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Inserat« werden bi» Bormittag Ü Uhr II angenommen. Preis für die Spaltzeil« 13 Pfg. I H Außerhalb des Landgerichtsbezirk» 15 Pfg st W122 51. Jahrgang. —— Sonntag, den 2S. Mai. Erscheint jeden Wochentag Abend» '/,S Uhr für den anderen Tag. Preis vierteljährlich 2 Mk. 25 Pfg. zweimonatlich 1 Mk. 50 Pfg. u. einmonatlich 75 Pfg. ^ikergerAitzeig^ UN- Tageblatt Amlsblllll für die lömglichm und WWcn Bchürden za Frcidcrg and Brand. Verantwortliche Leitung: vnrkharvt. Pfingsten! „Die linden Lüfte sind erwacht, Sie säuseln und weben Tag und Nacht, Sie schaffen an allen Enden. O frischer Duft, o neuer Klang, Nun, armeS Herze, sei nicht bang! Nun muß sich alles, alles wenden! so singt Ludwig Uhland, und : Alles neu macht der Mai, Macht die Seele frisch und frei" so singen jetzt die Kinder, und wenn sie auch nicht gerade so singen, so denken doch so Tausende und Abertausende, die in diesen Tagen alle Höhen und Tiefen unserer näheren und ferneren Umgebung durchziehen und in dichtgedrängten Schaaren alle Straßen bevölkern, um fern von den engen Maueru der Stadt und von den dumpfen Arbeitsstuben „im Tempel der Natur" daS Pfingstfest zu feiern. Gewiß, Mai und Frühling haben da draußen auch Vieles gewendet und neu gemacht. In neuer Pracht stehen Berg und Thal, Wald und Feld, lieblich in der Blätter und Blüthen jungem, frischen Schmuck, lieblich in all der Schön heit und Herrlichkeit der Schöpfung, die sich geschmückt hat wie eine Braut. Da dehnt sich die Brust, das Herz wird weit und die Sehnsucht groß. Dennoch wird sich wirklich mit dem neuen Frühling „alles, alles wenden"? Macht der Mai „alles neu?" Ist alles Alte abgethan, alles vergangen, was nicht gut war und nicht leicht und nicht schön? Die Hoffnung darnach zieht durch viele Herzen wie ein Seufzer aus tiefer Noth, wie die Ahnung einer besseren Welt. Ein Ende für Noth und Sorge, Genesung für Krankheit, Erfolg für unbelohntes Mühen, glück liche Gemeinschaft für Einsamkeit, das erträumen die Menschen. Und die Völker träumen, trotzdem sie vom Krieg reden, auf den Krieg rüsten, wohl gar im Krieg sind, dennoch von Frieden, von einem glücklichen Zeitalter voll sorgloser, kampfloser Gemeinschaft. Ja, selbst da, wo keine schwere Sorge drückt, liegt doch im tiefsten Herzensgründe die Sehnsucht nach etwas ganz Neuem, nach der Erfüllung goldener Jugendträume, die immer un erreichbar dastehen und immer wieder in Nichts zerfließen, wie vor dem Wanderer die Fata Morgana. Ein Neuwerden, so wie eS so viele Menschen erträumen, können Mai und Frühling, Blumenpracht und linde Lüfte niemals schaffen, so ist es über haupt Dichtertraum und Kinderglaube, Thorheit und Täuschung. DaS Wort GotteS hat auf solchen Wahn die Antwort: „Es ge schieht nichts Neues unter der Sonne." Die Welt wird nicht neu. Es bleibt der ewige Kreislauf der Dinge nach Gesetzen, die nach der Menschen Herzenswünschen nicht fragen. Auch das Leben der Völker wird nicht neu durch neue Ordnungen und Gesetze. Es wird sich immerfort das alte Irren und die alte Thorheit, der alte Streit und Neid geltend machen. Niemals wird die Menschheit aus eigener Kraft einen Zustand schaffen, der zu jener Vollkommenheit erneuert wäre, den das Herz erträumt, der „alles, alles wendet" und die Herzen wahrhaft „frisch und frei macht". Und doch giebt es Etwas, das „alles, alles wenden" und die Herzen „frisch und frei machen" kann. Dieselbe heilige Schrift, die das Wort enthält: „Es geschieht nichts Neues unter der Sonne", schreibt auch das andere: „Das Alte ist vergangen, es ist alles neu geworden." Das ist kein Widerspruch, denn thatsächlich giebt es etwas unter der Sonne, das ist neu, weil es nicht uuter der Sonne entstanden, weil es aus der Ewigkeit dieser Erde offenbar geworden ist. Das ist der Heiland, Christus, Gottes Sohn. Das Licht, das er entzündet, ist neues Licht, von dem der Menschen Weisheit nichts weiß. Die Liebe, die er bringt, ist neue Liebe, und was die Menschen Liebe nennen, sind nur liebliche Abbilder dieser Liebe, die nicht nach Gemeinschaft des Blutes und Verwandtschaft der Seelen und Grenzen der Völker fragt. Das Leben, das Christus schafft, ist neues Leben, das am Kreuz triumphirt und aus dem Grabe sich zur Rechten der Kraft erhebt. Dieses neue Leben, diese neue Liebe, dieses neue Licht soll auch die Menschen erfassen. Das ist die Neu geburt, von der die heilige Schrift redet. Das ist der Herzens- frühling, der das Alte abthut und alles, alles wendet. Das ist das Werk des heiligen Geistes. Laßt ihn nur wirken und es wird „alles neu", und er macht das Herz „frisch und frei". Alles macht er neu. Nicht ein Stück nur des Herzens, nicht einen Theil nur des Wesens! Alles oder nichts! Wer nicht Alles von ihm neu machen läßt, der bleibt der Alte. Wer sich ihm aber ohne Heuchelei ergiebt, den macht er ganz neu. Auch macht er die Herzen frisch und frei. Hab lange gerungen, den tiefen Schmerz Hinabgeschlungen in's stille Herz. Bis ich den Jammer nicht länger trug Und Gottes Hammer mein Herz zerschlug. Da Hot die Rinde so dumpf gekracht, Wie Eis im Winde der Frühlingsnacht. Was lang Verhalten, dringt nun hervor, Aus tiefen Spalten steigt's warm empor. Wohl bleibt die Welt was sie war und wie sie war mit ihrem Blühen und Welken, ihrem Leben und Sterben, ihren Freuden und Leiden, ihren Hoffnungen und Enttäuschungen, ihrer Noth und Sorge. Dennoch wird sich für das vom Geist frisch und frei gemachte Herz, für den vom Geist erleuchteten und wiedergeborenen neuen Menschen '„alles, alles wenden". Ihm ist die Welt in eine neue Offenbarungsstätte der ewigen Welt, zum Saatfeld des Evangeliums, zur Prophetie des Himmelreiches gewandelt. Der Tod ist ihm Schlaf und Auferstehung, der Schmerz die Gabe weiser Liebe, die Freude das Geschenk des Vaters. Und die Menschen sind ihm zu Brüdern geworden, nämlich zu Kindern des gleichen Vaters, zu Kindern derselben Heimath, unter denen nicht mehr Haß und Gleichgiltigkeit, sondern Liebe und Theilnahme herrscht. Die Liebe aber treibt zu Thaten und die sind nöthig in unserer Zeit und einem Zeitgeist gegen über, der von Materialismus und Naturalismus beherrscht wird, von Unglauben und Aberglauben, von Zucht- und Treulosigkeit, Hochmuth und Verblendung, Selbstsucht und Haß. Aus lebendige, geisterfüllte Persönlichkeiten kommt es demgegenüber an, die vom heiligen Geist erfüllt und darum vom heiligen Geist getrieben Front machen gegen diesen Zeitgeist mit Wort und That, mit ihrem Vorbild und mit ihrem Wirken, damit unser Volk seinen edelsten Schatz nicht verliere, das Evangelium von Christo, und mit ihm seinen besten Ruhm, deutsche Frömmigkeit, deutsche Zucht und Sitte, deutsche Treue. Dazu soll Jeder an seiner Stelle mithelfen, Jeder auf seinem Posten stehen als treuer Sohn seines Vaterlandes, als muthiger Zeuge und Bekenner seiner Kirche, als wahrer Jünger Christi, als lebendiger, geisterfüllter Christ. Dazu aber bedarfs immer wieder der Erfüllung des alten Pfingst- gebetes: „veni sanet« Spiritus: komm heil'ger Geist, Herre Gott." Um ihn bitten, das ist Pfingstpflicht, ihn empfangen, das ist Pfingstsegen! —ät. Politische Umschau. Frelberg, den 28. Mai. Nach den erwähnten Beschlüssen des deutschen Bundesrathes sollen von dem Vorrath der Reichsbank an halben Kronen 22 Mill. Mark in Kronen unigeprägt werden; ferner sollen von dem Baarvorrath an silbernen Zwanzigpsennigstücken 8 Millionen Mark umgeprägt werden und zwar der Summe in Fünf- und ^/, in Zweimarkstücke. In dem Befinden des preußischen Finanzministers vr. v. Miquel ist noch keine durchgreifende Besserung eingetreten. Es scheint fast, als wenn die Krankheit eine wirkliche Influenza ist, deren Heilung nur langsame Fortschritte macht, zumal nach den Ueberanstrengungen dieser letzten parlamentarischen Campagne, deren Kosten der Minister wesentlich persönlich zu tragen hatte. Die bayerische Kammer der Abgeordneten lehnte mit 77 gegen 70 Stimmen endgültig die von der Regierung vorgeschlagene und von der Kammer der Reichsräthe bereits genehmigte Ge haltsaufbesserung der Geistlichkeit ab. Gegen die Erhöhung stimmten das Centrum und der Bauernbund, dafür die Liberalen und die Konservativen. Ein Wahlkuriosum meldet die „Greizer Ztg." Ihr zu Folge kann die Greizer Schloßgemeinde bei der Rcichstags- wahl nicht mitwählen. Sie bildet innerhalb der Stadt ein eigenes Gemeinwesen, wählt bei der Reichstagswahl aber mit einem städtischen Bezirk. Es war durch Anschlag bekannt gemacht, daß die Wählerlisten beim Gemeindevorstand der Stadt Greiz aus liegen. Das ist jedoch nicht der Fall, da derselbe gar keine Listen über die Angehörigen der Schloßgemeinde hat und ihm solche zu der Reichstagswahl auch nicht zugegangen waren. Da nun die Auslegung der Listen von spätestens dem 18. d. M. an hätte geschehen müssen, so sind alle innerhalb der Schloßgemeinde Wohnenden, zumeist Beamte, wie der Regierungspräsident, Kammerpräsident rc. re., bei der Reichstagswahl nicht in der Lage, ihre Stimmen abgeben zu können. Die „Deutsche Friedensgesellschaft" hat sich das Verdienst erworben, xdem ernsten und schweren Wahlkampfe einen Tropfen herzerquickenden Humors beigemengt zu haben. Die, dem Schlachtrufe der Frau von Suttner folgende und darum auch meist aus dem weiblichen Freisinn sich rekrutireude „Friedens gesellschaft", die in summa kaum so viel Mitglieder zählen dürfte, wie Reichstagswahlkreise vorhanden sind, hat einen Aufruf er lassen, worin die Mitglieder und „Ortsgruppen" aufgefordert werden, den Kandidaten die Frage vorzulegen, ob sie bereit seien, im Fall ihrer Wahl bei jeder Gelegenheit für das Prinzip schieds richterlicher Schlichtung von Streitigkeiten zwischen den Völkern einzutreten. Es wäre wirklich wünschenswerth, daß diese Frage stellung vorgenommen würde; denn dadurch würde der ernste Verlauf der Wahlversammlungen auf eine Weile durch Heiter keit unterbrochen werden. Besonders die „Friedensbestrebungen der an der Spitze der „Friedensliga" marschirenden Nankees gegenüber Spanien dürften zu einer anregenden Debatte Ver anlassung geben. Davon, daß Frau von Suttner im kubanischen Kriege ihren guten Dienst angeboten und ihren „zündenden" Ruf „die Waffen nieder" hätte erschallen lassen oder daß irgend ein Mitglied oder eine „Ortsgruppe" der deutschen Friedens gesellschaft bei den Aankees die Vorlegung der obenerwähnte» Frage versucht hätte, haben wir noch nichts gelesen. Der Chefredakteur Trojan vom „Kladderadatsch" wird seine zweimonatliche Festungshaft am 20. Juni in Weichselmünde antreten. Ein russischer Militärluftballon, der mit 2 Artillerie offizieren bemannt war, ist vorgestern unweit deS Gutes Sackstein bei Liebstadt (Ostpreußen) gelandet. Nach der Mittheilung eine» der Insassen, der geläufig deutsch sprach, war der Aufstieg de» Ballons am Tage der Landung um 6 Uhr früh von der Festung Nowogeorgewsk bei Warschau erfolgt. Der zur Zeit herrschende Südostwind sollte eine Fahrt nach Berlin zu begünstigen. Da die kühnen Luftschiffer aber andauernd Gewitter unter sich hatten, welche die Orientirung erschwerten, und da ein Herabsteigen i» tiefere Luftschichten wegen der Explosionsgefahr durch den Blitz nicht rathsam erschien, so trieb der Ballon eine geraume Zett lang, von verschiedenen Luftströmungen gefaßt, hin und her, bis die Landung mit Hülfe herbeigeeilter Feldarbeiter, welche die vom Ballon auS gegebenen Hornsignale gehört hatten, bei Sack stein glücklich erfolgen konnte. Nachdem das verhältnißmäßig große Luftschiff, das aus dem bekannten Seidenballon nebst einem daran hängenden Korbe bestand, zusammengelegt worden war, reisten die Offiziere mit diesem von Liebstadt per Bahn üb« Königsberg nach Warschau zurück. Aus München wird berichtet: Bekanntlich arbeiten die katho lischen Geistlichen in Ober» und Niederbayern mit Aufbietung ihre» ganzen Standes- und Berufseinfluffes gegen den Bauernbund und dessen Presse. Kommt dann ein Spezialfall bi» zum ge richtlichen Austrag, so zieht fast immer die Presse den Kürzeren gegen den Geistlichen. Diesem wird das Benefizium der Wahrung berechtigter Interessen zugesprochen, der Presse niemals. Der Pfarrer eines oberbayerischen Dorfes zeigte sich förmlich außer Rand und Band über das Vordringen der Bauernbündler. Selbst die Pfarrerköchin, die sich eine sehr entschiedene Herrschaft in dem Dorfe anmaßte, griff energisch ein. Mit dem Bürger meister (Gemeindevorstand) z. B. soll sie ä In Götz von Ber- lichingen gesprochen haben. Die bauernbündlerische „Neue Freie Volksztg." erörterte das parteipolitische Gebühren deS Pfarrers. Dieser stellte Beleidigungsklage, der Redakteur Widerklage und das Schöffengericht verurtheilte Beide zu je 20 Mk. Geldstrafe. Das Landgericht hat heute als Berufungsinstanz den Pfarrer freigesprochen und die Strafe für den RÜakteur auf 50 Mark erhöht. Die österreichische Delegatton bat ihre diesjährige Tagung geschlossen, nachdem sie über die von oer deutschen Opposition er hobenen Verfassungsbedenken hinweg den Nachtragskredit von 30 Millionen Gulden zu Rüstungszwecken genehmigt hatte. Die Schlußnummer des Tagungsprogramms bildete die Antwort deS Reichskriegsministers auf die Anfragen wegen der Vorgänge in Graz. Dabei handelt es sich hauptsächlich um zwei Punkte: die Verwendung bosnischer Truppen gegen die Grazer Bevölkerung bei den Novemberkundgebungen gegen das Ministerium Badeni und die Massendegradirung von Reserveoffizieren, die im Bürger kleide an dem von der Grazer Stadtvertretung veranstalteten feierlichen Begräbnisse eines von den bosnischen Soldaten ge- tödteten Arbeiters theilgenommen haben. Die rücksichtslose, ohne langes Säumen zufahrende Energie, schreibt die „Voss. Ztg.", welche die Behörden in den Novembertagen von 1897 in der deutschen Stadt Graz gegenüber einer Bevölkerung entwickelten, die sich trotz ihrer leidenschaftlichen Erregung nicht die mindeste Gewaltthat zu Schulden kommen ließ , sticht auffallend von der unsäglichen Langmuth ab, welche die Behörden wenige Tage, später in Prag dem czechischen Pöbel gegenüber an'.den Tag legten als dieser mit Knütteln und Pflastersteinen gegen die Deutschen wüthete, deren Wohnungen und Läden plünderte und selbst rein wissenschaftliche und humanitäre Anstalten nicht ver schonte. Die Erbitterung der Grazer und mit ihnen der Deutschösterreicher überhaupt wurde noch dadurch gesteigert, daß die oberste Militärbehörde der steierischen Hauptstadt gerade bosnische Soldaten gegen die Bevölkerung aufbot. Der Kriegsminister hat in der österreichischen Delegation erklärt, diese Bosniaken hätten eine „bewunderungswürdige Selbst verleugnung" gezeigt und sich vollkommen „korrekt" benommen. Eine andere Erklärung war von einem Kriegsminister selbstver ständlich nicht zu erwarten, aber wenn man die übereinstimmenden Berichte der Grazer Blätter aus jenen bewegten Tagen liest, gewinnt man von dem Auftreten der Bosniaken ein weniger günstiges Bild; sie haben danach ein Maß von Energie entwickelt, das allenfalls auf einem Schlachtfelde angebracht sein dürfte, nicht aber gegenüber einer bei aller Aufgeregtheit doch ungemein gutmüthigen und friedfertigen Bevölkerung; ist es doch bezeichnend genug, daß in jenen Novembertagen, die ganz Deutschösterreich in Hellem Aufruhr der Gemüther sahen, nur in Graz, wo ma» die Bosniaken gegen die Deutschen ausbieten zu sollen glaubte, Blut geflossen ist. Die Söhne der Helden von Maglaj als Er zieher der deutschen Steirer zum österreichischen Patriotismus —