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Teile der Schwert- bzw. Dolchscheide fehlen, die zugehörige Waffe ebenfalls. So kön nen wir auch nicht entscheiden, ob es sich u. U. um den Teil eines Beutestückes, um ein Geschenk, um ein Erinnerungsstück oder lediglich um ein metallenes Wertobjekt handelt oder gar nur um ein wegen seiner Schönheit auf gehobenes Schmuckstück. Auch an den ehemaligen Besitz eines durchziehenden Händlers oder ein von ihm einge tauschtes Wertobjekt könnte gedacht werden, wenn man nicht gar annimmt, ein Heimischer hätte es aus fernen Landen mitgebracht. Wikingerzeitliche Schwertortbänder sind seit Jahrzehnten oft untersucht und ge gliedert worden (z. B. Arne 1913; Strömberg 1951; Paulsen 1953). Die Analyse von Form und Verzierung stand dabei ebenso oft im Mittelpunkt wie die chronologische Fixierung und die Verbreitung. Die kulturgeschichtlichen und mythologischen Deutun gen sind auch heute noch nicht in allen Einzelheiten anerkannt. Erstmals treten wikingische Metallortbänder nach dem Veröffentlichungsstand im 9. Jh. auf. Im 10. Jh. wird auch mengenmäßig und in bezug auf die Verbreitung der Höhepunkt erreicht. Die große Fundstreuung in weite Teile Europas dürfte zu mindest zu einem großen Teil in dem damals überdurchschnittlichen Fernhandel be gründet sein, der weit nach Osten und Südosten reicht, über die Nordsee westwärts wirkt, von den Häfen rund um die Ostsee aber besonders die Verbindungen zwi schen Nord und Süd betreibt. Hinzu kommt die außerordentliche Bedeutung der Landwege vom Osten nach dem Westen bis in die westlichen Bereiche Mitteleuro pas. Diese Binnenhandelsstraße ist zweifellos ja u. a. auch für den „Import“ des Nimschützer Ortbandes ausschlaggebend gewesen. Die Zahl der Schwertortbänder nimmt schon im 11. Jh. beachtlich ab; im 12. Jh. finden sich nur noch wenige Exem plare. Die Verbreitung der wikingerzeitlichen Ortbänder läßt Schweden als Schwerpunkt erscheinen, wohingegen etwa Dänemark mit vielen Schwertfunden weniger solcher Stücke aufzuweisen hat, wie auch Norwegen und Finnland oder die südliche Nordsee küste bis Frankreich (mit einzelnen Funden), England und Island. Von der östlichen Ostsee fanden die Schwertortbänder bis zum Schwarzen Meer beachtliche Resonanz, wie ja ohnehin die Kontakte zwischen den Wikinger und Slawen - nicht nur als Ostseeanrainer - bedeutend waren (Zak 1963). Der Nimschützer untere Schwertscheidenabschluß (Abb. 46-48, Taf. 17, 18,3, 19) gehört in Gruppe II der Ortbandeinteilung von Paulsen (1953, S. 35-57) und dabei wiederum zu den Stücken im Tierstil des Ostseekreises sowie mit Anklän gen an Paulsens skandinavische und schwedische Varianten aus dem 10. Jh. Die ganze Gruppe zeichnet das germanische Vierfüßlermotiv aus, ein mehrfach ver schlungenes Flechtband mit ornamental genutzten Durchbrüchen und einem mehr oder weniger stark stilisierten Tierkopf als oberen Abschluß. Bei unserem Stück be findet sich zentral und von dem „rhythmischen Flechtband“ umrahmt noch eine re lativ große Männermaske. Insgesamt wirken alle Stücke unserer Gruppe wesentlich graziler als die etwas massiven Ortbänder mit orientalischer Palmette (Paulsen 1953, S. 59-96). Dazu kommt bei diesen die geschlossene Hülle ohne irgendwelche Durchbrüche, unabhängig davon, ob wir die sogenannte warägische, die warägisch-