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In London und Paris fand die Rede des Kaisers' Franz Joseph eine noch weit pessimistischere Benrtheilung als in Berlin, Wien und Pest, wo man die Motive der allerdings gegen Rußland ge richteten Kundgebung richtig würdigte, aber sich gleichzeitig sagte, daß die Welt nicht nur den gleichen Gefahren, sondern auch denselben Friedcnsbürgschastcn wie früher gegcnübcrstehe. Von den französischen Blättern drückte sich die „Republique fran^aisc" verhältnißmäßig am Ruhigsten aus, bezeichnete aber dennoch den Eindruck der Rede als keinen günstigen und meinte, daß der Serbien betreffende Satz eine ernste,Warnung enthalte. Unter den Aeußcrungen englischer Blätter ist die jenige des Londoner „Standard" bcmerkenswcrth, weil das konservative Journal zwar die aufrichtige, gründliche und kräf tige Ausdrucksweise der Rede rühmt, aber hinzufügt, daß die Stelle über die „fortdauernd unsichere europäische Lage" im Munde eines so vorsichtigen und klugen Herrschers nicht anders als düster, ja als fast beunruhigend betrachtet werden könne. Das italienische Blatt „Opinione" rieth den Serben, die Biah nungen der Thronrede zu beherzigen. Die Wirkung der Rede scheint in Wien etwas überrascht zu haben. Die dortigen Re gierungsblätter beeilten sich jedenfalls sehr, beschwichtigende Erläuterungen zu bringen. Insbesondere erklärte die offiziöse alte Wiener „Presse" die englischen und französischen Auf fassungen der Rede für bloße Schwarzseherei; es liege in der objektiven Darstellung der politischen Situation keine Drohung, zumal die Rede auch die österreichisch - ungarischen Friedensbe strebungen ausdrücklich betone. Die Thronrede klinge für Jeden, der den Frieden will, friedfertig, nur Diejenigen, die den Frieden nicht wollen, hätten das Recht, zwischen den Zeilen herauszulesen, daß Oesterreich-Ungarn bereit sei, für seine In teressen im Orient mit aller Kraft einzutreten. Das ministerielle Wiener „Fremdenblatt" meinte, die zur öffentlichen Kenntnis; gebrachten Freundschaftsversicherungen müßten doch eigentlich beruhigend Wirken; außerdem könne die Betonung des kaiser lichen Wohlwollens für Serbien dem serbischen Volke nur die Wichtigkeit der guten Beziehungen veranschaulichen. Auch noch mehrere andere österreichische Blätter erwarten von dem ent schiedenen Tone der kaiserlichen Kundgebung eine friedliche Wirkung. Das klerikale Organ „Vaterland" versteigt sich so gar zu der Erklärung, eine so deutliche Friedensäußerung sei seit Jahren nicht erfolgt. Wenn auch in Oesterreich-Ungarn die Gcmüther durch diese Auslastung mehr erregt worden sind, als ein Theil der österreichischen und ungarischen Blätter zugestehen möchte, so liegt das in der Unruhe, welche die Abdankung des Königs Milan seiner Zeit in Wien und Pest verursachte und die eine gewisse Nervosität der öffentlichen Meinung zurückließ. Erst in diesen Tagen sagte darüberdas als offiziös geltende Wien. „Fremden blatt": „Eine Umwälzung so tiefgehender Art konnte nicht ohne Spuren und Folgen bleiben. Genüsse dreiste Umtriebe, welche die machtvolle Persönlichkeit eines Königs niedcrzuhalten ver mocht hat, dringen an die Oberfläche und trachten die Köpfe eines benachbarten Volkes zu verwirren, dasselbe in für den Frieden verderbliche Bahnen zu zerren. Auch kann es dem un befangenen Auge nicht entgangen fein, daß die panslawistische Aktionslust in der letzten Zeit überall, wo sie den geeigpeten Boden zu finden hoffte, ihre Thätiakeit verdoppelt hat und gegen die bestehende legale Ordnung Europas die Leidenschaften neuerdings zu entfachen bemüht ist." Nach Ansicht der „Berl. Nalional-Ztg." findet in der Rede des Kaisers von Oesterreich gerade das Wachsen des russischen Einflusses seine Würdigung, indem der Monarch eine nicht mißzuvcrstehcnde Warnung an die Belgrader Negierung richtet. Die Ergänzung dazu ist, daß das freundschaftliche Jutereste, welches Oesterreich-Ungarn bis her dem Königreich S^bien entgegenbrachte, fast demonstrativ für Bulgarien bekundet wird. Die Bebemung dieser Aeußcrungen kann nicht zweifelhaft sein: sollte Rußland in Serbien diplo matisch festen Fuß fasten, so würde der Schwerpunkt des öster reichisch-ungarischen Widerstandes gegen die russische Balkan- Politik in die Unterstützung Bulgariens verlegt werden. Die „Vossische Zeitung" meint, die Kaiser-Rede unterscheide sich wesentlich von der vorjährigen. Die in dem Passus bezüglich Serbiens ausgesprochene Hoffnung erscheine von der Besorgniß, daß es auch anders kommen könne, nicht frei. Das „Journal de St. Potersbourg" enthält sich wohl aus diesem Grunde zunächst noch jeden Kommentars der erwähnten Rede, die cs nur mit deutlicher Hervorhebung der friedlicher klingenden Stellen wörtlich wicdergab. Von der gesammteu ungarischen Presse ist die Gegenüber stellung der Beziehungen Oesterreich-Ungarns zu Serbien und zu Bulgarien als höchst bedeutungsvoll erkannt worden. Der „Pester Lloyd" hob die Wärme hervor, mit welcher der Kaiser Franz Joseph von Bulgarien sprach und das ungarische Re gierungsorgan „Nemzet" sah in der Thronrede den Ausdruck des festen Entschlusses, jenen Faktoren entgegenzutreten, die keine friedliche Entwickelung der Orientverhältnisse zugeben wollen. Im Allgemeinen decken sich die ungarischen Kommen tare zur Delegations-Thronrede mit dem von der Wiener „Neuen Freien Presse" abgegebenen Urthcil. Das liberale Wiener Blatt sieht in der Rede einfach eine Antwort auf dcu bekannten Trinkspruch des Zaren, der darin dem Fürsten von Montenegro eine Aufgabe zugewiefen hat, deren Lösung Oester reich niemals dulden wird. „Die Ansprache des Kaisers" sagt die „N. Fr.Pr." „läßt keinen Zweifel darüber auflommcn, wie Oesterreich dieses russische Programm ausgenommen und wel chen Eindruck die Thatsache gemacht hat, daß Rußland auch in Serbien die politische Offensive gegen Oesterreich eröffnete. Der Kaiser erinnert die serbische Regentschaft öffentlich an das Versprechen, die freundschaftlichen Beziehungen zu Oesterreich pflegen zu wollen, und er spricht mit ernstem Nachdrucke die Hoffnung aus, daß die Klugheit und der Patriotismus der Serben das Land vor ernsten Gefahren bewahren möge. In einer Unterredung mit dem verbannten Zankow, der jetzt in Belgrad die Minen gegen sein eigenes Vaterland vorbereitet, hat der Zar die Bulgaren zur Verjagung des Fürsten Ferdinand aufgefordert. Der österreichische Kaiser aber berichtet den Delegationen, daß in Bulgarien Ruhe und Ordnung herrschen." Das Wiener Blatt meint ferner, daß nach dem ganzen Tone der Ansprache die Hoffnung, Rußland durch Nachgiebigkeit zu versöhnen, auch in der Wiener Hofburg im Schwinden begriffen sei, daß aber die Privatäußerungen des Kaisers einzelnen Dele- girten gegenüber trotzdem zu der Hoffnung der abermaligen Zerstreuung des Gewölkes berechtigen. Aus den Debatten der Delegationen werde unzweifelhaft hervorgehen, daß die Politik des Kaisers vom ganzen Reiche unterstützt wird. Bei dem Empfange beider Delegationen machte Kaiser Franz Joseph wie gewöhnlich während des Cercles zu den einzelnen Abgeordneten Bemerkungen, welche die Verhältnisse ihrer Heimath betrafen. Dabei äußerte sich der Kaiser u. A. auch sehr entschieden über die Verhältnisse in Böhmen. Auf die an den Delegirten Demel gerichtete Frage, wie es in Schlesien gehe, lautete die Antwort: „Wir haben ziemlich gute Ernte-Aussichten; wenn nur nicht die Beunruhigung wegen der großen Nähe der unsicheren Nachbarschaft wäre!" Darauf be merkte der Kaiser: „Es ist allerdings richtig, daß die politische Lage eine unsichere ist, man könnte beinahe sagen, unsicherer, als manchmal bisher; aber es ist schon öfter in einem solchen Falle eine Wendung zum Besseren eingetreten. Auch diesmal ist schon eine Beruhigung zu. verzeichnen, denn die äußere politische Lage wird in der öffentlichen Diskussion viel beunruhigender besprochen, als es den Verhältnisten entspricht. So ist die Lage in Rumänien keineswegs so ungünstig, wie sie in der Publizistik behandelt wird, und dasselbe gilt auch betreffs Serbiens. Es bestehen daher gegründete friedliche Aus sichten für die nächste Zeit." Diese Acußcrung deS öster reichischen Monarchen hat jedenfalls beruhigend gewirkt und die Schärfe der Thronrede etwas abgemildert. Die gewünschte Wirkung auf Serbien hat dieselbe bereits gehabt. Der/.Politi schen Korrespondenz" wurde ausdrücklich von serbischer Seite ver sichert, die maßgebenden Kreise besäßen die volle Gewähr, daß die Kossowo-Feier sich unter Vermeidung jedweder politischen Kundgebung gegen Oesterreich vollziehen werde. Tagesschau. Freiberg, den 26. Juni. Ihre Majestäten der deutsche Kaiser, die Kaiserin Viktoria Augusta und der König von Sachsen trafen am Dienstag Vor mittag 9 Uhr 50 Minuten in Stuttgart ein nnd wurden am Bahnhofe vom Prinzen Wilhelm empfangen. Außerdem waren sämmtliche zur Zeit in Stuttgart anwesenden Fürstlichkeiten zugegen. Am Bahnhose waren zwei Ehrenkompagnien mit Musik und Fahnen ausgestellt, die eine für den Kaiser, die andere für den König von Sachsen. Nachdem der Kaiser die Front der Ehrenkompagnie abgeschrittcn und sämmtliche Fürst lichkeiten begrüßt hatte, fuhren Ihre Majestäten mit dem Prinzen Wilhelm von Württemberg unter enthusiastischen Hochrufen der zahlreichen Menschenmenge durch die prachtvoll geschmückten Straßen nach dem Residcnzschloß. Im Schlosse wurden Ihre Majestäten vom Könige, der Königin, sowie sämmtlichen Prm- zessinen des württcmbcrgischen Königshauses am Portal des Weißen Saales empfangen. Kie Begrüßung zwischen den Maje stäten war eine äußerst herzliche. Nach einem halbstündigen Aufenthalte im Stuttgarter Residenzschtoste fuhren Ihre Maje stäten der Kaiser und der König von Württemberg zusammen zur Parade aus dem Cannstatter Wasen, von begeisterten Hoch rufen der Bevölkerung auf dem ganzen Wege begleitet. Die Kaiserin und die Königin Olga fuhren ebenfalls zusammen nach dem Paradefclde, von sämmtlichen Fürstlichkeiten gefolgt. Der Korso durch die Anlagen verlief bei wunderschönem Wetter äußerst glänzend. Nach der Ankunft auf dem Cannstatter Wasen, stieg der Kaiser zu Pferde, während der König von Württem berg im Wagen stehend die Parade abnahm. Eine glänzende Suite umgab die hohen Herrschaften; unter Anderen wohnten auch der Chef des Generalstabes Graf Walderice, und viele Offi ziere des Großen Generalstabes der Parade bei. Der Kaiser unterhielt sich sehr lebhaft mit dem Könige von Sachsen, dem Großherzog von Baden, dem Grafen Waldersee und dem Ge neral von Alvensleben; vor Allem aber mit dem König Karl, welchem Allerhöchstderselbe sein Regiment 2. Württem- bergisches Nr. 120 zweimal vorbeiführte. Bei der Abfahrt wurden die Kaiserlichen und Königlichen Majestäten mit den lebhaftesten Hochrufen begrüßt. Auf dem Landhaus Rosen stein fand sodann ein Pargdediner Pon 360 Gedecken stylt. Bei diesem Festmahl saßen an der rechten Seite der Tafel: der Kaiser, die Königin Olga, der König von Sachsen, die Prinzessin Wilhelm, der Großherzog von Baden, die Großfürstin Wera, der Großherzog zu Hessen, die Prinzessin Augusta von Sachsen- Weimar, der Erzherzog Franz Ferdinand, der Herzog Wilhelm von Württemberg; an der linken Seite der Tafel saßen: die Kaiserin, der König von Württemberg, sodann die Prinzessin von Oldenburg, der Großfürst Thronfolger von Rußland, der Kronprinz von Griechenland, die Prinzessin Isabella, der Prinz Ludwig von Bayern, der Prinz Wilhelm von Württemberg,