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MiiMiM Tageblait Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementsprsis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteurs dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für Len StaLtrath zu Waldenburg. 74. Donnerstag, den 3V. Mürz 1882. Die Ablösungsrenten sind den 31. d. M. und die Brandversicherungsbeiträge nach 1 Pfennig pro Einheil den 1. April d. I. zu bezahlen. Stadtstcner-Einnahme Waldenburg, am 29. März 1882. *Waldenburg, 29. März 1882. Der Ratenschwindel. I. Der Unfug des Natenschwindels, jener Fortsetzung des Börsenschw-ndels bis in die ärmsten Kreise der Bevölkerung hinein, macht sich in Deutschland leider in immer stärkerem Umsange gellend. In Frankfurt a. M-, dem Hauplplatz für dieses „Geschäft", giebt es, so führt das „Deutsche Tageblatt" in einem längeren Artikel aus, mehr als ein Dutzend größere oder kleinere „Bankhäuser" welche dieses lebhaft betreiben und auch in Berlin fehlt es daran nicht. Seinen Ursprung nahm dieses Raten-„Geschäst" in einem schwungvoll betriebenen Schwindel, dem soge nannten „Pcomessen"-Geschäft. Dies Promessenge- schäsi beruhte bekanntlich darauf, daß man durch Ankauf einer „Promesse" einen eventuellen An theil an einem eventuellen Gewinn — gewinnen konnte.... So ungeheuerlich dieser Schwindel war.... immer noch bewährte sich das bekannte Dictum jenes englischen Charlatans, der seine materiellen Erfolge gegenüber denen eines bedeu tenden Arztes damit erklärte, daß unter 1000 Menschen höchstens zwei mit gesundem Menschen verstand seien. Diese Promessenhändler betrieben ihr Geschäft zum Theil mit glänzendem, zum Theil mit ansehnlichem Erfolge, trotz der ungeheuren Kosten, die es verursachte. Wessen Erinnerungen noch in die vierziger und fünfziger Jahre zurückreichen, dem wird einfallen, wie domals schon 2 — 4 Mal im Jahr selbst die abgelegensten Orte und Gegenden überschwemmt wurden durch Postsendungen mit Promessen nebst glänzenden Profpeclen, in denen die Hunderltausende sörmlich herumschwammen, ob gleich damals die Post noch nicht durch ihr regel mäßiges Porto den Herren entgegen kam und ob gleich daher die Kosten sich sehr erheblich höher stellten als jetzt. Freilich wußten auch die „Pro- messen"-Händler wie heule die „Mten"-Bankiers alle Vorlheile auszunutzen. Sie halten in jeder »Post-Zone" ihre Agenten, denen sie ihre Briefe ballenweise schickten, wie heutzutage unsere industriellen Grenznachbarn, die auch ihre Offerten erst diesseits der Grenze zur Post geben. Nachdem durch die fortschreitende Gesetzgebung der Promessenschwindel unmöglich gemacht worden war, verwandelte er sich in den Natenschwindel und zwar sogleich auf großem Fuße, begünstigt durch die massenhafte Einfuhr von fremden Loosepapieren. Die Firmen, welche diese Loose, meist der übelsten Sorte, hereinbrachlen, benutzten die mit den Mani pulationen und mit einer gewissen umfassenden Orts- kenntniß versehenen Promessen-Firmen, um ihre Loose in „feste Hände" zu bringen. Nun besteht bekanntlich das Ratengeschäft darin, daß der Käufer eines Looses auf Raten sich ver pflichtet, diese Nuten pünktlich zu bestimmten Termi nen abzuzahlen. Während dieser Zeil aber und bis zur Zahlung der letzten Nate bleiben die Loose selbst im Besitz des „Bankiers" und der „Eigen thümer" verliert jedes Recht am LooS und an den eingezahllen Raten, sobald ein einziges Mal der Zahlungstermin nicht pünktlich eingehalteii wird; er hat für sein Geld zunächst Nichts, als einen schöngedrncklen „Natenbrief", in dem die rigorosesten Bedingungen seinem Inhaber gegenüber in möglichst dunklen Sätzen ausgedrückl sind. Wenn aber Alles gut geht bei der Sache, und der Eigenlhümer des Looses in den festen Besitz gelangt, so hat er min destens das Doppelte, ost aber das Dreifache des Kauswerthes des Papiers bezahlt. Jndeß, welche Gewähr hat der Natenküufer, daß er überhaupt jemals in den Besitz der Loose gelange? Unter den Firmen, welche in Frankfurt a. M. infolge des Pariser Krachs sallüten, befand sich auch „Hambergers Börsencomtoir", eine stolze Firma, unter der sich indeß (wie ehedem unter der „Deut schen Kreditbank") lediglich ein Ratengeschäft verbarg. Bei Mittheilung des Falliments bemerkte die „Frank furter Zeitung", glücklicherweise sei der „Frankfurter Platz" — vutAO Frankfurter Börse — bei Ham berger sehr wenig betheiligt. Wir haben Grund, diese Behauptung für falsch zu h'alten. Vielmehr Hal einfach die Börse an sich gezogen, was Herr Hamberger vermöge seines Ratengeschäfts selbst aus den ärmsten Kreise» der Bevölkerung herausgesogen hatte. Allerdings insofern konnte der große Börsen wächter sagen, die Börse sei bei Hamberger nicht betheiligt, daß sie Nichts an ihm verloren Halle; aber die sämmtlichen Natenkäuser waren in Verlust. Uebrigens bedarf es gar nicht eines Börsenkrachs, um den Nalenbriefbesitzer um seine Einzahlungen zu bringen und zwar in aller Form Rechtens. Nach dieser Richtung ist ein Prozeß, der am 6. März vor dem Schöffengerichte in Frankfurt a. M. ver handelt wurde, sehr lehrreich. Davon im zweiten Artikel. *Waldenburg, 29. März 1882. Politische Rrmöschmt. Deutsches Reich. Das Telegramm, welches der Kaiser in Beant wortung des Glückwunsch-Telegramms des Kaisers von Rußland diesem zugesandt Hal, lautet: „Em pfangen Sie ebenso wie Ihre Majestät die Kaiserin Meinen herzlichsten Dank für die guten Wünsche, denen Sie an Meinem Geburtstag Ausdruck ver liehen haben. Jedes Ihrer Worte Hal lebhaften Widerhall in Meinem dankbaren Herzen gefunden und Ich bitte den Allmächtigen, Ihre Negierung zu segnen zum Heil Ihrer Völker und zur Befestigung des europäischen Friedens. gez. Wilhelm." Der Reichskanzler soll sich neuerdings wieder darüber beschwert haben, daß ihm in einem Augen blicke, wo seine ganze Aufmerksamkeit der allge meinen Weltlage zugewandl jein sollte, auf dem Gebiete der inneren Politik so große Schwierig keiten bereitet würden. Daß er nicht entfernt daran denkt, die Entwirrung der verschlungenen inneren Angelegenheiten anderen Händen zu über lassen, ist umsomehr anzunehmen, als die jetzt schwe benden Fragen augenscheinlich auf das Engste mit der auswärtigen Politik zusammenhängen. Wenn man von der Möglichkeit einer deutsch-russischen Verwickelung spricht, dann wird das Interesse der Regierung an d^r Beilegung des sog. Culturkampfes, der ja die polnischen Theile Preußens ganz beson ders berührt, um so größer. Andererseits wird die Einführung des Tabakmonopols nicht zum Wenig sten im Hinblick auf den schwer lastenden Militär- etat, der ja seinerseits wieder durch die allgemeine Weltlage nolhwendig geworden ist, vom Fürsten Bismarck betrieben. So greift die innere Politik in die auswärtige über und umgekehrt. Es ist nicht unbemerkt geblieben, daß Graf Behr- Ba ndalin, der Führer der zum Kaiser entsandten Deputation des „Conservativen Central-Conutees", vom Monarchen zum Kammerherrn ernannt wor den ist. In parlamentarischen Kreisen will man wissen, daß in der Zusammenkunft zwischen dem Kron prinzen und dem Fürsten Bismarck namentlich die russischen Verhältnisse den Gegenstand der Unter haltung gebildet haben und Fürst Bismarck sich be züglich der nächsten Zukunft mit einer gewissen Be ruhigung ausgesprochen habe. Die Eisenbahncommission des preußischen Abge ordnetenhauses hat die Vorlage über die Verstaat lichung der Berlin-Anhalter Bahn mit 12 gegen 5 Stimmen angenommen. Die UnterrichlScommission des preußischen Abge ordnetenhauses hat beschlossen, die Petition der katho lischen Väter in Tilsit wegen Beseitigung der Simultan sch ulen der Regierung zur Berücksich tigung zu überweisen. Die liberale „Wiener Presse" beschließt einen Leitartikel, in welchem sie sich mit den wirlhschaft- lichen Neformprojecten des deutschen Reichs kanzlers beschäftigt, mit einer Betrachtung, die unsere fortschrittlichen Wsltweisen beherzigen können. Sie sagt nämlich: „Der deutsche Bürger hat sich bei der letzten panslavistischen Drohung, die Russen würden bei einem Besuche in Deutschland eine Wüste zwischen sich und den verhaßten Gegner legen, nicht sonderlich beunruhigt, weil er auf die Tüchtig keit der nationalen Armee und ihrer Führer ver traute. Wir haben nicht gesehen, daß ein einziges deutsches Blatt aus de» russischen Drohungen die richtige Folgerung für die Anforderungenderinnern deutschen Politik gezogen hülle. Dieselbe wird sich gleichwohl dem deutschen Volke mit der Zeit auf- drängen, und hoffentlich noch bevor es zu spät wäre. Was das Tabaksmonopol auch angeblich den bethei- liglen Interessen für Schaden bringen mag, dies ist immer noch weniger, als die Einbuße an nationalem Wohlstand durch eine einzige Mobilisirung. Und nur die Stärke ist es, welche solchem Gegner wie dem Panslavismus imponirt." Oesterreich. Aus Zara wird gemeldet: Bei Orahovac und in den montenegrinischen Orte Zalazzi hat sich eine Jnsurgentenbande angesammelt. Frankreich. Die französische Depulirten-Kammer genehmigte mit 376 gegen 71 Stimmen einen Credit von 8 Millionen für die Kosten der tunesischen Expe dition für das zweite Quartal 1882. Frcycinet er klärte, die Zustände in Tunis seien gegenwärtig so gute, als sie nach so kurzer Zeit nicht besser zu er warten seien. Der Effektivbestand der Truppen werde demnächst auf 30,000 reduzirt. Die Lage bessere sich täglich und die bestehenden Schmierig keiten nähmen ab. England. Meldungen aus Athlone (Irland) zufolge wurde das dortige Magistralsgebäude des zur Graf schaft Roscommon gehörenden Stadttheiles am Sonn tag durch Dhnamit-Explosion fast zerstört. Kein Verlust an Menschenleben. Der Urheber der Explosion ist unbekannt. Italien. Garibaldi ist am 28. d. früh in Palermo ein- gelrcffen, er wurde von einer beträchtlichen Menge empfangen. Es sanden keine Ruhestörungen statt. Der General wurde nach der nahen Villa geleitet, von deren Balkon der Maire namens des Generals der Bevölkerung dankte. Rußland. Die Entbindung der russischen Kaiserin wird im Mai" oder Juni erwartet. Dem gegenwärtigen altrussischen Zuge der inneren Politik zufolge wird