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158 PAPIER-ZEITUNG Nr. 10/1916 einige Papierfabriken, aber diese decken den dortigen Papier bedarf nur zum Teil. Deutschland und Oesterreich-Ungarn haben vor dem Krieg große Papierausfuhr nach Indien betrieben, und es dürfte dort zurzeit Not an Papier herrschen, aber auch an Papierstoff, denn die dortigen Papierfabriken bezogen Holz schliff und Zellstoff aus Europa. Wenn also die englischen Papier fabriken, insbesondere diejenigen, die Zeitungspapier herstellen, auf Bambusstoff als Ersatz von Holzzellstoff warten, dann können sie ihre Betriebe lange geschlossen halten. Schriftleitung Englische Machenschaften Von A. S. Wertheim, Hamburg Als bei Kriegsbeginn die deutsche Reichsleitung ein strenges Zucker-Ausfuhrverbot erließ, antwortete kurz darauf die englische Regierung mit einem Einfuhrverbot gegen deutschen Zucker. Da Deutschland und Oesterreich an der Versorgung des Weltmarktes mit Zucker hervorragend beteiligt sind, war den Meisten diese an scheinend gegen das eigene Interesse Englands gerichtete Maßnahme der englischen Regierung unverständlich, und man vermutete, daß in der Tat England auf sehr lange Zeit mit Zucker versorgt sein müsse, um diese Maßnahme wagen zu können. Obgleich ich in meiner zu Kriegsbeginn erschienenen Schrift „Der englische See räuber und sein Handelskrieg” auf die Notwendigkeit der Aufrecht erhaltung des deutschen völligen Zucker-Ausfuhrverbotes hinge wiesen und ausdrücklich vor der von den Engländern zu erwartenden Kriegslist gewarnt hatte, ließen sich deutsche Handelskreise, die damals mit den englischen Spiegelfechtereien noch nicht vertraut waren, verleiten, der deutschen Regierung Milderung des Ausfuhr verbotes durch Gestattung der Ausfuhr an neutrale Länder zu empfehlen, mit dem Ergebnis, daß dadurch den Engländern der Aufkauf ausländischen Zuckers erleichtert wurde und die durch das strenge deutsche Ausfuhrverbot in England bereits eingetretene Preissteigerung von über 200 v. H. auf etwa 30 v. H. zurückging. Die weitere Folge war, daß jetzt bei uns selbst Zucker etwas teurer geworden ist. Ein ganz ähnlicher Kniff wird jetzt von England hinsichtlich des von Schweden kürzlich erlassenen Zellstoff-Ausfuhrverbotes versucht, indem England als Antwort darauf die Einfuhr von Papierstoff beschränkt bzw. verbietet, um sich dadurch den An schein der Unabhängigkeit von Schwedens Ausfuhr zu geben. In Wirklichkeit bezweckt dieser Kniff lediglich, Schweden zum Heraus lassen von Zellstoff an neutrale Länder, namentlich an Amerika, zu veranlassen, um England zu ermöglichen, dadurch freiwerdenden amerikanisch-kanadischen Papierstoff aufzukaufen. Wie schwer England von diesem schwedischen Ausfuhrverbot betroffen wird, erhellt schon daraus, daß zur Verstärkung dieses Streiches die englische Regierung durch die Tageszeitungen das Märchen ver breiten läßt, daß infolge des schwedischen Ausfuhrverbotes nunmehr Indien mit der Erzeugung von Papiermasse aus Bambus sofort beginnen und dadurch in kurzer Zeit die fehlende schwedische Papiermasse ersetzt würde. Die englische Regierung hat dabei nur den kleinen Umstand aus der Erinnerung verloren, daß sie bereits vor Jahren durch ihren Regierungsagenten für Indien einen Ausschuß zum Studium der technischen Ausführbarkeit der Her stellung von Bambus-Papiermasse in großem Maßstabe eingesetzt hatte, wobei auch der Verfasser dieser Zeilen zu Rate gezogen wurde, und daß der Bericht dieses Ausschusses völlig ablehnend war. Jeder mit den einschlägigen Verhältnissen vertraute Fachmann weiß, daß wegen der Schwierigkeiten der Beförderung und der Be schaffung Von Chemikalien der Herstellung von Bambus-Zellstoff in großem Maßstabe selbst in Friedenszeiten fast unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen, und daß in Kriegszeiten diese Schwierig keiten wesentlich verschärft sind. Aber selbst unter Außeracht lassung dieser Umstände ist es jedem Fachmann hinreichend bekannt, daß der sonst vorz gliche Bambus-Zellstoff nur für ganz wenige Papiersorten in Frage kommt, und die Vorbereitungen zur Her stellung großer Mengen Bambus-Zellstoffs mindestens einige Jahre in Anspruch nehmen würden. Wenn trotzdem die englische Re gierung zu diesem dürftigen Drohmittel greift, um auf die schwedische Regierung einen Druck auszuüben, so beweist dies lediglich, wie nervös die englische Regierung durch den Erlaß des schwedischen Ausfuhrverbotes geworden ist. Die Verhältnisse bezüglich Englands Versorgung mit Holz zellstoff liegen sehr einfach. England besitzt nur zwei kleine Holz- zellstöff-Fabiiken, die außerdem seit Kriegsausbruch wegen Holz- mangels kaum arbeiten. Demnach ist England zur Versorgung seiner annähernd 500 Papierfabriken mit dem ihnen nötigen Papierstoff — wenn man von Esparto-Stoff absieht — ausschließlich auf das Ausland angewiesen. Aehnlich liegen die Verhältnisse in Frank reich und Italien. Die Haupt-Erzeugungsländer, aus welchen Eng land bisher Papiermasse bezog, sind Deutschland, Oesterreich- Ungarn, Schweden, Norwegen und zu einem kleinen Teile Kanada, da der überwiegende Teil der kanadischen Erzeugung von Amerika benötigt wird. Dazu tritt der Umstand, daß die kanadischen Ablade häfen während des Winters geschlossen sind. Da Deutschland und Oesterreich-Ungarn seit Kriegsausbruch keinen Papierstoff heraus lassen, sind England, Frankreich und Italien zur Aufrechterhaltung ihrer Papierindustrie fast ausschließlich auf Schweden und Nor wegen angewiesen. Was daher die Unterbindung der skandinavischen Papierstoff-Zufuhr für England, Frankreich, Italien bedeuten würde, liegt klar zutage, wenn man berücksichtigt, daß davon nicht allein der Fortbetrieb von etwa 1000 Papierfabriken in diesen Ländern, sondern auch der damit in Verbindung stehende Weiterbetrieb der zahlreichen Hilfsindustrien und das Erscheinen der Zeitungen abhängt. Der Wegfall der skandinavischen Papiei stoff-Zufuhr wäre für diese Länder eine Katastrophe von unübersehbaren Folgen. Da in der schwedischen Regierung hervorragende Kaufleute sitzen, so darf man erwarten, daß diese den Wert dieser englischen Drohungen und Spiegelfechtereien richtig einzuschätzen wissen. Wenn Schweden das einmal beschlossene Ausfuhrverbot für Papier masse mit fester Hand durchführt, so wird es den von ihm damit beabsichtigten Zweck erreichen, und die dem Lande auferlegten Opfer werden dadurch reichlich aufgewogen werden. Aber auch Norwegen, dem trotz allen Entgegenkommens von England die größten Schwierigkeiten für seinen Handel in den Weg gelegt werden, wird, wenn es sich erst einmal der furchtbaren Waffe, die es England gegenüber durch seine Papiermasse-Erzeugung besitzt, bewußt geworden ist und sich ihrer richtig zu bedienen weiß, mit Leichtig keit die ihm für seinen Handel nötigen Zugeständnisse von England erreichen können. Deutschland kann diesen Maßnahmen der skandinavischen Regierungen mit verschränkten Armen zuschauen, da es in der glücklichen Lage ist, im eigenen Lande eine reichentwickelte Papier stoff-Erzeugung und die dazu erforderlichen Rohstoffe zu besitzen, so daß es die bisher von Skandinavien bezogenen verhältnismäßig kleinen Mengen erforderlichen Falles selbst erzeugen kann. Beschlagnahme des Altpapiers? Wie aus einer Anzeige auf Seite 160 dieser Nummer hervor geht, befürchten beteiligte Kreise, daß die Regierung zur Be schlagnahme des Altpapiers veranlaßt wird. Gegen diese be absichtigte Maßnahme soll eine Versammlung der Papier- und Pappenfabrikanten in Leipzig am 8. Februar stattfinden. Papier- und Pappen-Abfall aus dem Felde An unsere Papier- und Pappen-Lieferanten! Der Vorstand des unterzeichneten Verbandes beteiligt sich in intensiver Weise zusammen mit dem Verein Deutscher Papier fabrikanten (Geschäftsführer Herr Ditges) und dem Verein Deutscher Pappenfabrikanten (Geschäftsführer Herr Dr. Kubatz) an den Bestrebungen, für die Pappen- und Papierfabriken reichlich Alt material heranzuschaffen, er erwartet aber anderseits von den Herren Pappen- und Papierfabrikanten größtes Entgegenkommen für Lieferzeiten und Preise seinen Mitgliedern gegenüber. \Zentral- Verband der deutschen Kartonnaoen-Fabrikanten (E. V.) Berlin C 2, Jüdenstraße 53 | Papier- und Pappen-Abfall aus dem Felde. Die Zuschrift des Armee-Verwaltungs-Departements, die wir in Nr. 9 auf Seite 140 abdruckten, ist auch an den Verein Deutscher Pappen-Fabrikanten gerichtet worden. Papierabfälle Die Heeresverwaltung hat in den letzten Monaten große Mengen Papierschnippel und Zeitungen zum Füllen von Schlafsäcken auf gekauft. Durch die starke Nachfrage sind nun die Preise gestiegen. Wie man uns mitteilt, ist jetzt eine Verfügung erlassen worden, Abfälle nicht mehr aufzukaufen und nicht mehr zu verwenden. Dadurch wird der weiteren Preissteigerung ein Riegel vorgeschoben, und man wird gut tun, beim Einkauf vorsichtig zu verfahren.; Papierfabrik Papier-Erzeugung inRußland Keine Ware ist in Rußland in solchem Grade im Preise ge stiegen wie Papier. Die Preissteigerung hat für viele Papiersorten die Höhe von 300 bis 400 v. H. erreicht, was an dem Mangel an Papier • Vorräten in den Hauptverbrauchsorten liegt. Die Papiererzeugung in Rußland hat sich schon in den letzten Jahren nicht durch besonderen Umfang ausgezeichnet, ungeachtet der fortdauernden Zunahme des Verbrauchs. Im Jahre 1913 sind von den russischen Papierfabriken etwa 20 Millionen Pud*) Papier hergestellt worden. Da die Zunahme der Erzeugung bedeutend hinter der Steigerung des Verbrauchs zurückblieb, mußte die fehlende Menge durch Einfuhr aus dem Ausland ersetzt werden. Von 1900 bis 1912 hat sich die Erzeugung der russischen Papier fabriken etwas weniger als um das Doppelte vergrößert, während die Papiereinfuhr um mehr als das Dreifache zugenommen hat. ♦ 1 Pud = 16,38 kg.