine Reihe von Jahren, und zwar über die eigentliche Giltigkeit seines Patentes hinaus, pro 103 Kilo der fabricirten Cellulose 2 Mark Abgabe aus- bedungcn und sich dadurch eine Rente zugesichert, die schon jetzt circa eine halbe Million Mark jährlich beträgt. Es sind in Deutschland 32 Licenzen vergeben, und für jede Licenz hat der Fabrikant eine Minimallumme von circa 15,01) Mark jährlich garantirt. Diese Belastung zu Gun sten eines Einzelnen drückte natürlich die ganze deutsche Papierindustrie und erschwerte den Export, auf den bei der Entwickelung unseres gewerblichen Lebens jeder In dustriezweig mehr oder weniger angewiesen ist. Nachdem inzwischen auch in anderen Ländern, besonders in Schwe den, das gleiche Verfahren auf Grund des Tilghman'schen Patents sich verbreitet hatte, wurde man auch in Deutsch land auf dasselbe aufmerksam, und Herrn Fabrikbesitzer Behrend aus Varzin gebührt das Verdienst, daß er zu erst auf die Gleichartigkeit beider Erfindungen, derTilghman- schen und der Mitcherlich'schen, hingewiesen und das Nichtigkeitsverfahren gegen das Patent des Letzteren ein geleitet hat. Das Patentamt hat sich in seiner letzten Sitzung den Ausführungen des, Klägers vollständig ange- schlosscn und schon nach kurzer Berathung die Nichtigkeit des Mitcherlich'schen Cellulosepatents ausgesprochen. Diese Entscheidung wird in den Kreisen der deutschen Papier- fabrikanten die lebhafteste Befriedigung Hervorrufen, und die.Beseitigung dieses Patents und damit zugleich des finanücllen Drucks, der auf den Fabrikanten lastete, und die Wiederherstellung der Freiheit der intellektuellen Be wegung, welche die Beseitigung des Patentes im Gefolge hall werden dahin führen, daß diese Erfindung vervoll kommnet und zu einem Gemeingute der ganzen deutschen Papierfabrikation werden wird. Diese. Beseitigung wird auch für mc deutschen Waldbesitzer von großem Dorther! fein, da voraussichtlich durch disAusdehnung der Fabrikation und des Exports die Nachfrage nach den geeigneten Hölzern