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Exptd. U. Rrdakiion Dresden-Neustadt tl. Meißner Basie 4. Die Zeitung erscheint Ttcufta«, Lsuntrsta« und Sonuadeud früh. flbvnnruitnts- Preis: »trtteljähil. M. 1,50. Zu beziehen durch die kaiserlichen Post- Anstalten und durch unsere Boten. Lei sreier Lieferung in« HauS erhebt die Post noch eine Gc- . dühr von 25 Pf. ächsische Dlirh Ming. Lin unterhaltendes Blatt für den Bürger und (andmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Herrmann Müler in Dresdkn. -nserat« »erden bid Montag, Mittwoch n. Freitag Mittag angenommen und kosten: diel spalt. Zeile 15 Ps. Unter Eingesandt: SO Pf. Inseraten» Aunatzmeftellcur Invaliden dank, Haasenstcln L Vogler, Rudolf Mosie, S. L. Daube « To. in Dresden, Leipzig, Frankfurt a/M., V. Kohl, SesielSdors, Hugo Müchler, Löuschenbroda u. s. w. Ar. 130. Sonnabend, den 4. Movemöer 1899. 61. Jahrgang. Politische Wellschau. Deutsche- Reich. Zur Kais er reise nach England schreibt man aus Berlin: „Die Reise wird eine rein familiäre sein; sie entbehrt jede- politischen Charakter-: eS ist, wie wir versichern können, nur ein Besuch, den der Enkel seiner hochbctaglen Großmutter macht. Deutschland hält nach wie vor im Kriege zwischen England und Transvaal an der striktesten Neutralität fest; kein Titelchen wird davon abgewichen werden und eS ist ganz verkehrt, zu behaupten, daß Deutschland dadurch von seiner neutralen Stellung abgewrchen und eine Schwenkung zu Gunsten Englands vollzogen hätte, daß der Kaiser den englischen Boden betritt.* Ueber die bevorstehende Zusammenkunft der Kaiser Wilhelm und Nikolaus in Potsdam ver lautet in Berliner amtlichen Kreisen, daß die Ankunft deS russischen Kaiserpaares voraussichtlich am heutigen Sonnabend erfolgen wird. Der genaue Zeitpunkt de« Eintreffens ist noch nicht bekannt. Auf Wunsch des Czaren unterbleibt jeder osficielle Empfang, wie über haupt der ganze Besuch einen lediglich privaten Charakter wagen soll. Der Aufenthalt der russischen Gäste dürste von kürzester Dauer sein, vielleicht nicht länger als eine Stunde währen. Dann erfolgt die Weiterreise nach Skiernevice. Die Bekanntgabe des neuen FlottenplaneS der RetchSregierung erregt nicht nur im Reiche, ! sondern auch außerhalb Deutschlands erhebliches Aus sehen, wie nicht anders zu erwarten stand. Zumal in England muß naturgemäß die geplante Verstärkung unserer Marine dem lebhaftesten Interesse begegnen und eS lag nahe, daß man dort das Vorgehen des ReichSmarineamts spcciell aus der Besorgniß vor dem Uebergewichte der britischen Seemacht erklären würde. Erfreulicherweise verzichten jedoch die englischen Blätter auf die Geltendmachung einer solchen Auffassung, offenbar in der Erkennlniß, daß die allgemeine Welt lage nicht lediglich durch deutsch englische Interessen gegensätze charakterifirt werde und daß der Wunsch nach einer Erhöhung unserer Rüstungen zur See auch durch eine Reihe anderer Faktoren verständlich erscheine. Ein Bild von ihrer Auffassung giebt nachstehende Londoner Mittheilung: „Der deutsche Flottenver- mehrungsplan wird von den englischen Blättern nicht gerade freudig begrüßt. Die „Times" sagt: Man kann kaum von uns erwarten, daß wir die Politik Deutschlands bewillkommnen, welche einen erheblichen Zuwachs zu unserem Flottenetat bewirken dürfte; dennoch muß man zugeben, daß Deutschlands wachsen ¬ der Handel und Kolonialbesitz den Schutz durch eine Flotte erster Ordnung beanspruchen; Kaiser Wilhelm interessire sich lebhaft für Flottensachen und verstände mehr davon, als die ungeheuere Mehrheit seiner Unter- thanen. ES sei jedoch zweifelhaft, wie weit er fein Volk mit sich sortreißen werde. Deutschland müsse verstehen, daß, wenn seine Flottenvermehrung zu einer entsprechenden Erhöhung der englischen Flotte führe, dies keine Eifersucht oder Mißtrauen seitens Englands verrathe." Die Einnahme an Zöllen und Verbrauchs steuern für das erste Semester des laufenden EtatS- jahre- hat die Summe von 368,2 Millionen oder 3,9 Millionen mehr als im gleichen Zeiträume deS Vorjahres ergeben. Die Zölle haben zwar noch immer ein Minus und zwar von 8,1 Millionen infolge der verringerten Getreideeinfuhr zu verzeichnen, auch die Branntweinmaterialsteuer weist ein Weniger von 1,2 Millionen auf, dagegen erbrachte die Zuckersteuer ein Mehr von 7,1 Millionen, die BranntweinverbrauchS- abgabe von 4,9 Millionen, die Brausteuer von 0,8 und die Salzsteuer von 0,7 Millionen. — Von den anderen Einnahmezweigen haben die Reichsstempel- abgaben ein kleines Mehr gegen den gleichen Zeitraum deS Vorjahres, die Post- und Telegraphenverwaltung ein solches von 12 9 und die Reichseisenbahnverwaltung von 3,2 Millionen ergeben. Aus Deutsch-Westafrika liegen zwei neuere Mittheilungen von Interesse vor. Zu dem von ver schiedenen Zeitungen in einander wiederspreckenber Fassung gemeldeten Ueberfalle der Misfiontstation Kribi durch ausständige Bulis weiß die amtliche Be richterstattung genauere Angaben zu machen. Danach erfolgte der Angriff der Butts in Stärke von 500 Mann. Von deutscher Seite betheiligien sich nur 7 Polizeisoldaten, 3 Brüder der Mission, 2 PatreS und 5 Kaufleute am Kampfe. Von den Polizeisoldaten erhielt einer einen Kopfschuß, ein anderer einen Schuß in den Arm. Die Bulis hatten anscheinend starke Verluste. Als der Woermann-Dampfer sichtbar wurde, zogen sich die Bulis zurück, nachdem sie die Mission und die kleinen Zweigfaktoreien auf der linken Fluß- seile vollständig auSgeraubt halten. Wenn eS den Bulis richt gelungen ist, die Küstenplätze und ins besondere Kribi zu nehmen, so ist dies in erster Linie dem Freiherrn v. Malsen zu verdanken, der durch ge radezu heldenhaftes Verthetdigen der ihm anvertrauten Position die Station Kribi gegen den Ansturm eines mehr als zwanzigfach überlegenen Feindes hielt. Nach den letzten Meldungen des Freiherrn v. Malsen ist die Ruhe nunmehr vorläufig gesichert. — In der am Mittwoch abgehaltenen Versammlung der Kölner Ab- ! kheilung der Kolonialgesellschaft hielt Oberleutnant Dominik einen Vortrag über die Kämpfe im Hinter lande von Kamerun, in welchem er mittheilte: Nach den neuesten Meldungen fei eS Hauptmann Kamptz gelungen, den Sultan von Tibuti in seine Gewalt zu bekommen. Hauptmann Kamptz werde den Sultan nach der Küste führen. Die deutsche Flagge wehe nun auch im Htnterlande von Kamerun. Den Sklaven, jagden sei ein Ende gemacht. Die Leute au- dem Hinterlande würden an die Küste kommen, um auf den Pflanzungen Geld zu verdienen. Dem Mangel an großem Vieh an der Küste werde durch die Biehheerden deS Inneren abgeholsen; auch brauchten für die Schutz truppe keine Muhamedaner au- den englischen Kolonien angeworben zu werden, da man da- erforderliche Material au- den deutschen Kolonien ergänzen könne. Oesterreich »Ungarn. Zu den jüngsten Mtt- theilungen über Ungehorsamsbekundungen ungari scher Reservisten wird au- Pest noch gemeldet: Nach- dem jene Reservisten, die statt »hier* sich ungarisch mit „jelen" bei der kürzlich stattgehabten Kontrol- versammlung gemeldet hatten, militärbehördlich bestraft worden waren, veranstalteten UniVersitätSstudenten eine Protestversammlung. (Also bewahrheitet sich die Nach richt von ihrer Begnadigung durch den Kaiser nicht.) 2000 Studenten nahmen nach mehreren Reden unter stürmischen Rufen „Abzug, Szell!" „An die Laterne mit Krteghammer" eine Resolution an, welche den Vor gang der Militärbehörden und ebenso deS Minister präsidenten als LandeLverrath bezeichnet. Die Stu denten zogen dann zum liberalen Klub und demonstrirten dort; Rufe „An die Laterne mit Szell und Krieg. Hammer" wurden laut, bis ein große- Polizeiaufgebot sie zerstreute und mehrere Verhaftungen vornahm. Diese Studentenkundgebung fand an mehreren Tagen Fortsetzungen. Biele Hunderte Studenten und eine große Menschenmenge zogen u. A. am Dienstag vor den Klub der UnabhängigkeitSpartei, wo Rufe: „Abzug Regierung!" auSgrbracht und Kossuth. Lieder gesungen wurden. Koffuth richtete eine Ansprache an die Menge. Ein weiterer Umzug der Massen durch die Straßen wurde wiederum durch energische- Einschreiten der Polizei verhindert, welche jetzt sieben Verhaftungen vornahm. Großbritannien. Daß eine Intervention der europäischen Großmächte bei dem südafrikanischen Kriege bi« aus Weiteres nicht mehr zr^ erwarten ist, dürste jetzt seststehen; umsomehr wird gemeldet von internationalen Aktionen allgemeiner Art, besonder- einer Emancipation der Verkehrswege nach Südafrika von der ausschließlichen englischen Kontrole. In Lon doner diplomatischen Kreisen verlautet, daß der deutsche, der österreichische, der russische, der italienische, der Keuilleton. Ein Grafengeschlecht. Roman von B. Corony. (Nachdruck verboten.) (L6. Fortsetzung.) In der Einsamkeit ihres ZimmerchenS fragte sie sich, wie sie das ertragen sollte, was früher oder Wer kommen mußte und härmte sich in beständigem Zwiespalt mit ihrer eigenen Seele, mit ihrem Groll uod ihrer Liebe. Leo und Natalie überhäuften sie mit Beweisen i Mger Fürsorge. Sle thaten, woS nur treusorgende ! klettern thun konnten und Alexandra fühlte oft tiefe 1 Rührung und Dankbarkeit, wehrte sich aber dagegen, als wäre diese Empfindung verdammenSwerthe Schwäche gewesen. Sie war tief unglücklich. Kein Tag verging, ohne da- Feuer der Eifersucht zu schüren — der Eisersucht auf Margot, die L'ebliche, Sanfte. Und eben deshalb konnte auch die junge Griechin nickt, wie Natalie ge. hofft hatte, günstigen Einfluß auf Fräulein von Plankenstein gewinnen. E« gab etwa- Entfremdende- twischen den Mädchen: Al xavdra'S sorgfältig ver borgene Liebe und ihr Schmerz, daß GiSberth die innige nun Margot geschenkt habe. Nicht um die Welt hätte sie verralhen mögen, bas m ihr vorging und wurde dadurch von Stunde t» Stunde schroffer und unzugänglicher. Kapiul 17. Sonja'S Geisteszustand drohte gänzlich zerrüttet zu werden. Leo glaubte endlich in ihrem eigenen Interesse darauf dringen zu müssen, daß sie in eine Pcivat- nervenanstalt untergebracht würde, traf aber da auf i heftigen Widerstand von Seiten seiner Nichte. „ES geschuht ja sür ihre Sicherheit und weil sie sich nicht länger allein überlassen bleiben darf", ver. ! suchte Natalie zu überreden. „Nern! Freiwillig würde sie niemals gehen und ' ich dulde nicht, daß meine Mutter gezwungen wird", wandte Alexandra leidenschaftlich ein. „Nicht immer ist ihr Geist umnachtet und wen« sie auS diesem Dämmerzustände erwacht, soll sie sich in den gewohnten und ihr lieb gewordenen Räumen finden." Allen Vernunftgründen und Vorstellungen setzte daS junge Mädchen stets dieselbe Antwort entgegen und sollte sie nicht tief verletzt und den Verwandten noch mehr entfremdet werden, fo mußte man vach- geben. ES geschah denn auch-, aber die Dienerstaft im Schlößchen wurde vermehrt und eine verläßliche Wärterin engagirt. Leo und Natalie thaten viel für die Pflege und Behaglichkeit der Einsamen. Sie war von Sorgfalt, ja, sogar von LuxuS umgeben und selbst Attxandra mußte zugestehen, daß man dem geliebtesten und verwöhntesten Fawilienmitgliede nicht mehr bieten könne. Dessenungeachtet trat keine Besserung im Befinden der Kranken ein. Ihre Gedanken wurden immer wirrer, ihre Wahnvorstellungen nahmen eine neue Form I an. Sie hatte gänzlich vergessen, daß Günther ge storben war. DaS einstige gierige Warten auf seine Rüökehr begann von Neuem und versetzte sie wieder in jene längst vergangene Zeit erbitterten Kampfe- mit den Schloßbewohnero, die sie al- zwischen ihr und dem Fernen stehend, als die Ursache, daß er immer noch nicht kam, um sie zu holen, betrachtete. Priska versuchte ihr daS au-zureden, aber da sie dadurch nur io hochgradige Aufregung versetzt wurde, verbot die Wärterin, Emilie Serötter, alle derartigen Gespräche mit den Worten: „Da- reizt sie nur und hilft nicht-. Da ist überhaupt nichts mehr zu ändern und zu verbessern. Man darf ihr nicht widersprechen." Die Dienerin gehorchte. Auch Alexandra mußte eS aufgeben, die Mutter zu überzeugen. An diefem geknickten Leben war wirk lich nichts mehr aufzurichten. Aber mit finsterem Groll, der durch das eigene Leid noch gesteigert wurde, verglich da- Mädchen die tröst- und hoffnungslose Vereinsamung der Wittwe mit dem heiteren, schönen Familienleben, das im Schlosse herrschte. Margot war der allgemeine, verhätschelte Liebling geworden und selbst so sroh, so glücklich. Wre eine Lerche trillernd, flatterte sie umher, w e ein zärtliche- Kätzchen umschmeichelte sie die Gräfin und den Majorat-Herrn und daS geschah ohne Berechnung. Es war die Kundgebung eine- unschuldigen, dankbaren Herzens. Wenn ihr Helle-, kindliche- Lachen ertönte, lachte man unwillkürlich mit, w.nn auch ost ohne zu w.ffen, über wa« und dabei war ein so süßer Zauber holder Reinheit über da« ganze, quecksilberne Figürchen gebreitet.