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sirt. Eine» Taae», al» «r so eben einen derar- tigrn Brief gelesen halte, stieß er einen Ausruf de» Triumphs au», welche» er gar nicht zu ver hehlen suchte/und sagte dann ganz ruhig: Don Sebastian ist auf der Jagd erschossen worden, — Niemand weiß von Wem oder durch wa» für einen Unglücksfall!" — „Wie?" rief ich; „Don Sebastian? der Letter der Marquesa?"—„Ja, derselbe!" versetzte Don Jose; eben jeuer Dou Sebastian, welcher während meiner Abwesenheit in Lissabon so »ft in mein HauS zu kommeu pflegte. Die leidenschaftlichen Jäger enden Alle auf dieselbe Weise !" Dies sagte er mit einem bittern schadenfrohen Lächeln uud verließ mich dann, ohne ei» Wort weiter hinzuzufetze». „Von jener Zeit an ward der Briefwechsel minder lebhaft, und der Herr MarqurS kam nur noch in seltenen Zwischenräumen in meine Woh nung. Ich fragte ihn ost, warum er mich zwiuge, so müssig in Paris herumzulungern; aber er verwies mich immer zur Ruhe und meinte: die Zeit werde schon kommen, wo er meiner bedür, feu werd«: er habe mich zur-Ausführung eines ganz besonder» geheimen Auftrages ausersehen. Endlich besuchte er mich eines Morgens — eS war am 16. November — uud verlangte von mir das eidliche Versprechen, daß ich einen Be fehl, welchen er mir noch am selben Abend ge ben werde, getreu und buchstäblich auSführr» wolle, und hieß mich, Nachts zehn Uhr in der Nähe feine» Hotel» auf ihn warten. Ich stellte mich um die bezeichnete Stunde au dem bestimm ten Ort» i» den Eiysäischeu Felder» ein, und brauchte nicht lange zu warten, bevor mein Herr erschien, mit einem Korb am Arme, welchen er mir einhändigtc. — „Dieses Töchterchen ward heute früh geboren," Hub er an, /und seine Mut ter hält es für tobt. Ich will kein unschuldige- Wesen umbringen; aber Du mußt heute Nacht diesen Säugling in de» Schieber des giudelhau- se» legeu. Vollsührst Du meinen Auftrag prompt und geschickt, so erhältst Du zur Belohnung eine bedeutende Summe Gelbes, und ich ernenne Dich zu meinem Haushofmeister. Läßt Du Dir aber jemals einfallen, auch nur ein Wörtchen über diese Angelegenheit auszuplauderu, so stirbst Du ebenfalls durch einen Unglücksfall wie Do« Se- , bastian!" „Ich erschrack über das Ansinnen, welches Don Jose mir gestellt hatte, aber ich halte einmal ge schworen, mid außerdem überkam mich der Gedanke, daß ich schon um des Kinde» willen meine Zusage nicht brecheji dürfe. Daher versprach ich dem MarqueS auf» Neue unbedingten Gehorsam, nahm einen Miethwageu und fuhr in meine Wohnung; weil ich) dem Wunsche nicht widerste hen konnte, wenigsten- das arme Kind zu sehen, tz» war in Kleider und Windeln gehüllt, welche ^ar kein Zeichen trugen, und hatte auch straft kein Merkmal bei sich. Der Anblick de» kleine» Cherub» ergriff mich tief, und um dem verstoße nen Säugling wenigsten» Ein Merkzeichen mit- ' zugebru, mittels dessen er später einmal wieder erkannt werden könnte, zerschlug ich eine kleine silberne Denkmünze mit dem Bilde unser« König- Ferdinands VH. mit einem Hammer in zwei Theile, und legte die eine Hälfte in die Windeln de» Säugling», hob die andre aber sorgsam auf und vollzog nun die Befehle de» Marques. Dieses Geheimniß habe ich seitdem treu be wahrt und es soll bei meinen Lebzeiten auch Nie mand mit meinem Willen in den Besitz desselben kommen. Aber es hat mir in den seither, ver strichenen Jahren unsäglich viele Gewissensbiss« und unzählige schlaflose Nächte verursacht. Da mit nun diese« Geheimniß nicht mit mir in'» Grab sinke, habe ich Vorstehende» niebergeschrie« den, und bitte Jeglichen, der es finden oder le sen mag,-gegenwärtige Schrift meiner gütigen Herrin, Donna Carmen Limanez Marquesa v« Alava mitzutbeilen, samnrt der hierzu gehörigen Hälfte der Denkmünze, damit sie, falls cS noch Zeif ist» von meiner Erklärung Gebrauch machen mögen'zum Besten des armen Kinde», dem der barmherzige Gott gnädig sein möge, gleichwie mir iu meinem letzten Stündlein. Ich habe we- uigstens seither keinen Tag unterlassen, das ver stoßene Kind meiner gütigen Herrin der besonder« Obhut des lieben Gottes und der heiligen Jung frau anzudefehlen. Und so füge ich noch schließ lich an, daß Vorstehende« ganz treu und buch stäblich war ist, so wahr mir Gott helfe!" Diese Enthüllung rief der Marquesa plötzlich wieder die Erinnerung an Ereignisse ins Gedächt nis die längst beinahe aus demselben verwischt waren, und erweckte gleichzeitig Hoffnungen auf künftige« Glück in der Lrnst descr schwergeprüften Mutter. Ihr freudenloses Leben, seither nur zwi schen Kummer nnd bitteren Erinnerungen getheilt, hatte nun einen Zweck! Sie halte heilige Pflichten zu erfüllen, und wieder gutzumachen, was Haß, Argwohn, Eifersucht eines Vater« und Gatten, der sich gekränkt und betrogen gewähnt, au dem schuld losen Kinde gefrevelt hatte! Schluchzend sank sie an ihrem Betschemel auf die Knie, blickte mit ge falteten Händen zu dem Bilde de« Gekreuzigte» empor und flüsterte: „DuHerzenSkündiger! Du Sohn Gotte«, der Du her Welt Sünden aus Dich genom men, Du allwissender Heiland! Du wezßt, daß ich keine Schuld trage an dem Frevel, welcher an die sem armen Kinde begangen worden, daß ich schon seit zwanzig Jahren als rodt beklage! Du weißt, daß ich niemals die Treue gebrochen, die ich mei nem Gatten im Sakrament der Ebe gelobt hatte! Daruur hast Du mir diese späte Freude gegönnt, auf welche ich niemals gehofft -Ate! Sei tausend mal dafür gebeuedeit! ldid Du, allmächtiger und aübcktmherjigkr Gott, der Du mir nach langen Iah-