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Amtsblatt für die kSutglicheu Md Müschen Behörden zu Freiberg Md Braud. Erscheint jeden Wochentag Nachmittags 6 Uhr für den andern "Tagt Preis vierteljährlich 2 Mark 25 Pf., zweimonatlich 1M. 50 Pfg. u. einmonatlich 75 Psg. 44. Jahrgang. Dienstag, den 1. September. Inserate werden bis Bormittags 11 Uhr angenommen. Preis für die Spaltzeile 13 Pfg. Außerhalb des Landgerichtsbezirks 15 Pfg. 18S1. Politisch« Umschau. Freiberg, den 31. August. Der kommandirende Admiral Freiherr v d. Goltz traf am Sonntag Abend zur Leitung der am 3. September beginnenden Herbstmanöver der deutsche« Flotte, an welchen 39 Schiffe und Fahrzeuge theilnehmen, in Kiel ein. Wie verlautet, wird keiner der Entwürfe zum Kaiser Wilhelm- Denkmal in der vorliegenden Form zur Ausführung gelangen. Bestimmtes über die Letztere läßt sich indessen nicht mittheilen, da die Entscheidung allein beim Kaiser steht und dieser noch nicht zum Beschlusse gelangt ist. Die Münchener „Allg. Ztg." bekämpft einige Stellen des Moltke'scheu Buches, insbesondere die Angabe, daß ein Kriegs- rath niemals stattgefunden habe. Sie verweist auf die Briefe des Grafen von Roon, wonach bei den „Vorträgen", die der Generalstabs- chcs dem Könige gehalten, oft sehr lebhafte Erörterungen stattgefunden haben. Wie man eine unter Vorsitz des Königs regelmäßigstattfindende Beralhung der Generale technisch benennen wolle, sei an sich gleichgiltig. Bismarck habe, falls er erreichbar, diesen Be- rathungen stets beigewohnt und u. A. 1866 dem beabsichtigten Artiüerieangriff aus die Florisdorfer Schanzen wegen des damit verbundenen Zeitaufwandes erfolgreich widersprochen. Der Kanzler habe dafür die Ueberschreitung der Donau bei Preßburg, also eine Umgehung der Schanzen empfohlen, die denn auch, allerdings zu spät und zu langsam ausgesührt worden sei. „Dieser Vorgang ist es vermuthlich gewesen, welcher die Generale bei Beginn des Krieges 1870 veranlaßte, Vorkehrungen gegen eine derartige „Ein mischung" Bismarck's zu treffen. Als das große Hauptquartier Berlin verließ, war der Kanzler unfreiwilliger Ohrenzeuge eines im NebenloupL mit lauter Stimme geführten Gespräches, in welchem namentlich General von Podbielski hervorhob, diesmal sei dafür gesorgt, daß Bismarck sich um die militärischen Dinge nicht zu bekümmern haben werde. Fast schüchtern warf der dem Kanzler befreundete Kriegsminister ein: „Aber er muß doch wissen, wann er Frieden zu machen hat." Daß eS später, namentlich in Versailles zu starken Friktionen gekommen, ist auch außerhalb des Hauptquartiers bekannt geworden. Es wird berichtet, daß, als in einem Falle die Generale erfuhren, Bismarck solle dem Vor trage beiwohnen, sie die größten Schwierigkeiten erhoben. Damals war es, als der hochselige Kaiser dem Grafen Eberhard von Stolberg, dem Inspekteur der freiwilligen Krankenpflege, den Vorgang aus dem Jahre 1866 mittheilte und hinzufügte: „Ich kann es ihnen nicht verdenken, wenn sie ihn nicht haben wollen. Denn in den wenigen Fällen, in welchen ich ihn in militärischen Dingen um seinen Nath gefragt habe, hat er stets den Nagel auf den Kops getroffen." Daß Moltke den Kriegsminister nicht in Versailles haben wollte, spricht er selbst in einer Anmerkung aus. Sein Standpunkt dürfte ungefähr folgender gewesen sein: Der Kriegs- winister hat die Armee mobil zu machen und sie dem Chef des Generalstabcs zu übergeben, dann aber nur für Ersah u. s. w. zu sorgen. Der Chef des Generalstabes schlägt den Feind und übergiebt ihn überwunden dem Minister des Auswärtigen, der dann einen anständigen Frieden machen mag. Hierauf wird der Rückmarsch angetreten und der Kriegsminister demobilisirt die Armee." Ueber den Entwurf eines Trunksuchtsgesetzes plaudert die „B. B.-Ztg.": Heulen und Zähneklappen herrscht in manchem Kreise, wo bisher fröhlicher Jubel erscholl, lustig die Gläser an einander klirrten und die muntere Wechselrcde hier und da durch ein keckes Liedchen unterbrochen wurde. In trübsinnigem Schwei gen sitzen die einst so lauten Zechgenoffen beisammen, vorsichtig vom Schöpplein schlürfend und einander furchtsam beobachtend, da mit keiner des Guten zu viel thue. Gar ängstlich umschleichen auch Wirth und Kellner den Stammtisch, es kommt vor, daß einem geehrten Gast, der eben zu einem ordentlichen Zuge an setzt, mit Gewalt der Krug vom Munde gerissen wird, und wäh rend sonst der Gekränkte solche Scheußlichkeit schwer geahndet hätte, läßt er jetzt die erhobene Faust thatenlos auf den Tisch nieversallen und stöhnt nur in verbissener Wuth: „Ja so, § 10!" In der That, wie können der Wirth und seine Bediensteten genau wissen, wann bei einem Gaste „offensichtlich" jener Zustand ein tritt, den sie nach dem neuen Trunksuchtgesetze durch Verabreichung weiterer Getränke — bei harter Strafe! — nicht verschärfen dürfen. Sind doch die natürlichen Veranlagungen in diesem Punkte außerordentlich verschieden. Den Einen wirft eine Kleinig keit um, der Andere verträgt ungeheuere Quantitäten, ohnx daß er aus dem seelischen und körperlichen Gleichgewicht geräth, und bei noch Anderen bekundet sich jenes merkwürdige Verhältniß, daß sie, wie die erprobten Hartzecher, voller Anstand und Würde ihren Platz behaupten, bis sie auf einmal jäh „abfallen". Nun, für diese ist im neuen Gesetze gesorgt. Der Wirth muß sie be hutsam ausbewahren oder der Polizei zum Aufheben überliefern, und die Kosten trägt natürlich er allein, durch dessen schnöde Ge winnsucht der Bedauernswert he um die eigene Bewegungsfähig- keit gekommen ist. Dies ist sehr schön und um so freudiger zu begrüßen, als bei strenger Befolgung des hilfreichen Paragraphen der verwerfliche Betrieb des „LcichenfleddernS" endgiltig beseitigt wird. Uebel werden freilich Diejenigen daran sein, welchen ein unseliges Verhängniß die Gabe Vrscheert hat, innerhalb des Zech raums stolz und würdig zu verharren, so daß anscheinend keiner der schlimmen Paragraphen ihnen etwas anhaben kann, bis draußen die kühle Nachtluft, die Anderen den Nebel verscheucht, sie in trauriges Dunkel und ödes Wirrniß hüllt. Wenn ihnen dann nach tz 18 noch der „selbstverschuldete Zustand" nachgewiesen wird, so mögen sie froh sein, daß sie das „erregte Aergerniß" nur mit 100 Mark anstatt mit vier Wochen Haft zu büßen haben. Aergerniß — ein schwankender Begriff, gleich dem berühmten „Unfug". Bei Beiden gilt das bekannte Wort: „Wat dem Einen fin Ul, is dem Andern sin Nachtigall", dem Einen ist Eule, was dem Andern Nachtigall, d. h. Diesem macht ein ungewöhn licher Straßenvorfall Spaß, Jenem Verdruß, die große Menge der gleichgiltig Vorübergehenden nicht mit in Betracht gezogen. Eine Gcsetzesvorschrift, die sich aus das vieldeutige „Aergerniß" beruft, ist ein Kautschukparagraph, der sich nach Geschmack und Belieben eines Jeden ziehen und kneten läßt, wie man will. Scharf, aber wahr sagte einmal ein Mann aus dem Volke, der sich in einem Falle vor Gericht zu verantworten hatte: „WaS bei den seinen Herren fidel heißt, das heißt bei uns gleich be trunken", — wobei allerdings der Unterschied in der Aeußerung der „Fidelität" wohl zu beachten ist. Doch wie wäre, wenn das sogenannte Trunksucht-Gesetz Kraft gewänne, diese Unterscheidung sestzustellen? Sollte wirklich der durch seinen Diensteid geheiligte Schutzmann in der Lage sein, die Waage des „Aergernisses" all zeit m ruhiger sicherer Hand zu führen? Doch um weniger ernsthaft zu reden, welche überraschenden Aenderungen bringt in den allgemein herrschenden Vorstellungen das neue Gesetz hervor! Wie verschieden von dem berühmten Z11 des Zechkomments lautet der ent sprechende Paragraph der Bekämpfungsvorlage: „Gast- und Schank wirt he dürfen geistige Getränke zum Genuß auf der Stelle nicht auf Borg verabfolgen. Forderungen für Getränke können weder ein- qeklagt noch in sonstiger Weise geltend gemacht werden." Welche herrliche Aussicht eröffnet sich hier für den Bruder Studio, wie überhaupt für Alle, welche gern nach den Regeln des Kommers buches leben. Natürlich wird es keinem Wirth und Kellner ein fallen, sofort nach Ueberreichung eines Seidels Zahlung zu heischen, denn das sähe gar zu grob aus, aber mit dieser Unterlassung sind die spendenden Mächte dem guten Willen des Zechenden über lassen; dieser zahlt, wann er will, kann und mag, ganz nach dem herrlichen Grundsatz des Studentenliedes: Herr Wirth, nehm er daS GlaS zur Hand Und schenk' er wieder ein; Schreib' er's nur dort an jene Wand, Gepumpet muß es sein. Aber die Herren Studiosi wie Alle, die es ihnen in unbeküm merter Lebensfreude gleich lhun, dürften bald erfahren, daß das neue Gesetz seine Spitzen auch gegen sie kehrt, ja vielleicht steht noch ein Nachtrag bevor, welcher der bisher zart geschonten akade mischen Lustbarkeit ein trauriges Ende bereitet. In der That finden sich in den studentischen Kommersbüchern zahlreiche Lieder, welche als ein schroffer Hohn auf die gesetzliche Bekämpfung des Zechens gelten müssen. Kann noch ferner ein „Bierkönigreich" geduldet werden, in welchem — abscheulich zu sagen — der schärfste Trinker als König regiert und der größte Skandalmacher die Polizeigewalt ausübt? Natürlich wird auch jener lüderliche „Fürst von Thoren", der sich rühmt, zum Kneipen auserkoren zu sein, sofort entthront und sein Vermögen dem Welfenfond einver leibt. In gleicher Weise verfällt der berüchtigte Herr von Roden stein, der damit prahlt, all' seine Güter in Flüssigkeit umgesetzt zu haben, dem H12 des Trunksuchtsgesetzes, welcher besagt: „Wer m Folge von Trunksucht seine Angeelegenheiten nicht zu besorgen vermag oder sich oder seine Familie der Gefahr des Noihstandes aussetzt, kann entmündigt werden." Dieser lästerliche Rodensteiner wäre, wenn er noch lebte, gewiß der Erste, den der gesetzlich be stallte Vormund in einer Trinkerheilanstalt unterbringen ließe. Und was geschähe wohl mit Geibels fahrendem Schüler, der keinen schöneren Wunsch hat, als am Heidelberger Faß zu li'gen, „den offenen Mund am Spnnde" ? In dieser Aergerniß erregenden Stellung an einem von Touristen durchflutheten Orte — das höchste Strafmaß von 4 Wochen Haft erschiene noch sehr gelinde. Freilich läßt sich nicht verkennen, daß bei einer zur Bekämpfung der Völlerei unausbleiblichen Reinigung des Kommersbuches auch mancher Dichter betroffen werden würde, auf den von Obrigkeits wegen einige Rücksicht zu nehmen ist. Dahin hat allerdings im Laufe der Zeit die allgemeine Anschauung sich geklärt, daß der Staatsminister von Goethe im Grunde ein lockerer Vogel war, und somit läge nichts im Wege, daß sein „lür^o dibamus" und andere gesetzwidrige Lieder einfach ausgemcrzt werden. Uebler steht es jedoch um den seligen Herrn von Mühler, der, später ein so solider Mann, als zügelloser Jüngling das berüchtigte „Grad aus dem Wirthshaus" dichtete. Zur endgiltigen Beseitigung dieses Aergernisses empfiehlt sich eine Umdichtung, welche die ursprüng liche verwerfliche Form in Vergessenheit brächte: Grad aus dem Wirthshaus nun komm ich heraus Nicht schief wie Andere — schrecklicher Graus! Rechter Hand, linker Hand — Alles ganz stramm, Und nicht im Zickzack geht's über den Damm. All die Laternen steh'n fest in der Reih, Nicht eine einzige trunkne dabei: Selbst auch der gute Mond, welch' fromm Gesicht — Paragraph achtzehn, nein, mich kriegst Du nicht! Nach amtlicher Feststellung sind über Eydtkuhnen in der Woche vom 21. bis 27. August 14 260000 lex Getreide aus Rußland'nach Deutschland importirt worden. In einem Artikel, der sich mit dem Ergebniß des französischen Flottenbesuchs in England beschäftigte, hatte der „Standard" die Zuversicht ausgesprochen, daß die alte Freundschaft zwischen Frankreich und England durch die Portsmouther Festtage neu besiegelt worden sei. Was es mit dieser alten „Freundschaft" für eine Bewandtniß hat, ergiebt sich »aus einem Eingesandt in der „Pall Mall Gazette", wonach von 670 Jahren, nämlich von 1141 bis 1815, England sich Mit Frankreich 266 Jahre im Kriege befunden hat. Die diesjährigen französischen Herbstübungeu ziehen im Augenblick nicht nur die Aufmerksamkeit der Franzosen, sondern ihrer Vorbereitungen wegen diejenige deutscher Militär kreise auf sich, da sie in einem Umfange stattfinden sollen, der in Frankreich bisher nicht seines Gleichen hatte. Ein kennzeichnendes Merkmal dieser Manöver liegt darin, daß sie — gegen die deutsche Grenze hin stattfinden sollen und zwar im ersten Drittel des September, während die zu ihnen geladenen fremdländischen Offiziere erst am 10. k. M. bei der Ostabtheilung eintreffen, zu jenem ersten Theil der Uebungen also keinen Zutritt haben werden. Diese Ausschließung spricht für sich selbst. Ob sie sich auch auf die russischen Gäste bezieht, ist nicht ersichtlich, aber zu be zweifeln; denn welchen größeren Werth könnte eine probeweise Operation französischer Truppen gegen die deutsche Grenze haben, als den, die russische Heeresleitung davon zu überzeugen, daß man in Frankreich fertig, vielleicht auch — wie damals — „überfertig" (arebiprsH ist, und daß es nur deS ersten Kanonen schusses von Seiten Rußlands bedürfte, um die nach allen Richtungen sorgfältig vorbereitete militärische Aktion sofort be ginnen zu lassen! In einer Stärke von ca. 126 000 Mann werden die auf Kriegsfuß gesetzten französischen Truppenmafsen in den kommenden Wochen an der deutschen Grenze zusammen gezogen sein. Das ist für Friedenszeiten eine außerordentliche Kundgebung, die unter andern Verhältnissen leicht zu ernsthaften Erörterungen führen könnte. Es kommt hinzu, daß diese unge wöhnliche Truppenmasse nicht getheilt oder aus verschiedene Punkte zerlegt, sondern daß sie als geschlossenes Ganze gegen den „fingirten Feind" geführt werden soll, der von Deutschland her in Frankreich eingefallen gedacht ist. In einer kom pakten Masse rückt der gewaltige Heereskörper auf die Vogesengrenze zu. Welche Gelegenheit für die Franzosen, sich an Zukunfts-Phantasien zu berauschen, welcher unerschöpfliche Stoff für Schlachten« und Siegesberichte, die daS in Kronstadt kredenzte Getränk erst zum Schäumen bringen? In Deutschland werden die Vorbereitungen zu dem ungewöhnlichen Schauspiel trotz, ihrer nichts weniger als sriedensverheißenden Farbe sehr kühl und ohn« irgend welche Beunruhigung verfolgt. Niemand kommt auf den Gedanken, eine ernstliche Gefahr für den Frieden darin zu er blicken, so wenig man sich auch über den bedeutsamen Hintergrund einer solchen militärischen Kundgebung täuschen kann. Nichtsdesto weniger hält man an der Ueberzeugung fest, die ein Münchener Blatr in den Worten ausdrückt, daß „der erste Kanonenschuß nicht von Frankreich ausgehen wird, so überheizt und überreizt die Stimmung dort auch zeitweise erscheinen mag . . . Der erste russische Kanonenschuß würde ohne Zweifel auf dem Westabhange der Vogesen ein mächtiges Echo wecken; ohne dieses Signal aber werden die leitenden Republikaner in Paris sich von der Erwäg ung leiten lassen, daß der Einsatz bei einem neuen kriegerischen Unternehmen ingutemwiein bösem Falle—die Republik sein würde." Der militärische Berichterstatter der „Köln. Ztg." bestätigt, daß der ruffische Kaiser und die vornehme russische Gesellschaft in Folge der Franzosenfreundschaft in Verlegenheit gebracht ist. Sie befürchten Gefahr aus dem Umstande, daß das russische Volk sich so sehr mit dieser Freundschaft brüstet. Die ganze Angelegen heit war planmäßig durch die Panslawisten vorbereitet, namentlich wurde der Zar geschickt als Werkzeug benutzt, niemals werde der selbe diesen Geist wieder loswerden. Wenn der geeignete Zeit punkt gekommen sei, werde die durch die Hetze angefachte russische Volksleidenschaft mit noch unwiderstehlicherer Gewalt auftreten, als gegenüber Alexander II. vor vem letzten Türkenkriege. Dieser Zeitpunkt komme, sobald die neuen Gewehre hergestellt seien; daran zweifle Niemand, der mit den Verhältnissen vertraut ist, am wenigsten die Offiziere; die Gefahr könne aber auch früher eintreten. Eine Zuschrift des Senators Ljuboschtschinski an die „Nowosti" entwirft ein trostloses Bild von der Lage der bäuerlichen Be völkerung im russischen Gouvernement Ämbow. Schon gegen wärtig sind die Bauern, um Brot kaufen zu können, genöthigt, zu Mitteln zu greifen, die ihre Wirthschast zu Grunde richten. In aller Eile wird Hafer gemahlen und um jeden Preis loS- geschlagen. Und dennoch dürfte der Erlös kaum hinreichen, biS zum Oktober das Leben zu fristen. Aermere, die ihre Hafervor- räthe schon längst verkauften, veräußern ihr Vieh, das zu Schleuder preisen von Händlern gekauft wird. Für ein Schaf zahlt man einen Rubel, für ein Pferd, das sonst 30 Rubel kostet, 9 Rubel und weniger. Ist der Erlös vom Verkauf des Viehs aufgegessen, so verpachten die hungernden Bauern ihre Landantheile und suchen das Weite. „Wir stehen erst an der Schwelle der Nothlage", schreibt Herr von Ljuboschtschinski. „Grauenhaft ist der Gedanke an die Lage der Bauern im Winter und noch mehr im Frühjahr und Sommer nächsten Jahres, bis die neue Ernte eingeheimst sein wird." — Ferner wird aus Charkow gemeldet: „Die Lage wird täglich kritischer. Der gesammte Viehstand des GouvernemttS ist dem Milzbrand zum Opfer gefallen und viele Menschen sind vom Hungertyphus hinweggerasft. Die Blätter dürfen gar nichts mehr melden. Die Lage der Deutschen in den Wolgagebieten ist eben falls entsetzlich, dieselben sind aller Hilfs- und Lebenstnittel ent blößt und ziehen bettelnd von Ort zu Ort." Der Arzt der Königin von StumLuie«, Theodori, erklärt, Vie Königin leide an einer Kongestion deS Rückenmarkes, nicht an fortschreitender Paralyse. Während der letzten Woche sei eine Verschlimmerung ihres Zustandes eingetreten. Die Königin leide an Schlaffheit der Aktion des Herzens und müsse das Bett hüten, obwohl weder Fiebererscheinungen noch andere Symptome der Ver änderung des Rückenmarkes eingetreten seien. In Folge einer bezüglichen Bemerkung der bulgarische« Regierung hat die Psorte, wie die „Agnence de Costantinople" melvet,