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2. SÄM M Schönburgkl Tageblatt. 148. Me Im-mr ßk-lilhimßnSk auf König Alberl. Der Gedächtnißrede, die Consistorialrath Hofprediger Brendler am Montag Abend am Sarg König Alberts in der Hofkirche gehalten hat, waren die Worte: Para- lipomena I. 22, 9: „Ich will ihm Ruhe schaffen von allen Feinden ringsum, und darum soll er der Friedsame heißen", zu Grunde gelegt. Die Rede lautet» im An» fang und in ihrem zweiten Theile: Co ist es denn wahr geworden, was bange und lange Wochen uns ahnen ließen: Unser Allerdurchlauch tigster, großmächtigster König ist gestorben, unser guter König Albert ist todt! Ja, bange Sorge trug seit Wochen die Nachrichten vom Krankenlager von Sibyllen- ort nach Dresden, vom fremden Lande nach der Heimat, sie trug die Kunde vom Allerhöchsten Befinden durch alle deutschen Gauen und weit darüber hinaus, um Allen, die ein fühlend' Herz sich bewahrt, zu melden, wie dort am fürstlichen Krankenlager Hoffen und Fürch- tcn, Besorgnisse und Wünsche mit einander streiten, wie die aufopferndste Kunst der Aerzte und warme, heiße Gebete mit dem finsteren Engel des TodeS ringen. In Anbetracht der immer trübseliger klingenden Nach richten kleidete sich das natürliche Gefühl des Milleids, das Mitlriden eines ganzen treuen Volkes, in die eben- so verständliche wie ehrfurchtsvolle Bitte: Möge der liebe Gott den großen Dulder bald ausringen lassen den schwersten Kampf des Lebens, wenn er es ihm nicht besser beschiedcn, möge er seine Seele eingehen lasten zum ewigen Frieden! So hat denn vergangenen Donnerstag, abends 8 Uhr, unser Gebet Erhörung gefunden, und das König liche Herz seine letzten Pulse geschlagen, uns Allen es immer wieder verkündigend, daß Gott der Herr des Lebens und des Todes, oder, wie der große Apostel schön sagt, der „König der Zeiten" ist. Er, der wie aus gcheimnißvoller, wolkenumhüllter Urne die Zeiten ausgießt und in und mit ihnen Glück und Unglück, Freude und Leid, Segen und Fluch, Gesundheit und Krankheit, Leben und Tod, er hat Allen hienirden, dem Größten wie dem Kleinsten, den Stempel der rechten Zeit aufgedrückt. Abwechselungsreich waren die Schicksale der mehr als 74 Jahre, die es dem hochseligen König Albert vergönnt war, hienieden zu leben, wcchselvoll wie die Geschicke und Loose des Landes, das seinem Szepter bald 29 Jahre unterworfen. „Die Raute ist ein bitter Kraut vor Ten, so es essen muß; hält aber Leib und Seele gesund." Das Leben des hochseligen Königs be wahrheitet diesen alten Krüuterspruch in vollem Maße. Seine Geburt am 23. April 1828 wurde als Ge schenk des Himmels mit um so größerem Jubel begrüßt, als sie das langersehnte Hoffnungszeichen war, daß der alte Stamm des HauseS Wettin ein neues Aufblühen erlebe zu längerer kräftiger Dauer. Der hochbetagte König Anton stand schon im 73. Jahre seines Lebens, und hatte vier Kinder begraben. Der nächste Erbe, des Königs Bruder, hatte bereits das 69. Jahr über schritten. Die Ehe des Prinzen Friedrich August, — deS nachmaligen Königs — war kinderlos und aus des Prinzen Johann Ehe war bisher nur eine kränkelnde Tochter entsprossen. Da war es denn eine Freuden botschaft ungewöhnlicher Art, als in der Nacht des 23. April 1828 die Kanonen den lieben Dresdnern ver kündeten, daß dem Prinzen Johann im 6. Jahre seiner Ehe mit der bayerischen Königstocher Amalie ein Sohn geschenkt worden sei. Die Nachrichten jener patriarcha lischeren Zeit vermelden, wie die Leute auf die Straße stürzten und sich umarmten, Freudenrufe vernehmen ließen, und eine improvisirte Beleuchtung feierte den aufgegangenen Stern. Ter glückliche Vater widmete der Freude des Tages eine der klassischen Tichtungsform nachgebildete Ode: „Tie Geburt der Sonne.» Aber so wie die Sonne mit allen Dünsten und Wolken zn streiten hat, bis sie durchdringt, wie's kleinste Stern lein am dunklen Abend mit seinem Licht eifrig und emsig durchdringt durch die dunklen Schlichten, so war es auch dem königlichen Prinzen Albert nicht besche»rt, ohne Kampf und Schwert den Thron deS Friedens zu besteigen. Früh geübt und gestählt im edlen Waffenwerke, wie in den Wissenschaften und Künsten deS Friedens, schwankte man in der königlichen Familie, ob man den jungen Prinzen in die Schule Radetzki's nach Mailand, oder an die Universität Bonn schicken solle. Ter Minister- rath entschied, trotzdem der königliche Prinz in vr. von Langrnn und im OberappellationSgerichtsrath von Schneider ausgezeichnete Lehrer und Erzieher besaß, für den Besuch der jungen aufblühenden rheinischen Univer sität. „ES war so besser», schrieb später der hochselige König Johann, „indem das militärische Wesen sich in Sonntag, Sen 29 Jnni meinem Sohne von selbst Bahn gebrochen hat." Das Jahr 1848 rief ihn aus seiner friedlichen Thätig- leit heim, um als 20jähriger Jüngling im Kampfe für die meerumschlungenen Elbherzogthümer die Feuertaufe zu erhalten. Wenn kein Geringerer als Gras Moltke von der ruhigen Besonnenheit trotz kühnen Wagemuths und dem anspruchslosen Wesen des jugendlichen Helden die Worte schreibt: „Er genoß schon damals die Liebe und Achtung Aller und verkündete im Voraus die Eigen schaften, welche ihn später als Feldherrn auszeichneten," so wissen wir, wie hoch die militärische Begabung König Alberts war. Tenn Moltke war im Loben und Rühmen zaghaft. Und wenn wir fragen: Wem galt sein Talent, sein Waffenwerk? Ob bloße Fechterkunst und Lust am Kriegshandwerk? Sein eigener Mund verkündet es in einem nach Leipzig gerichteten Schreiben: „Ter Krieg hat für mich," schreibt der Hochselige, „eine höhere Be deutung. Es ist das erste Zusammenwirken der deutschen Stämme zu einem Ziel. Es ist der wahre Weg der Einigung. Und diese Bahn zu eröffnen, ist Pflicht. Es ist Pflicht der Fürsten, voranzugehen, und gelte es das Leben. Tenn die Monarchie stirbt nicht durch den Tod eines Gliedes. Aber Deutschland geht zu Grunde, wagt cs nicht, sich durchzukämpfen." Nicht Krieg zu^ führen um des Krieges willen, nein, um ein festes Band zu schmieden um ein großes Volk, dieser Ge danke drückte ihm das Schwert in seine Hand. Und wenn wir ihn zur Verwirklichung der hohen Idee als Führer sächsischer Krieger, die geschult, gestählt in Mannes zucht und soldatischer Wehre auf den Schlachtfeldern Oesterreichs ihr Herzblut lassen, wenn wir ihn, den be reits mit Ruhm Gekrönten, auf den Schlachtfeldern Frank reichs Sieg an Sieg an die Fahne Sachsens heften sehen: so haben wir ein Recht, uns seiner Fcldherrn- größe um so mehr zu freuen, als sein blinkend blankes Schwert der vaterländischen Treue, der Einheit eines großen Reiches galt. Tnrum stehen heut, wo dies Schwert umflort sich senkt, der Treue wie der Hilfe zu deutscher Einheit ein gedenk, eingedenk all' der Dienste, die der Kronprinz Albert in großer, schwerer Zeit geleistet, zwei Fürsten großer Reiche am Sarge dieses bescheidenen Helden, treu dem bewährten Freunde, dankbar dem erfahrenen Berather. Sind wir damit nicht bereits auf ein hervorragendes Friedensfeld gestellt und feiern wir nicht im hochseligen Entschlafenen einen Friedensfürsten im eminenten Sinne dieses Wortes, der das alte Wort in Thaten umgesetzt: „8i vis xaoew, para dsUum!" „Umgürte dich mit dem Schwerte, willst du Frieden!" Am 29. October 1873 fiel dem Kronprinz Albert die Kölligskrone, mit ihr die Regierung des schönen SachsenlandeS zu. Hatte Kronprinz Albert, nicht vom Glück, sondern wie wir als Christen sprechen, von Gott btgnadigt, hatte Kronprinz Albert es verstanden, den Lorbeer des siegreichen Heerführers um seine Stirn zu winden, so wußte er, zur Führung des Szepters be rufen, dieses Symbol königlicher Herrschaft in fast 29 Jahren mit den Werken des Friedens zu schmücken, so daß wir nicht anstehen möchten, trotz seines kriege- rischen Ruhmes, ihm als Regenten des SachsenlandeS den schönen Beinamen des „Friedsamen" zu geben. Tenn was die Schrift von König Asa sagt, das sind wir wohl berechtigt, sowohl seine Thätigkeit als seine Hervoragenden Charaktereigenschaften würdigend, zu er klären: „Er regierte in Frieden." Leicht gleitet das Wort „König" über unsere Lippen. Aber selten machen wir unS des Wortes Inhalt klar. Freilich, wer nur den Glanz der Krone, die Majestät des Thrones, die Pracht des Königsmantels betrachtet, der mag Könige und Kaiser beneiden und sogar ehr geizig sich an ihre Stelle sehnen. Wer aber der Pflichten gedenkt, welche an den Thron sich binden, und der Sorgen, die unterm Purpur lauern, der wird einen Landesfürsten für den verantwortungsvollsten und mühe- beladensten Menschen im ganzen Lande ansehen. Von Gottes Gnaden soll er Stellvertreter des Allerhöchsten sein und fördern helfen die Pläne, welche der Allweise hat in Erziehung und Leitung der Völker. Er muß wachen über Millionen Seelen und behüten ihr irdisches und ewiges Heil. Er muß ein Herz haben für tausend Bedürfnisse, zugänglich den verschiedensten Wünschen, theilnehmend für die Leiden, voll Gefühle, Wärme, Liebe, Offenheit und Rechtlichkeit. Alles soll er wissen, an alles denken, um Alles sich kümmern, Alle schirmen, Allen helfen, Allen Alles sein. Fürwahr, das Szepter ist mehr ein Zeichen der Sorge, als der Macht; die Krone mehr eine Bürde als eine Würde. Diese Behauptung gilt sogar doppelt in einer Zeit, 1902. die fast all« bestehenden Verhältnisse mehr als er schüttert und Einrichtungen hervorgerufen hat, welche vielfach erst die Probe bestehen müssen. Ueberdies ist die StaatSkunst vielfach zur gewinn süchtigen Seiltänzerin geworden, die mit der Balancir- stange des Egoismus, der vollendeten Thatsachen und anderer Phrasen sich auf der Höhe des materiellen Nutzens und VortheilS zu halten strebt. Di« öffentliche Meinung ist mehr oder minder der Spielball einer TageSpresse, welche sie modelt nach den Formen d«r Leidenschaft oder des rein parteilichen Interesses. Neue lockende Grundsätze sind zündend zwischen die Völker geworfen worden und haben sie durch daS Zauberbild einer übertriebenen Nationalität aufgestachelt, nicht selten bis zur Empörung. In Folge des con- stitutionellen Lebens stehen da und dort inmitten der Staaten Parteien sich gegenüber, beflissen, mit allen Hebeln, eine die andere, zum Sturze zu bringen. Die Völker, kaum mit einer Gabe beschenkt, rufen nach einer anderen und möchten nicht selten Schranke um Schranke durchbrechen und ihren Willen aufdrängen denen, deren Willen sie doch hören sollen. Jeder poli- tisirt, Jeder kritisirt, Jeder hält sich berufen, neue Ge setze zu schaffen, neue Verfassungs- und VerwaltungS- j thesrn aufzustellen. Volkswohl und Völkerglück ist zum Thurmbau von Babel geworden, woran Jeder glaubt, als Meister mitbauen zu müssen, und wobei keiner bald mehr den Andern versteht. Soll da ein Regent nach christlichen Grundsätzen, nach göttlicher Anordnung herrschen; soll er gerade und offen nur die Wahrheit und Gerechtigkeit sich zu Leitsternen nehmen; soll er den Strömungen und Forde rungen der Zeit genügen, ohne das Steuerruder zu ver lieren; versöhnend wirken, ohne begründete Klagen außer Acht zu lasten; Milde üben, ohne zur Schwäche herabzusinken; ein Vater seiner Unterthanrn zu sein, ohne zu vergessen, daß er auch ihr Herr ist: dann bedarf er einer erleuchteten Weisheit, einer seltenen Charakterstärke und einer umsichtigen Thätigkeit. Sag ich zu viel, wenn ich behaupte: Ein Regent kann heutzutage eher guten Willen, als ausreichende Kraft zur Regierung mitbringen? Und diesen guten Willen hat fürwahr unser jetzt ent schlafener König Albert mitgebracht. Taß es ihm aber auch am Einschlag der ihm von Gott gegebenen Kräft« nicht gefehlt hat, das beweist dak blühende und fort geschrittene Wohl unseres kleinen Landes. Denn nie zuvor haben in Sachsen Handel und Gewerbe, Kunst und Wissenschaft so geblüht, als unter dem milden und gütigen Szepter, unter der Aegide des hochseligen Königs Albert. Ein Held im Frieden wie im Kriege! Wir Sachsen wurden von ihm immer in's vorderste Treffen geführt, sei es im Ringen der Schlachten, sei es in den Wettkämpfen moderner Cultur. Gott hatte ihm aber auch zu diesem doppelten Füh- rungsamte zwei Gaben geschenkt. Die ein« war ein überaus glücklich angelegter Charakter, geschult in der Schule einer vorzüglich geleiteten Erziehung und Familie. Verpflichtet die Würde deS Herrschers ein christliches Gewissen . jederzeit zur Ehrfurcht und Treue, so wird dieser Unterthanengeist geradezu zur schwärmerischen Verehrung und Liebe, wenn sich zur hohen und höchsten Würde auch noch glänzende natürliche Gaben und Tugenden gesellen, wie sie unser guter entschlafener König besaß. Wer je in daS blaue Ange König Alberts geschaut, wer je ein Wort aus seinem Munde vernahm, der wird mich verstehen und nie eS vergessen, welch ein bescheidenes, demüthiges, gutes, edles Herz unter diesem Königsmantel schlug. O die Großen der Erde brauchen oft so wenig, um Andere glücklich zu machen! Ein zweites Herz hatte Gott ihm geschenkt — ich darf es und muß es sagrn, wenn Bescheidenheit diese Erwähnung auch ablehnen dürfte — das der hohe Ver storbene so gern seinen Engel nannte. Tas ist aller höchst Diejenige, welche wir Sachsenkinder unsere Landes mutter nennen, Königin Carola. Sie hat in König Albert ihr Alles, nach Gott ihr Theuerstes verloren. Am 18. dss. MtS., dem Tag vor seinem Todestage, feierten die Majestäten ihr 49. VermählungSfest. Aber wie? wenn ich recht berichtet bin. Der sterbende König ließ sich eine Blume brechen, eine Rose, und sie an sein Sterbelager bringen. Nachdem er sie lange sinnend betrachtet, bat er die Königin an sein Lager und überreichte ihr, todesmatt, ohne ein Wort zu sagen, die Blume mit tiefschmerzlichem Blick. Man verzeihe mir, wenn ich Gefühle und Empfindungen errege, die vielleicht ein zarterer Mund zurückdrängte. Aber diese scheinbar so geringfügige Thatsache spricht ganze Bände davon, waS sich König Albert und Königin Carola ge wesen. -TMUM A -» Ich bin am Schlusse.UDerjlegt mir die Frage nahe;