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yrrwerg« imd Sette S. — SV. Oertliches und Sächsisches. Freiberg, den 29. August. — Staatsminister v. Metzsch ist vom Urlaub zurück- gekehrt und hat die Geschäfte wieder übernommen. — Die sächsischen Staatswaldungen umfaßten im Jahre 1898 175709 da und brachten einen Reingewinn in Höhe von 9082130 Mk. Die sächsischen Kammergüter umfassen ein Areal von 3037 da, ihr Reinertrag belief sich auf 112900 Mk. Die staatlich betriebene Teichwirthschaft in Mutzschen (195 k») brachte 10034 Mk. und die staatlichen Weinberge (50 da, von denen 33 du noch dem Weinbau dienen), erforderten einen Zuschuß von 9177 Mk. — DaS sächsische Staatsbahnnetz erhält im Herbst dieses JahreS noch eine nennenswerthe Erweiterung durch Eröffnung neuer Linien und neuer Verkehrsstellen. Die zeither nur dem Güterverkehr dienende Bahnstrecke von Brandis nach Seelingstädt wird mit den Verkehrsstellen Ammelshain, Altenhain b. BrandiS und Seelingstädt voraussichtlich am 1. Oktober auch für den Personenverkehr eröffnet. Ferner ist für gleichen Zeitpunkt die Eröffnung der neuerbauten Nebenbahn von Königsbrück nach Schwepnitz geplant. Neue Personenhaltepunkte sollen endlich am 1. Oktober eröffnet werden in Zschernitzsch bei Altenburg an der Altenburg—Zeitzer Linie und in Floßmühle zwischen Grün hainichen und Reifland an der Chemnitz—Reitzenhainer Linie. — Nach der Gintommenseinschätzung vom Jahre 1888 gab es in Sachsen nicht weniger als 7 Personen, welche ein Jahreseinkommen von über eine Million Mark, der Höchst besteuerte sogar 4480000 Mk. hatten. Ob und wieviel darunter sogenannte „juristische" Personen, Aktiengesellschaften und der gleichen waren, wird nicht gesagt. 20 Personen hatten ein Jahreseinkommen von über einer halben Million Mark bis 924000 Mk. Die Einkommen von über 100000 Mk. bis 500000 Mk. waren 472 mal, Jahreseinkommen von über 50 000 bis 100 000 Mk. 976 mal vorhanden. Rechnet man dazu die Einkommen von 12 000 Mk. und darüber im Jahr, so erhält man die sogenannten „oberen Zehntausend". Alle anderen Ein geschätzten, und das sind fast 1*/, Million, hatten unter 12 000 Mark Jahreseinkommen. Am zahlreichsten ist natürlich die Zahl der in den Klassen 1» und 1 (Jahreseinkommen über 400 bis 600 Mk.) eingeschätzten Personen, die allein über eine halbe Million, also ein reichliches Dritttheil sämmtlicher Steuerzahler ausmachten, eine weitere halbe Million Eingeschätzter hatten Jahreseinkommen von 600 bis 1100 Mk. Die Zahl derjenigen Eingeschätzten, welche über ein Jahreseinkommen von 1100 bis 2500 Mk. verfugten, betrug über eine Viertelmillion. Einkommen von über 2500 bis 12000 Mk. waren nur rund 70 OVO mal vorhanden. Das gesammte steuerpflichtige Einkommen der zur Einkommensteuer in Sachsen eingeschätzten physischen und juristi schen Personen betrug über 1942 Millionen Mark, der Steuer betrag hierfür belief sich aus über 31 Millionen Mark. Wie wenig aber in Sachsen gerade die ärmeren Bewohner deS Lande- ein Recht haben, sich über den Steuerdruck oder überhaupt über die Härte der Steuer zu beklagen, geht daraus hervor, daß z. B. die erste Klasse der Censiten, über 319000 Personen, ob wohl »hr Einkommen über 144 Millionen Mark im Jahre, also reichlich den 14. Theil des Gesammteinkommens betrug, nur etwa den hundertsten Theil des auf die Gefammtsumme entfallenden SteuerbetragS zu entrichten hatten, dank der in unserem Lande eingeführten progressiven Einkommen steuer, nach welcher bekanntlich die niederen Einkommen prozentual wesentlich niedriger besteuert werden, als die höheren und höchsten. ES steigt nämlich die Steuer von Prozent allmählich biszu 4 Prozent an, sodaß also ein Einkommen von 400 bis 500 Mk. nur je 1 Mk. Steuer im Jahre, Einkommen von 10 000 Mk. aber z. B. schon 300 Mk. u. s. w. Steuer zu bezahlen haben. Wer ein Einkommen von 100 000 Mk. im Jahre hat, bezahlt davon 4 Proz., also jährlich 4000 Mk., an den Staat und so weiter. Der eine Höchstbesteuerte in Sachsen, welcher, wie oben gesagt, auf ein Jahreseinkommen von 4 Millionen und 480 Tausend Mark abgeschätzt ist, entrichtet dafür an jährlichen Steuern 179120 Mk., mithin weit über die Hälfte dessen, was die fämmt- lichen Steuerzahler der untersten Steuerklasse, an Zahl 319813 Personen, zusammen aufzubringen haben, denn diese haben von 20 Mark ihres Jahresverdienstes nur 5 Pfennige, die Censiten der höheren Klasse aber von jedem Zwanzig-Markstück 80 Pfg. an den Staat zu entrichten. Nur Unverstand oder Bosheit können behaupten, daß bei dieser Art der Besteuerung auf die Verhältnisse der ärmeren Bevölkerung nicht gebührend Rücksicht am Freitag Abend und di« Rordbnh« Sonnabend MH überhaupt geschloffen wurde». Der Kordon soll Sonnabend früh vollständig fein; er erstreckt sich 46 Kilometer um die Stadt Oporto herum mit Quarantäne-Stationen bei Gronja u«d Ermezieqde. Alle in den letzten Tagen Abgereisten mußten vorher eine« Erlaubniß- schein zum Verlaffen der Stadt erwirken, welcher nur nach sorg fältiger ärztlicher Untersuchung der Petenten ertheilt wurde, und zwar nachdem di« Betreffenden einer 4vstündigen Beobachtung m der Quarantäne-Station unterworfen worden. Jetzt kann über haupt Niemand mehr di« Stadt verlaffen außer auf dem See wege. Unter der ärmeren Bevölkerung herrscht bereits so bittere Noth, daß Hilsscomites gebildet und Lebensmiitel gratis vertheilt werden mutzten. Ein Aufruf des Gemeinderaths, den« der Civilgouverneur bestrat, richtet sich an die Bewohner deS ganzen Landes und bittet um sofortige Bildung von HilfScomitö» in allen Städten Portugals zur Abwehr der drohenden Hungers» noth. Die Errichtung des Pestkordons legt Handel und Industrie von Oporto vollständig brach und fügt der Stadt schwere Ver luste zu. «giment nach de» andern mi« verläßt. Die zurückbleibenden Negnlären sind wenig brauchbar; die FreiwilltgenkorpS waren ihnem so »«»' würdig das klingt, unendlich überlegen, und was an Kriegsarbutt hier gethan wordtn ist, muß fast ausnahmslos auf daS Santo dieser Frei willigen gefetzt werden. Selbst vom gesundheitlichen Standpunkte aus waren die Freiwilligen weit brauchbarer als die stehenden Truppen, di« wohl in Folge ihr« geringen Mäßigkeit, dem Klima viel rascher und in viel höherem Prozentsatz« erlag«n al» die Freiwilligen. Unter den Filipinos ist di« vielgesürchtew Beri-Beri-Srankhett anSgebroch«« und hat besonder» da« mehrere hundert Eingeborene beherbergend« Bilibid-Besänaniß heimgesucht. Die Arrzte machen große Anstrengung«« um der Krankheit Herr zu werden «nd wenigsten» die Stadt Manik« selbst davor zu schützen. Die kleinen Ansätze von Selbstverwaltung, welche die Eivilkommission tnS Leben gerufen hat, haben sich theilweise bisher gut entwickelt, und die Städte JSmuS, Baspina«," Laraor und Paranaaue besitzen heute felbstgewählte Bürgermeister und Stadträthei und ihren eigenen BerwaltungSrath, die sämmtlich und auSnah«»lo» au« Filipinos bestehen. Sobald diese indeß in direkt« Berührung mit den Amerikanern kommen, tritt eine zweifellos feindliche Strömung bei ihnen hervor. Hfrr ein Beispiel: General Oti» hatte schließlich Herrn Schurman nachgegeben und dieser einen Obersten Gerichtshof theil« aus amerikanischen Juristen gebildet. Die Filipino» haben sich saft sofort unter sich als Juristenkammer organisirt und ihr« erste Amt»- Handlung war eine Petition, worin sie den Anspruch «hoben, daß nur Filipinos vor de« Gerichtshöfen deSLandeS platdirrn, und diese selbst ausschließlich au» Filipinos zusammengesetzt werden müssen; d. h. si« schließe» von vorne herein alle Amerikaner und sonstigen Au»lände« au» Artacho, der alte Gegner Aguinaldo», hat seine« Friede« »it den Amerikanern gemacht »nd ist nach Hongkong gegangen, wo «ei»« flammende Kundgebung gegen Aguinaldo erließ und sich für di« An nexion durch die Vereinigten Staaten erklärte. Thatsächlich hatte « aus der Insel selbst so gut wie keimn Anhang, zumal seitdem Luu« gefallen ist und seine Flucht von der Insel wie seine Kundgebung haben wohl keine weitere Bedeutung, al» die einer freundliche« Em pfehlung an die Amerikaner, an deren schließlichen Sieg er glaubt und mit deren Hilfe er später noch eine Rolle zu spielen hofft. Di« Proviantirung der Stadt läßt gegenwärtig viel zu wünschen übrig. Au« der Provinz erhalten wir so gut wie nichts, und frisches Flrisch wie srischcS Gemüse sind recht seltene Dinge geworden. Unsere» Haupt- Proviant beziehen wir augenblicklich von Australien, von Wo Dampfer regelmäßig gefrorenes Fleisch und Konserven herüber bringen, di« dann in den Stskammern des EisschiffeS „Glacier", daS fest Anfang Juni im Hafen liegt, untergebrachi und dort bis zum Verbrauch ausdewahrt werden. Der „Glacier" brachte bei seiner ersten Ankunft nicht weniger als 1'/, Millionen Pfund Rindfleisch und SO 000 Pfund Hammelfleisch in gefrorenem Zustand« herüber. DK Aussichten fsir d« h<brLthSfähitz«n Pri»z«fsin«rn < K0» Europa, schreibt ein englisches Blatt, sind ziemlich schlecht, ! da ei» großer Theil vo« ihnen unverheirathet bleiben muß, wenn o« «2 nicht vorziehen, «ine morganatisch« Eh« einzugeh««. Es gegenwärtig nicht wencher als 71 heirathsfähig« euro« i Lischt Prinzessinnen, di« regierenden Häusern angehören. Diesen 7k Prinzessinnen stehe« nur 47 Prinzen von Geblüt gegenüber. Da die Mehrheit dieser Prinzessinnen protestantischen Häusern , chngkhört, so haben sie mcht einmal den Rückhalt von Klöster«, die sie eintreten könnten. Wenn sie sich überhaupt zu ver mache« gedenken, muffen sie Stellung und Rang opfern und Ak ihrer Hand einen Mann beglücken, der nicht von königlicher ««bürt ist. Die gegenwärtige Lage der europäischen Prinzessinnen ist also sehr heikel Die Hamburger Innung Bauhütte lehnte die Arbeiter- x^brrungen auf Einführung einer neunstündigen Arbeitszeit bei W Pfennig Stundenlohn (h ab, bewilligte dagegen neuneinhalb stunden und 65 Pfennig. Di« Arbeiter beharr«» auf ihrem daadpunkt, wollen jedoch weiter unterhandeln. Der am Freitag avgehaltene -perrelchische Ministerrath fall sich, wie die Prager „Politik" meldet, vornehmlich mit den Vorgängen in GraSlitz und den Nachbarstädte« beschäftigt haben. Ju Prag scheint man von dem Ministerrathe die Verhängung A Ausnahmezustandes gewünscht und erwartet zu haben, und ^da allem Anscheine nach ein« solche Maßregel «icht beschlossen «erde, klagt daS czechische Blatt die „Lauheit" der Regierung die darauf zurückzuführen sei, daß daS Kabinett nicht aus vleichgearteten Elementen (soll heißen: aus lauter Czechen!) zusammengesetzt sei, sondern auch solche enthalte, welche theils Ah rechts, theilS »ach link» abschwenken, theils auf einer Mittel linie verbleiben. Beim Zusammentritte deS ReichSrathrS, meint die „Politik", werde eine Klärung erfolgen müssen ; mit halben Maßregeln sei nichts gethan, die Regierung müsse zu Thaten schreiten, um die zu Falle gebrachte Autorität wieder aufzurichten. DaS könne nicht gelingen, so lange da» gegenwärtige, aus ver schiedenartigen Elementen bestehende Kabinett weiter beisammen bleibt. Also noch mehr Gendarmen zur Wahrung der Autorität, und noch mehr Czechen im Ministerium! Aus Grulich in Ostböhmen wird gemeldet: Freitag Abend kam eS hier z« großen Straßenunruhen, die in Folg« deS frivolen Borgehens der czechische« Landjäger einen großen Umfang an nahmen. An diesem Tage sollte Abg. Wolf zu seinen Wählern sprechen, die Versammlung wurde jedoch behördlich verboten; in Folge dessen machte sich in der Bevölkerung eine große Er bitterung geltend, welche auch abends zu großen Kundgebungen führte. Eine nach Tausenden zählende Menschenmenge zog unter Anführung deS Abg. Wolf durch di« Straßen der Stadt, nationale Lieder singend und hier «nd da Rufe wie „Nieder mit Thun!", „Nieder mit der Regierung!" ausstoßend. Lor dem Einzuge zum Marktplatze traten ihnen 56 Landjäger «nd Finanzer (!), meistens Czechen, entgegen, begannen gleich mit Gewalt gegen die Menge vorzustürmru und da diese selbstverständlich nicht sofort zurück konnte, mit dem Kolben dreinzuschlagen und mit den Bajonetten sich Platz zu machen. Mehrere Personen wurden verwundet, Alle von rückwärts; ein Wachtmeister trug einem Finanzer auf, daS Bajonett nicht hoch, sondern tiefer zu halten, damit eS inS Fleisch und nicht in die Lust gehe. (!) Dem Abg. Wolf setzten die Gendarmen die Bajonette an die Brust, doch intervenirte em Regierungsbeamter, deren drei erschienen waren. Abg. Wols und der Bürgermeister hielten Ansprachen und forderten dann zum Auseinaudergehen auf. Einige zufällig durchfahrende Reichsdeutsche wurden, trotzdem sie sich legitimiren wollten, von der Gendarmerie gewaltsam zurückgedrängt, so daß sie zu Boden fielen. Sie werden, wie sie erklärten, dies bezüglich Beschwerde bei der Gesandtschaft erheben. Mehrere Personen, darunter der Bürgermeister-Stellvertreter, wurden vrr- hastet, Letzterer jedoch wieder freigelassen. Die Erbitterung ist so stark und allgemein, daß selbst die früheren Christlich-Sozialen und Fortschrittlichen von Grulich im Nu zu Radikalen wurden! — So hilft Gras Thun selbst die radikale Bewegung stärken! Am Sonntag sand in Eger wieder eine große politische De monstration statt. Stadträtye und Stadtverordnete mit dem Bürgermeister und mehr als hundert angesehene Bürger zogen unter der Führung deS Abgeordneten Jro vor die Bezirkshaupt mannschaft, stießen stürmische Rufe gegen die Regierung aus und sangen die Wacht am Rhein. Dann hielt Jro auf dem Markt- Platze eine Rede, worin er zum Ausharren im Kampf auf» sorderte. Frankreich. Zu den Verhandlungen des Kriegsgerichts macht ein Wiener Mitarbeiter der „Köln. Ztg." die Mittheilung, daß der österreichische Oberst Schneider ohne Auftrag seiner Regierung gehandelt habe, und fährt fort: In politischer Hinsicht muß man sich nachgerade hüten, den Franzosen, die sich gegenseitig auffressen, noch die Finger in die Zähne zu stecken. Bei der Geistesbeschaffen heit des französischen Generalstabes, der die größte« Dummheiten sür echt nimmt, werden hoffentlich auch die jüngst in Wien ver hafteten Eisenbahnbeamten, die dLn Franzosen Eisenbahnmobil- machungspläne auslieferten, keine echten Pläne verkauft haben. Viel gespottet wird hier über die von den Generalen im DreyfuS- Prozetz verherrlichte „ehrenwerthe und hochgestellte Persönlichkeit", di« ja der ehemalige Attache der Wiener Botschaft Prince de Berghes sein soll. Der Prince de Aerghes ist, nachdem er hier mit der Schauspielerin I. große Summen verschleudert und schließlich die schlechtesten Mittel, sich Geld zu machen, »icht verschmäht hat, von Wien durchgebrannt. Er soll besonders bei einem Großhändler mit bedeutenden Wechselschulden hängen, aber auch bei kleinen Leuten, und würde in der Zeit seiner Verkommenheit die 1200 Franken des Obersten Picquart sür „patriotische" Spionagedienste nicht verschmäht haben. Portugal. Aus Oporto vom 26. d.M. wird noch berichtet: Die Ruhe in der Stadt ist zurückgekehrt und selbst die große Protest- Versammlung am Freitag gegen die Errichtung des Militär- kordonS führte zu keinen Straßenunruhen. Die Presse be schuldigt die Regierung, nachdem sie zuerst den Thatbestand ver heimlicht, ihn jetzt panikartig zu übertreiben, denn die Regierung habe z. B. auS Rücksicht auf den Staatssäckel den Vorort Saya nicht m den Kordon eingeschloffen, um den Weinexport, welcher über Saya geht, nicht zu unterbinden. ES ist allerdings schwer abzusehen, weshalb der letztere ungehindert vor sich gehen soll, während alle sonstige Ausfuhr durch die SanitätSmaßregeln nahezu unmöglich gemacht wird. DaS Haus, in welchem der letzte Pestkranke starb, wurde bi» auf d«n Grund niederaebrannt, eine Maßregel, die ebenfalls in der Bevölkerung Erbitterung erregte. Donnerstag und Freitag kamen vier neue Pestfall« vor, von denen einer mit tödtlichem AuSgang war. Er betraf ein kleines zweijähriges Mädchen, welches innerhalb 12 Stunden der Seuche erlag. Seit Mittwoch verlaffen zahlreiche Einwohner, namentlich die wohlhabenden, dir Stadt. Ms Sonnabend Mittag reist«« über 600 per Bahn ab, worauf dir Linie nach Lissabon Rußland. Ein Pariser Blatt, von dem bekannt ist, daß e» Mittheilungen aus dem französischen Ministerium des Auswärtigen empfängt (der Abendcourier, 6ourivr äu soir), veröffentlicht fol gende überraschende Nachricht: „Der Gedächtnißschwund, von welchem der Zar jüngst befallen worden ist, deutet auf einen gefährlichen Zustand seines Nervensystems hin. Nikolaus II. ist im Begriff mit der Kaiserin nach Darmstadt zu gehen und will die Regentschaft seinem Großonkel Nikolaus Michaelowitsch anvertrauen. Während seines Aufenthaltes im Auslände will er ich einer Gehirn-Operation unterziehen, die eine Oessnung »er Schädekdecke erfordert und deren Erfolg trotz der Fortschritte der chirurgischen Wissenschaft sehr ungewiß ist. Wir müssen unter diesen Umständen fürchten, daß wir nicht die Freude haben wer den, den unS Verbündeten Herrscher in Paris zu sehen, wo er früher mit so viel Enthusiasmus ausgenommen worden ist. Wenn auch seine Regierung die weitgehenden Hoffnungen jener Zeit nicht verwirklicht hat, so werden wir doch dem Friedenskaiser, der von Entwaffnung träumte und der uns sehr gütig und ein wenig schüchtern erschien, wie ein tief empfindender guter Mensch, unsere innige Theilnahme bewahren. Unsere Wünsche für seine Wieder herstellung sind die aufrichtigsten. Die Dynastie des ersten Niko laus würde mit ihm erlöschen, wenn er sich unglücklicherweise von dem Leiden, das ihn betroffen hat, nicht erholen sollte."—-Der Pariser Mitarbeiter der Londoner „Morning Post" schreibt gleich falls: „Verschiedene französische Zeitungen erwähnen einGerücht, daß der Kaiser von Rußland ein Gehirnleiden habe, das durch eine Knochenwucherung in Folge des Säbelhiebes verursacht sei, den er «inst in Japan bei seiner Rundreise um die Welt erhalten hat. Die Wirkung soll theilmeise und zeitweise eintretender Verlust des Gedächtnisses sein. Sie erklären, daß er in Kurzem mit der Kaiserin nach Darmstadt gehen und die Regierung seinem Oheim Nikolaus Michaelowitsch übertragen werde, während er sich einer Operation unterzieht. Es wird dem zwar in einigen Blättern widersprochen, aber keiner dieser Widersprüche trägt ein offizielles Gepräge." Da» finstere Gewölk, daS sich über dem Transvaal - Frei staat langsam zusammenzieht, ist in den letzten Tagen noch um einige Grade dunkler geworden. Portugal sperrt seine Kolonie Mozambique sür Wassen- und Munitions-Sendungen nach Trans vaal, Rußland will für die Zukunft Südafrikas gegen England keinen Finger rühren, Frankreich weist seinen Vertreter in Pre toria an, sich ja nicht zu Gunsten der Buren in eine britenfeind liche Stellung drängen zu lassen, Cecil Rhodes erklärt, Trans vaal müsse ein Land englischer Zunge werden. Das Alles sind Zeichen der Zeit, die dem klugen Präsidenten Krüger nicht ent gehen können. Er weiß, daß ihm kein anderer Ausweg bleibt, als mit Ehren einzulenken, oder seinen Heimathsstaat in einen Kampf auf Leben und Tod zu stürzen. Die Sprache der eng lischen Blätter wird mit jedem Tage drohender. Trotzdem rechnet wohl selbst der Kolonialminister Chamberlain noch darauf, daß eS ihm erspart bleiben werde, diese Drohungen wahr zu machen. Denn zum Losschlagen gegen ungefähr 50000 kriegsgeübte Männer, denen oieSmal neben ihren todbringenden Büchsen auch sehr an sehnliche artilleristische Vertheidigungsmittel zur Hand sind, ist die britische Streitmacht am Kap noch lange nicht fertig. Die bisherigen Rüstungen erfüllen nur gerade den Zweck, das schroffe Austreten der englischen Staatsmänner und ihrer Presse zu unter stützen. Ohne militärische Begleit-Erscheinungen würde sich das Brüllen deS britischen Löwen gar zu schwächlich ausnehmen. Was aber für die Regierung der südafrikanischen Republik schwerer als Truppen-Transporte und sonstiges Beiwerk ins Gewicht sällt, ist, wie oben angedeutet, die nicht zu übersehende Thatsache, daß Transvaal beim Ausbruch des Krieges allein stehen würde gegen einen übermächtigen und aufs Aeußerste gereizten Feind. Diese klare Erkenntniß der Lage dürste dazu führen, daß von den Buren fortdauernd eine Haltung beobachtet wird, bei welcher Eng land — was es gewiß gern thut — sein Schwert in der Scheide lassen kann. Bereinigte Staaten. Admiral Dewey predigt mit seinem Vorschläge, auf den Philippinen die Feindseligkeiten einzustellen und den Filipinos Selbstregierung zu gewähren, in den Regierungs kreisen Washingtons tauben Ohren. Ma« hält dort an der bis her befolgten Politik der gewaltsamen Expansion fest. Man hofft, die Tagalen dnrch die Uebermacht amerikanischer Truppen zu er drücken. Der Erfolg, den Oberst Smith am 16. August über die Filipinos davontrug, indem er diese aus stark verschanzten Stellungen bei Angeles Vertrieb und Angeles besetzte, scheint die Washingtoner Regierungskreise in dem Entschlusse bestärkt zu haben, das Aeußerste daran zu setzen, der Aufständischen Herr zu werden. Nach einer Washingtoner Drahtung -der „Morning Post" faßte die Washingtoner Regierung den plötzlichen Entschluß, sobald als möglich 20 Regimenter nach Manila zu entsenden. Die amerikanische Operatiousarmee auf Luzon bietet, wenn ein Bericht der „Kabel-Korr." zutrisst, ein Bild des Jammers; die Regenzeit dezimirt ihre Reihen. Der Bericht ist aus Manila, 14. Juli, datirt und lautet: Taifun und Wolkenbrüche haben Manila in einen weiten Morast unb seine besten Strafen in reihende Bäche verwandelt. Die Escolta steht 10 Fust unter Wasser und Ihre Bewohner sind sämmtlich in die oberen Stockwerke geflüchtet und verkehren mit der Außenwelt nur noch mit Hilse deS BooieS. Die Polizeibaracken sind vollständig unter Wasser gesetzt und die vor diesen stehenden Wachen waten 2 Fuß im Wasser. Alle die hundert kleinen Rinnsale, welche die innere Stadt durchziehen, sind au» ihren Ufern getreten und haben die anliegenden Gassen überschwemmt, so daß in den meisten der Verkehr nur noch in Booten aufrecht erhalten wird. Admiral Watson, Dewey» Nachsolger, wäre säst den tückischen Fluthen zum Opfer gefallen. Die Soldaten in den Laufgräben leiden am meisten, da diese alle unter Wasser stehen, und da« anliegende Land derart überschwemmt war, daß eS selbst den Fouragekarren und den TranSportiticrin unmöglich wurde, bi» zu den Laufgräben vorzudringeu und den Leuten Proviant u. s. w. zu bringt». Da« «esatzungikorp« schmilzt jetzt rasch zusammen, da ein Freiwilligen-