Volltext Seite (XML)
4.5.2. Der frühgeschichtliche Gau Nisane Seit dem 10. Jh. wird die Siedlungslandschaft im Dresdener Elbgebiet auch urkund lich faßbar. Im Namen Nisan(e) = Tiefland, Niederland, der sich als Gauname ein bürgerte, kommt der Landschaftscharakter der Dresdener Elbtalweitung zum Aus- druck.100 Die Bewohner von Nisane bildeten wahrscheinlich einen Teil des Stammes der Daleminzer, der durch die Ereignisse von 928/929 (Zerstörung Ganas, Errich tung der Burg Meißen) in tributäre Abhängigkeit zum Reiche Heinrichs I. geriet. Dadurch wurde in der Folgezeit das Gebiet Nisane Reichsland, über das der König verfügen konnte und das er verwalten ließ. Die Einbeziehung von Nisane in das Verwaltungssystem des ottonischen Reiches wurde dadurch erleichtert, daß sich während des 9./10. Jh. innerhalb der slawischen Bevölkerung eine soziale Differenzierung vollzogen hatte, die zur Herausbildung einer eigenen adligen Oberschicht und eines einfachen Abgabesystems - möglicher weise im Rahmen der civitates - führte. An diese feudalen Keimformen konnte seit der 2. Hälfte des 10. Jh. die von außen hereingetragene Einrichtung der frühdeut schen Burgwarde anknüpfen. 100 101 Es hat nicht an Versuchen gefehlt, auch für den Gau Nisane ein System von Burgwardbezirken zu rekonstruieren. 102 Solche Rekonstruk tionsmodelle müssen aber auf Grund der lückenhaften Schriftquellen hypothetisch bleiben. Auch sind die Burgwälle vorerst archäologisch zu wenig untersucht, um sie eindeutig als Burgwardzentren ausweisen zu können. Als Burgwarde im Gau sind lediglich Gvozdec = Guodezi, Woz, Wosice (mehrmals zwischen 1045 bzw. 1071 und 1140), Bvistrizi (1068) und Bresnice (1071) be zeugt. 103 104 Den Nordwesten von Nisane nahm der Burgwardbezirk Gvozdec ein. Sein Mittelpunkt ist sicherlich in der befestigten Anlage Burgberg Niederwartha zu su chen, nach 1088 möglicherweise im Böhmerwall Niederwartha.104 Weistropp oder der 100 Älteste Erwähnung als „regio Nisen“ 968 in einer Papstbulle, die die Gründung und die Grenz zen des Bistums Meißen bestätigt. Zusammenstellung der schriftlichen Quellen für Nisane zu letzt bei W. C o b 1 e n z 1977 a. 101 Über Funktion und räumliche Ausdehnung der Burgwarde gibt es immer noch konträre Auf fassungen. „Die Landesgliederung erfolgte nach Burgwarden, die an die Stelle der slawischen Burgbezirke traten. Sie erfaßten das besiedelte Land offenbar lückenlos. Jeweils 10-20 Dörfer gehörten zu einer Burg“ (W. Schlesinger 1965, Geschichtliche Einführung S. XXIX). Im Gegensatz dazu sieht J. Huth in den Burgwarden „Sonderbereiche", „Sicherheitszonen im Vor feld des Altlandes“ (J. Huth 1976, S. 26) und - zumindest für Daleminze - „ein das gesamte Gefilde lückenlos umgebendes System von praktisch menschenleeren Aufsichts- oder Wartstreifen zur Kontrolle der Grenz- und Wildländereien ... Sie unterstanden der Aufsicht der jeweils näch sten Burg am Rande des daleminzischen Altlandes“ (J. Huth 1976, S. 31, dazu Karte S. 28). - Ganz allgemein kann wohl in einem Burgward „ein von einer Burg aus überwachter und gesicherter Raum“ (J. Huth 1976, S. 25) gesehen werden. Nach meiner Meinung lag die Basis eines Burgwardes im Altsiedelland. Ob das Burgwardsystem das ganze Land überspannte, ist bei dem lückenhaften Quellenmaterial schwer nachweisbar. Daß ein Burgwardbezirk weit in noch unerschlossene Räume hinausreichte, erscheint mir sehr fraglich. 102 Am fundiertesten L. Bönhoff 1915, S. 194-201. 103 Woz: CDS I, 1, Nr. 99, CDS II, 1, Nr. 32, CDS II, 1, Nr. 47; Bvistrizi: CDS II, 1, Nr. 29; Bresnice: CDS II, 1, Nr. 32. 104 Die Namenerklärung stützt die Lokalisierung. Gvozd = Wald (E. Eichler u. H. Wal ther 1966, S. 108 f.). Im Gebiet der Steilstufe um Niederwartha finden sich noch heute dicht