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tisch ein kritischer Schwellenbereich über- bzw. unterschritten werden muß, bevor die Variation auftritt bzw. fehlt. 154 Vielleicht bildet die Retention eines unteren Weisheitszahns bei Skelett 18 von Schirmenitz einen solchen Grenzfall; denn die ses Individuum wies weitere epigenetische Kennzeichen auf, die sich sonst allein bei Skeletten mit aplastischen M3 finden („Gruppe B").155 Entsprechend wird das ein seitige Auftreten gewöhnlich bilateraler Merkmale wie der Foramina parietalia er klärt. 156 Zugehörigkeit zur selben Kombinationsgruppe verbindet in unserer Stich probe auch andere Merkmale, die im streng anatomischen Sinne nicht identisch und vor allem verschieden lokalisiert sind - überzählige Schmelzhöcker an M 1 , M 2 und M3; Schmelzgrübchen an M2 und M3; Zahnlücken zwischen I 1 /1, I 2 /C, C P :! ; Naht knochen in Ll-2 und Sl-2 sowie Metopismus. Zwischen Erbanlage und Realisie rung liegt wahrscheinlich meist doch eine kompliziertere Kausalkette, so daß letz tere gegenüber ersterer nur „a satellite Charakter“ besitzt. 157 Umweltfaktorcn spielen insofern stets eine mehr oder minder große Rolle, als sie während der Ontogenese die Manifestation des Merkmals beeinflussen. Auch dafür gibt es im Schirmenitzer Material gewisse Anhaltspunkte. Die Entstehung der Naht knochen ist auf eine intrakranielle Druckerhöhung infolge raschen Gehirnwachs tums im frühen Kindesalter zurückgeführt worden. 1 '’ 8 Suturenknochen sind in Schirmenitz für eine Merkmalskombination „B" charakteristisch, deren Träger, wie zu belegen sein wird, unter den damaligen Lebensbedingungen genetisch besser aus gestattet gewesen sein müssen als die einer Gruppe „A“. Zu letzterer gehörten gehäuft Individuen mit bestimmten Merkmalen, deren Ausbildung von schweren Stoffwechsel- und chronischen Infektionskrankheiten beeinflußt werden soll. Für Zahnaplasien werden u. a. Tbc, Rachitis, endokrine und Ernährungsstörungen ge nannt 159 ; für Hüftdysplasien wird ebenfalls Vitaminmangel erwogen. 160 Selbst ein als sicherer genetischer Markierer geltender Merkmalskomplex wie die Molaren morphologie ist experimentell durch chronischen Eiweißmangel während der Zahn bildung verändert worden. 161 Besser als die Frequenz einzelner mikromorphologischer Merkmale am Schädel erlaubt ihre eigenartige Kombination bestimmte Aussagen über die Schirmenitzer Population als Ganzes und ihr Gefüge. Die Individuen verschiedenen Alters und Geschlechts lassen sich mühelos zwei etwa gleichstarken Gruppen zuordnen (Tab. 14), die sich signifikant unterscheiden. 162 Gruppe A ist durch Schmelzgrüb- 154 Zusammenfassend T. Sjvold 1976, S. 87. 155 Zu der „sukzessiven Reduktion“ vom voll ausgebildeten M3 über mehr oder weniger verkümmerte Formen bis zur Nichtanlage beim Menschen vgl. u. a. C. Schulze 1964, S. 368; 381; J. Kal- lay 1972, S. 191. 156 Vgl. A. Czarnetzki 1971; W. R. Pe r i z o n i u s 1979, bes. S. 105. 157 T. S j 0 v o 1 d 1974, S. 206. 158 D. Müller u. C. Röhricht 1967, S. 17 f„ 24 ff., 59, 61 f„ 64; I. Kühl 1977, S. 140 ff. 159 Vgl. zuletzt H. Zielinski 1980, S. 78 f. 160 Vgl. S. 266 ff. 161 H. R. Mühlemann 1964, S. 20. 162 Positive Nachweise für Gruppe A gegen B (einschl. A/B-Individuen) nach Tab. 14: z2 = 28,390 bei f = 7, Ckorr = 0,923. 229