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chöntmiM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge find erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächfier- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Bbonnementspreis beträgt vierteljähr lich L Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. ^L242. "Waldenburg, 17. October 1883. i Als nach langen und mühevollen Vorbereitungen endlich das große Werk der deutschen Justizreorga- nisation abgeschloffen war, wurde es aller Orten beifällig und als ein neuer, gewichtiger Beleg für die deutsche Reichseinheit begrüßt. Die allgerma nische Form des Schöffengerichts ist im Laufe der Jahre sehr populär geworden und mannigfache son stige Vorzüge gegen früher haben dazu beigetragen, die neue Ordnung der alten im Allgemeinen vor zuziehen. Was aber nicht befriedigt, worüber noch immer Klagen erhoben werden, das ist die Höhe der Gerichtskostcn, die einmüthig und allseitig aner kannt wird! Es ist diese Frage bereits im Reichstage wieder holt zur Verhandlung gekommen, und auch bereits eine Reduction beschlossen, aber es wurden doch schwerwiegende finanzielle Bedenken gegen eine um fassendere Herabsetzung der Gerichtskosten geltend gemacht. Der Ausfall würde, so sprachen sich die Vertreter der Regierung aus, so groß werven, we nigstens sei das zu befürchten, daß in den Etat« sich dies sehr bemerkbar und es somit nöthig machen würde, für diesen Ausfall durch Erschließung neuer Steuerquellen resp. Erhöhung der Anleihe Ersatz zu suchen. Man würde also ein Uebel nur durch ein anderes zu vertreiben im Stande sein. Unter dem Gewicht dieser Ausführung wurde der weiter als die Regierungsvorlage gehende Antrag des Abg. Payer abgelehnt und die erstere angenommen. Das war das letzte Mal, daß sich die Volksvertretung in praktischer Weise mit der Gerichtskostenfrage be schäftigte. Seyen wir nun zu, welche Folgen dieser Beschluß gehabt hat. Im preußischen Staatsministerium wird der Staatshaushallretat für die Jahre 1884/85 gegen wärtig zusammengestellt, und es ist bei dieser Ge legenheit von officiöser Seite, ohne daß dem, was wohl zu beachten ist, widersprochen worden wäre, die Behauptung aufgestellt, der Finanzminister sei in Folge nicht unbedeutenden Ausfalles bei einzel nen Einnahmepositionen genöthigt, verschiedene For derungen der einzelnen Ressortminister zurückzuwei- sen. Unter den Positionen aber, welche eine Min derung der Einnahmen aufzuweisen, figuriren an hervorragender Stelle: die Einnahmen aus den Ge richtekosten, und zwar beträgt das Minus gegen früher mehrere Millionen Mark, eine im Verhält- niß zu dem Gegenstände also sehr bedeutende Summe. Dies Facit hat sich für Preußen in evidenter Form herauSgestelll! Was find die Ursachen davon? Sind weniger Procefle geführt, hat sich die Zahl der Zahlungsunfähigen vermehrt, oder liegen sonst exceptionelle Gründe vor? Es mag, da di« Einbuße eine so bedeutende ist, hier Verschiedenes zusammen treffen, das Hauptgewicht wird aber stet« dabei be ruhen bleiben, daß die Zahl der Proceffe sich min dert resp. die Proceßkosten nicht so leicht zu er schwingen sind. Jedenfalls steht die Thatsache fest, daß der Ausfall bei den Gerichtskosteneinnahmen vorhanden ist, trotzdem dieselben keine im Verhält- niß dazu stehende Ermäßigung erfahren. Was die Regierungscommiffare im letzteren Halle befürchteten, ist also ohnedem eingelreün. Erwiesen ist nun frei lich nicht,' ob, was für Preußen gilt, auch für die übrigen Slaaien des deutschen Reiches zutrifft, aber ebensowenig steht auch das Gegentheil davon fest, und in jedem Falle ist das vorliegende Factum zu beachten. Er dürfte von Neuem erwiesen sein, daß die Höhe der Gerichtskosten weder für den Staat, noch für die Staatsbürger von Vortheil ist. Den letzte ren erschwert sie die Beschreitung de« Rechtswege« Donnerstag, den 18. Oktober und läßt sie zum Theil ganz davon absehen, dem ersteren schmälert sie die Einnahmen. Die Proceß- sucht ist freilich nicht zu billigen oder gar zu unter stützen, noch viel weniger aber, wenn eine künstliche Schwierigkeit für geringe Leute geschaffen wird, ihr Recht vor dem Richter de« Landes zu erlangen. Hoffentlich giebt diese Elatsposition Veranlassung zur wiederholten eingehenden Prüfung der Gerichts kostenfrage und es steht zu erwarten, daß dann auch die Reichsregierung den Thalsachen Rechnung tragen wird! "Waldenburg, 17. October 1883. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die Kaiserin hat dem Ausschuß der am Mon tag geschloffenen Hygiene-Ausstellung ihre Anerken nung für seine Thätigkeit dadurch zu erkennen ge geben, daß sie jedem der drei Vorsitzenden die goldene Portrailmedaille, den einheimischen Mit gliedern ein prachtvolles Medaillon und ein Aner kennungsschreiben hat übersenden lassen, während den auswärtigen Herren ein goldener Reichsadler mit einem prachtvollen Saphir in der Mitte zu Theil wurde. Die Medaillons enthalten auf der Vorderseite den Anfangsduchsiaoen der Kaiserin mit darüber befindlicher Krone uns auf der Rückseite das rothe Kreuz mit der Umschrift: in msmoriam 1882—1883. Der RegierungSverlreter von Oester- reich-Ungacn und der Vertreter des deutschen Ritter ordens sind von der Kaiserin - durch Uebersendung einer kostbaren Busennadel erfreut worden. Erwähnt mag noch gleich sein, daß die Ausstellung in Summa von 870,235 Personen besucht wurde. In stiller Muße feiert im Schloß Weinburg am Bodensee am 18. October, den Tag der Völker schlacht bei Leipzig, der deutsche Kronprinz seinen Geburtstag! Es bedarf für diesen Tag nicht langer Auseinandersetzungen und vieler Worte, „unser Fritz" weiß, was er am deutschen Volke hat, und die Nation blickt vertrauensvoll auf zu dem Heldensohne unseres Heldenkaisers, den ruhmreichen Feldherr» und edlen Fürsten, den treuen Diener seines kaiser lichen Vaters. Wir fassen unsere innigen Wünsche für das fernere Wohlergehen des hohen Herrn in dem kurzen, aber kräftigen „Hoch der deutsche Kronprinz, Heil ihm und Ruhm" zusammen! Wir wissen, daß der Ruf bei allen unseren Lesern ein treues Echo findet. Im Monat September d. I. wurden innerhalb des deutschen Reiches 265 Concurse eröffnet gegen 262 im September 1882, 327 im September 1881 und 330 im September 1880. Der September ist stets derjenige Monat, in welchem die wenigsten Concurseröffnungen stattfinden, während die meisten in den Januar zu fallen pflegen. Beendet wurden im September 295 Concurse. Im ganzen III. Quartal 1883 wurden 867 Concurse eröffnet, 993 beendet. In dem gleichen Quartal der Vorjahre wurden eröffnet: 1882 905, 1881 1052, 1880 1180. Die Abnahme betrifft meist West- und Süd deutschland. Zur Auflösung der Berliner Stadtverordneten- Versammlung ist, so schreibt die „Voss. Ztg.", es vielleicht gerade jetzt von Interesse, daran zu erin nern, daß bereits vor 20 Jahren der damalige Ministerpräsident von Bisinarck - Schönhausen im Schooß des Staatsministeriums den Antrag stellte, die renitente Berliner Stadtverordneten-Ver- sammlung aufzulösen, aber am Widerspruch de« damaligen Minister« de« Innern, Grafen Fritz Eulenburg, dem der König zustimmte, scheiterte. Nach einem Spezialbescheide des preußischen Mi 1««3. nisters des Innern ist § 46 der Gewerbeordnung dahin auszulegen, daß die Wittwe eines Gewerbe treibenden während des Witlwenstandes das Gewerbe ihres verstorbenen Mannes auf dessen Concesfion nicht nur durch einen qualificirten Stellvertreter, sondern auch in eigener Person betreiben darf, so fern sie den an den Stellvertreter zu stellenden An forderungen entspricht. Aus dem neuen Actiengesetzentwurfe werden folgende Strafbestimmungen mitgetheilt: Mit Ge- fängniß bis zu einem Jahre und Geldstrafe bis zu 10,000 Mk. wird bestraft: 1) wer in öffentlichen Bekanntmachungen falsche Thatsachen vorspiegelt oder wahre Thalsachen entstellt, um zur Betheiligung an einem Actienunternehmen zu bestimmen; 2) wer in betrügerischer Absicht auf Täuschung be rechnete Mittel anwendet, um auf den Cours von Actien einzuwirken; 3) wer die Bescheini gungen über Hinterlegung von Actien, welche zum Nachweise des Stimmrechtes in einer Ge neralversammlung dienen sollen, wissentlich falsch ausstellt oder verfälscht, oder von einer solchen Be scheinigung, wissend, daß sie falsch oder gefälscht ist, zur Ausübung des Stimmrechts Gebrauch macht. Zugleich kann auf Verlust der bürgerlichen Ehren rechte erkannt werden. Die „Nalionalzeitung" bestätigt, daß tue preußi sche Militärverwaltung die Erfindung eines Herrn Litschok aus Wilna angekauft hat, nach dem er dieselbe vergeblich der russischen, dann der französischen und österreichischen Regierung ange tragen. Russischen Blättern zufolge ermöglicht die Erfindung die Sicherheit des Schusses in ganz außerordentlicher Weise. In russischen Zeitungen wird übrigens die Art und Weise, in welcher die russische Prüfungscommisfion seiner Zeit die Erfin dung prüfte, scharf verurtheilt und angedeutet, daß die Ablehnung auf den Umstand zurückzuführen sei, daß einer der prüfenden Generäle eine ähnliche Er findung betreibe. Ungarn. In Consequenz der Beschlüsse des ungarischen Reichstages wurden in Agram am Dienstag Vor mittag 9 Uhr im Beisein eines RegierungScommissar» und einer Compagnie Militär unter klingendem Spiel die doppelsprachigen Wappenschilder von bei den Finanzgebäuden herabgenommen und durch solche ohne Umschrift ersetzt. Frankreich. Der Krieg zwischen dem Ministerium Ferry und den Intransigenten ist jetzt ausgebrochen. Der Minister hat auf seiner Reise in Havre es offen ausgesprochen, daß sämmtliche Republikaner ihre Kräfte gegen die Intransigenten und Radikalen vereinen müßten, und daß nur von diesen, nicht von den Monarchisten, der Republik Gefahr drohe. Er wird in der Kammer nicht zaudern, energifch gegen seine Feinde, an deren Spitze jetzt Thibaudin steht, vorzugehen. Die Kammersession wird sehr heiß werden! Das französische Kabinet ist bereit, dem von dem französischen Admiral Pierre auf Madagaskar ge maßregelten Missionar Shaw 60,000 Francs Ent schädigung zu bewilligen. In den verflossenen drei Quartalen ist die Aus fuhr französischer Fabrikate gegen das Vorjahr um 98 Millionen zurückgegangen, die Einfuhr da gegen um 3 Millionen gestiegen. Spanien. In Madrid hat am Montag eine Sitzung de« neuen Ministerrathes statlgefunden, welche sich mit den bekannten Pariser Vorfällen resp. mit der von Frankreich zu leistenden Genugthuung beschäf tigte. Dem Vernehmen nach wird in der amtlichen