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Unter den erschlossenen Siedlungsgrößen ist die kleinste Kategorie zwar nur bis in den Beginn des hohen Mittelalters, die größte vom Typ Schirmenitz möglicherweise erst seit dieser Zeit belegt (Abb. 14), doch läßt sich im Gegensatz zum germanisch deutschen Bereich aus der Streuung der Werte bestenfalls eine geringfügige Tendenz zur Erweiterung der bäuerlichen Siedlungen im westslawischen Gebiet ablesen. 911 Erst nach der vollen Feudalisierung in diesem Raum kamen hier im späten Mittelalter allmählich größere Siedlungen auf, 99 100 die auch in ihrer veränderten Struktur eher Dörfern im herkömmlichen Sinne ähnelten. 101 Wie klein indessen auch jene Sied lungen noch waren, zeigen in der weiteren Umgebung etwa die untersuchten Wüstun gen von Hohenrode (fünf Gehöfte), Gommerstedt (vier Gehöfte) und zukünftig Nennewitz. 102 Aber nicht nur im Hinblick auf die jüngere Entwicklung, sondern auch gemessen am Umfang germanischer Siedlungen der Merowingerzeit 103 hat es sich anscheinend um ausgesprochen kleine Populationen gehandelt. Während der ger manische Hofverband jener Zeit häufig 20-30 Personen umfaßt zu haben scheint, zu denen auch Abhängige mit ihrem Anhang gehört haben können, 104 steht hinter der demgegenüber deutlich reduzierten Personenzahl der kleinsten Siedlungskategorie bei den Westslawen vermutlich die erweiterte Kleinfamilie. Hinzu treten, wie ange deutet, in demselben ethnischen Milieu regionale Unterschiede. Sollte sich der auf fällig geringe Umfang slawischer Dorfbevölkerungen im Elbsaalegebiet bei künftigen Forschungen bestätigen, dürfen Zusammenhänge mit der für diesen zeitlichen und räumlichen Rahmen erschlossenen Erhöhung der Erwachsenensterblichkeit vermutet werden: Die durch die spezifische soziale Situation bedingte Erniedrigung der mitt leren Lebenserwartung scheint zu einer verminderten Reproduktionsrate und damit zu einem allgemeinen Bevölkerungsrückgang geführt zu haben, der erst in der Kolo nisationszeit wieder wettgemacht worden ist. Metrische und morphologische Merkmale Angesichts des schlechten Erhaltungszustandes des Skelettmaterials muß auf eine metrische und morphologische Charakteristik der Schirmenitzer Population im übli chen Sinne verzichtet werden. Einzelbeobachtungen sind im Katalog erfaßt. Die wenigen zu nehmenden Maße am Schädel betreffen vorwiegend den Mittel gesichtsbereich. Sie liegen sämtlich in der z. B. bei den Espenfeldern belegten Varia tion und lassen auf individuell unterschiedliche Verhältnisse schließen (vgl. etwa die Maße und Indices für Augen- und Nasenregion von Sk. 11 und 47). Die jeweils 99 Vgl. P. Donat 1980, S. 125 ff., 132 ff. 100 Paläodemographisch z. B. an einer niedersächsischen Population nachgewiesen; vgl. J. Nemes- keri, L. Harsanyi u. G. Gerencser 1973, S. 155. 101 Vgl. P. Donat 1980, S. 131, 144 f. 102 Vgl. zuletzt P. Donat 1980, S. 103, 104, 132, 180 f„ 182 f.; G. Billig 1977. 103 Nach P. Donat u. H. Ullrich 1971, S. 258, Tab. 2-4, Abb. 1 (zuletzt P. Donat 1980, S. 132 ff.), meist über 50, vielfach zeitweise über 100 Personen. Die offensichtlich kleineren Friedhöfe in Thüringen und dem Saalegebiet lassen freilich auf geringere Siedlerzahlen schlie ßen; vgl. B. Schmidt 1961, S. 164 f. 104 Vgl. P. Donatu. H. Ullrich 1971, S. 256; zuletzt P. Donat 1980, S. 93 f., 123.