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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 10.02.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189902107
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990210
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990210
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-02
- Tag 1899-02-10
-
Monat
1899-02
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 10.02.1899
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84. Nreiderger Anzeiger «nd Legeblett. Seite S. — 10. U«br««r starken Rückhalt fände. Daher ist eS immerhin nützlich, die deutschen Zeitungsleser auf diesen Herrn und seine ausgesprochen dreibundfeindlichen Gesinnungen bei Zeiten aufmerksam zu machen. „Figaro- erfährt, die französische Regierung werde nur das russische Kaiserpaar amtlich zum Besuche der Weltausstellung einladen, doch würden auch alle anderen Herrscher, die aus eigenem Antriebe kämen, natürlich willkommen sein und als Gäste des StaateS in einem zu miethcnden oder zu kaufenden Palast untergebracht werden. Aus Paris wird vom 7. gemeldet: Man weiß jetzt, daß daS in ChälonS-sur-Marne im Auftrage des Untersuchungsrichters Boucard verhaftete Individuum mit dem strafweiseverabschiedeten Lieutenant Bertrand des 79. Infanterie-Regiments identisch ist. Bertrand hatte am 6. den ganzen Nachmittag am Buffet des Bahn hofes von CHLlonS-sur-Marne mit Briesschreiben zugebracht und wurde um acht Uhr von einem eben aus Paris eingetroffenen Geheimagenten sestgenommen und unter starker Bewachung noch im Laufe der Nacht nach Paris überführt Zwei Geheimagenten reisten biS nach Nancy, um dort die Maitreffe Bertrands fest zunehmen. Alle von Bertrand abgesandten Briefe und Depeschen sind von der Polizei beschlagnahmt worden. Der neue Spion hat natürlich für Rechnung Deutschlands gearbeitet. Daß man erst heute seinen richtigen Namen erfährt, hat seinen sonderbaren Grund. Das Kriegsministerium wünschte, seine Persönlichkeit möglichst lange im Dunkeln zu lassen, und gab ihm deshalb selber ein Pseudonym. Bertrand alias Boisson wurde ans dem Heer ent lasten, weil er wegen seiner gestern in Nancy verhafteten Geliebten Marie Baradel Schulden machte und öffentliches Aergerniß erregte. Er wurde dann Geschäftsreisender und machte im Januar dss. Js. die Bekanntschaft verdächtiger Persönlichkeiten, die sich ebenfalls als Geschäftsreisende ausgaben, indeß, wie die französischen Zeitungen wissen, deutsche Spione waren. Bei seiner letzten Anwesenheit in Paris soll er mit einem Geheimagenten der deutschen Botschaft verkehrt haben. Er wohnte in einer Pension, 3. Place Monge, wo gestern Haussuchung gehalten wurde. Man sand Boissons Uniform und belastende Schriftstücke. Boiston wurde im SantS-Gefängnisse internirt. Nach den neuesten Meldungen hat er nichts ausgeliefert, sondern nur werthloses Zeng, darunter Gewehrpatronen, angeboten, jedoch bei den be treffenden fremden Regierungsagenten keine Gegenliebe gefunden. Das „Echo de Paris" macht auf eine Aenderung der Aus schmückung der Pylonen der Alexander III.-Brücke auf merksam. Ursprünglich hätten die vier Statuen Frankreich unter Ludwig IX., Rußland unter Peter dem Großen, das moderne Frankreich und das moderne Rußland darstellen sollen. Statt dessen werden nur die zwei Rußland verkörpernden Standbilder durch Frankreich unter Kurl dem Großen und Frankreich zur Renaissaucezeit ersetzt. Auf die Frage »ach dem Grunde dieser Aenderung wurde dem Gewährsmann des „Echo" im Atelier der Architekten der Brücke geantwortet, der Generaldirektor der Welt ausstellung Picard habe das selbst so angeordnet. „Man könne nie wissen, was geschehen werde, und es wäre bedauerlich, wenn in den Beziehungen zwischen Frankreich und Rußland ein Wandel einträte und die Standbilder dann in einer Volksbewegung ver stümmelt würden." — Das läßt tief blicken! Von einem japanischen Gemüthsmenschen wird aus Tokio berichtet: Herr Koyama Kcdnosuke heißt ein japanischer Abgeordneter, mit welchem sich die Presse aller Parteien beschäftigt. Er hat aber gar keine Ursache, über seine plötzliche Popularität vergnügt zu sein, denn er erscheint in einem wenig schönen Lichte. Der kleme, geschmeidige Herr hat sich nämlich, als er Mitglied der Fortschrittspartei war, verpflichtet, gegen eine Summe von 4000 Ken Namentlich seit der Zeit, seit die sogenannte Böhmische Sparkafsa Sa» „Grand-Hotel" angekauft habe, um in demselben Kouleur- kereine zu organisiren. (In diesem Hotel befindet sich jetzt näm lich da» deutsche Studentenheim. D. Red.) Dieses „Grand- Hotel" sei auch eine Leihanstalt für Revolver, wie der Prozeß Linhart-Biberle gezeigt habe . .. Man seh«, wie Trunkenbolde t l» Biberle die Czechen überfallen, ja sogar ermorden (!), und denn sie festgenommen werden, weisen sie sich mit Waffenpässen au», die die Polizei derartigen besoffenen Individuen ausgestellt habe. ES sei höchste Zeit, daß der Prager Stadtrath etwas für den persönlichen Schutz der Czechen in Prag (!) vor den Deutschen (!) thue. Er frage den Bürgermeister, ob der Stadtrath gewillt sei, die Polizei zu Verhalten, daß künftighin solchen Leuten, wie den eben geschilderten, keine Waffenpäste mehr ausgesolgt werden, oder aber, daß Jeder einen Waffenpaß bekommt, damit die Czechen sich wehren können." — Der sattsam bekannte Bürger meister vr. Podlipny faßte diese Anfrage sofort als Antrag auf und brachte ihn zur Abstimmung, wobei derselbe auch thatsächlcch angenommen wurde. Die Polizei soll also angegangen werden, den Deutschen von Prag in Zukunst keine Waffenpäste auszu stellen, oder aber auch jedem Czechen, damit diese die Deutschen aus offener Straße gleich niederkuallen können! Man wird sich nicht wundern dürfen, wenn diese maßlose Hetzrede, welche BrzesnovSky gleichsam zum Fenster hinaus gehalten hat, beim Prager Pöbel nicht ohne Wirkung bleiben wird. In einer sehr angesehenen Pariser Monatsschrift hat Herr Kramarsch, der Führer der jungczechischen Partei im öster- ,reichlichen ReichSrath, einen Artikel veröffentlicht, worin er fein deutschfeindliches Herz vor Europa ausschüttet. Er erklärt lnit einer Offenherzigkeit, für die ihm die politische Welt Deutsch lands im Grunde dankbar sein muß, daß er, Herr Kramarsch, ein« Hauptstütze deS gegenwärtigen österreichischen Ministerium», än dessen Spitze Graf Thun steht, daS Bündniß zwischen der Habsburgischen Monarchie und dem deutschen Reiche für über flüssig hält. Der Dreibund, so sagt er ungefähr, ist ein alteS, ausgespielteS LuxuS-Klavier, zu schade, um eS schon auf den Boden zu bringen, aber zu abgenutzt, um noch daraus zu spielen. Statt dessen empfiehlt der österreichische Politiker, der sich — wie gesagt — guter Beziehungen zu den leitenden Staats männern Cisteithaniens erfreut, den Abschluß eine» Bündnisses zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland. Um diesen Gedanken seinen czechischen und französischen Freunden recht annehmbar zu machen, ergeht sich Herr Kramarsch in thörichten Ver dächtigungen gegen die deutsche Politik. Er behauptet, daß man von Berlin auS nicht nur die Stellung Oesterreich-UngarnS am Adriatischen Meere bedroht, sondern auch in Mesopotamien und Persien russische Pläne durchkreuzt, ja sogar die Hand nach — Indien ausstreckt. Diese haltlosen Ausstreuungen sind den Sommer und Herbst des verflossenen Jahre» hindurch, namentlich in französischen und russisch-polnischen Blättern, dem europäischen Publikum unermüdlich ausgetischt worden. Dann war nach Be endigung der Orientreise unseres Kaisers dieser ganze Lärm verstummt, jetzt kommt Herr Kramarsch und wärmt unter offener Kriegs-Erklärung gegen den Dreibund die alte unwahre Ge schichte wieder auf. Auch das könnte unbeachtet bleiben, wenn der Führer der Jungczechen nicht in maßgebenden politischen Kreisen des verbündeten Nachbar-Reiches einen, wie es scheint, 16000 Mk.) a«S seiner Bartei auSzuscheiden und mit den Gegnern zu timme». ES handelt« sich um die Abstimmung wegen der Landsteuer. Lr nahm da» Geld, schrieb an seine Parteifreunde, mau habe ihm Geld geboten und er nehme «», weil er ein« so große Summe brauchen Kune, doch werde er später wieder zur Partei tommen! Dann ging er hin nnd stimmte, anstatt für — wie man erwarten mußte — gegen die Landsteuer! - Als Grund seines Verhalten» gab er an, man habe ihn bezahlt, damit «r au» der FortschrittS- isrtei auStrete, aber von dem Gesetze sei keine Rede gewesen. Er indet, daß eS schade gewesen wäre, so plötzlich angeboteneS Geld nicht zu nehmen, denn dann hätte e» ein anderer Fuhai-kau verkommener Kerl) weggenommen. „Omayada Schinzo ist der Hereiugefallene, denn warum hat er «S mir so unvorsichtig gegeben!" , — .—- —-—— Amerikanische Statistiker wollen festgestellt haben, daß während de» spanisch-amerikanischen Krieges in den Bereinigte« Staate« durchwegs mehr Knaben al» Mädchen geboren wurden. Ja, eS haben sich sogar „Gelehrte" gefunden, die für diese That- sache eine wiffenschastliche Erklärung geben zu können glauben. Di« auffallende Bevorzugung de» männlichen Geschlechts war nicht» weiter al» eine weise Vorsicht der Natur. Diese ausge zeichnete Rechnerin wollte offenbar die durch den Krieg ver ursachten großen Verluste an Männern wieder wett machen. Es handelte sich hier also einerseits um einen Ausgleich, andererseits aber auch um weise Voraussicht, indem für kommende Kriege für neue-, genügende» Kanonenfutter gesorgt wurde. O Natur, wie bist du »eise I Doch Scherz bei Seite, es ist thatsächlich »ft die Beobachtung gemacht worden, daß nicht nur nach Kriegen, sondern auch nach großen HungerSnöthen, die viel Opfer an Mensche» gefordert hatten, und nach verheerenden Epidemien mehr Knaben al» Mädchen geboren werden. ES existiren natürlich alle mögliche» Hypothesen über die vermuthlichen Ur sachen dieser eigenartige» Erscheinung, doch hat man selbstver ständlich noch keine erschöpfend« Erklärung hierfür oefunden. schlossen worden. — Gegen Influenza, Husten, Halsschmerzen. Man schreibt der „Mcklb. Ztg.": Als ein ebenso einfaches, wohl schmeckendes und stets wirkendes Hausmittel ist Apselthee zu empfehlen. Aepfel jeglicher Art werden mit der Schaale m! Kluften geschnitten, in ein Gefäß gethan und nur warmes Wasser daraufgegossen. Man setzt es in eine warme Ofenröhre. Nach-, dem es einige Stunden heiß gestanden, kann man schon den Thee davon abgießen und trinken. Etliche Male kann man das Wasser erneuern — bis die Aepfel gänzlich ohne Kraft sind. Dieses Mittel ist so billig und so einfach, daß es in jetziger Jahreszeit in keinem Haushalt, namentlich wo Kinder sind, fehlen sollte. Zu jeder Tageszeit kann man davon trinken. Wer recht elend und fiebrig ist, kann in Pausen von »/, Stunde davon nehmen nnd wird große Erleichterung fühlen. — Für die Familien der „Opfer des Dresdner Tchwur- gerichtshofes" — so bezeichnet die Sozialdemokratie die von Rechts wegen verurtheilten Löbtauer Zimmerer — wird seitens der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion in einem Aufruf an vie „Genossen" eine Geldsammlung angeregt. Wenn die Sozial demokratie die Verpflichtung fühlt, für die Familien der „Opfer", — welchethatsächlichdie Opfer der s ozialdemokrati schen Verhetzung sind- einzutreten, so läßt sich nichts dagegen einwenden; denn diese Verpflichtung besteht für die Sozial demokratie. Wenn in dem Aufrufe aber gesagt ist durch den Oertliches und Sächsisches. Freiberg, de» S. Februar. — Ernen«»«ge« «nd Beförderungen im Departe ment deS Kultus und Sflentliche« Unterrichts. Beim Gymnasium Albertinum zu Freiberg: vr. pdil. Emil Richard Olbricht, bisher Oberlehrer am Realgymnasium Döbeln, in gleicher Eigenschaft: beim Realgymnasium Freiberg: vr. Karl Richard Berge, bisher mchtständiger wissenschaftlicher Lehrer, al» ständiger Lehrer. — Vom hiesigen JLgerdataillon 12 wurden heute Donnerstag früh 5.46 200 Mannschaften und mehrere Pferde mittelst Bahn nach Tharandt zur Theilnahme an Winterübungen befördert. . — Es sei noch besonders darauf hingewiesen, daß die Wochen gottesdienste wieder beginnen und daß morgen Freitag abends 7 Uhr in der hiesigen Domkirche die erste Missions stunde gehalten wird. (Siehe die Kirchennachrichten.) — Wie Angehörige Sachsen- von den Deutschen Stu denten- «nd Schülerherbergen Gebrauch machen, geht aus folgender Zusammenstellung hervor. Nach dem Jahresberichte für 1898 waren unter 8075 Besuchern der von der Hauptleitung in Hohenelbe abhängigen Deutschen Studenten- und Schüler herbergen 1061 Leipziger, 850 Dresdner, 342 Chemnitzer, 193 Plauener, 103 Bautzener, 101 Zwickauer, 96 Zittauer, 89 Roch litzer, 73 Grimmaer, 72 Zschopauer, 68 Freiberger, 67 Löbauer, 57 Nossener, 55 Oschatzer, 53 Annaberger, 49 Auerbacher, 43 Pirnaer, 41 Schneeberger, 29 Meißener, 26 Bornaer, 18 Mitt weidaer, 12 Reichenbacher, 9 Crimmitschauer, 8 Döbelner, 4 Tharandter, 3 Leisniger, 3 Wurzener, 2 Bischofswerdaer, zu sammen 3227. Leipzig und Dresden sind am stärksten vo» allen Städten vertreten, dann folgen erst Berlin mit 673 und BreSlau mit 661 Besuchern. Dabei sind von den ausgegebenen Ausweis karten nachweislich über 75 Prozent unbenutzt geblieben. — Um SachsenS Jndustrieprodukte im AuSlande mehr und mehr bekannt zu machen und denselben neue Absatzgebiete zu erschließen, veranstaltete der Exportverein für das König reich Sachsen zwei Reisen nach Rußland, die einen sehr guten Erfolg hatten. Eine andere Koüektivreise nach Südamerika hatte anfangs nur geringen Erfolg zu verzeichnen. Später änderte sich dies, als Argentinien und die Westküste Amerikas bereist wurden. Gegen Ende de» vergangenen Jahres unternahm derselbe Verein eine Kollektivreise nach Aegypten, welche sich bis zum Sudan ausdehnen soll. Man beabsichtigt ferner, das Export- mnsterlager in Dresden durch Ausstellung ausländischer Produkte und Fabrikate zu erweitern, um die sächsische Industrie über den fortschreitenden Wettbewerb des Auslandes auf dem Laufenden zu erhalten. — Der bekannte Afrika-Reisende Ober-Leutnant a. D. Westmark wird nächsten Montag im Gewerbehaus einen Bortrag über seine Reisen in Afrika halten. Der „Hann. Courier" schreibt über den Vortrag: Ein genußreicher Abend wurde dem Publikum, welches, der Einladung des Afrikareisenden folgend, sich im Saale des Künstlervereins eingefunden hatte, bereitet. Die eigenartige Vortragsweise Les jugendlichen Reisenden fesselte die Zuhörer von Anfang an. Der Vortrag wurde mit stürmischem Beifall ausgenommen. Der „Wests. Merkur" in Münster schreibt: Man hatte wohl erwartet, daß die Ausführungen des bekannten Weltbereisenden höchst interessant werden würden, aber auf einen so dem Inhalt und der Form nach herrlichen Vortrag war man doch nicht gefaßt. Die mit jugendlichem Feuer vorgetragene Rede ergriff sichtlich jeden Zuhörer. Westmark versetzte uns im Geiste in die Urwälder und unter die Menschenfresser Afrikas. — Der Babelsberger Stenographenverei« zu Freiberg wird Montag, 20. Februar d. Js., abends 8 Uhr, im Salon deS Restaurants „Stadt Dresden", dem Beispiele anderer Stenographenvereine größerer Orte folgend, einen „Damen- Extra-Kursus" eröffnen, dessen Leitung ein hiesiger Lehrer über nommen hat. Anmeldungen sind in der Frotscher'schen Buch handlung (Erbischestraße) sowie am Tage der Knrsus-Eröffnung bei dem Herrn Kursuslehrer zu bewirken. — Im Naturheilvercin zu Freiberg spricht Freitag Abend Herr Anstaltsbesitzer Gnido Pickert über Massage, Heilgymnastik und Athmungsgymnastik für den Familiengebranch. Der Bor trag findet mit Demonstration der Technik der betreffenden Vor nahmen im Gewerbehaus statt. — Freiberger Papierfabrik zu Weitzenborn. Der Gewinn des Geschäftsjahres 1898 beträgt 273360 Mt. (gegen über 321610 Mk. in 1897). Nach Absetzung von 140536 Mk. für Abschreibungen sollen 8 Proz. Dividende (gegen 9*/, Proz. sür 1897) zur Vertheilung gelangen. — Der arme Dreyfus! Was hat er alles durchgemacht. DaS schlimmste aber, was man ihn anthun konnte, ist nicht seine Verbannung nach der Teufels-Insel, sondern seine Dramatisirung. I ES giebt da einen A. Werzner, der sich, um wahrscheinlich einem ängst gefühlt«» Bedürsniß abzuhelfen, der Aufgabe unterzog« >at, die DreyfuS-Affaire zu dramatisiren, oder vielmehr auf oie Bretter zu bringen. Er hat ein „Weltbeherrschende» Sensation»- Drama in 5 Abtheilungen" geschrieben, daS den klangvollen Titel ührt „Kapitän DreyfuS, ver Verbannt« auf ver Leufet-tnsel oder Prozeß Zola". Dieses Schauerwerk, daS chon seit längerer Zeit in kleineren Orten unseres Sachsenlaude ferumgespult hat, erlebte gestern Abend nunmehr auch in unserem Freiberg seine „Premiere". Im Saale der Union ging das Eceigniß vor sich. Man saß gemüthlich an Tischen, trank sein Bier und rauchte seine Cigarre. Der „Sperrsitz" ä 1 Mark, 50 Pfg. wie» recht bedenkliche Lücken auf, dafür waren aber die übrigen Plätze sehr gut besetzt, und die „höchsten Stufen", den Göttern de» Olymps am nächsten, waren fast überfüllt. Seit lich vom Proszencum stand ein Pianoforte, da» unter melancholischer Bearbeitung die Zwischenakte auf da» Angenehmste auSsüllte. Dann ging's loS. „Die spielen aber scheine" sagte in der» Zwischenpause ein halbwüchsiger Olümpier am Eingang«, und «in anderer meinte naiv: „Ich bin bloß neigieng,, Waffe mit dem Dreyfus machen wärn." Nun, sie machte»' alles Mögliche mit dem „armen Allfonz", wie seine Gattin^ Luci« (sprich Lici), die bleiche, in Wahrheit aber roth ge-> schminkte, ihn zärtlich nannte. Man sah im Grunde wenigs von dem Schicksal des armen KapitänS; in rollenden Phrasen wurde daS Meiste davon bloß erzählt. ES war, als hörte mau auS den verdächtigen Zehnpfennigheften einen Kolportage-Romani vorlesen. „Wüßtest Du, wie bedürfnißloS die Seele ist, weuu sie leidet", sagte Allsonz zu seiner Gattin, der bleichen, beim Abschied im Gesängniß, dessen „Dekoration" in sehr praktischer Weise durch Umkehren der Coulissen (sodaß man die Latten und Leinwand sah) erzielt worden war. Ach ja, DreyfuS hatte mit seine» Worten recht, und daS blieb ein großer Trost. Sie haben den' armen Allfonz degradirt; auS dem hübschen französischen Offizier mit der deutschen Feldbinde ist ein Gemeiner geworden, nur di« Osfizierhosen hat man ihm gelassen. Und dann rief er vor seiner Abführung in die Verbannung in Schmerz und Wehmuch auS: „Lebe wohl, auf Wiedersehn — hier oder dort —. Laßt doch, herab!" Und der Vorhang senkte sich. Im 4. Bild erreichte die „Handlung" ihre glanzvolle Höhe. DaS deuteten auch schon die. einzelne» Vorbereitungen an: eS wurde hinter den Coulissen tüchtig genagelt und gepocht. Man brauchte auf der Bühne auch noch einen Tisch, den man sich beim Publikum vom „Sperrsitz" holte. Der Kapellmeister verschwand, er hatte nämlich außer der Besorgung der Zwischenaktsmusik auch noch die wenig dankbare Aufgabe zu erfüllen, den „ZZola" zu vertheidigen, wie man de» nach der MaSke etwa 30jährigen Mann nannte, der den fran zösischen Sittenschilderer vorstellen sollte. DaS war übrigens ei» recht gemüthlicher Gerichtshof. Präsident, Staatsanwalt, Verthei- diger, Geschworene oder Beisitzer saßen friedlich zusammen an einer Tafel. Diese Einträchtigkeit kam auch dadurch schön zum Aus druck, daß man nicht wußte, was Geschworene oder Gerichtsbeisitzer waren: sie sahen alle wie Eskimos aus. Der Labori-Kapellmeister hatte seinen Platz wahrscheinlich seinem schneidigen Auftreten zu danken, das er besonders durch die wiederholte energische Be hauptung dokumentirte: „Wenn wir ein Jahr hier verhandeln sollten, dre Wahrheit muß anS Licht." General Pellieux erschien in sehr schöner Uniform vor Gericht. Als Esterhazy (wenn der Name ausgesprochen wurde, wars immer, als müßte man: Prosit! rufen) aufgerusen wurde, ging eine Bewegung der Erwartung durch daS Publikum. O, welch bösartige Ironie: Der Mann, der vorher den armen Picquart darstellte, hatte nun die Gestalt Esterhazys angenommen. Der GeneralstaatSanwalt began» seine Anklage merkwürdiger Weise mit dem HinweiS: Ein Manu steht angeklagt, besten Werke in ganz Deutschland bekannt sind. Sollte man wirklich in solcher Weise in Paris auf Deutschland exemplificiren? Die himmelblauen Sosfiten, die den Gerichtshof wie ein guter Geist überschwebten, leuchteten auch in Dreyfus' Ge- sängniß auf der Teufelsinsel. Auch der elegante GaSkronleuchter aus dem Pariser Gerichtssaal war mit über das Meer zu DreyfuS entschwebt, um wahrscheinlich Licht zu bringen in die dunkle An gelegenheit. Man sieht dem Verbannten in seinen Offiziershosen keinerlei Noth an: er beklagt sein Geschick, während die Uhr konstant auf 8 Uhr zeigt. Dann ist die Sache aus. „Schluß tableau bei feenhafter Beleuchtung." DaS Äothfeuer beleuchtet ein Traumbild, wahrscheinlich Glaube, Liebe, Hoffnung darstellend. Und davor liegt DreyfuS aus dem Strohsack. — — Gestern Mittwoch Abend 6 Uhr 3 Min. wurde bei uuS ein Meteor beobachtet, daS sich in grünlich leuchtendem Glanz in der Richtung von Süd nach Ost bewegte. — Die Eisfrage hat in diesem Winter eine befriedigendere Lösung gefunden, wie noch vor 14 Tagen zu erhoffen stand. Schon hatte man der Befürchtung Raum gegeben, daß dieselben ungünstigen Verhältnisse eintreten würden, wie im Vorjahre und vielfach bereits größere Posten Eis auS dem Gebirge bezogen und weitere Aufträge ertheilt, da brachte die letzte Januarwoche den längst erwünschten Frost, der mit Unterbrechuiigen bis jetzt angehalten und so viel Eis erzeugt hat, daß aller Bedarf mehr als gedeckt werden kann. Eine Hauptsache ist es, daß keine großen Geldopfer aufgewendet zu werden brauchen, und die größeren Betriebe viele Tausende von Mark unter den obwaltenden Ver hältnisten ersparen. Die Preise, welche während der ersten kalten Tage bis auf 30 Pfg. pro Centner stiegen, sanken allmählich und., heute wird schönes klares, bis zu 15 Centimeter starkes Eis schon mit 18 Pf. frei Hof geliefert. Aber auch für die Landwirthe, die im Winter uur wenig Beschäftigung für ihre Pferde haben, ist durch die Eiseinfuhr eine willkommene Einnahmequelle er-
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