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gebiet. Inwiefern alle aufgeführten Belege wirklich nur in das 6.-8. Jh. gehören, kann nicht eindeutig festgestellt werden. Erst für das 9./10. Jh. werden im obodritischen und wilzischen Siedlungsareal die Formen der Stempelverzierungen A-E belegt. 5. Die Stempelverzierung als archäologisches Indiz für historische Beziehungen Die Kartierung der stempelverzierten Keramik des 5.-8. Jh. im Arbeitsgebiet (Abb. 1) läßt zwei germanische Verbreitungszentren mit ihren Kern- und Ausdeh nungsgebieten erkennen: Die erste Fundkonzentration zeichnet sich im Gebiet west lich der Elbe auf westsaalischem Boden ab. Sie wird durch wenige Funde östlich der Saale und im Havelgebiet ergänzt. Die hier gefundene stempelverzierte Keramik verweist auf eine eigenständige Entwicklung dieser Ornamentierungsweise, die von den sächsischen und fränkischen Vorkommen unabhängig ist. Das sich im Elbe-Saale- Unstrut-Gebiet ergebende Verbreitungszentrum ist dem thüringischen Siedlungsraum zuzuordnen. Die stempelverzierte thüringische Keramik stammt hauptsächlich aus Reihen gräberfeldern des 5./6. Jh. Es fällt auf, daß sich diese Gefäße fast immer in relativ reich ausgestatteten Gräbern fanden, im Gegensatz zu denjenigen aus den sächsischen Urnenfcldcrn. Die Analyse der Stempelverzierungen auf der thüringischen Keramik leistet einen Beitrag zur Untersuchung der Geschichte der Thüringer. Weiterhin ist es möglich, anhand der Stempelmotive und ihrer Verbreitung Rückschlüsse auf Beziehungen einiger germanischer Stämme zu ziehen. Das Hauptvorkommen der Stempelornamentierung im westsaalischen Gebiet, das 5./6. Jh., entspricht der politischen Blütezeit des Thüringer Reiches. 9 Die politische Selbständigkeit äußert sich auch in der Herstellung von spezifischen Kulturgütern. Hierzu gehören beispielsweise die archäologisch so bedeutsame Zangenfibel oder die Drehscheibenkeramik. In diese Reihe läßt sich, wenn auch nicht gleichbedeutend, die Stempelverzierung stellen. Die thüringischen Stempelmuster gehören in das 5./ 6. Jh. Ist es im Ergebnis dieser Arbeit auch nicht möglich, bestimmte Mustervarian ten der fünf Grundtypen als ausschließlich thüringisch zu bezeichnen, so lassen sich doch die Gitter- und Rosettenverzierungen als besonders häufig verwandte Muster aussondern (Abb. 14). Die Eigenständigkeit der Entwicklung fand ihren Höhe punkt in der ersten Hälfte des 6. Jh. Darauf verweisen die sehr reichen Bestattungen von Stößen (22) und Weimar (14/15) aus dem 5./6. Jh. In diesen Zeitraum sind auch die Funde außerhalb des westsaalischen Gebietes einzugliedern. Die genannten Ge fäße mit Stempelzier von Kreutzen, Elstertrebnitz, Räpitz und Plotha (33-38) ord nen sich ebenfalls in den thüringischen Rahmen ein. Im Gegensatz dazu ist die „Keilstichverzierung“ auf den Fundstücken von Mühl berg, Kr. Liebenwerda (1), Ammern, Kr. Mühlhausen (9), Mühlhausen (10) usw. 9 In der Darstellung der politischen Geschichte folgt Verf’in hauptsächlich B. Schmidt (1961), A. Genrich (1954), F. Tischler (1954) sowie R. Koch (1967) und U. Koch (1968).