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lhölümM TmMM Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgl vierteljähr lich 1 Mk. SV Pf. Alle Postanstaltsn, die Expedition und die Kolporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Donnerstag, de» 13. Januar 1881. Bekanntmachung. Der unterzeichnete Kirchenvorstand bringt hierdurch zur öffentlichen Kennt- niß, daß er das „Schönburger Tageblatt" zum alleinigen Organ seiner amtlichen Bekanntmachungen bestimmt hat. Waldenburgp den 12. Januar 1881. Der Kirchenvorstand daselbst. Obrrpf Schumann. Bekanntmachung. Zur Verhütung von Mißverständnissen diene die Mittheilung, daß ohne schriftliche Anweisung der Fürstlichen Bauverwaltung, beziehungsweise des Fürst lichen Haushofmeisters keinerlei Bau- und Reparaturarbeiten im Schlosse aus geführt, ebensowenig auch Lieferungen von Materialien, Producten u. s. w. gemacht werden dürfen. Rechnungen, welchen die dem entsprechende Bescheinigung sehlt, werden weder angenommen noch bezahlt werden. Waldenburg, 12. Januar 1881. Die Fürstliche Hofhaltung. ^Waldenburg, 12. Januar 1881. Die Bauernbewegung in Oesterreich. Unter den Bauern in Nieder- und Oberösterreich ist jetzt eine Bewegung im Gange, die eine nähere Betrachtung wohl werth ist; sie zeigt, daß die Bauern sicherlich etwas faul im Staate finden müssen, und dies mag vielleicht auch der Fall sein, denn unter allen Bevölkerungsklassen ist gerade der Bauernstand am allerletzten zu politischen Kund gebungen zu bringen, demnach mag das Faule im Staate auch ziemlich happiger Natur sein. Was sie wollen, ist ziemlich viel: geringe Steuern, eine prompte billige Justiz, billiges Geld, ferner eine Wahlreform, nach der jeder Bauer, der 10 Gulden direcle Steuern bezahlt, wahlberechtigt sein soll. Diese Bauernbcwegung veranlaßt die „Presse" zu einem Urtheile über den österreichischen Bauern stand, das manches Wahre enthalten mag. Sie sagt: „Das wahrhafte Oesterreicherthum hat im wahr haften Bauernlhum einen eigenartigen Pendant gefunden, und wahrhaft ist immer nur Das, was den Urtheilenden sympathisch anmuthet. Die Ant wort auf die Frage, wer die Bauern sind, ist kaum zweifelhaft. Unklar hingegen ist in der hitzig ge führten Discussion die Vorstellung darüber geworden, was der Bauer für das öffentliche Leben ist, und nur aus dem Verständnisse dessen kann eine unbe fangene Würdigung aller der Vauerntage, Bauern reden und Bauernresolutionen abgeleitet werden. Der österreichische Bauer repräsentirt für die Land bevölkerung den socialen Mittelstand und zugleich das geistige Proletariat. Aus dieser Zusammensetzung der Verhältnisse und Eigenschaften erklären sich alle die Eigenthümlichkeiten, welche dem Volke der Alpen länder so viel poetischen Reiz, so viele sinnige und urwüchsige Jnstincte gegeben und ihm in allen ern steren Fragen alle Selbstständigkeit genommen, die Leute den modernen Bewegungen gegenüber fast wehr- und hilflos gemacht und hineingezwängt haben in die Gefolgschaft Derer, die nach Art der Verhältnisse dazu kamen, ihre Freundschaft oder ihren Gehorsam zu gewinnen. Der österreichische Bauer lernt als Kind wenig und liest, einmal er wachsen, so gut wie Nichts. Ihm fehlt über Alles, was nicht zu seiner Wirthschaft und dem eng ge zogenen Schaffenskreis, den sie bietet, gehört, jedes selbständige Urtheil. Er hat einen sehr wohlausge bildeten Jnstincl für das, was ihm unmittelbar zum Vortheil oder Nachlheil gereicht, aber über die erste Front geht sein Blick nicht hinaus. Er ist conser- vativ weniger aus den Ursachen, welche diese poli tische Denkart allerorten für den Besitzenden und ganz besonders für den Grundbesitzer bedingen, son dern aus Furcht vor jeder Neuerung, die er nicht beurlheilen kann und der er deshalb mißtraut. Die Tradition der Vorurtheile verpflanzt sich bei ihm von Geschlecht zu Geschlecht, sie webt reiche Volkspoesie in seine Rede, sie schafft neben dem Alles beherrschenden Eigennutz ein reiches eigenge artetes Empfinden, sie regelt mit gewissem Ceremoniel die Formen seines geselligen Verkehrs, aber sie schafft eine enge, schier unzerstörbare Schablone für sein Denken und über diese Schablone hinaus liegt eine Art Thule. Der Wohlstand ändert nichts an seinen Bedürfnissen, nichts an seiner Lebensart und der reiche Bauerssohn, der lernt, geht dem heimathlichen Dorfe als Bauer verloren ... Vor einem städtischen Publicum selbst hat der grobkörnige Witz das Ueber- gewicht gegen die akademisch vollkommene Führung der Gedanken. Noch mehr will der Bauer die Sprache der Redner verstehen, will seinen Mann kennen und will „das Rechte" hören, und dieses „Rechte" wechselt mit den Tagen und Monden, mit den Leiden und Freuden, es wechselt wie in der Stadt die Mode, und diese bäuerliche Mode kann doch auch nur von Jenen gemacht werden, die mit den Bauern und unter ihnen leben... Der Bauer hat seine Zeit gefunden, und die Nothwendigkeit ist allen Ernstes gegeben, daß man anfange aufzu räumen mit der eigenthümlichen geistigen Inferiori tät des Bauernvolkes, selbst auf die Gefahr hin, daß dabei ein gut Stück Poesie mit daraufgeht. Die politische Emancipation des bäuerlichen Elements in Oesterreich von seinen örtüch privilegirten Führern bedingt auch dessen geistige Emancipation und regelt die Werbekünste seiner Gönner... Die Discussion ist schon von der Grundsteuer weg zur Wahlreform, zu Kornzöllen und allerlei sonstigem Protectionismus gekommen. Heute wird das politische Kind, der Bauer, freilich nach vergoldeten Nüssen greifen, aber morgen schon wirft er sie dem Gaukler an den Kopf und verlangt Brod. Das ist die Mahnung für den Augenblick. Für die Zukunft aber enthält die heutige Bewegung die sichere Bürgschaft, daß es groß Ernst in Oesterreich werden wird mit der Ausbildung und Fortentwickelung der Schule. Nur zu bald wird der Bauer einsehen, daß, wenn er auf sich selbst gestellt sein will, er selbst lernen muß, um selbst zu ver stehen, was er und Andere reden, denken, thun. Diese geistige Emancipation des Bauernstandes ist der Untergang des alten Standes, es ist d:r Anbe ginn einer neuen kraftvollen und ernsten Bevölke- rungsklaffe des gebildeten und kraftbewußten deut schen Landwirths." *Waldenburg, 12. Januar 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Bundesrath hat die Aufhebung des Kriegs gerichts in Straßburg beschlossen. Fürst Bismarck soll sich trotz der zehn gealterten Jahre eines besseren Befindens erfreuen, als seit langer Zeit. Er beabsichtigt seine Arbeiten, nament lich soweit sie sich auf das parlamentarische Material beziehen, in vollem Umfange wieder aufzunehmen, wobei den Functionen als Chef des preußischen Handelöressorts eine besondere Sorgfalt zugewendet sein soll. Man will denn auch wissen, daß nun mehr die Vorarbeiten zu den Verhandlungen über den deutsch - österreichischen Handelsvertrag wieder lebhafter in Fluß kommen würden. Mit dem Gra fen Hatzfeld und einigen fremden Diplomaten hatte der Fürst bereits Besprechungen. Die Einberufung des Volkswirthschaftsraths zum 20. Januar ist nach der „Norddeutschen" unrichtig. Die Ernennungen der Mitglieder müssen erst noch erfolgen. Auf einer Landesvecsammlung der deutschen Partei in Württemberg (Nationalliberale) wurde eine Resolution angenommen, welche erklärt, die Zollgesetzgebung sei vorerst als abgeschlossen zu betrachten; fernere Aenderungen seien nicht nach Parteischlagwörtern von Schutzzoll und Freihandel, sondern nach praktischen Bedürfnissen vorzunehmen. DieZollfrage zu politischen Parteifragen zu machen, ist ein verhängnißvoller Fehler. Die Auswanderungs frage habe im Sir,ne einer den Bedürfnissen des Reiches entsprechenden Colonialpolitik Beachtung zu finden. Der Unzufriedenheit in Bezug auf die Reichsjustizgesetze, im Besonderen in Bezug auf das Zustellungsverfahren und die Höhe der Gerichts kosten sei Abhilfe zu schaffen. 1" Folgender Aufruf ist an den Plakatsäulen in Kassel angeschlagen worden: „Bauersleute,Hand arbeiter, Arbeiter! Unterschreibt nie einen Wechsel! Warum nicht? 1) Ihr könnt Eure einmal gege bene Unterschrift nicht wieder zurücknehmen, so gern Ihr es vielleicht thätet. 2) Der Wechsel muß am Verfalltage ohne Weigerung bezahlt werden und zwar an Den, welcher denselben in Händen Hal. Dieser hat gar nicht zu fragen, ob Ihr die Schuld wirklich gemacht habt oder nicht. 3) Seit Ihr in der That nicht im Stande, zn bezahlen, so folgt sofort der Protest, Wechselklage und Beitreibung, Alles mit vielen Kosten verbunden. In wenigen Tagen habt Ihr die gerichtliche Execution zu Hause und was das zu bedeuten hat, braucht wohl nicht erklärt zu werden. 4) Einreden können Euch vor deal Bezahlen nicht retten. Es kann auch nichts helfen, daß Ihr sagt, Ihr wäret gar nichts oder Ihr wäret nicht so viel schuldig; auch nicht einmal, daß Ihr sagt, Ihr hättet nicht so viel unterschrieben. Ihr habt Euren Namen unter den Wechsel ge schrieben und müßt zahlen, so viel darauf steht. Und wenn Euch auch versprochen wäre, der Wechsel solle nicht in Umlauf gesetzt oder er solle am Ver falltage prolongirt werden, so nützt es Euch nichts, auf dieses Versprechen Euch zu berufen. 5) Wenn Ihr eine Schuld habt, versucht alles Mögliche, sie zu tilgen, verkauft oder entzieht Euch lieber etwas, soll'e es Euch auch hart onkomm^n — aber unter schreibt keinen Wechsel dafür. Ihr übergebt Euch in den meisten Fällen einem wildfremden Menschen auf Gnade und Ungnade. 6) Sprecht Euch über Eure Lage aus und fragt ehrliche Leute um Rath; Schulden schänden nicht, wenn sie nicht auf schlechte Weife gemacht sind. Wenn der Wechseleigenthümer auch Wort hält und nicht über Eure Geldverlegen heit spricht, am Ende, wenn Euch Haus und Hof verkauft wird, wird Eure Lage doch aller Welt offenbar. 7) Unterschreibt also keinen Wechsel, stellt aber auch keine nach H 702 der Civilprozeß-