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gestellt werden. Wer das nicht tut, läuft Gefahr, zu falschen Ergebnissen zu gelangen; wer das ablehnt, kommt zu einer hyperkritischen Faktologie, die letztlich zum Aus einanderfallen der an der Frühgeschichtsforschung beteiligten Disziplinen beiträgt. Die Möglichkeiten vergleichender Untersuchungen sind also differenziert zu bewer ten. Ihre Garantie liegt nicht in einem oder in der Summierung oder Mediation ver schiedener an der Frühgeschichtsforschung beteiligter Wissenschaftszweige, sondern wird nur in der Beziehung zu den allgemeinen Gesetzmäßigkeiten und Kategorien der historischen Bewegung, wie sie verallgemeinert der historische Materialismus dar stellt (Stiehler 1974) und wie sie in der Linienführung des marxistisch-leninistischen Geschichtsbildes konkretisiert sind (Marx.-leninist. Geschichtsbild 1975), gewähr leistet. Die konkrete quellenmäßige Erfassung der Erscheinung Burg seitens der ver schiedenen Disziplinen erfolgt unter völlig verschiedenen Bedingungen. Der Ar chäologe erfaßt sie als etwas Zuständliches, das im Stadium des Verfalls in die Erde eingebettet wurde und sich seither nicht mehr verändert hat. 2 Der Bau- und Kunst geschichtler nimmt einen mit einem jüngeren Bauensemble innig verbundenen alten Baukern auf; an diesem Zustand der Summierung verschiedener Bauvorgänge än dert sich meistens auch nichts bei der Erscheinung als Ruine (Clasen 1954; Wäscher 1962, S. 13 ff.; Mrusek 1965, S. 19 ff.). Dagegen begreift der Mediävist die Burg viel stärker als etwas mit der Bewegung der Zeit Verbundenes. Seine Quellen zeigen die Beziehungen der Wehranlage zum Territorium, zu Menschengruppen, zu Einzel persönlichkeiten im Fluß der gesellschaftlichen Entwicklung. Dabei erscheint die Burg in der Regel beiläufig, ja zufällig. Hauptanliegen der Quelle ist meist ein an derer Vorgang. Aus diesem Zusammenhang der Beiläufigkeit und Zufälligkeit - als Ausstellungsort einer Urkunde, als Beziehungspunkt zur territorialen Abgren zung, als Sitz eines Vasallen, als Streitobjekt rechtlicher Zuständigkeit - muß die Burg behutsam herausgelöst und als wehrhafte Siedlungseinheit ins Blickfeld ge rückt werden. Ein solcher Zusammenhang bedingt einerseits fragmentarischen Cha rakter der Aussage, garantiert andererseits den Zusammenhang mit der gesellschaft lichen Entwicklung. Damit wird der Unterschied archivalischer und archäologischer Aussagen zur Burg verdeutlicht, der beim Vergleich immer genau beachtet werden muß. Die gängigen Aussagen der schriftlichen Quellen erschließen also viel eher das Be ziehungsgefüge nach außen als die Merkmale und die Entwicklung der Burg selbst. Damit erscheint die Charakteristik der Burg selbst auf der Grundlage schriftlicher Quellen im Regelfall nicht als unmittelbare Quellenaussage, sondern als Ergebnis der Quelleninterpretation. Der Komplex der Burg als archäologischer oder bauhisto rischer Gegenstand zeigt konkret die Elemente der Wehranlage selbst, im Falle wei tergehender Erforschung als eine stratigraphische Folge veränderter Zustände. Da tierung und Entwicklungsgeschehen, die ursächlich hinter dem Schichtenkomplex 2 Davon unabhängig sind spätere Störungen möglich und auch einzuordnen. Sie ergeben lediglich eine Reduktion des Quellenbestandes, niemals historische Veränderung. Vgl. auch Herrmann 1978.