Volltext Seite (XML)
r« yrelderger Anzeiger ««d Tageblatt. Seite S. — 10 Februar. 18»S. »»richtig, wat die »Berl. Reuest. Nachr." geschrieben, daß seine GehirnthStigkeit im Abnehmen begriffen war. Mein Gott, er war ein alter Mann, den die Krankheit schwer plagte, und da ist man am liebsten still und spricht nicht viel. Am Sonntag kam vr. Seiler auS Krossen, der ihn behandelte, und konstatirte Lungen ödem, aber er glaubte, es gewiß zu bannen. Der Arzt war selbst überrascht, daß er Montag Vormittag bereits vor einem Todte» stand und meinte: »Das hätte ich nicht geglaubt, daß es so rasch kommen würde"; Herzschlag hatte den Tod herbci- gesührt. Montag um S Uhr srüh zählte er 45 Schläge in einer Minute. Der Graf schlief kurz darauf ew und erwachte nicht mehr. Die Zeichnungen auf di« »e»e Reichs- und preußische Anleihe lassen schon jetzt eine mehrfache Ueberzeichnung des aufgelegten Betrags erwarten. Die Zeichnungsstelle wird aber heute noch als an dem im Prospekt genannten Subskriptionstage Tags über offen bleiben. In der Budgetkommisfion des Reichstages ist vorgestern die Frage der Einführung eines neuen Gewehres erörtert worden: Bei Titel 18 (Zur Beschaffung des Ersatzes an Klcinfeuer- und Handwaffen, sowie zur Auffrischung der im Gebrauch der Truppen befindlichen Waffen 1886 505 Mark) nahm der Abgeordnete vr. Lieber Gelegenheit, an den Kriegs minister die Frage zu stellen, ob die Nachrichten über die allge meine Einführung eines neuen kleinkalibrigen Gewehres auf Wahrheit beruhten, und ob die Kriegsverwaltung der Frage der Hohlgeschoffe für Handfeuerwaffen näher getreten sei. Der Kriegsminister von Goßler berichtete zunächst über die Versuche, welche von der Kriegsverwoltung mit kleinkalibrigen Geschossen angestellt worden sind. Weder die Ergebnisse dieser Versuche, noch die Erfahrungen des spanisch-amerikanischen Krieges seien günstig für kleinere Kaliber ausgefallen. Im spanisch-ameri kanischen Kriege seien die Wunden zu leicht gewesen uud meist schon nach vier Wochen geheilt. Die Frage sei also noch in der Schwebe. Von einer Umbewaffnung unserer Infanterie könne einstweilen nur insofern die Rede sein, als ein neues, wesentliche Vorzüge vor dem bisherigen ausweisendeS Gewehr schloß von Mauser erfunden sei. Um eine Einführung dieses Schlaffes in größerem Umfange zu ermöglichen, habe er die für die Ausstattung der Truppen bewilligten Mittel so weit wie möglich zurückgehalten und nun neuerlich für dieses Eckstoß verbraucht. Tie Umgestaltung könne nur nach Maßgabe der vor handenen versügbaren Mittel dnrchgesührt werden. Was die Hohlgeschoffe betrifft, so sei die Einführung ein^ solchen keine rein militärische Frage, sondern eine ethische. Durch die Genfer Konvention feien freilich Explosionsgeschoffe verboten; aber auf die Bestimmungen der Genfer Konvention lasse sich ein Einspruch gegen die Verwendung der Dum-Dum- oder der Hohlspitzen- Geschoffe nicht stützen. Es werde Sache der Abrüstungskonferenz oder sonstiger internationaler Vereinbarungen sein, unnütze Grausamkeiten zu verhüten, wie sie durch Einführung des cng- tischen Dum-Dum- und anderer Hohlgeschoffe bedingt würden. Die deutschen kleinkalibrigen Geschosse trügen .vollen Mantel, weder sei die Spitze des Mantels entfernt, noch ein Hohlraum oder Weichblei in Anwendung gebracht. Eine Veränderung des Kalibers erscheine schon deshalb ausge schlossen, weil von den gegenwärtigen Patronen überaus große Borräthe für Kriegszwecke aufgespeichert seien. Die Budgetkommission des Reichstages berieth gestern Hen Gesetzentwurf, betreffend die Fricdenspräsenzstärke des Heeres und Aendrrungen des ReichSnnlitärgesetzes. Auf den Anttag, eine Generaldebatte abzuhalten, erklärt Abg. vr. Lieber, er halte dies für nothwendig, doch könne die Abhaltung einer Generaldebatte nur unter Gewährleistung absoluten Still schweigens gegenüber der Presse stattfinden. Abg. Bebel spricht sich gegen die Geheimhaltung aus. Abg. Richter sührt aus, bei der Geheimhaltung könne die Minderheit sich der Oeffentlichleit gegenüber nicht rechtfertigen. Die Kommission verzichtet schließlich auf die Generaldiskusfion und beschloß auf Vorschlag des Bor- sitzenden v. Kardorff, zwei Lesungen abzuhalten. Abg. Basser mann berichtet nunmehr über die Vorlage und die Vorschläge zur Formatton der Feldartillerie. Auf Vorschlag Richters be schließt di« Kommission, das vom Referenten gebotene Material drucken zu lassen; ferner soll der Kommission eine Aufstellung der artilleristischen Stärken anderer Staaten zugänglich gemacht werden, wozu der Kriegsminister sich bereit erklärt. Abg. Basser- mauu berichtete über ine Vorlage betreffend die Friedenspräsenz- stärkc des Heeres. Redner bespricht namentlich die Nothwendig keit der vorgeschlagenen Neuorganisation der Feldartillerie. Die geplante Vermehrung der Artillerie betrage 8883 Mann und 4393 Pferde. Redner betont ferner die Nothwendigkeit der Feldhaubitzen, die bei allen praktischen Versuchen sich bewährt hätten. Unsere jetzigen 494 Batterien würden durch die Vorlage auf 505 Kanonenbatterien und 59 Haubitzenbatterien erhöht werden. Der gesammte Mehraufwand würde 75 Mill. Mark betragen. Neber die Entwickelung des Zeitungswesens in Deutschland giebt die Begründung zu dem soeben im Reichstage eingegangenen Gesetzentwurf, betreffend die Aenderung einiger Bestimmungen über das Postwesen, ziffermäßigen Auf schluß. Nach der preußischen bezw. deutschen Reichs-Postzeitungs liste betrug die Gesammtzahl der Zeitungen im Jahre 1823: 474, 1863: 2763, 1873: 5579, 1883: 8529, 1893: 10496 und 1898: 12104. Im Reich-Postgebiet ist die Zahl der Zeitungen seit dem Jahre 1871 von 2751 auf 5713 im Jahre 1897 ge stiegen. In derselben Zeit hat sich die Zahl der postseitig ver triebenen Zeitungsexemplare von 1>/, auf rund 3*/z Millionen und die Zahl der gebührenpflichtigen Zeitungsnummern sogar von 202^ auf 937 Millionen jährlich erhöht. Während hiernach im Jahre 1871 auf 1 Exemplar durchschnittlich 169 Nummern ent fielen, belief sich deren Zahl im Jahre 1897 auf 269. Ein Riesenschub im Avancement steht, nach einer Be rechnung der „Schles. Zig.", bei der Feldartillerie bevor, wenn die neue Militärvorlage zum Oktober iu'S Leben tritt. Es werden dann z. B. Obersten vom 22. März 1897 Brigaden er halten, sämmtliche Oberstleutnants und wohl auch einige Majors zu Regiments-Kommandeuren und etwa siebzig Hauptleute zn Majors und Abtheilungskommandeuren befördert werden. Die »Deutsche Togesztg." schreibt: Die Frechheit mancher jüdischen Blätter geht nachgerade über das duldbare Maß hinaus. Daß der Centrumsabgeordnete Lingens in dankenswerther Weise sich bemüht hat, die Sonntagsruhe im Postverkehr zu fördern, bezeichnet die Zeitschrift»^ er Israelit" als einen dem Juden- thume versetzten Eselstritt. Uns fehlt jeder parlamentarische Ausdruck, um diese jüdische Keckheit treffend zu bezeichnen. Es ist beschämend, daß das jüdische Blatt wagen darf, die Sorge für die Feier des christlichen Sonntags in dieser Weise zu ver unglimpfen. In diesem Jahre sollen Versuche gemacht werden, die Sanitäts-Unterofsiziere im Radfahren auszubilden. Diese überaus zweckmäßige Anordnung darf als Beginn einer ost besprochenen Einführung betrachtet werden, die den Zweck ver folgt, diese Unterosfiziere schnell von einem Ort zum andern zu befördern und sie zur Ausübung ihres anstrengenden Dienstes frisch zu erhalten. Längst ist der das Bataillon begleitende Arzt beritten gemacht und nur so im Stande überall zu helfen; stets aber fehlte ihm der unbedingt nothwendige Begleiter mit der Arznei- und Verbandzeugtasche und lange Zeit mußte so mancher Marode, von dem bewachenden Gefreiten nothdürftig versorgt, am Chausseerande liegen, ehe ihm die vom Arzt verordneten Mittel verabreicht werden konnten. Da bei anstrengenden Hebungen er fahrungsgemäß Fälle von Hitzschlag, Sonnenstich oder Ermattung fast durchweg auf den An- und Rückmärschen, also auf Land straßen, Vorkommen, so ist gerade hier das Fahrrad von außer ¬ ordentlichem Werth. Natürlich wird zunächst mit den noch be schränkten Mitteln, vornehmlich im Bestände an Lernrädern bei den Truppen gerechnet werden müssen, es darf jedoch mit Be stimmtheit angenommen werden, daß der Erfolg für den Versuch spricht und daß von den Sanitätsunterosfizieren künftig nicht mehr gefordert werden muß, daß sie nach denselben Strapazen, wie die Truppe, ost noch Stunden lang, ohne zur Ruhe zu kommen, ihres Dienstes walten müssen. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Im Falle des sozialdemo kratischen Privatdocenten Aron hält die „Franks. Ztg." unserem Dementi gegenüber an der Behauptung fest, daß das Kultus ministerium den Plan, Arons wegen Zugehörigkeit zur sozial demokratischen Partei zu diszipliniren, zwar aufgegeben habe, aber auf Umwegen gegen ihn vorzugehen beabsichtige. Die Be hauptung steht aber, wie wir in Wiederholung unseres neulichen Dementis bemerken, mit den thatsächlichen Verhältnissen im Widerspruch oder deutlicher gesprochen, ist von Anfang bis zu Ende unrichtig. Um in unseren Mittheilungen noch etwas weiter zu gehen, als es sonst bei noch schwebenden Sachen üblich ist, fügen wir hinzu, daß die einleitenden Schritte, welche das Disziplinarverfahren gesetzlich erfordern, schon längst erfolgt sind und somit wird die Frage, ob die Zugehörigkeit zur sozialdemo kratischen Partei mit der Stellung eines Universitätslehrers vereinbar sei, in der durch das gesetzmäßige Verfahren gegebenen Zeit ihren endgiltigen Abschluß finden. Ein neuer Schritt des ehrenwerthen ehemaligen Rechts anwalts Fritz Friedmann wird aus Berlin berichtet: Seit einigen Tagen ist die Gattin des mehrfachen Millionärs und Rittergutsbesitzers v. M. aus der Kurfürstenstraße verschwunden. Die etwas exzentrische, feingebildete, jetzt 38jährige Frau heirathete ihren jetzigen Gatten im Jahre 1894, nachdem sie 1893 von ihrem ersten Manne, einem höhern Verwaltungsbeamten, ge richtlich getrennt wurde, wobei der Letztere für den allein' schuldigen Theil erkannt wurde. Dieser Erfolg war ein besonderes Verdienst des vr. Fritz Friedmann, des Rechtsbeistandes der Frau, v. Bk., die seit dieser Zeit einen intimen Umgang mit vr. Fried-' mann unterhielt, demselben bedeutende Gelder vorschoß und nach seiner Flucht noch weitere 20000 Mark zu decken hatte. Zu seiner Amerikareise „lieh" sich der — berühmte Vertheidiger weitere Gelder, die Frau v. M. ihm bereitwillig gab. Herr v. M. hatte keine Ahnung, daß seine Gattin mit dem ehemaligen Vertheidiger in ständigem Briefwechsel stand, obgleich es ihm ausfiel, daß seine Frau auch in neuester Zeit noch so viel von vr. Friedmann schwärmte. Am 23. v. M. wollte Frau v. M. nach Stettin zum Besuche einer Schwester fahren. Dort ist sie nicht eingetroffen. Statt dessen erhielt Herr v. M., der von dem Verschwinden seiner Frau bereits die Polizei benachrichtigt hatte, am Sonnabend ein Telegramm aus Hoboken bei New-Jork: „Bin hier, verzeihe mir." Herr v. M., statt die Ehescheidungs klage einzureichen, ist nicht geneigt hierzu, sondern er will mit dem nächsten Dampfer seiner Frau nachreisen. Die von Frau v. M. mitgenommenen Werthpapiere haben etwa 150000 Mark. Werth. Der größte Theil besteht aus im Kurse hochstehenden Aktien der Kontinental Caoutchouc u. Guttapercha Compagnie zu Hannover. Oesterreich. Von welch abgrundtiefem Haffe gegen Alles, was deutsch ist und insbesondere gegen die deutschen Studenten in Prag die czechischen Stadtverordneten von Prag, erfüllt sind, beweist die Rede, die einer der fanatischesten Czechen- führer, der jungczechische Reichsrathsabgeordnete Brzesnovsky Montag im Prager Stadtverordnetenkollegium unter dem allge-' meinen Beifall seiner Amtsgenossen hielt. Dieselbe ist zur Kenn zeichnung der nationalen Verhältnisse in Prag so geeignet, daß wir nicht umhin können, wenigstens die Hauptsätze aus derselben hier wiederzugeben. Er sagte u. A.: „In der letzten Zeit komme es häufig vor, daß von Alkohol durchseuchte Individuen (!) mit Kouleurkappen (!) regelmäßig ruhige Passanten bedrohen (!), Frühliugsstiimt. Roman von Nataly von Eschstruth. (12. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) In der Residenz erregte es ein ungeheures und berechtigtes Aussehen, als die beginnende Herbstsaison die Gesellschaft noch mit einer verspäteten „Myrthenblüthe" überraschte, mit der Verlobung Ihrer Exzellenz der Freifrau von Torisdorsf mit dem amerikanischen Banquier James Franklin Sterley. Jojef hatte voll banger Sorge diesem Tag entgegengesehen, und sein Herz klopfte zum Zerspringen bei dem Gedanken, daß sich die ehemals gehegten Befürchtungen der Mutter bewahrheiten uud die Mitglieder der Hofgesellschaft es der fahnenflüchtigen Frau all- sogleich markiren würden, daß sie nicht gewillt seien, eine Missis Sterley in ihrem Kreise zu dulden. Diese Deniüthigung hätte Josef der empfindsamen Mutter gern erspart, uud darum erfüllte es ihn mit einem wahren Gefühl der Herzerleichterung, als Prinzessin Helene schon im Laufe des nächsten Vormittags persönlich vorfuhr, der ehemaligen so beliebten Hofdame ihrer Mutter die Glückwünsche der königlichen Familie mündlich auszusprechen. Die Prinzessin schien wohl mit den Ver hältnissen zu rechnen, und sich von Herzen zu freuen, daß der un bemittelten Wittwe noch ein so sorgenfreies, glänzendes Loos be- schieden sei, um so mehr, da sie nur das Beste und Rühmlichste von Mr. Sterley gehört habe. Dem Beispiel der hohen Frau folgte die gesammte Gesell schaft, und während sich auf der Straße die Equipagen drängten, hörte das Brautpaar droben im Salon Ihrer Exzellenz so viel schöne, liebenswürdige Worte und so viel ehrlich gemeinte Glück wünsche, daß Josef wie verklärt neben Klaus in dem Erker stand, die Hand des neuen Bruders krampfhaft drückte und flüsterte: „Wie lieb alle Leute meine Mutter.haben! Heute beweisen sie es!" — Ein glänzendes Diner, welches jedoch nur die intimsten Freunde des Brautpaares vereinigte, unterbrach in erlösender Weise die Gratulationskour, und die Sterne funkelten längst am Nachthimmel, als Joses zum ersten Mal wieder mit der Mutter allein war. Er schloß sie innig in die Arme uud sein Blick brannte er wartungsvoll aus ihrem Antlitz. Seltsam, die Generalin sah weder triumphirend noch sehr selbstbewußt und zufrieden aus, — die milde, etwas müde Regungslosigkeit, welche ihr seit dem Aufent halt in Ostende eigen geworden, lag auch jetzt auf dem schönen Gesicht. „Mamachen — freust Du Dich denn nicht, daß sie alle ge kommen sind, daß man Dich so gewaltig gefeiert hat? — Siehst 'Du wohl, daß Jedermann Deine Wahl billigt und Dir keinen 'Vorwurf daraus macht? Ines strich mit der schlanken Hand liebkosend über das Haupt des Sprechers und drückte ihn fester noch an die Brust. „Ja ich freue mich dessen, Josi, — uni Deinetwillen!" „Nicht auch um Deiner selbst willen, Mamachen?" „Nein, da ist es mir gleichgiltig! " „Undenkbar — und ehe Du Dich verlobtest!" „Es ist alles so anders geworden, äarlinx, und ich habe mich wohl in der kurzen Zeit sehr verändert. Ich bin ausgesöhnt mit meinem Schicksal, auch ohne den Heirathskonsens der Menge. James Franklin ist ein Mann, welchen seine Gesinnung adelt, ich habe ihn schätzen und achten gelernt, und Klaus " „Nun? Und Klaus?" „Wirst Du eifersüchtig auf ihn sein?" „Gewiß nicht Mamachen! O, gewiß nicht! Sag, daß Du ihn lieb hast!" Ines lächelte wie im Traum. „Ja, ich habe ihn lieb, denn er verdient es, geliebt zu werden! Er wird neidlos mit Dir das Erbe des Vaters theilen, darum theile auch Du mit ihm das einzige Kleinod, welches Du besitzest, mein braver Sohn, — die Liebe Deiner Mutter!" Josef küßte leidenschaftlich die Hände der Sprecherin. „Gott Helse mir dazu! Ich will brüderlich mit ihm theilen und es Dir Zeitlebens danken, daß ichs kann!" An die Thüre klopfte es. Lina trat mit strahlendem Gesicht ein und trug einen wunder vollen Blumenkorb. „Ein Gute-Nacht-Gruß vom Mister Sterley!" knixte sie, „der Brief liegt unter den Rosen. Ines öffnete ihn lächelnd und überflog die wenigen Zeilen, und dann hob ein tiefer Athemzug ihre Brust. — „Josef! — Josef! — lies!" Neberrascht nahm der Genannte daS duftende Blatt und über flog seinen kurzen Inhalt. „Theuerste Ines! Der heutige Tag, welcher mich durch Deine übergroß: Huld und Güte so unaussprechlich reich gemacht hat, darf nicht enden, ohne daß ich Dir in einem sichtbaren Zeichen meine innige, tiefe Dankbarkeit beweise! Sonst ist es das Vor recht des Bräutigams, die Geliebte zu schmücken, Du aber hast Dir so eindringlich Perlen und Brillanten verbeten, daß mir Dein Wunsch Befehl sein muß. So gestatte mir ein anderes Braut geschenk: Lichteuhagen, ein ehemaliger Besitz der Torisdorffs, ist mir zum Kauf ««geboten, und erlaube ich mir, Dir das Gut hiermit als Morgengabe zu Füßen zu legen, damit Du ein be hagliches Ruheplätzcheu in der Nähe der Residenz zur Verfügung hast. Wenn Du es wünschest, lasse ich den Besitz auf den Namen Deines Sohnes in das Grundbuch eintragen " „Josef, was sagst Du dazu?" Die steinerne Ruhe ivar aus den Zügen der Generalin ge wichen, mit leuchtenden Augen, athemlos, heiß erglühend vor Auf regung legte sie die Hände auf die Schultern des Sohnes. „Lichtenhagen, Dein Eigenthum, Josef! — Hörst Du es denn Josi? . . . Dein Eigenthum!" Der junge Torisdorsf stand regungslos, schwer athmend, die Augen gesenkt, die Lippen geschlossen. „Josef!" Da blickte er auf und lehnte den Kopf an die Schulter der Mutter. Er sah ihre Freude, ihr Entzücken, er konnte ihr diese Stunde nicht trüben. „Mutter, darf ich denn ein solch ungeheures Geschenk an nehmen? — Wie soll ich je solch eine Schuld abtragen an Mister Sterley?" Ein herber, beinah harter Ausdruck lag plötzlich auf dem Antlitz der Generalin. „Mister Sterley wird Dein Vater sein, und ich hoffe, Du wirst noch reichere Geschenke von ihm erhalten, wiei dieses Gut. Ich verlange nicht, daß er sein Vermögen zwischew Dir und Klaus theilt, — dazu steht ihm das eigene Kind näher als Du, aber ich werde nie seiner Freigebigkeit wehren, wenn er nach Kräften für Dich sorgen will. Das ist nicht nur sein Recht, sondern seine Pflicht, und um ihm dies zur Pflicht zu machen —" „Verzichtest Du für Dich selber auf Perlen und Diamanten, Mutier?" — Wie ein Aufschrei klang's. Wieder irrte ein müdes Lächeln um die Lippen der Generalin, sie schüttelte langsam den Kops. „Laß gut sein, Kind, es ist ja kein Opfer für mich! Ich bin eine alte Frau —" „Mama!" „Die das Glück genossen hat und an sich selber dachte, so lange es noch Blüthen zu pflücken gab; die Früchte gehören Dir. — Ich habe noch nie so viel an Dich und so wenig an mich gedacht wie jetzt, wo die Welt wohl glaubt, ich sei darauf bedacht, mich für meine alten Tage weich zu betten. Daß ich dies thue, leugne ich nicht, und ich erkenne alles dankbar an, was mir so viel Annehmlichkeit und Behagen schafft. Aber all der Schimmer uud Glanz, welchen mein Leben noch trägt, ist doch nur buntes Herbstlaub an ersterbendem Stamm, darum breitet der die Zweige desto sorgsamer über das junge Reis, welches neben ihm aus seiner Wurzel sproßt. — Warum siehst Du mich so wunderlich an, Liebling? Ist es etwas Unnatürliches, alt zu werden?" Josef schüttelte den Kopf, er lächelte plötzlich. „Gewiß nicht, — und ich hoffe zu Gott, daß wir es Beide noch aneinander erleben! Zum Herbstlaub ist es aber noch zu früh, und ich denke, zuvor kommt noch der Johannistrieb neuer Lebens kraft und -Freude, welcher auch wieder Wohlgefallen an sich selber finden läßt, wenn das Wurzelreis genugsam mit blinkendem Thau und blendendem Sonnengold überschüttet ist! Vorläufig ist es in gar guten Boden verpflanzt, und wenn ich thatsächlich Lichtenhagen von Dir und . . . dem Pflegevater zu Lehen erhalte, so ist wohl in ausgiebigster Weise für mich gesorgt. Darumfort jetzt mit all den Schatten, welche immer wieder die Sonne ver dunkeln wollen, weder Lichtenhagen noch alle Reichthümer der Welt können mir das Glück ersetzen, Dich glücklich zu sehen! — Ich bin'S nuk, wenn Du cs bist, Mutter, während mich Sterleys Glücksgüter zu Boden drücken würden, wenn auch Du sie als Last empfändest!" (Fortsetzung folgt.)