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chöntmiM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge find erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr deS vorhergehenden Tages. und aldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und dis Lolporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserats pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. ^206. "Waldenburg, 4. September 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. In dem Fußleiden der Kaiserin, das sich die hohe Frau in vorigen Woche durch einen Fast zu gezogen hat, ist, wie aus Potsdam telegraphisch ge meldet wird, derart eine Verschlimmerung eingetreten, daß am 1. d. um den leidenden Theil ein Gyps- verband gelegt werden mußte. Ferner sind die Schwestern, welche der Kaiserin in Coblenz während ihrer vorjährigen schweren Krankheit Pflegedienste geleistet haben, in Babelsberg eingetroffen, um auch hier wieder die Krangenpflege bei Ihrer Mäjestät zu übernehmen; auch sind weitere Aerzte zur Con- sultation berufen worden. Das deutsche Kronprinzenpaar ist am Sonn abend nach Berlin zurückgekehrt. Das Sedanfest wurde in der Reichshauptstadt in der üblichen Weise begangen: Fahnenschmuck, Morgenmusik vom Ralhhausthurme, liturgische Dankesandacht im Dom, Schulacte, Vereinsfest lichkeiten rc. Die osficiöse „Post" giebt folgendes Bild der po litischen Situation: Die gambettistische Politik, die Trägerin des unversöhnlichen Haffes gegen Deutschland, möchte den Engländern in Egypten alle Triumphe gönnen, um Englands zuverlässige Freundschaft gegen Deutschland zu erkaufen. Für die Engländer ist aber die Verdrängung Frankreichs aus Egypten nur das Mittel zu dem Zwecke, eine unentbehrliche strategische Position zur wirksamen Führung asiatischer Feldzüge gegen Rußland in die alleinige Hand zu bekommen. Daraus folgt, daß mcht Rußland erbaut sein kann von den englischen Erfolgen in Egypten. Rußland ist aber der andere Freund, den die Gambeltisten suchen. Damit, daß sie den Engländern Egypten überlassen, ohne zu be achten, wie schwer sie damit Frankreichs Stellung und Zukunft schädigen, entfremden sie sich auch noch Rußland. Auf Eugen Richter's Beschwerde wegen des Verbotes an die Militärkapellen, bei fortschritt- lichen Festen zu spielen, erwiderte der Kriegsminister Kanreke: „Ich halte nach wie vor daran fest, daß Armee sich vom Getriebe der politischen Parteien fernzuhatten habe. Diesem Grundsätze widerspricht es nicht, wenn Militärkapellen die Mitwirkung bei Festlichkeiten der in Rede stehenden Art untersagt wurde." Im Bureau des Reichstags mehren sich die Pe- tisionen für die Aufhebung des Zwangsimpf gesetzes, über welche' noch in dieser Session die bisherigen Referenten I)i. Thilenius und Pfarrer Westermayer Bericht erstatten werden; Letzterer hatte bei der in der vorigen Session stattgehabten Commissionsberathung ein besonderes Gutachten zu Protocoll gegeben, wonach die Zwangsimpfung auf gehoben werden soll. Inzwischen haben Versuche im Gesundheitsamt stattgefunden, welche betreffs der Conservirung der animalen Lymphe ein günstiges Resultat versprechen. Es scheint keinem Zweifel zu unterliegen, daß in Zukunft die thierische Lymphe für die Impfungen obligatorisch verwendet werden und hierüber wohl in kurzer Zeit dem Bundesrath eine Verordnung zugehen wird. Die Einsetzung einer Commission aus Verfechtern und Gegnern des Impfzwanges wird im Reichsgesundheitsamt so lange für nicht zweckmäßig gehalten, als nicht eine um fassende und eingehende Statistik über die Erfolge der Impfung bei der Pockenkrankheit erhoben wor den ist. Frankreich. Wie systematisch in Paris die Deutschenhetze Dienstag, den 5. September 1882. betrieben wird, geht daraus hervor, daß die Besitzer der Läden, welche Gambetta in letzter Zeit besucht halte, in ihren Schaufenstern rc. lauter aufreizende Abbildungen aus dem letzten Kriege ausstellten. Mit welcher Kleinlichkeit die Gambettistischen Blätter vorgehen, erhellt aus den Angriffen gegen die deutsche Brauerei Müller, Rue Richelieu 36 und Boulevard Bonne Nouvelle, welche Wirthschaften sich ihres vor züglichen Bieres halber des Besuchs vieler durchrei senden deutschen Fabrikanten erfreuen. Die Hetze reien hatten bereits zur Folge, daß solche Deutsche dort mehrfach beleidigt wurden. Die verständigste Haltung in der ganzen Angelegenheit beobachtet von allen Pariser Blättern merkwürdiger Weise der sonst so leichtsinnige „Figaro". Lesseps traf in Paris ein und bemerkte in einer Ansprache, wan habe ihn als einen Feind Englands und als Freund Arabis ausgegeben; er sei jedoch nur einfach ein Freund der Vertheidiger des Suez kanals. Arabi, welchen man als Barbaren bezeich nete, respectirte allein die Neutralität des Kanals. Wenn der Kanal intact den Marinen aller Natio nen offen sei, verdanke man dies Arabi. Italien. Die in Ancona erscheinende Zeitung „Ordine" meldet: Gelegentlich der bevorstehenden Reise des Königs Humbert nach Toscana und Umbrien wegen der Herbstmanöver planten im Auslande weilende italienische Socialisten ein Attentat, wozu sie im Inlands lebende Gesinnungsgenossen aufforderten. Die Entdeckung des Complots durch die Regierung veranlaßte die Ausweisung in Frankreich befindlicher italienischer Revolutionäre. Die Regierung verfügte einen besonderen Sicherheitsdienst in obengenannten Provinzen. Die „Ordine"' verbürgt die Genauigkeit seiner Mittheilungen. England. Es erhebt sich scharfer Tadel gegen die Regie rung und die Militärbehörden wegen mangelhaf ter Trainvorrichtungen und unzureichender Transportmittel. Das betreffende Commiffariat macht genau wie im Krimkriege ungeheure Fehler. Es find keine Arbeiter, keine Maulthiere rc. vorhan den, Medicinkästen mangeln, nichts wurde in dieser Beziehung vorgesehen. Auch General Wolseley wird deshalb getadelt. In Dublin hat der größte Theil der strikenden Polizisten seine Functionen wieder ausgenommen. Die Menge griff das Militär mit Steinwürfen an, worauf dieses mehrere Male Feuer gab. Mehrere Personen wurden verwundet. Türkei. England weigert sich, Alexandrien als Landungs punkt der türkischen Truppen anzunehmen, deshalb ist die Militär-Convention noch nicht abgeschloffen worden. England schlägt Port-Said vor; einerseits weil es den Sultan als Landsshrrrn vor der arabischen Bevölkerung demülhigen will, andererseits, weil es den türkischen Einfluß auf den Khedive fürchtet. Der Sultan trachtet auch, dem Erlasse der Proclamation gegen Arabi auszuweichen, in der Hoffnung, der egyptische Dictator werde auf eine im Namen des Chalifen von den türkischen Truppen erlassene Aufforderung hin die Waffen strecken. Trotz häufiger Besprechung zwischen Said Pascha und Lord Dufferin ist ein Einverständniß immer noch nicht hergestellt. Da den Engländern überdies wenig daran liegt, die Convention abzuschließen, werden sie immer neue Hindernisse entgegenstellen. Egypten. Der Gesundheitszustand der englischen Trup pen bei Alexandrien ist im Gegensatz zu den bis herigen Nachrichten ungünstig. Es ist das um so seltsamer, als der Sommer ausnahmsweise kühl ist und die meisten Truppen zu Ramleh stehen, dem gesundesten Ort in ganz Egypten. Zu dem befinden sich die Leute auf der Flotte vortrefflich, es kommt dies daher, daß die meisten Matrosen unter eiserner Disciplin leben, gehen sie einmal an's Land, so kom men sie meist halb krank zurück, aber vierzehn Tage ohne Urlaub genügen, um alle schlimmen Wirkun gen gründlich zu verscheuchen. Auf dem Lande da gegen werden die Soldaten beständig von einer Menge von Hausirern umschwärmt, welche zwar keine berauschenden Getränke feilbieten, dafür aber ohne Einschränkung oder Aufsicht das Lager mit den elendesten Genußmitteln überschwemmen, mit Früchten in allen Stadien der Unreife, Limonaden, zu denen wahllos alles Wasser verwandt wird, und unverdaulichem Mischmasch aller Art. Man nehme dazu die egyptische Sonnengluth und man kann sich vorstellen, daß Diarrhöe und Dysenterie überhand nehmen. In Alexandrien herrscht große Besorgniß we gen des Süßwassers, welches am 3. d. früh aus geblieben ist. Amerika. Präsident Arthur ist an der Küste Neu-Englands am Malariafieber erkrankt. Ueber die eingewanderten deutschen Bauern schreibt die „Newyorker Sun": „Wenn man die bedeutende gegenwärtige Einwanderung iu's Auge faßt, so ist nach den in westlichen Staaten gemach ten Erfahrungen nicht zu leugnen, daß vor allen dis Deutschen die besten Farmer werden, sondern auch durch ihre Gegenwart in einer Gemeinde der Preis des Landes in der Regel höher steigt. In einzelnen Gegenden von Missouri uns Illinois, wo Deutsche sich niedergelassen haben, gilt das Land vier bis fünf Mal mehr als in anderen Gegenden, wo die Farmen durch Eingeborene betrieben werden. Es ist dies ohne Zweifel die Folge der Zähigkeit, mit der die Deutschen am Grundbesitz hängen, des Werthes, den sie demselben durch die Art ihres Ackerbaues zu geben wissen. Der Wohlstand des Deutschen übt eine gewisse Anziehungskraft aus und es kommt oft vor, daß ihre Arbeit die Lust zu Landkäufen in einer Gegend erweckt, wo früher wegen des sich nicht lohnenden Bodens Niemand anzusiedeln gewillt war. Im allgemeinen lieben es die Deutschen, sich da niederzulassen, wo sie ihre Sprache reden, ihre Lieder singen und das Lieb lingsgebräu ihres Vaterlandes trinken können, und sie entschließen sich ungern, einen Ort zu verlassen, für den sie aus diesem oder jenem Grunde einge nommen sind." Aus -em Muldenthale. "Waldenburg, 4. September. Gestern Mittag trafen Ihre Durchlaucht die Frau Fürstin, nach län gerem Kuraufenthalt im Seebad Ostende, mit den Prinzessinnen-Töchtern Elisabeth und Luise, und mit Prinz Friedrich, über Leipzig kommend, wohl behalten wieder hier ein. — S. D. Prinz Sigis mund, der am Freitag zu kurzem Besuche hier an langte, begab sich gestern Abend nach Leipzig wie der zurück. "— Gestern fand hier durch Herrn Superintenden ten Weidauer aus Glauchau die gesetzliche Kirchenvisi tation statt, welche im Laufe von 6 Jahren wenigstens einmal zu geschehen hat. Es ist dies die erste Visitation nach neuer Ordnung, denn Waldenburg hatte als Sitz eines Ephorus seit 1557 das Vorrecht, kirchlich nicht in besonderer Weise d. h. an bestimmtem Tage revidirt zu werden. Nur einmal im Jahre 1856 nach Ver ordnung der Landeskirchenvisitation geschah auch in Waldenburg eine solche. Nachdem Waldenburg seit