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Jimilag, Nr. 8. 28. Januar 1868. Sächsische UmsMmg. DretS r vierteljährlich L2'/»Rgr. Zu Anstalten. Nenstadt- DreSde«, tn der Expedi tion, N.Meißn. Gaffe Rr. S, zu Haden. beziehen durch § alle kgl. Post, Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Erscheint jeden Dienstag und Freitag früh. Redigirt unter Verantwortlichkeit des Verlegers C. Heinrich. Politische Weltschan. Deutschland. Aus den Verhandlungen des letzten Reichs- tages wird unseren Lesern noch erinnerlich sein, daß die norddeutsche Bundesgesetzgebung auch auf das Hypothekenwesen ausge dehnt werden soll. Der Bundeskanzler machte damals noch die Bemerkung, daß es ihm trotz seiner einflußreichen Stellung in Preußen nicht möglich gewesen sei, eine Reform der Hypotheken gesetzgebung durchzusetzen, aber er hoffe, dies Ziel auf dem Wege der Bundesgesetzgebung schneller und sicherer zu erreichen. Wie jetzt die „Nordd. Allg. Ztg." mittheilt, ist der Entwurf einer „Grundbuchordnung für das Gebiet des norddeutschen Bundes" erschienen. Durch denselben soll vorläufig die Diskussion über diesen Gegenstand angeregt werden, denn dem Entwurf sei aus drücklich die Erklärung beigefügt, daß die Annahme einer allge meinen Grundbuchordnung für das Gebiet des norddeutschen Bundes innerhalb der nächsten Jahre nicht zu erwarten stehe. Die Hauptpunkte des Entwurfes sind folgende: 1) Herstel lung besonderer Hypotheken-Aemter, also die Ueber- tragung der bisher von den Gerichten verwalteten Geschäfte auf andere selbständig organisirte Behörden. Die Eintragungen sollen von rechtskundiger, nicht aber von richterlicher Hand bewirkt werden, um dadurch rascher und leichter von Statten zu gehen; die „Buchbeamten", wie die Verwalter des Hypothekengeschäfts in dem Entwurf genannt sind, sollen einen Ueberschuß von Zeit behalten, der ihnen die Uebernahme auch anderer Geschäfte, namentlich einer gewissen Bankthätigkeit ermöglicht. Hiermit steht 2) die Beseitigung des Legalitäts-Prinzips im Zusammenhänge. Eintragungen dürfen nur geschehen, entweder auf Antrag desjenigen, gegen den sie wirken, oder auf gerichtliche Requisition; das Amt hat nur zu prüfen, ob der Antrag auf juristisch Mögliches gerichtet ist, ob der Antragsteller derjenige ist, gegen den die Eintragung wirken wird, und ob derselbe fähig ist, seinen Consens giltig zu erklären; im andern Falle, ob die Re quisition eine gerichtliche, äußerlich fehlerlose ist." 3) Die Publizität wird strenger durchgeführt, als bisher. „Es muß Realforderungen geben, die ganz und gar dem Publizitätsprinzip entsprechen, also nicht mehr Annexe von Personalforderungen sind." Dies trägt 4) zur Erleichterung der Uebertragungen bei. Diese — und das ist die wichtigste der empfohlenen Neuerungen — sollen nur ausnahmsweise durch das Buch geschehen; regelmäßig durch den dem Inhalt des Buches entsprechenden Schein, der als Ordrepapier oder Jnhaberpapier weiter zu geben ist. — Der Entwurf unterscheidet „Hypothekenbriefe" und „Grund schuldbriefe", erstere werden auf den Namen des Gläubigers, die letzteren auf den Namen des Eigen thümers oder In habers ausgestellt. Die Bestimmungen über die Bank thätigkeit fehlen in dem Entwürfe, sie gehören, wie die Motive sagen, nicht in das Gesetz, sondern in ein besonderes Statut, dem sich dann die gesetzlichen Bestimmungen anzupassen haben. Diese würden vor Anderm betreffen: den Gerichtsstand der Buch ämter, die Art der Klagen wider dieselben aus Schuldbriefen und Coupons, welches Buchamt die Klage aufzunehmen hätte, die zulässigen Einreden, die Rechtsmittel des Buchamtes wider Eigenthümer und Grundstücke. Mit der Bankthätigkeit, die den Dreißigster Jahrgang. I. Quartal. Aemtern überwiesen werden soll, hängt die Errichtung einer Centralstelle in Berlin zur Verwaltung des gesammten Grundbuchwesens zusammen; jeder Kreis und jede größere Stadt sollen jedoch ihr Grundbuchamt erhalten, welches mit dem „Buch amtmann" in der Person eines zum Richteramt qualifizirten Vorstehers und dem erforderlichen Unterpersonal zu besetzen ist. Die Bestellung dieser Beamten geschieht von der Centralstelle, nachdem dieselbe die Vorschläge der Kreistage, resp. der Stadt verordneten - Versammlungen entgegen genommen hat. Das Appellationsgericht des Bezirks entscheidet über Beschwerden, die sich auf Rechtsverletzungen seitens des Buchamts stützen, über alle andern die Centralstelle. Preußen. Das Abgeordnetenhaus beschäftigte sich in den letzten Tagen mit der Berathung über den Etat des Kultus - ministeriums, wobei, wie seit Jahren, gar mancherlei gerechte Klagen laut wurden. Der greise Abg. Harkort, der stets ein warmes Herz für die Bildung des Volkes gehabt, schrieb die Erfolge des Jahres 1866 nicht allein der Armee, sondern haupt sächlich der Volksschule zu. Die Feldherrn hätten 1^ Millionen Thlr. Dotationen bekommen, für die Volksschule sei dagegen für das Jahr 1868 weniger angesetzt, als im Jahre 1867. — Abg. Graf Renard lenkte die Aufmerksamkeit des Hauses auf den schlechten Stand der Bildung in Oberschlesien. Es trage die Schuld daran der gänzliche Mangel an ausreichenden Lehrkräften; allein in dem Regierungsbezirk Oppeln fehlten mehr alv 300 Lehrer. Infolge dessen seien mehr als 30,000 Kinder ohne aus reichenden Unterricht. Für die große Zahl der Kinder ge nügten die geringen Lehrkräfte etwa ebenso, wie für einen Hungern den ein Potsdamer Theezwieback (Heiterkeit). Für Hundert und einige Thaler könne man übrigens auch keine genügenden Lehrer bekommen. Der geistige Nothstand in Oberschlesien sei aber so groß, wie der physische in Ostpreußen; er müsse dringend, bitten, sich der geistigen Noth der oberschlesischen Länder anzunehmen (lebhaftes Bravo). — Leider werden solche Klagen seit Jahren vergeblich erhoben, und so lange das gegenwärtige Regime besteht, ist kaum an eine Besserung zu denken, denn je weniger aufge klärt, desto besser regiert es sich über das Volk. Darauf scheinen wenigstens die preußischen Schul-Regulative berechnet zu sein, die soviel wie möglich das selbständige Denken aus der Schule entfernt und an deren Stelle leeren Gedächtnißkram gesetzt haben. — Im Herren Hause ist ein Antrag wegen Bildung eines „Landtagsgerichts" eingebracht worden. Die Antragsteller wollen diesen Gerichtshof dazu errichtet wissen, um über den Mißbrauch der Redefreiheit in beiden Häusern des Landtags zu entscheiden. Falls derselbe zur Annahme gelangt, wollen wir weitere Mit- theilungen darüber machen. — Daß an dem Noth stände in Ostpreußen die reaktionäre Musterwirthschaft große Schuld tragt, die man dort zur Niederhaltung der liberalen Elemente seit Jahren etablirt hat, liegt ganz außer Zweifel; daß man aber heut, wo die Hungernden ihre Hände nach Brot ausstrecken, die gesammelten Gaben der Mildthätigkeit nach politischen Rück sichten vertheilt, ist eine so namenlose Schmach, daß uns zu ihrer Bezeichnung die richtigen Worte fehlen. Man höre! Am18.d.M. haben eine Anzahl Bürger der Stadt Gumbinnen an die Königin Augusta eine Vorstellung gerichtet, in welcher es s